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1. Die Theilung der Herrschaft im römischen Reich.
Diokletian, streng als Gesetzgeber und Herrscher (er regierte von 284 bis 305, wo er freiwillig die Krone niederlegte), religiös, aber auch noch ganz dem heidnischen Aberglauben ergeben und darum ein Feind der Christen, die er verfolgen ließ – hatte dem ohnehin zum Schatten gewordenen römischen Senate völlig ein Ende gemacht, sich zum Alleinherrscher des gesammten römischen Reiches erklärt und seine Stirn mit dem orientalischen Diadem geschmückt; aber auch, weil er zuerst Mitregenten annahm, die spätere Theilung des übergroßen Reiches angebahnt. Sein Mitregent Maximianus, der wie er selbst den Titel Augustus führte, übernahm die Westhälfte; Diokletian, der seine Residenz in Nikomedia (Kleinasien) aufschlug, den östlichen Theil des Reichs. Maximian hatte seinen Sitz in Mailand genommen, und regierte von hier aus Italien, Gallien, Spanien und Afrika. Doch dünkte Beiden die Aufgabe immer noch zu schwer und so nahmen sie im Jahre 292 noch jeder einen Reichsgehilfen (mit dem Titel Cäsar) an; nämlich Diokletian den Galerius, welchem er Griechenland, Thracien und die Donauländer überließ, und Maximian den Konstantius Chlorus. Dieser war der Vater Konstantin's; er verwaltete Gallien und Spanien als ein menschenfreundlicher und kluger Regent, der die Christen, so viel er vermochte, schonte, und christliche Bischöfe und Priester öfters zur Tafel zog.
Wie bei dem Vater war auch bei dem Sohne der Glaube an die heidnischen Götter nicht mehr so fest, daß Konstantin nicht hätte auch dem unsichtbaren Christengotte, der sich trotz allen blutigen Verfolgungen seiner Bekenner als unbesiegbare Macht erwiesen hatte, große Aufmerksamkeit, wenn auch noch keine Verehrung schenken sollen. Aber die politischen Verhältnisse des schon in sich zerrütteten Reiches, der Kampf gegen die Mitregenten und die Erfahrung, wie christliche Soldaten die tapfersten Helden waren und das Zeichen des Kreuzes alle Beschwörungen und Opfer der heidnischen Priester zunichte machten, brachten Konstantin zu dem großen Entschluß, mit Hülfe der neuen Religion alle seine Widersacher zu vernichten und sich selbst zum Alleinherrscher des neugefestigten Reiches zu machen. Und es gelang dem staatsklugen Manne, der leider auch keine Treulosigkeit und Schlechtigkeit verschmähete, um zum Ziele zu kommen. Auch sein Schwager und Mitkaiser Licinius ward von ihm besiegt. Das Christenthum ward Staatsreligion, die armen verfolgten Christianer gelangten zu Ansehen und Würden, der unterdrückte Glaube ward Herrscher, prächtige Kirchen erhoben sich und ein glänzender Gottesdienst ward eingerichtet, besorgt von einer Menge von Geistlichen, die sich in allerlei Rangstufen gliederten.
Die wunderbare Umwandlung geschah im Licht der frommen Sage (Legende) nach Eusebius also.
2. Die Fahne des Kreuzes.
Als Konstantin der Große im Jahre 312 von Gallien aus gen Rom zog, wo sich der Sohn des Maximin, Maxentius, zum Kaiser aufgeworfen hatte: so überlegte er lange bei sich selbst, welche Gottheit er zu seinem Führer und Beschützer wählen sollte. Er erwog, daß die meisten seiner Vorgänger, die auf eine Menge Götter gebaut und sie durch Opfer und Gaben verehrt hatten, ermordet worden waren; daß dagegen sein Vater, der den einzigen Gott verehrte, stets glücklich gewesen wäre. Gegen die zauberischen Künste des Maxentius – so meinte er ferner – würden die vielen Götter nichts vermögen, da könne nur der eine wahre Gott helfen. So wendete er sich denn nun an diesen Gott und bat ihn demüthigst, er möchte sich ihm doch zu erkennen geben und ihm bei dem gegenwärtigen Unternehmen beistehen. Und Gott erhörte sein Gebet und offenbarte sich ihm, wie einst dem betenden Moses, durch eine himmlische Erscheinung.
Als Konstantin, noch in Gallien, an der Spitze seines Heeres dahin zog, zeigte sich Nachmittags, da sich die Sonne schon gegen Abend neigte, über derselben das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Lichtstrahlen gebildet, mit der Aufschrift: »Durch dieses wirst du siegen!« Solche Erscheinung setzte ihn und sein ganzes Heer, das Zeuge derselben war, in außerordentliches Erstaunen. Jedoch wußte er noch nicht, wie er das Bild zu deuten hätte, und die Nacht überraschte ihn bei seinem Nachsinnen und Zweifeln. Da bot sich ihm eine andere Erscheinung dar. Jesus Christus trat zu ihm im Traum mit demselben Zeichen, das er wachend am Himmel gesehen hatte, und befahl ihm, eine Fahne, ähnlich jener himmlischen Erscheinung, verfertigen und sie als Zeichen des Sieges in allen Kriegen vor dem Heere tragen zu lassen.
Am folgenden Morgen benachrichtigte Konstantin seine Freunde von diesem Traumgesicht, ließ dann alle Künstler, die in Gold und Edelsteinen arbeiteten, zu sich kommen, und befahl ihnen, eine Fahne ganz der Beschreibung gemäß, die er ihnen davon machte, zu verfertigen.
