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Heinrich IV. (1077 n. Chr.)
1. Heinrich's Jugend.
Der Vater Heinrich's IV. war Heinrich III., ein kräftiger, wackerer Kaiser, aber nur zu herrisch und stolz gegen die Großen des Reichs. Er setzte Herzoge ein und wieder ab, wie es ihm beliebte, drang auch muthig nach Italien, wo damals drei Päpste zu gleicher Zeit regieren wollten, setzte alle drei ab und ließ dreimal hintereinander deutsche Bischöfe zu Päpsten wählen. Seinem Söhnlein Heinrich ließ er schon sechs Wochen nach der Geburt als König huldigen, zur großen Freude der Franken, deren Stamm er angehörte, aber zum Mißfallen der Sachsen, in deren Lande er feste Zwingburgen anlegte. Großes wäre aus dem jungen Prinzen Heinrich geworden, hätte ihn der große Mann erziehen können; aber Heinrich III. starb zu früh, denn Heinrich IV. war erst sechs Jahr alt. Alsbald erhoben die Grafen und Herzoge Deutschlands wieder keck ihr Haupt und waren froh, der lästigen Oberherrschaft des Kaisers entbunden zu sein. Agnes, die Mutter des jungen Kaisers, war eine treffliche Frau und leitete die Erziehung Heinrich's, aber den trotzigen Fürsten gegenüber war sie doch zu schwach. Die großen Herren hielten es unter ihrer Würde, von einer Frau sich regieren zu lassen, und hätten am liebsten den kaiserlichen Knaben selbst in ihrer Gewalt gehabt, um in seinem Namen schalten und walten zu können. Hanno, der Erzbischof von Köln, ein frommer, aber herrschsüchtiger Mann, verband sich mit mehreren weltlichen Fürsten und geistlichen Herren, der Kaiserin die Vormundschaft über ihren Sohn zu entreißen. Er veranstaltete zu Kaiserswerth am Rhein ein glänzendes Fest und lud dazu auch Agnes mit dem jungen Könige ein. Als die Kaiserin in munterer Gesellschaft bei Tafel sich unterhielt, ward der Knabe auf ein schönes Rheinschiff gelockt, das Hanno hatte erbauen lassen und nun seinen Gästen zeigen wollte. Die Mutter ahnte nichts Böses; sobald aber ihr Sohn das Schiff betreten hatte, setzten sich alle Ruder in Bewegung und das Schiff flog davon. Da merkte Heinrich, daß man ihn entführen wollte, er schrie und sprang über Bord in's Wasser. Doch vergebens! Man zog ihn wieder heraus und führte ihn in die erzbischöfliche Burg zu Köln. Voll Jammers blickte die edle Kaiserin ihrem entführten Sohne nach; mit betrübtem Herzen verließ sie auf immer das treulose Deutschland und ging nach Rom, um in der Stille der Klostermauern alle Wirrnisse der Welt zu vergessen.
Hanno, ein strenger und finsterer Mann, hielt den jungen Heinrich – er war damals zwölf Jahr alt – sehr streng, und Heinrich, der seine verlorene Freiheit nicht verschmerzen konnte, warf einen bitteren Haß auf den Erzbischof. Dieser hatte indeß einen klugen und gewandten Nebenbuhler in dem Erzbischof Adalbert von Bremen, der gar zu gern den Königsknaben in seinem Hause gehabt hätte. Und wirklich, als nach Verlauf von drei Jahren Hanno eine Reise nach Rom unternahm, gelang es dem Adalbert, Heinrich zu befreien und nach Sachsen zu entführen. Bald hatte der feine Weltmann das Vertrauen des Jünglings gewonnen und um diesen sich geneigt zu machen, erlaubte er ihm Alles, fröhnte er allen seinen Lüsten und Begierden und stürzte ihn von einem Vergnügen in's andere. An eine Bildung des Geistes und Herzens ward gar nicht gedacht und Heinrich, von Natur schon leidenschaftlich, wurde nun durch und durch verzogen. Was aber das Schlimmste war, Adalbert pflanzte in das Herz des jungen Königs Haß und Groll gegen das Sachsenvolk, mit welchem er selbst in beständiger Fehde lag. Er schilderte sie als ein empörungssüchtiges, trotziges Volk, dem man den Fuß auf den Nacken setzen müßte.
2. Empörung der Sachsen.
In seinem sechszehnten Jahre wurde Heinrich für mündig erklärt, aber was sollte man von einem Herrscher erwarten, der so stolz, launenhaft, wankelmüthig und dem sinnlichen Vergnügen so ergeben war, wie Heinrich? Gleich seinem Vater nahm auch er seinen Sitz in Sachsen, in den schönen Thälern des Harzes, obschon er das Volk haßte. »Sachsen ist ein schönes Land,« soll er einst gesagt haben, »aber die, welche es bewohnen, sind nichtswürdige Knechte!« So sprach er vom Volke, und die sächsischen Fürsten kränkte er durch hochfahrenden Stolz. Einer der ausgezeichnetsten Männer jener Zeit war der sächsische Graf Otto von Nordheim, damals Herzog von Baiern. An diesem hätte Heinrich eine starke Stütze haben können; statt dessen entriß er ihm sein mütterliches Erbe, das Herzogthum Baiern, auf eine falsche Anklage hin, daß Graf Otto einen Edelmann habe dingen wollen, um den König Heinrich zu ermorden. Heinrich übertrug Baiern einem Italiener, Namens Welf. Aber Otto begab sich voll Rache zu dem Grafen Magnus von Sachsen und verband sich mit ihm gegen den König. Heinrich zog gegen sie, nahm beide gefangen und ließ darauf im ganzen Sachsenlande, besonders am Harz, feste Bergschlösser erbauen. In diese legte er als Besatzung fränkische Soldaten, welche nun das Land durchstreiften, die Bewohner plünderten und sie im Namen des Königs zu harter Frohnarbeit zwangen.
