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III. Hans Holbein.

 

1.

Holbein wurde 1498 in Augsburg geboren, war also 27 Jahre jünger als Dürer. Auch sein Vater war ein Maler, der den Knaben früh zur Malerkunst anhielt. Nachdem der alte Holbein an verschiedenen Orten gewesen war, ließ er sich endlich in Basel nieder und hier zeichnete sich der Jüngling bald so aus, daß ihm der Magistrat den Auftrag gab, die Wände des Rathhauses inwendig und auswendig mit Malereien zu schmücken. Davon ist aber fast gar nichts mehr vorhanden, weil die Feuchtigkeit Alles unscheinbar gemacht hat. In seiner Jugend hatte Holbein wenig zu leben und mußte daher jede Arbeit, die ihm aufgetragen wurde, annehmen. Man zeigt in Basel noch ein Aushängeschild, das er für einen Schulmeister malte; oben ist eine Schulstube mit Kindern und erwachsenen Schülern dargestellt und darunter die Einladung zum Eintreten. Auch Häuser hat er oft bemalt, denn damals war es üblich, die ganze Vorderseite der Häuser mit allerhand Bildern und Geschichten zu verzieren. So gab ihm einst ein Apotheker den Auftrag, sein Haus auswärts mit dergleichen Bildern zu versehen. Holbein machte dazu ein Gerüste und verhängte dies so, daß man von außen nur seine beim Sitzen herabhängenden Beine wahrnehmen konnte. Zuweilen wurde indeß dem Maler die Zeit lang, und da er ein lebenslustiger Jüngling war, so schlich er dann und wann nach einem benachbarten Weinhause. Aber der Apotheker, wenn er die Beine nicht mehr sah, wurde unwillig und schalt über die Versäumniß. Was that nun Holbein? Er malte seine herabhängenden Beine auf die Wand und zwar so natürlich, daß der Apotheker lange dadurch getäuscht wurde. Uebrigens verstand Holbein außer der Malerei auch das Form- und Holzschneiden und seine Holzschnitte werden noch jetzt sehr geschätzt.

Etwas unbesonnen muß er in der Jugend gewesen sein, denn er heirathete ohne Ueberlegung, als er kaum 20 Jahre alt war und noch gar keine sichern Einkünfte hatte, um ein Hauswesen einrichten zu können. Es ging ihm in der Ehe nicht viel besser als dem Albrecht Dürer. Seine Frau war weder schön an Körper noch freundlichen Gemüths, dazu viel älter als er. Da der junge Künstler in Basel schlecht bezahlt wurde und nicht genug Arbeit fand, machte er sich auf, um als wandernder Maler sich Geld zu verdienen. Er reiste in der Schweiz und in Schwaben umher und bemalte die Häuser reicher Leute von innen und von außen.

Eine wichtige Bekanntschaft machte Holbein nach seiner Zurückkunft in Basel. Der berühmte Erasmus von Rotterdam, einer der witzigsten und gelehrtesten Köpfe jener Zeit, gewann den jungen Künstler lieb, obgleich sie an Alter zu verschieden waren, um vertraute Freunde zu werden. Einstmals fiel dem Maler des Erasmus kleine Schrift, »Lob der Narrheit« in die Hände. Er fand das Buch sehr ergötzlich und versah es am Rande mit 83 schönen Federzeichnungen. Als man die Arbeit dem Erasmus brachte, freute sich dieser sehr darüber und bat den Maler, die Figuren in Holz zu schneiden. Das geschah und nun wurde das Buch bei jeder neuen Auflage mit Holzschnitten von Holbein versehen. Sowie Lukas Kranach die Bilder Luthers und Melanchthons unzählige Mal vervielfältigt hat, so hat Hans Holbein den Erasmus vielfältig gemalt.

 

2.