So entstand die Fahne des Kreuzes, »Labarum« genannt – eine große mit Goldblech bedeckte Stange, durch die ein Querbalken in Gestalt eines Kreuzes ging. An der Spitze war eine Krone von Gold und Edelsteinen befestigt, welche die beiden in einander geschlungenen griechischen Anfangsbuchstaben des Namens Christus in sich schloß. An dem Querbalken hing ein viereckiges seidenes Fahnentuch, purpurfarbig mit Gold durchwirkt und mit Edelsteinen besetzt. Ueber demselben, gleich unter dem Zeichen des Kreuzes, sah man die Bilder des Kaisers und seiner Söhne. Diese ebenso kostbare als glänzende Fahne gebrauchte Konstantin in allen seinen Kriegen als ein Mittel der Sicherheit und des Sieges. Fünfzig Soldaten der Leibwache, ausgezeichnet durch Körperkraft und frommen Sinn, hatten kein anderes Geschäft, als sie zu bewachen und einander im Tragen derselben abzulösen, und wer sie trug oder nur mit ihrem Dienste beschäftigt war, hatte, wie Konstantin selber versicherte, mitten unter den Pfeilen der Feinde keine Gefahr oder Verwundung zu fürchten. Wo sich die Fahne des Kreuzes zeigte, wurden die Feinde in die Flucht getrieben. Als Konstantin dieses merkte, ließ er diese Fahne immer dahin tragen, wo die größte Gefahr war, und er konnte mit Zuversicht auf einen glänzenden Sieg rechnen, indem die Kraft dieses göttlichen Zeichens alle Soldaten mit neuem Muth belebte.
Auch befahl Konstantin, daß nach dem Muster dieser Fahne mehrere ganz ähnliche verfertigt werden sollten für diejenigen seiner Heere, die er persönlich nicht anführen konnte. So hatte auch einst König Numa, als ihm – der Sage nach – ein Schild ( Ancile) vom Himmel gefallen war, auf dessen Erhaltung die Sicherheit des römischen Reiches beruhen sollte, befohlen, daß eilf andere diesem ganz ähnliche Schilde verfertigt werden sollten, damit der ächte nicht gestohlen würde.
Konstantin traf mit dem Heere des Maxentius zusammen und erfocht einen vollständigen Sieg. Fortan ließ er sich christliche Lehrer kommen, die ihm erklärten, warum der Sohn Gottes Mensch geworden und gestorben wäre. Da verordnete der Kaiser, daß alle seine Staatsdiener und Unterthanen Christen werden sollten.
3. Die Gründung von Konstantinopel.
Die Römer waren sehr unzufrieden mit ihrem Kaiser, daß er Christ geworden war und sie selber zu Christen machen wollte. Sie wollten lieber bei ihren heidnischen Göttern bleiben und von dem unsichtbaren Christengotte nichts wissen. Da beschloß Konstantin, noch eine zweite Hauptstadt zu gründen im Osten seines Reichs, um dasselbe zu schützen gegen die Anfälle der Perser und gleich bei der Hand zu sein, wenn die Gothen, die an der Donau hausten, einen Einfall versuchen sollten. Diese neue Hauptstadt sollte ein neues christliches Rom werden und das alte heidnische Rom an Pracht noch übertreffen.
Konstantin zog aus, um eine passende Stelle für die neue Stadt zu finden. Da fiel ihm Byzantium in die Augen, eine alte und berühmte Stadt an der Meerenge, welche Europa von Asien scheidet und auf einem Vorgebirge gelegen, an dem das Schwarze Meer in das Marmarameer ausmündet. Die Lage zwischen zwei Erdtheilen und zwei Meeren, der fruchtbare Boden, die anmuthige Gegend, die vortreffliche Gelegenheit zur Schifffahrt und zum Handel – das Alles gefiel dem Kaiser und er beschloß, hier die zweite Hauptstadt der von den Römern unterworfenen Welt zu gründen.
Das alte Byzanz war schon eine große Stadt; aber die neue Mauer, welche Konstantin aufführte, war so lang, daß sie von einem Meere zum andern ging. Darauf ward der kaiserliche Palast gebaut, fast eben so groß, als das römische Kapitol, dann die andern großen öffentlichen Gebäude. Die heidnischen Tempel wurden in christliche Kirchen verwandelt, dazu noch mehrere Kirchen neu und prächtig aufgeführt. Die Stadt wurde dem am Kreuze gestorbenen Erlöser geweihet und auch die Bildsäulen des Konstantin und der Helena (seiner Mutter) trugen ein Kreuz in der Hand. In dem schönsten Zimmer seines Palastes ließ der Kaiser ein Kreuz aus Gold und Edelsteinen gebildet an der Decke befestigen. Doch blieb neben dem Christlichen noch viel Heidnisches. So ließ Konstantin auch sein goldenes Standbild zur Verehrung ausstellen. Den Senatoren, die ihm gefolgt waren, bauete er Wohnungen; andere Angesehene, die sich hier ansiedelten, erhielten liegende Gründe in Asien, die Bürger erhielten alle Freiheiten des alten Roms, dem ärmeren Volke wurde Wein, Korn und Oel gespendet. Die Kunstschätze Asiens, Griechenlands und Italiens wurden für die neue Stadt zusammengeplündert; im Jahre 330 n. Chr. ward sie feierlich eingeweiht; Neu-Rom sollte sie heißen, aber sie ward nach ihrem Gründer Konstantinopolis, d. i. Konstantins Stadt, genannt.