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III. Scenen und Bilder aus den Kreuzzügen.

 

1. Papst Urban II. und der Eremit Peter von Amiens (1095 n. Chr.).

 

1.

Als die Türken, welche schon längst unumschränkte Herren von Palästina und der heiligen Stadt Jerusalem waren, die christlichen Pilger, welche nach dem Grabe des Erlösers wallfahrteten, immer härter bedrückten, dazu auch der griechische Kaiser Alexius, dem vor der türkischen Uebermacht bange ward, sich mit Bitten um Hülfe an den heiligen Vater in Rom wandte, faßte Urban II., das damalige Oberhaupt der katholischen Christenheit des Abendlandes, in seinem weitschauenden Geiste den großen Entschluß, alle Gläubigen der katholischen Kirche zu einem Kreuzzuge nach Palästina aufzubieten, um das Grab des Heilandes und die heilige Stätte, wo er gelehrt, gelebt und gelitten hatte, aus den Händen der Ungläubigen zu befreien. Er berief eine große Kirchenversammlung nach Klermont im südlichen Frankreich, auf den November 1090. Eine weite Ebene war hier mit Bischöfen und Mönchen, Fürsten und Herren bedeckt; und als der Papst ihnen alle die Vortheile an's Herz legte, die sie bei einem solchen Zuge gewinnen könnten, nämlich unermeßliche Beute, Vergebung aller Sünden und unsterbliches Verdienst im Himmel, da rief die ganze Versammlung: »Gott will es, Gott will es!« Alle knieten nieder, um den Segen des heiligen Vaters zu empfangen, und als der Papst einem Bischofe, den er zu seinem Legaten auf dem Zuge ernannte, ein rothes Kreuz von wollenem Zeuge auf die Schulter heftete, drängten sich Alle, Geistliche und Laien, herzu, um sich ein Kreuz auf ihr Gewand nähen zu lassen. Daher der Name »Kreuzfahrer.«

In größter Aufregung eilten Alle nach Hause, um sich zu rüsten. Der Ritter träumte schon von seinen Heldenthaten und den unermeßlichen Schätzen auf Erden und im Himmel. Der leibeigene, hartgedrückte Bauer verließ fremden Pflug und Egge, um sich in einem andern Welttheile die Freiheit und den Himmel zu erkämpfen. Alle Schuldner sollten von ihrer Schuld keine Zinsen bezahlen, so lange sie im heiligen Lande wären. Für die Zurückbleibenden sollte väterlich gesorgt werden; Geld und Gut wollte die Kirche in Verwahrung nehmen und den Zurückkehrenden wieder erstatten.

 

2.

Nicht wenig half im nördlichen Frankreich ein begeisterter Einsiedler, Peter von Amiens, die allgemeine Begeisterung mehren. Dieser, ein hageres kleines Männchen, aber voll Feuer und Beredtsamkeit, durchzog im groben Pilgergewand, mit einem Strick umgürtet, das Kruzifix in der Hand und auf einem Esel reitend, das Land und schilderte mit glühenden Farben die Noth der Christen im heiligen Lande, und wer ihn hörte, ward auch mit Begeisterung erfüllt, Gut und Blut für die Sache Gottes zu opfern Bisher ward allgemein angenommen, Peter von Amiens habe nach einer Wallfahrt zum heiligen Grabe durch seine Beredtsamkeit den Papst Urban II. zur Ausschreibung eines Kreuzzuges bestimmt und schon vor der Kirchenversammlung zu Klermont das Kreuz gepredigt; das Verdienst gebührt aber allein dem Papste und von Peter von Amiens ist erwiesen, daß er erst mit dem Kreuzheere nach Jerusalem gelangt ist..

