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V. Die freien Maurer.

In den Städten blüheten Künste und Handwerke und beide waren auf das Innigste mit einander verbunden. Am erhabensten offenbarte sich dies in der Baukunst. In ihr lebte noch der religiöse Sinn des deutschen Volkes; der sogenannte gothische Baustyl mit seinen kühnen Spitzbogen ist aus deutschem, christlichem Gemüthe entsprungen; wie das Christenthum stets nach Oben weist, von dem Irdischen emporstrebt zum Himmlischen, so überwindet auch der Spitzbogen die irdische Schwere, schließt sich nicht wie der arabische Rundbogen zufrieden mit den Freuden dieser Erde zur Erde sich krümmend ab. Diese Säulen, Pfeiler und Thürme wachsen schlank wie die Palmen zum Licht hervor, die Steine selber sind zu lebendigen Blüthen und Blättern geworden. Die Rose in Fenstern, Thüren, Säulenverzierungen und von ihr getragen oder zu ihr ausblühend das Kreuz – das sind die Grundformen, die in den mannigfaltigsten Gestalten wiederkehren. Die Rose ist das volle blühende Leben, das Kreuz ist aber der himmlische Sinn, der alle Erdenherrlichkeit für gering achtet, um das ewige Leben zu gewinnen. Ein Kreuz in der Rundung der Rose war das allgemeine Zeichen der Gottheit im Mittelalter.

Aber nicht bloß die Kirchen, sondern auch die Burgen, Paläste, Rathhäuser und andere öffentliche Gebäude trugen das Gepräge des kirchlichen Baustyls. Heutzutage, wenn wir jene Werke anschauen, begreifen wir's kaum, wie es möglich war, sie so riesenhaft und erhaben im Ganzen, so zierlich und lieblich im Einzelnen, so rein nach einem Grundgedanken und doch wieder so mannigfaltig in den einzelnen Theilen zu Stande zu bringen. Dies war nur dadurch möglich, daß die Kräfte derer, welche sie schufen, zu einer großen Verbrüderung sich zusammenfanden, in welcher die tiefen Geheimnisse der Kunst sorgsam gepflegt wurden und von Geschlecht zu Geschlecht sich forterbten. Tausend und aber tausend kunstbegabte Hände setzten ihr ganzes Leben daran, um das rohe Gestein nach dem Gedanken des Geistes zu zwingen; kein Meister wollte eigensinnig für sich etwas sein und hervorbringen; sondern er arbeitete fort im Sinne und Geist seines Vorgängers. – Jeder war stolz auf das Werk, nicht auf seinen Namen. Die Innungen und Gilden des Mittelalters wirkten alle mit vereinten Kräften und der Einzelne war nur groß im Ganzen. Zur edlen Baukunst durften aber nur freie Meister und Gesellen; ihre Genossen hießen die freien Maurer und ihre Kunst die königliche. Bei jedem großen Bauwerk war eine Bauhütte, in welcher die freien Maurer ihre Geheimnisse pflegten. Solcher großen Bauhütten waren vier: in Köln, Straßburg, Zürich und Wien. Die Zunft der Maurer und Steinmetzen bewahrte erblich ihre Geheimnisse und genoß große Vorrechte.

Das größte der Wunderstücke mittelalterlicher Baukunst ist der Dom zu Köln. Am 15. August 1248, unter dem gewaltigen Erzbischof Konrad von Hochstaden, wurde der Grund gelegt; der hohe Chor, dessen Höhe 150 Fuß mißt, ward 1320 vollendet und 1321 eingeweiht. Das große Werk ist unvollendet geblieben, keiner seiner Thürme ist ausgebaut und doch ragt es über alle Gebäude der Welt hervor und übertrifft alle an innerer Vortrefflichkeit und Kunst.

Nächst dem Kölner Dom ist vor Allem berühmt das Straßburger Münster Wie das Wort »Dom« von dem lateinischen domus (Haus) stammt, so das Wort »Münster« von monasterium (Kloster). Es bedeutet also ursprünglich einen abgeschlossenen Ort, wo Mönche zusammenleben. Dann nannte man einige hohe Stiftskirchen oder Kathedralen »Münster«, weil ehemals die Geistlichen und Stiftspersonen bei selbigen unter einer gewissen Regel ( canon – davon canonici) gleich den Mönchen zusammen lebten. mit seinem Riesenthurm von 490 Fuß Höhe, an welchem 161 Jahre gearbeitet wurde. Den Bau dieses herrlichen Werkes leitete seit 1277 der wackere Meister Erwin von Steinbach, einem Städtchen in Baden, der im Jahre 1318 starb. Er hatte eine Tochter Sabina, welche viele schöne Steinbilder von Heiligen aus Stein meißelte, während der Vater des Baues pflegte. Der Sohn Johannes setzte das Werk des Vaters fort und seine kunstreiche Schwester unterstützte ihn dabei. Von ihrer Hand ist das schöne Sinnbild an dem Portal bei den Graden (beim Uhrwerk) gehauen. Hier ist zur rechten Hand die christliche Kirche durch eine gekrönte Jungfrau dargestellt, die in der Linken das Kreuz und in der Rechten den Kelch hält; links aber die jüdische Synagoge, als ein Frauenbild mit herabgesenktem Haupt und verbundenen Augen, die in der rechten Hand einen zerbrochenen Pfeil und in der linken die Gesetztafeln Mosis hält, indem ihr die Krone zu den Füßen herabfällt. Zu beiden Seiten stehen die zwölf Apostel. Auch Johann von Steinbach erlebte die Vollendung dieses Werkes nicht und erst im Jahre 1438 wurde es durch Johann Hülz von Köln vollendet.


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