Da kamen die vornehmsten weltlichen und geistlichen Herren in Sachsen zusammen und rathschlagten miteinander, was zu thun sei. Einige waren der Meinung, man solle sogleich mit dem Schwerte drein schlagen; dem aber widersprachen Andere, die den Weg zur Güte versuchen wollten. So schickte man denn drei Abgeordnete an Heinrich, der eben in Goslar sein Hoflager hatte. Sie sprachen: »Adeligster König! Das Volk der Sachsen, welches keiner Nation an Muth und Treue nachsteht, bittet dich, die Rechte der Altvordern, die alte Freiheit des Landes ihm wieder zu geben. Ausländer und Dürftige maßen sich mit Gewalt unsere Güter an und entziehen Eingebornen die Waldungen, Weiden und Heerden. Lässest du uns nach vaterländischer Sitte leben, so wird kein Volk in Deutschland und Frankreich treuer und ergebener gefunden werden.« – Das war gut und vernünftig gesprochen, aber das gute Wort fand bei dem stolzen Heinrich keine gute Statt. Er fuhr die Gesandten rauh an und entließ sie, ohne ihre Bitten zu erhören. Da war die Geduld der Sachsen erschöpft; schnell brachten sie ein Heer von 60,000 Mann zusammen und zogen gen Goslar. Bestürzt floh Heinrich nach seiner geliebten Harzburg, einem festen Bergschlosse zwischen Ilsenburg und Goslar. Aber das Sachsenheer umringte auch dieses Schloß und nur mit Mühe entkam Heinrich in einer dunkeln Nacht durch die Schluchten des Harzgebirges, nachdem er seine Schätze und Reichskleinodien in Säcken heimlich hatte fortbringen lassen. Drei Tage und drei Nächte irrte er umher, bevor er nach Hessen gelangte. Unterdessen machten sich die Sachsen über seine Bergschlösser her und zerstörten sie aus dem Grunde. Noch jetzt erblickt man auf vielen Bergen des Harzes die grauen Trümmer aus jener Zeit. Das Volk war so erbittert auf den Frankenkönig, daß es selbst die schöne Kirche in der Harzburg niederbrannte und die Leichen eines Bruders und eines Söhnchens des Kaisers aus ihren Grüften herauswarf. Dann wurde in einer großen Versammlung der König Heinrich für unwürdig erklärt, die Reichskrone zu tragen, und der Herzog Rudolph von Schwaben zum König von Deutschland ausgerufen.
Voll inneren Grimmes zog Heinrich 1075 nach Worms, wo er sich unter dem gemeinen Volke, das immer Achtung vor dem rechtmäßigen Fürsten hat, viel treue Anhänger erwarb. Zugleich stimmte er seinen stolzen Ton herunter, stellte sich freundlich und gewann durch Bitten und Versprechungen endlich auch mehrere Fürsten, daß sie ihm Beistand gegen die Sachsen gelobten. Mit einem trefflichen Heere zog er in das Land des Aufruhrs und als es zum Treffen kam, focht Heinrich selbst, auf einem wilden Schlachtroß reitend, so tapfer, daß er viele Feinde mit eigner Hand niederhieb. Es war bei Langensalza an der Unstrut, wo die vereinigten Sachsen und Thüringer völlig geschlagen wurden. Ihr unglückliches Land ward nun von dem Frankenheere barbarisch verwüstet, Viele wurden eingekerkert und die letzten Freiheiten ihnen genommen. Die Sachsen, die sich nicht mehr zu helfen wußten, wandten sich in ihrer Noth an den Papst, den Vater der ganzen Christenheit. Und eben damals hatte ein Mann den heiligen Stuhl bestiegen, vor dem bald Fürsten und Könige sich beugen sollten.
3. Papst Gregor VII.
Dieser Papst hieß Gregor VII. Er war der Sohn eines Zimmermanns von Savona, Namens Hildebrand, hatte sich früh dem geistlichen Stande gewidmet und schon in seinem Kloster sich durch tiefe Einsicht in die Angelegenheiten der Kirche, durch strenge Sitten und hohe Gelehrsamkeit so ausgezeichnet, daß er bald nach Rom an den päpstlichen Hof berufen wurde. Hier lenkte er mit großer Umsicht und eiserner Festigkeit zwanzig Jahre hindurch alle Schritte der Päpste. Dann wurde er selbst zum Oberhaupt der Kirche erwählt, und zwar so schnell, daß außer Italien Niemand früher davon Kunde erhielt, als bis er schon als geweiheter Stellvertreter Petri in Thätigkeit war. Heinrich's Vater hatte verordnet, daß kein Papst ohne des deutschen Königs Willen gewählt werden sollte. Als daher Gregor seine Wahl Heinrich IV. melden ließ, war dieser sehr ungehalten und schickte einen Gesandten mit der Anfrage: »Ob denn auch die Wahl rechtsgültig sei, da der Kaiser sie nicht bestätigt habe?« Der schlaue Gregor stellte sich ganz demüthig, um nun erst die Bestätigung zu erhalten. »Herr Graf,« sagte er zu dem kaiserlichen Gesandten, »Gott ist mein Zeuge, daß ich diese Ehre nicht gesucht habe, sondern daß sie mir von den Römern mit Gewalt aufgebürdet ist. Die Einweihung soll erst dann vorgenommen werden, wenn es des Kaisers Wille ist.« Heinrich wurde durch diese Bescheidenheit ganz gerührt; er genehmigte nicht nur die Wahl, sondern befahl auch, die Einweihung sogleich vorzunehmen. Wie schwer mag er das später bereut haben!