Der Zug sollte den 15. August 1096 nach vollbrachter Ernte anfangen. Allein schon im Frühling dieses Jahres erschien Peter an der Spitze von 15,000 Menschen, meist Italienern und Franzosen, und wie er weiter zog, vergrößerte sich der Haufen immer mehr, so daß er ihn theilen mußte; er übergab darum die eine Hälfte einem französischen Ritter, Walther von Habenichts, so genannt wegen seiner Dürftigkeit. Doch diese Schaaren zogen ohne Lebensmittel und Bekleidung, wie Feinde und Räuber daher. Die Reichthümer der Juden reizten ihre Habsucht; da schworen sie in roher Wuth: »Verflucht ist dies Volk, das den Heiland gekreuzigt hat! Darum Rache an den Juden für Christi Blut!« Und sie erschlugen die Juden in Deutschland, wo sie dieselben fanden. Als sie jedoch weiter nach Osten vordrangen, wurden die Ungarn, Bulgaren und Griechen über ihre Plünderungen so erbittert, daß sie über die Kreuzfahrer herfielen, einen großen Theil derselben niederhieben und ihnen all' ihr Gepäck wegnahmen. Endlich gelangten Peter und Walther nach Konstantinopel und baten hier um Lebensmittel und Beistand. Der Kaiser ließ sie geschwind über die Meerenge nach Kleinasien übersetzen, um des losen Gesindels nur ledig zu werden. Dort geriethen sie unter einander selbst in Zwist, mordeten sich selbst und wurden bei ihren Plünderungen von den Türken ermordet. Von dem ganzen Heere, das an 100,000 Mann stark gewesen war, blieben nur noch 3000, mit welchen sich Peter noch zur rechten Zeit nach Konstantinopel rettete. Keiner von dem ersten Zuge hatte das heilige Grab gesehen.

 

2. Gottfried von Bouillon (1099 n. Chr.).

 

1.

Nun erst, zu der bestimmten Zeit, brach der edle und fromme Held, Gottfried, Herzog in Niederlothringen, auf mit 80,000 Fußsoldaten und 10,000 Reitern. Sein Bruder, Balduin von Flandern, begleitete ihn. Beide Herren hatten ihr Leben diesem heiligen Kriege geweiht und verkauften oder verpfändeten alle ihre Besitzungen im Abendlande; viele Ritter und Gemeine thaten dasselbe. Gottfried zog mit seinem Heere in guter Ordnung durch Deutschland, wo sich auch manch tapferer Ritter seiner Fahne anschloß, öffnete sich dann den Durchzug durch Ungarn mit Güte und langte ohne Störung im Gebiete des griechischen Kaisers Alexius an. Hier fanden sich auch die übrigen Grafen und Herzoge zu ihm, die auf anderen Wegen gezogen waren: Hugo, Bruder des Königs von Frankreich; Graf Raimund von Toulouse, ein Greis, der den Rest seines Lebens dem heiligen Grabe weihete; Herzog Robert von der Normandie, Bruder des Königs von England; Robert, Graf von Flandern. Nachher vereinigte sich noch mit ihnen einer der mächtigsten, Boëmund, Fürst von Tarent in Unteritalien, nebst seinem berühmten Vetter Tankred, der sich auf diesem Zuge auch ein eigenes Reich zu erobern gedachte. Das ganze Kreuzheer belief sich auf 600,000 Mann. Dem griechischen Kaiser war es zwar unlieb, daß ein so zahlreiches Heer seine Länder überschwemmte; aber der wohlgeordneten Macht wagte er nicht zu widerstehen, und so bequemte er sich, den Kreuzfahrern die verlangten Lebensmittel zu reichen.

 

2.

Der edle Gottfried hielt während des Zuges streng auf Ordnung und Zucht; wenn Streit und Hader unter den uneinigen Kreuzfahrern ausbrach, stillte sein Ansehen den Zwist, und wo tapfere Thaten geschahen, da war Gottfried dabei. Bei Doryläum in Kleinasien hatte sich ein Türkenheer aufgestellt, aber unter Gottfried's Oberbefehl gewann das Heer der Kreuzfahrer einen herrlichen Sieg.

Auf dem Marsche von Doryläum nach Tarsus gelangte das Christenheer in ein liebliches Thal. Hier machte es Halt, und die Kreuzfürsten, angelockt durch die freundlichen Wälder, vergnügten sich mit Jagen. Bald zerstreuten sie sich. Da erblickt Gottfried, von den Uebrigen getrennt, einen armen Pilger, der von einem furchtbaren Bären verfolgt wird. Gottfried zieht eiligst sein Schwert und mit heftigem Geschrei sprengt er gegen den Bären heran. Sogleich verläßt dieser den Pilger, wendet sich gegen den Herzog und stellt sich, um ihn zu packen, hoch empor. Der Herzog läßt sich dadurch nicht schrecken, er führt einen gewaltigen Streich gegen den Bären, aber – verfehlt ihn. Nun erfaßt dieser mit den Tatzen des Ritters Kollet und reißt ihn zu Boden. Zwar erhebt sich Gottfried augenblicklich, aber indem er sein Schwert, das beim Fallen vom Pferde ihm zwischen die Beine gekommen ist, abermals zieht, verwundet er sich in den Schenkel. Doch stößt er es dem Ungeheuer in die Kehle. Wüthend setzt der Bär den Angriff fort und Gottfried's Blutverlust wird immer größer, immer mißlicher der Ausgang. Da sprengt, herbeigeführt durch das Geschrei des geretteten Kreuzfahrers, einer von Gottfried's Rittern heran und giebt dem Ungeheuer den Rest. Jetzt erst fühlt der Herzog das Uebermaß seiner Erschöpfung. Schwach, bleich, mit dem Tode ringend, kann er kaum mehr stehen. Auf einer Tragbahre wird er unter dem Wehklagen des ganzen Heeres in's Lager zurückgeschafft, und lange Zeit vergeht, bis er völlig hergestellt ist.