So beliebt auch Holbein durch seine Kunst bereits in und um Basel geworden war, so war doch sein Einkommen noch höchst spärlich. Zugleich hatte er bei seinem zänkischen Weibe wenig Freude. Daher war ihm der Antrag eines englischen Großen, der durch Basel reiste und den Maler kennen lernte, ganz recht. Der Engländer redete ihm zu, sein Glück in England zu versuchen. Nun hatte Holbein freilich Kinder daheim; das machte ihm aber wenig Kummer, wie ihm denn überhaupt der sanfte, liebenswürdige Charakter des guten Dürer ganz fehlte. Er hatte mehr Sinn für die Freuden der Welt und die glaubte er eher in England als in Basel am Hungertische und an der Seite seiner bösen Frau zu finden. So ließ er denn seine vorräthigen Gemälde seiner Frau zurück, damit diese nicht ganz von Hülfsmitteln entblößt sei, versah sich dann mit Empfehlungsschreiben, die ihm sein Freund Erasmus gern ausstellte, und reiste 1526, 28 Jahr alt, mit fröhlichem Muthe von Basel ab. Wovon unterwegs leben? das kümmerte ihn nicht, denn er vertraute der Geschicklichkeit seiner Hand und der Tugend des Pinsels.

In Straßburg soll sich mit ihm ein ähnlicher Spaß, wie der oben von Dürer erzählte, zugetragen haben. Er ging nämlich, da es ihm an Geld fehlte, zu dem ersten Maler der Stadt und bat um Arbeit, ohne aber seinen Namen zu sagen. Der Maler verlangte eine Probe seiner Geschicklichkeit und da malte Holbein, während jener ausgegangen war, auf die Stirn eines halbvollendeten Kopfes eine Fliege. Als der Maler nach Hause kam, wollte er die Fliege wegjagen, fand aber zu seinem Erstaunen, daß sie gemalt war. Sogleich schickte er in der ganzen Stadt umher, den Fremden, der sich bereits entfernt hatte, wieder zu holen. Aber Holbein war schon abgereist. Nachdem Holbein durch die Niederlande gereist war, kam er glücklich über den Kanal nach London und ging zum berühmten Kanzler Thomas Morus, an welchen ihm Erasmus einen Empfehlungsbrief mitgegeben hatte. In dem Hause des Kanzlers wurde er sehr freundlich ausgenommen; hier übte er sich im Englischen, lernte die englischen Sitten, um sich öffentlich mit Anstand zeigen zu können, und malte für seinen freundlichen Hauswirth viel treffliche Stücke. Einst fragte ihn Morus, wie der englische Herr geheißen, der ihn zur Reise nach England aufgemuntert habe? »Ich weiß es nicht,« antwortete Holbein, »aber seine Züge sind mir noch gegenwärtig.« Und nun malte er sogleich das Bild des Reisenden auf eine Tafel mit so trefflicher Aehnlichkeit, daß Morus sogleich ausrief: »Das ist der Graf Arundel.«

 

3.

König Heinrich VIII. pflegte den Kanzler öfters auf seinem Landhause zu besuchen. Einst kam er auch und Morus führte ihn in die Halle, deren Wände mit den Gemälden Holbein's ganz bedeckt waren. Der König, ein Freund der Kunst, erstaunte, denn so etwas Herrliches hatte er nie gesehen. »Lebt der Künstler noch« – fragte er – »und ist er für Geld zu haben?« – »Er wohnt bei mir, Sire,« antwortete Morus, »und die ganze Sammlung steht Ew. Majestät zu Diensten.« – Sogleich wurde Holbein geholt und dem Könige vorgestellt, der ihn sofort in seine Dienste nahm. »Nun ich den Meister habe,« sagte der König, »bedarf ich dieser Bilder nicht; er soll mich schon befriedigen.«