Nun ging Gregor rasch an sein Werk. Fest stand in seiner Seele der Entschluß, die Geistlichkeit ganz zu befreien von aller Fürstengewalt. Die Macht der Fürsten – so sprach er – ist von dieser Welt, die Macht der Geistlichen ist aber von Gott und Jesus Christus und wie die Päpste von Petrus den Schlüssel überkommen haben, zu binden und zu lösen, so sind sie auch die Stellvertreter Jesu Christi auf Erden und nur ihm und Gott für ihre Handlungen verantwortlich, nicht aber den weltlichen Fürsten. Darum kann auch nach göttlichem Rechte weder das römische Volk, noch der Kaiser (wie bisher) einen Priester zum Papste erwählen, sondern es bestimmt diesen der heilige Geist selbst, welcher einen besondern Ausschuß von Erzpriestern Die Zahl der Kardinäle wurde auf 70 festgesetzt; sie hatten den Rang über den Fürsten und über den Gesandten der Könige und wurden die Minister des Papstes. Ihre Kleidung ist ein langer Scharlachmantel und ein rother Hut. oder Kardinälen dazu erleuchtet. Darum kann den Papst auch Niemand richten und absetzen, selbst keine Kirchenversammlung. Und weil der Papst als Stellvertreter Gottes auf Erden ein ewiges Reich beherrscht, muß des Kaisers zeitliche Würde und Gewalt erst durch den Papst geheiligt werden, der ihm die Krone aufsetzt, gleichwie auch der Mond erst sein Licht von der Sonne empfängt. So dachte Gregor, aber er war auch der Mann dazu, diesen kühnen Gedanken in's Werk zu setzen und die Herrschaft der Kirche (Hierarchie) trotz allem Widerstand zu gründen.
Drei Mittel waren es besonders, durch welche Gregor seinen kühnen und großen Zweck erreichte. Das erste war, daß er die Simonie abschaffte, d. h. den Kauf und Verkauf geistlicher Aemter, welchen ärgerlichen Handel man mit dem Verbrechen des Simon verglich, von welchem in der Apostelgeschichte Kap. 8, V. 9 erzählt wird. Das andere war, daß die weltlichen Fürsten nicht mehr das Recht haben sollten, die Geistlichen in ihren Aemtern und Würden zu bestätigen, sondern daß dieses Recht einzig dem Papste verbleibe. Als Zeichen seiner Würde empfing der Bischof einen Ring und einen Stab und das nannte man Investitur, d. i. Bekleidung. Das Investiturrecht wurde also den Fürsten genommen. Damit aber die Geistlichen wegen Versorgung ihrer Kinder nicht von den weltlichen Herrschern mehr abhängig sein sollten, verordnete Gregor drittens den Cölibat oder die Ehelosigkeit der Geistlichen.
Es war allerdings hohe Zeit, daß eine schärfere Kirchenzucht und strengere Ordnung unter den Geistlichen eingeführt wurde. Der Handel mit den geistlichen Stellen wurde auf eine höchst schamlose Weise getrieben und vorzüglich während der Minderjährigkeit Heinrich's IV. wurden die erledigten Bisthümer und Abteien oft den Meistbietenden verkauft. Die Bischöfe verkauften dann wieder ihrerseits alle von ihnen zu ertheilenden geistlichen Würden. So bekam Mancher eine sehr einträgliche Stelle, der ihrer gar nicht würdig war. Nun aber mußte jeder Geistliche ein anderes Leben führen, wenn er nicht seines Amtes wieder entsetzt werden wollte. Der schwierigste Punkt war aber der Cölibat. Fortan sollte kein Priester mehr eine Frau nehmen, und wer eine hatte, sollte sich von ihr scheiden, bei Strafe der Absetzung. Dieß erregte allgemeinen Aufruhr unter den Geistlichen. Der Erzbischof von Mainz schrieb nach Rom zurück, er habe die Geistlichen seines Kirchspiels zusammenberufen und ihnen den Befehl vorgelegt; er zweifle aber, daß er ihn durchsetzen werde. Sogleich erschien ein neuer Legat mit der Antwort, er müsse ihn durchsetzen bei Verlust seiner Würde. Der Erzbischof berief seine Geistlichen zu einer neuen Versammlung, auf der es aber so stürmisch herging, daß Beide, der Erzbischof und der Legat, in Lebensgefahr geriethen. Doch Gregor blieb standhaft; er nahm nichts zurück und wenige Jahre nachher war die Ehelosigkeit bei allen Geistlichen durchgesetzt.