 

3.

Antiochien war, bis auf die feste Burg, von dem Kreuzheer erobert, und 10,000 Einwohner dieser großen Stadt wurden erschlagen; allein so glänzend anfangs auch die Beute war, bald kam wieder die Noth. Korboga, Fürst von Mosul, zog mit einem ungeheuren Heere der Seldschucken heran und schloß die Christen in Antiochien ein. Aus Belagerern wurden nun diese Belagerte, die bald in Hungersnoth kamen. Vielen der Kreuzfahrer entsank der Muth so sehr, daß sie an Stricken sich von der Mauer herabließen und entrannen; davon bekamen sie den Namen »Strickläufer.« Selbst der Kaiser Alexius hatte wegen dieser Strickläufer Angst bekommen, daß er nicht zum Entsatz herbeizukommen wagte. Ohne Muth und Trost saßen die Wallbrüder in den Häusern, ohne an die Vertheidigung der Mauern ihre Kraft zu wenden; da ließ Boëmund an 2000 Häuser in Brand stecken, um nur die Säumigen herauszutreiben. Gottfried theilte sein letztes Brod mit seinem Freunde Heinrich von Hache, aber er erklärte auch mit feierlichem Eide, daß er nur als Leiche Antiochien räumen, lebend aber den Zug nach Jerusalem nie aufgeben werde.

In dieser bedrängnißvollen Lage war die Rettung nur von der Erneuerung der hingestorbenen Begeisterung zu erwarten. Nur dann, so schien es, konnten die Kreuzfahrer auf sich selbst vertrauen, wenn sie dem Himmel vertrauten. Priester und Heerführer beeiferten sich daher, durch das Gerücht himmlischer Erscheinungen und Tröstungen dieses Vertrauen zu erwecken. Zuerst hieß es, der heilige Ambrosius, ehemals Erzbischof von Mailand, sei einem italienischen Priester erschienen und habe ihn versichert, daß die Kreuzfahrer nach drei harten Prüfungsjahren Jerusalem erobern und alle Ungläubigen besiegen würden. Dann meldete ein anderer Priester, Namens Stephan, Christus selbst, begleitet von der heiligen Jungfrau und dem Apostel Petrus, sei ihm erschienen und habe ihm aufgetragen, den Kreuzfahrern zu sagen, würden sie zu ihm zurückkehren, so wolle er auch zu ihnen zurückkehren und binnen fünf Tagen ihnen helfen.

War schon durch diese Verheißungen ein Strahl von Hoffnung in den Gemächern der entmuthigten Kreuzfahrer aufgegangen, so mußten sich noch weit glänzendere Wirkungen erwarten lassen, wenn eine Reliquie zu Tage gefördert werden konnte, die Kampf und Sieg bedeutete. Als eine solche Reliquie mußte man die heilige Lanze betrachten, womit der römische Soldat Longinus einst die Seite des Heilandes durchbohrt hatte. Sollte sie aber das leisten, was von ihr zu erwarten war, so mußte ihre Aechtheit durch göttliche Aussprüche bewährt und selbst ihre Auffindung als Werk himmlischer Offenbarung betrachtet werden können. Graf Raimund von Toulouse war die Seele dieses Unternehmens.