Es begann jetzt für Holbein ein ganz neues Leben. Der früher so arme Baseler Maler, der froh war, wenn er Häuser und Aushängeschilder zu malen hatte, wohnte nun im königlichen Schlosse, bekam einen festen Gehalt und wurde außerdem noch für jedes Gemälde besonders bezahlt. Er war jetzt ein feiner Weltmann geworden und wurde von allen Großen eifrig gesucht. Obgleich damals in England kein Mangel an geschickten Malern war, so erkannten doch Alle dem Hans Holbein den ersten Rang zu, denn er malte getreu nach der Natur; so klar und schön, daß Jeder von seinen Bildern angezogen ward. In wie großer Gunst Holbein bei dem Könige selber stand, zeigt folgender Vorfall. Eines Tages, als Holbein mit einer geheimzuhaltenden Arbeit für den König beschäftigt war, kam ein englischer Graf und verlangte seine Arbeit zu sehen. Holbein wollte die Thür nicht ausmachen und wies den Lord erst mit guten Worten zurück. Da sich aber dieser hierdurch beleidigt fühlte, so kam es bald zu heftigem Wortwechsel, der sich damit endigte, daß der äußerst ausgebrachte Lord die Thür mit Gewalt zu erbrechen begann. Das war dem Maler zu arg. Voll Zorn sprang er heraus und stieß den Lord die Treppe hinunter, merkte aber aus den Klagetönen des Gefallenen und aus dem Lärme der herbeieilenden Bedienten, daß es nicht ohne Beschädigung abgelaufen sei. Erschrocken kehrte er in sein Zimmer zurück, verriegelte die Thür und flüchtete sich durch's Fenster über ein Dach aus dem Hause. Dann eilte er geraden Weges zum König, erzählte den Vorfall und bat um Gnade. »Ich will dir verzeihen,« antwortete dieser gnädig, »wenn du den Grafen um Verzeihung bittest.« Das versprach Holbein und wurde, da man eben die Stimme des Grafen hörte, in ein Nebenzimmer gebracht. Mit verbundenem Kopfe und kläglichem Gesicht trat der beleidigte Engländer ein und bat um strenge Bestrafung des Schuldigen. »Beruhige dich,« sprach der König, »und sei mit der Abbitte des Malers und dem scharfen Verweise zufrieden, den er in deiner Gegenwart erhalten soll.« Der Lord, der eine ganz andere Genugthuung für einen Mann seines Standes erwartet hatte, vergaß sich so sehr, daß er drohete, er würde sich selbst Recht verschaffen. Aber einen größeren Dienst hätte er dem bedrängten Maler nicht leisten können, denn der heftige König konnte keinen Widerspruch ertragen und gerieth daher in großen Zorn. »Nun hast du es mit mir zu thun,« rief er mit funkelnden Augen; »geh' und denke daran, daß du jede Beleidigung, welche du dem Maler zufügen wirst, meiner eigenen Person anthust. Ich kann aus sieben Bauern sieben Lords machen, aber aus sieben Lords nicht einen Holbein!«

 

4.

Nachdem Holbein drei Jahre lang in England verweilt hatte, reiste er auf Besuch nach Basel, um sein Weib und seine Kinder zu sehen. Zugleich schickte Morus seinem Freunde Erasmus ein Gemälde, seine Familie vorstellend, von Holbein gemalt, worüber der Beschenkte große Freude hatte. »Ich habe keine Worte,« schrieb er an des Kanzlers Tochter zurück, »meiner Freundin, der Zierde Britanniens, die Freude zu schildern, die mir der Familienverein gemacht hat, den Holbein's Meisterhand so glücklich mir vor Augen stellt, daß ich sie Alle, als wäre ich mitten unter ihnen, erkannt und mich zurückgesehnt habe nach dem unvergeßlichen Hause, dem ich so viel Glück und Ruhm schuldig bin!«

Viele, die den armen Maler früher über die Schultern angesehen hatten, drängten sich jetzt an den berühmten, von Königen und Fürsten geehrten Holbein, wurden aber nun etwas kalt abgefertigt. Auch diesmal reiste er wieder ohne Frau und Kinder ab. Daß er lieber ohne seine Frau nach London ging, war natürlich, und seine Kinder hätte er ohnedies, da er selten zu Hause arbeitete, nicht erziehen können. Da er aber noch immer ein Bürger in Basel war und ein solcher nicht ohne Erlaubnis des Rathes abwesend sein durfte, so erhielt er nur aus einige Jahre Urlaub. Wie sehr man jetzt seinen Werth in Basel zu schätzen begann, geht daraus hervor, daß ihm der Rath 50 Gulden Wartegeld aussetzte und außerdem seiner Frau alle Jahre 40 Gulden zahlte. Dennoch blieb Holbein in London und besuchte Basel nur noch zwei Mal auf kurze Zeit.

Auch nach Heinrich's VIII. (1547) erfolgtem Tode stand Holbein bei seinem Sohne und Nachfolger Eduard VI. in großen Gnaden. Als dieser aber schon nach sechs Jahren starb und die katholische Maria, Heinrich's älteste Tochter, Königin wurde, die Alle, welche nicht Katholiken waren, haßte: da ward auch Holbein genöthigt, sich vom Hofe zurückzuziehen, denn er war der Reformation zugethan. Er starb 1554 in London an der Pest, in einem Alter von 56 Jahren.


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