Durch diese Einrichtungen gewann der Papst unendlich an Macht. Kein Geistlicher war fortan noch an seinen Landesherrn gebunden, keiner durfte wegen Weib und Kind des Staates Schutz und Hülfe suchen, keiner brauchte die weltlichen Herren zu fürchten. Alle waren an den Papst geknüpft, von dem sie Alles zu hoffen und zu fürchten hatten. So bildeten die Geistlichen einen großen Staat, der in allen Ländern der Christenheit seine Wurzeln und Zweige hatte, aber vom Papste in Rom sein Leben und sein Gesetz erhielt. Das Volk ehrte in den Befehlen des Papstes das Wort Gottes und die Fürsten wagten nicht zu widersprechen, denn der Papst hatte ja die Macht, die Völker ihres Eides gegen den Landesherrn zu entbinden, oder gar über ein ganzes Land das Interdikt zu verhängen. Dann verstummten alle Glocken, keine Messe ward mehr gelesen, alle Kirchen wurden geschlossen; kein feierliches Leichenbegängniß ward gehalten, keine Ehe eingesegnet. Der Zorn Gottes lastete auf dem unglücklichen Lande. Mit solchen Waffen stritten die Päpste und diese Waffen waren stärker als Spieß und Schwert.
4. Heinrich IV. gegen Gregor VII.
Gregor nahm die Klagen der Sachsen bereitwillig auf und warnte den Kaiser. Allein dieser, voll Stolz über seinen Sieg, wies alle Warnungen und Ermahnungen mit Spott und Hohn zurück. Da erschienen plötzlich päpstliche Legaten vor ihm mit dem päpstlichen Befehl, er solle sich binnen 60 Tagen in Rom vor ein geistliches Gericht stellen, um Rechenschaft zu geben über die wider ihn erhobenen Beschuldigungen. Wofern er das nicht thäte, würde er an demselben Tage mit dem apostolischen Fluche beladen aus der Kirchengemeinschaft ausgestoßen werden.
Heinrich war wüthend über ein solches Ansinnen des Papstes und jagte dessen Gesandte mit Schimpf aus dem Lande. Sogleich berief er die deutschen Bischöfe nach Worms und hatte die Freude, daß diese Kirchenversammlung für die Absetzung des Papstes stimmte. Nun meinte der Kaiser, aller Gefahr überhoben zu sein; hatte doch sein Vater auch mehrere Päpste abgesetzt. Aber er vergaß, daß er kein Heinrich III. und Gregor kein gewöhnlicher Papst sei. Das Absetzungsschreiben übergab er nun einem muthvollen Gesandten und schickte diesen nach Rom, indem er ihm zugleich noch einen derben Brief mitgab. Eben hatte Gregor die angekündigte Versammlung der Kardinäle eröffnet, als der Gesandte ankam. Gregor saß im päpstlichen Ornate auf einem erhabenen Stuhle, um ihn herum die Bischöfe und Kardinäle. Alle erwarteten, der Gesandte werde im Namen seines Herrn demüthig um Verzeihung bitten; aber wie groß war das Erstaunen und die Entrüstung der geistlichen Herren, als dieser vor den Papst hintrat mit den Worten: »Der König, mein Herr, und alle Bischöfe über dem Gebirge und in Italien (auch einige lombardische Bischöfe, die über den strengen Papst ungehalten waren, hatten mit unterschrieben) verkündigen dir den Befehl: Du sollst den Stuhl Petri, welchen du dir angemaßt hast, sogleich verlassen, denn ohne des Königs Genehmigung kannst du nicht Papst sein!« Und zu der Versammlung gewendet fuhr er fort: »Euch, ihr Brüder, wird angesagt, daß ihr zum nächsten Pfingstfest euch vor dem Könige stellen sollt, aus seinen Händen einen andern Papst und Vater zu erhalten; denn dieser hier ist nicht Papst, sondern als ein reißender Wolf erfunden worden!«
Da aber brach der Sturm des Unwillens und der Entrüstung los; einige der Unternehmendsten sprangen auf den Gesandten ein und würden ihn arg mißhandelt haben, wäre nicht Gregor mit ruhiger Würde unter sie getreten, ihrem Eifer zu wehren. Und der Papst las nun selber den Brief vor, welcher begann: »Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern nach Gottes Ordnung König, an Hildebrand, nicht den Papst, sondern den falschen Mönch.« Nach Vorlesung dieses Briefes wurde die Wuth gegen Heinrich's Abgesandten noch größer und nur mit Mühe konnte sich der Mann retten. Gleich am folgenden Tage hielt Gregor eine neue Versammlung und sprach hier mit starker Stimme den Bann gegen Heinrich aus und entband die Christen von allen Eiden, die sie dem Könige geleistet hatten. Kein Unterthan und Priester sollte ihm mehr gehorchen, kein Priester die heil. Sakramente reichen, jeder ihn als einen Verpesteten fliehen. Mit dem Könige wurden auch die Bischöfe, welche das Absetzungsdekret zu Worms unterzeichnet hatten, in den Bann gethan.