Eines Tages trat ein Priester aus Raimund's Gefolge, Namens Peter Bartholomäus, öffentlich zu ihm und dem Bischof Ademar und meldete Folgendes: Zu wiederholten Malen habe ihm der Apostel Andreas aufgetragen, die heilige Lanze, die in Antiochien und zwar in der Peterskirche nicht weit vom Hochaltar vergraben liege, den Kreuzfahrern und zuerst dem Grafen Raimund, dem sie Gott zugedacht, zu übergeben. »Nach der Eroberung Antiochiens,« sagte Peter Bartholomäus, »habe ich aus Besorgniß, man möchte mir als einem unbedeutenden Manne keinen Glauben schenken, die empfangene Offenbarung verschwiegen. Nun aber ist mir der Apostel Andreas noch drei Mal erschienen und das dritte Mal hat er mich unter harten Drohungen zum Aufsuchen der heiligen Lanze aufgefordert.« Als Bartholomäus seine Rede geendet hatte, erklärte der fromme Bischof Ademar dessen Angabe für nichtiges Geschwätz; allein Graf Raimund hielt sie für wahr, alle wundergläubigen Kreuzfahrer traten ihm bei und im Rathe der Fürsten wurde das Ausgraben der heiligen Lanze beschlossen.

Am 14. Juni des Jahres 1098 ging Peter Bartholomäus mit zwölf Männern, unter denen sich auch Graf Raimund und dessen Kaplan befanden, in die Peterskirche. Alle Zuschauer wurden hinausgetrieben und vom Morgen bis zum Abend wurde gegraben. Umsonst! Da begannen Einige an der Auffindung des erwarteten Siegeszeichens zu zweifeln, selbst Graf Raimund entfernte sich und an die Stelle der ermüdeten Arbeiter traten neue. Hierauf sprang Peter Bartholomäus mit bloßen Füßen, nur mit einem Hemde bekleidet, in die Grube und beschwor die Anwesenden, eifrig zu Gott zu beten, daß er den Seinigen die heilige Lanze zur Stärkung und zum Siege verleihen möge. Nun, da die Anwesenden im Gebet versunken und von der Abenddämmerung umflossen sind, bringt Peter eine Lanzenspitze hervor. Kaum zeigt er dieselbe, so ergreift sie Raimund's Kaplan und küßt sie mit einer Lebhaftigkeit, die alle Andern mit Inbrunst entzündet. Ein lautes Jauchzen entsteht; wonnetrunken strömt die Menge herbei, küßt mit Freudenthränen dies Unterpfand der göttlichen Gnade und singt mit dankbarem Entzücken: »Herr Gott, dich loben wir!« Darauf wird die Lanze in kostbaren Purpur gewickelt, mit Gold und Silber umgeben und Graf Raimund zu ihrem Träger bestimmt.

Nun blühete neue Hoffnung und neue Begeisterung im Heere der Kreuzfahrer auf; man vergaß alle vergangenen und künftigen Leiden, der Muthlose bekam neuen Muth, der Schwache frische Kraft; einer ermunterte den andern zum Kampfe. Es ward ein großer Ausfall unternommen und der herrlichste Sieg errungen. Korboga mit seinem unermeßlichen Heere wurde glänzend geschlagen und floh über den Euphrat zurück. Die Burg Antiochia ergab sich den Siegern, aber nun entstand Streit über den Besitz der Stadt. Gottfried, seinem Eide getreu, stimmte für den Kaiser Alexius, aber Boëmund, als erster Ersteiger der Thürme, sprach sie für sich selber an. Er erhielt sie endlich als Fürst von Antiochia.

 

3. Die Eroberung von Jerusalem, den 15. Juli 1099.

 

1.

Drei Jahre waren schon verflossen, seitdem die Kreuzfahrer zur Befreiung des heiligen Grabes aufgebrochen waren, und noch war das Ziel nicht erreicht. Krankheiten und Seuchen, die noch viele Tausende hinrafften, die unaufhörlichen Anfälle der Türken und das ungewohnte Klima hatten die Reihen des Kreuzheeres sehr gelichtet. Dazu kam der Zwist der einzelnen Anführer. Noch in der Nähe von Jerusalem hatte Graf Raimund durch die Belagerung von Akka und Tripolis, aus welchen Städten er sich ein neues Fürstenthum zu bilden gedachte, die Kreuzfahrer aufgehalten. Aber je näher dem Ziele der Reise, desto ungeduldiger wurde das Heer, und die Mehrzahl der Kreuzfürsten fand es rathsam, diese Ungeduld zu befriedigen. Die Eroberung von Akka wurde aufgegeben, mit dem Emir von Tripolis ein Vergleich geschlossen, und rasch ging es dann auf der Straße zwischen dem Libanon und dem Meere westwärts gegen Jerusalem.