Die nächste Folge war, daß sich Deutschland in zwei große Parteien theilte, in eine päpstliche und eine kaiserliche. Der sorglose Heinrich, nicht ahnend, was eben in Rom über ihn beschlossen sei, war gerade in dem unterworfenen Sachsenlande, bauete die eingerissenen Schlösser wieder auf und verschenkte die Güter der gefangenen Sachsenhäupter an seine Günstlinge. Dann ging er wohlgemuth nach Utrecht, um dort das Osterfest zu feiern; denn der Bischof Wilhelm war sein treuer Anhänger und ein munterer, geselliger Mann. Mit diesem Bischof trug sich aber ein Vorfall zu, der den Kaiser und alle seine Freunde sehr bestürzt machte. Am ersten Festtag hielt Wilhelm selber die Predigt und leitete seine Rede auf den Papst, den er mit großer Beredsamkeit schmähete und lästerte; mit höhnischem Lächeln schloß er: »Von solchem Manne ist unser König in den Bann gethan! Aber welch ein lächerlich Ding ist doch dieser Bann!« Allein kaum war das Fest vorüber, so fiel der Bischof in eine schwere Krankheit. Es überfiel ihn eine furchtbare Gewissensangst und er glaubte, die Krankheit sei eine Strafe dafür, daß er den heiligen Vater gelästert habe. In seiner Fieberhitze sah er lauter böse Geister an sein Bett kommen, die seine Seele in die Hölle tragen wollten. In Verzweiflung gab er den Geist auf und Heinrich selbst gerieth in eine tödtliche Angst, denn der Glaube an die Heiligkeit und Unfehlbarkeit des Papstes war zu tief in den Herzen Aller, als daß ihn selbst die Gegner des Papstes ganz verleugnen konnten. Ueberall waren die Gemüther furchtbar erschüttert; eine schreckliche Gährung herrschte im ganzen Reiche. Die Sachsen traten schnell wieder zusammen und rüsteten sich; Heinrich's Feinde bekamen neuen Muth und von seinen Freunden schlich sich einer nach dem andern wieder davon, aus Furcht vor der Strafe des Bannes. Heinrich ließ ein Aufgebot ergehen an alle seine Anhänger und Freunde, doch Keiner erschien. Vergebens war sein Bitten, vergebens sein Drohen, sein Ansehen schwand von Tage zu Tage. Da versammelten sich die deutschen Fürsten zu Tribur am Rheine, den König förmlich seines Königreichs verlustig zu erklären. Sieben Tage lang dauerte der Fürstentag; Heinrich eilte herbei und lagerte sich am andern Ufer des Rheins. Mit nassem Auge schaute er nach Tribur hinüber, aber die Fürsten achteten seiner nicht, denn sie hatten die Thorheiten seiner Jugend und seinen stolzen Uebermuth nicht vergessen. Jeden Tag schickte Heinrich Boten an die Versammlung und er gab die schönsten Worte, daß er nie etwas ohne den Rath der Fürsten unternehmen wolle, aber man möge ihm den königlichen Titel und die Reichsinsignien lassen, damit er nicht gar zu sehr beschimpft werde. Aber jetzt war das Bitten zu spät. Man antwortete ihm, es sei ihm schon zu viel nachgegeben worden und auf sein Wort könne man nicht mehr trauen. Man wolle ihm jedoch noch ein Jahr Frist geben. Könne er sich bis dahin vom Banne lösen, so wolle man weiter mit ihm unterhandeln; widrigenfalls würde man Rudolph von Schwaben als König anerkennen.
5. Heinrich IV. zu Kanossa.
Das war nun freilich ein schlechter Trost. Zu seinem Schrecken erhielt Heinrich noch die Nachricht, daß im nächsten Frühjahr 1077 die deutschen Fürsten in Augsburg einen Reichstag halten wollten, zu welchem auch der Papst eingeladen werden sollte, um Heinrich's Sache zu entscheiden. Der arme König wußte sich nicht mehr zu helfen und zu rathen. Endlich kam er auf den Gedanken, er wolle dem Papst gute Worte geben, und wenn es ihm gelänge, seinen Zorn zu besänftigen, wäre er doch der traurigen Nothwendigkeit überhoben, vor allen versammelten Fürsten als ein reuiger Sünder erscheinen zu müssen. Schnell war der Entschluß gefaßt; aber es fehlte an Geld zu der weiten Reise. Demüthig bat er seine alten Freunde, die oft an seiner Tafel geschwelgt hatten, um einen Vorschuß; aber er erhielt nichts und so mußte er ärmlicher abreisen, als ein gewöhnlicher Edelmann. Einige Tage vor Weihnachten, mitten im strengsten Winter, reiste Heinrich von Speier ab. Frau Bertha, seine edle Gemahlin, wollte ihn nicht verlassen. Obwohl es Heinrich nicht verdient hatte, denn Bertha war von ihm sehr schnöde behandelt worden und der König hatte sie ganz verstoßen wollen, so scheuete sie doch nicht die Gefahr und Mühseligkeit der Reise und wollte jede Noth treu mit ihrem Gemahl theilen. Auch das kleine Söhnchen nahm sie mit und nur Ein Diener verstand sich dazu, mitzureisen. So zog eine Kaiserfamilie nach Italien. Die Feinde Heinrich's waren aber bereits geschäftig gewesen, ihm die Pässe Tyrols und der Schweiz zu verlegen, um die Aussöhnung mit Gregor über die festgesetzte Frist hinauszuschieben. So ward der König gezwungen, einen großen Umweg durch Frankreich zu machen. Die Reise war sehr beschwerlich, noch ehe man in's Gebirge gelangte, denn es gab damals noch nicht so bequeme Heerstraßen als jetzt. Völlig unwegsam wurde aber die Bahn, als man in's Gebirge kam. Die hohen Bergrücken waren mit ungeheuren Schneemassen bedeckt und ein eiskalter Wind riß den armen Reisenden die Haut ab vom Gesicht und von den Händen. Der Schnee war so hart gefroren wie Eis und so glatt, daß Menschen und Pferde jeden Augenblick in die Abgründe zu stürzen Gefahr liefen. Und doch war die größte Eile nöthig; denn bald war das Jahr verflossen, welches die Fürsten als Frist gesetzt hatten. Wegweiser hatten dem König eine Bahn durch den tiefen Schnee brechen müssen; nun hatte man endlich den Gipfel erreicht. Aber hier schien es unmöglich, weiter zu kommen; denn die Seite nach Italien zu war so abschüssig und glatteisig, daß man keinen Fuß fest aufsetzen konnte. Doch was half es? Man mußte hinunter, auf Leben oder Tod! Die Männer krochen auf Händen und Füßen, in beständiger Angst, hinabzurollen in den gähnenden Abgrund; die Königin aber und ihre Kammerfrau wurden in Rinderhäute eingenähet und so von den Führern hinabgezogen. Den Pferden band man die Füße zusammen und ließ sie an Stricken hinab; die meisten kamen dabei um. Endlich – endlich kam man in der Ebene an. Die eine Angst war glücklich überstanden, aber eine zweite begann für den unglücklichen Kaiser.
Gregor war bei Heinrich's Ankunft gerade auf seiner Reise nach Deutschland zum Reichstage nach Augsburg begriffen und eben in Oberitalien angelangt. Er erschrak nicht wenig, als er hörte, der Kaiser sei im Anmarsche! Denn er vermeinte, Heinrich komme, um sich für die ihm angethane Schmach zu rächen. Und wirklich hätte Heinrich solches thun können, denn die lombardischen Großen und Bischöfe kamen ihm frohlockend entgegen in der Hoffnung, er würde sie gegen den herrschsüchtigen Gregor anführen. Sie boten ihm Alle ihre Hülfe an, aber Heinrich wies sie ab mit den Worten: »Ich bin nicht gekommen, zu kämpfen, sondern Buße zu thun.«
Gregor war schnell von seinem Wege abgewichen und in das feste Schloß Kanossa zu seiner Freundin, der reichen Markgräfin Mathilde von Toskana, geflohen, da er noch nicht wußte, mit wie reumüthigem Sinne Heinrich zu ihm kam. Er freute sich aber nicht wenig, als er hörte, daß der deutsche König sich als büßender Pilger ihm nahe. Sobald Heinrich in Kanossa anlangte, ließ er durch die Markgräfin den Papst bitten, ihn vom Bannspruche zu lösen, er wolle sich ja jeder Bußübung unterziehen, die der heilige Vater ihm auferlegen würde.
Es war damals Sitte, daß der öffentliche Sünder, der sich um Lossprechung (Absolution) von der Kirchenbuße bemühte, mit einem wollenen Hemde angethan wurde. In diesem Kleide der Reue und Buße mußte er eine geraume Zeit lang an der Kirchthüre stehen und vor der ganzen Gemeinde sich demüthigen. Auch mußte er so lange fasten und beten, bis er durch des Priesters Absolution wieder in den Schooß der Kirche zurückgeführt wurde. Das sollte aber keine Demüthigung vor Menschen, sondern eine Demüthigung vor Gott sein, vor welchem Bettler und Fürsten gleich sind. Dieser Bußübung mußte sich nun auch Heinrich in Kanossa unterwerfen. Der König von Deutschland und Italien stand hier, blos mit einem wollenen Hemde angethan, mit entblößtem Haupte und barfuß, im Schloßhofe unter freiem Himmel auf des Papstes Entscheidung harrend. Drei Tage lang mußte der Unglückliche so stehen, ohne sich durch Speise und Trank zu erquicken. Die Markgräfin und die andern Freunde Gregor's wurden durch das Weinen und Wimmern Heinrich's so gerührt, daß sie unter Thränen Fürbitte beim Papste einlegten; ja, Einige riefen sogar, das sei mehr als apostolische Strenge, das sei tyrannenmäßige Grausamkeit. Endlich am vierten Tage ließ der Papst den Büßenden vor sich kommen und sprach ihn unter der Bedingung vom Banne los, daß er ruhig nach Deutschland gehe, sich aller königlichen Gewalt entschlage, bis auf einem Reichstage entschieden sei, ob er König bleiben solle oder nicht.
Einen so harten Bescheid hatte Heinrich doch nicht erwartet. Mit Unwillen und Zorn im Herzen schied er von Gregor, nach der günstigen Stunde sich sehnend, wo er sich rächen könnte.
6. Heinrich gegen Rudolph von Schwaben.
Des Königs Selbstgefühl war wieder erwacht und er machte Anstalten, mit dem Papste zu brechen. Sobald dies die Lombarden vernahmen, die über Heinrich's Kleinmuth am meisten sich geärgert hatten, wurden sie wieder freundlich, öffneten ihm ihre Städte und schaarten sich um ihn. Die deutschen Fürsten hingegen, sobald sie hörten, daß Heinrich sich wieder ungehorsam gegen den Papst bezeigte, sagten sich nun ganz von ihm los und schritten zu einer neuen Königswahl. Sie erwählten den schon genannten Rudolph von Schwaben, einen tapferen, biederen Mann, der schon lange Zeit Heinrich's Feind gewesen war. Nun war es hohe Zeit, daß Heinrich wieder nach Deutschland zurückeilte. Es gelang ihm, abermals ein Heer zu versammeln, denn des Königs unwürdige Behandlung hatte doch Viele empört und besonders boten ihm nun die Städte ihre Hülfe an. Nach manchen Kämpfen trafen endlich die beiden feindlichen Heere bei Merseburg (im Jahre 1080) aufeinander, auf demselben Boden, wo der große Heinrich I. die Ungarn so tapfer bekämpft hatte. Heinrich IV. stritt mit wahrer Kühnheit und ächt ritterlich. Lange schwankte der Sieg. Die Sachsen drangen siegreich vor, als plötzlich ihr Siegeslauf durch die Nachricht gehemmt wurde, Rudolph sei tödtlich verwundet. Er hatte eben über einen Graben setzen wollen, als ein junger Ritter, Gottfried von Bouillon, derselbe, welcher später Jerusalem eroberte, ihn erreichte. Lange schon hatte dieser, ein treuer Anhänger Heinrich's, ihn aufgesucht. Jetzt rannte er mit eingelegter Lanze an und zwischen beiden Männern erhob sich ein hitziges Gefecht. Die Schwerter sausten durch die Luft und fielen klirrend auf Helm, Schild und Panzer. Endlich traf Gottfried seinen Feind an der Handwurzel; sein Schwert drang zwischen die Schienen des Panzers, und abgehauen fiel Rudolph's rechte Hand sammt seinem Schwerte zu Boden. Auch in den Unterleib hatte er eine tödtliche Wunde erhalten. So trugen ihn die Seinen aus dem Getümmel und traurig standen die Bischöfe um ihn, mit dem letzten Segen ihn zu weihen. Als man ihm seine todte Hand zeigte, rief er wehmüthig aus: »Die ist es, mit der ich einst dem König Heinrich den Eid der Treue schwur!« Bald darauf starb er. Sein Grabmal ist in der Domkirche zu Merseburg, wo auch noch seine abgehauene Hand gezeigt wird.
7. Gregor's Ende.
Rudolph's Tod war für Heinrich ein großes Glück. Viele seiner Feinde verloren jetzt den Muth und Mancher hielt den Tod des Gegenkaisers für ein Strafgericht Gottes. So nahm Heinrich's Anhang mit jedem Tage zu und bald war er wieder so mächtig, daß er mit Heeresmacht nach Italien ziehen konnte. Er erklärte den Papst Gregor, der ihn bereits wieder in den Bann gethan hatte, für abgesetzt und ließ einen Erzbischof zum Papst erwählen. Geradezu drang er nun auf Rom, den Sitz seines Todfeindes, und schloß die Stadt ein. Gregor verlor aber in seiner Bedrängniß den Muth nicht, sondern schleuderte fort und fort den Bannstrahl auf Heinrich, diesmal aber vergebens. Im dritten Jahre der Belagerung wurde Rom erobert und der Papst flüchtete sich in die feste Engelsburg. Heinrich bot dem Papste die Hand zur Versöhnung, wenn dieser ihm die Kaiserkrone aufsetzen wolle. Aber Gregor gab ihm zur Antwort: »Nimmermehr! Frevel wäre es, einen Verfluchten zu krönen und zu weihen! Lieber leid' ich den Tod, als daß ich solch' Unrecht thue!« Da ließ Heinrich IV. Clemens III. feierlich als Papst erwählen und empfing aus dessen Händen die Kaiserkrone. Hierauf schloß er den Papst Gregor in der Engelsburg so ein, daß wenig Hoffnung für ihn war, dem Kaiser zu entkommen. Und doch gelang es ihm mit Hülfe des Normannenherzogs Robert Guiskard, der in Unteritalien mit seinen Normännern sich ein Reich erobert hatte und nun mit seinem Heere heranstürmte, den Papst zu erlösen. Gregor entfloh nach Salerno in Unteritalien. Dort aber erkrankte er, doch seinem Werke blieb er getreu bis in den Tod. Auf seinem Sterbebette entband er Alle, die von ihm in den Bann gethan waren, vom Fluche der Kirche, nur den Kaiser Heinrich IV. und den Papst Clemens III. nicht. Ja, alle um ihn versammelten Bischöfe mußten ihm eidlich versprechen, daß sie jene beiden Männer nie vom Banne erlösen wollten, außer wenn sie ihre Würde niedergelegt und sich der Kirche völlig unterworfen hätten. Sterbend sprach er noch aus tiefster Ueberzeugung: »Ich liebte die Gerechtigkeit und haßte die Gottlosigkeit, darum sterbe ich hier in der Verbannung.« So schied dieser kühne, außerordentliche Geist aus dem irdischen Leben am 25. Mai 1085. Aber sein Werk, die Hierarchie oder Herrschaft der Kirche, überlebte ihn.
8. Heinrich's Ende.
Mit Gregor VII. hatte Heinrich seinen Hauptfeind verloren. Glückliche und ruhige Zeiten schienen nach so heftigen Stürmen für ihn zu kommen. Zwar hatten die deutschen Fürsten einen neuen Gegenkönig, den Grafen Hermann von Luxemburg, erwählt; allein dieser war dem Kaiser nicht gewachsen, der sich nun, durch das Unglück belehrt, sehr klug und besonnen zeigte. Hermann hatte keine Macht und das Volk nannte ihn »den Knoblauchskönig«, weil zu Eisleben, am Orte seiner Wahl, diese Pflanze häufig wuchs. Darum legte er bald seine Krone wieder nieder. Und als der Hauptanführer der Sachsen, Otto von Nordheim, gestorben war, neigten sich auch diese, des langen Haders müde, endlich zum Frieden.
Doch sollte Heinrich's Leben so sturmvoll enden, als es begonnen hatte, denn es erstanden ihm nun in seiner eigenen Familie die Feinde. Erst empörte sich sein ältester Sohn Konrad gegen ihn und ließ sich zum König von Italien krönen. Dieser starb zwar (1101), wie Einige meinen vor Gram, seinen Vater verrathen zu haben. Nun aber gelang es der päpstlichen Partei, auch den zweiten Sohn Heinrich zum Abfall und zur Empörung gegen den alten Heinrich zu überreden, und die Päpste Urban II. und Paschalis II., Anhänger Gregor's, erneuerten den Bann. Da erklärte der junge Heinrich mit erheuchelter Frömmigkeit, er könne und dürfe mit einem Vater, auf welchem der Fluch der Kirche laste, keine Gemeinschaft haben. Durch solche Heuchelei gewann der Empörer die geistlichen Fürsten und bildete sich einen großen Anhang. Dann berief er einen Reichstag nach Mainz, wo er selbst zum Könige gewählt, der Vater aber abgesetzt werden sollte. Der bekümmerte Greis sammelte die letzten Freunde, die er noch hatte, und wollte mit diesen nach Mainz gehen, um seinen gewissenlosen Sohn mit Gewalt zum Gehorsam zurückzuführen. Weil dieser aber fürchtete, der Anblick des rechtmäßigen Königs möchte die versammelten Fürsten auf andere Gedanken bringen, so nahm er zu einer noch schändlicheren List seine Zuflucht. Er reisete seinem Vater bis nach Koblenz entgegen, warf sich dort weinend zu seinen Füßen, bat um Verzeihung und schwur hoch und theuer, daß er es gut mit seinem Vater meine, so daß er fortan bereit sei, sein Leben für ihn zu opfern. So wußte der Arglistige seinen Vater dahin zu bringen, daß dieser sein ganzes Heer entließ, als wäre nun aller Streit beigelegt. Frohlockend über sein gelungenes Bubenstück eilte nun der junge Heinrich nach Mainz zu den versammelten Fürsten zurück, um das Nähere mit ihnen zu verabreden. Unterdessen zog der Vater sorglos in Bingen ein. Aber hier ward der Verrath offenbar. Man nahm ihn gefangen, verjagte alle seine Gefährten bis auf drei und warf ihn in's Gefängniß. Nun sandte der böse Sohn zu seinem Vater die Erzbischöfe von Mainz und Köln und den Bischof von Worms. Diese fuhren den Gefangenen hart an und sprachen: »Gieb uns Krone, Ring und Purpur heraus, damit wir es deinem Sohne überbringen.« Und als der Vater rührende Gegenvorstellungen machte, rissen sie ihm die Krone vom Haupte, zogen ihm den Purpur aus und beraubten ihn aller Zeichen irdischer Hoheit. Da rief Heinrich wehmuthsvoll aus: »Ich leide für die Sünden meiner Jugend, wie noch kein Fürst gelitten hat!« Die Bischöfe aber brachten die Kleinodien nach Mainz zum Reichstage und überreichten sie dem herrschsüchtigen Sohne des Kaisers.
Eine Zeit lang saß nun Heinrich auf dem Schlosse zu Ingelheim gefangen, aber es gelang ihm, nach Lüttich zu entkommen, dessen Bischof ihm freundlich gesinnt war. Hier sammelte er ein Heer und schickte sich an, wider seinen unnatürlichen Sohn zu Felde zu ziehen. Da erlöste ihn der Tod von einem Leben, das nur eine Kette von Unglück und Leiden für ihn gewesen war (1106). Doch nicht einmal im Tode sollte der hartgeprüfte Kaiser Ruhe haben, auch noch im Grabe verfolgte ihn der päpstliche Bann. Der Bischof von Lüttich hatte die Leiche in einer Kirche feierlich beisetzen lassen, aber den Gebannten durfte keine geweihte Erde aufnehmen. Auf den Befehl des Papstes mußte der kaiserliche Leichnam wieder ausgegraben werden und ward auf eine Insel in der Maas geschafft. Nur ein einziger Mönch hatte noch Theilnahme für den Dahingeschiedenen, der betete und sang bei dem Sarge, ohne ihn zu verlassen. Endlich ließ der junge König Heinrich den Leichnam seines Vaters nach Speier bringen, ohne jedoch ihm das christliche Begräbniß zu verschaffen. Da wallfahrtete das Volk, welches Heinrich IV. mehr geliebt hatte als den Sohn, unter lautem Jammer zu der ungeweihten Kapelle, in welcher jetzt der Sarg stand, und erst im Jahre 1111 nahm der Papst den Bann zurück, so daß ein feierliches Leichenbegängniß in der Domkirche zu Speier abgehalten werden konnte.