Vor Sidon, Tyrus und Akre zogen die Kreuzfahrer, ohne sich aufzuhalten, vorüber; die Eroberung dieser Städte ward für gelegenere Zeiten aufgespart. Zu Cäsarea feierten sie das Pfingstfest (29. Mai 1099) und am Abend des 5. Juni erreichten sie Nikopolis, vormals Emmaus genannt. Jetzt waren sie kaum eine halbe Tagereise von Jerusalem entfernt und nur die Nacht und das vorliegende Gebirge entzogen ihnen den ersehnten Anblick. Drückend langsam schien ihnen diese Nacht hinzuschleichen; schmerzhaft war ihnen jeder Verzug. Um Mitternacht kamen von Bethlehem Gesandte der Christen im Lager an und baten um Schutz gegen die Angriffe und Drohungen der Türken. Herzog Gottfried gewährte diese Bitte. Hundert auserlesene Ritter wurden unter Tankred's Anführung nach Bethlehem gesandt, wo sie, von ihren christlichen Brüdern freudig empfangen, die Geburtsstätte des Heilandes mit Jubelliedern begrüßten. Als aber die Uebrigen von der Absendung dieser Schaar hörten, wurde ihr Verlangen nach den heiligen Orten immer ungestümer. Ungeheißen brachen mehrere von ihnen auf, streiften bis vor die Mauern von Jerusalem und erbeuteten einiges Vieh. Dabei geriethen sie in große Gefahr, aus der sie jedoch von dem tapfern Tankred, der über den Oelberg zu dem Heere zurückkehrte, gerettet wurden.

 

2.

Endlich brach der Tag (6. Juni) an und schnell wurden die Höhen erstiegen; da lag sie vor ihnen, die heilige Stadt mit ihren Mauern und Thürmen und wie mit himmlischem Glanze strahlte sie ihnen entgegen. Namenlose Wonne und innige Rührung durchdrang Aller Herzen; vergessen waren alle Gefahren und Mühseligkeiten, nahe der Lohn für alle Verluste. Sie jauchzten und weinten vor Freuden, beteten und sangen, warfen sich nieder und küßten den Boden, wo sie die Fußtritte des Heilandes und seiner Jünger zu sehen glaubten. Nichts glich ihrer Freude, diese Stätte zu schauen, als die Begierde sie zu besitzen, und wohl nie ist ein Heer begeisterter als dieses zur Eroberung einer Stadt herangerückt.

Aber den Herzog Gottfried drückte nun die schwere Sorge, wie die große, von 60,000 Mann vertheidigte feste Stadt mit der geringen Zahl von vielleicht nur 20,000 wirklichen Kriegern einzuschließen und zu belagern sei. Man begann die Arbeit von der nördlichen Seite her. Zunächst der Burg David's nahm Gottfried mit den Deutschen und Lothringern seinen Platz. Schon am fünften Tage wagte das Heer einen allgemeinen Sturm. Vergebens! Zwar warfen sie die Vordermauer nieder und drangen bis zur Hauptmauer, aber aus Mangel an Strickleitern konnten sie weiter nichts ausrichten. Viele von ihnen wurden getödtet, noch Mehrere verwundet und mit Einbruch der Nacht mußten sich Alle wieder zurückziehen.

Das Mißlingen dieses ersten Anlaufs führte zur Besonnenheit. Man dachte nun ernstlicher an einen geordneten Angriff und an die Verfertigung des nöthigen Belagerungszeuges. Aber nun war Mangel an Holz und bald entstand auch Mangel an Nahrungsmitteln, besonders an Wasser; fast wäre in der unerträglichen Hitze das Heer vor Durst verschmachtet. Endlich entdeckte man in einer entfernteren Gegend einen Wald, aus welchem große Stämme und Balken in's Lager geschafft wurden. Noch ein sehr glücklicher Umstand war es, daß Schiffe von Genua in den Hafen von Joppe einliefen, wodurch den Kreuzfahrern Nahrungsmittel, Mannschaft und geschickte Baumeister zugeführt wurden. Nun ging es rasch an die Arbeit. Alle ohne Ausnahme, Vornehme und Niedrige, Arme und Reiche, unterzogen sich derselben, und in kurzer Zeit wurden Sturmleitern und Wurfmaschinen in Menge gefertigt. Herzog Gottfried aber und Graf Raimund ließen auf eigene Kosten zwei große Belagerungsthürme bauen und unter unsäglichen Mühen zu denjenigen Stellen der Mauern schaffen, wo ihre Wirkung am erfolgreichsten schien.

 

3.

Es waren vier Wochen unter mancherlei Arbeit und Beschwerde vergangen; fast alle Vorkehrungen waren vollendet und der Tag zum abermaligen Sturm festgesetzt, als man auf Rath der Geistlichkeit einen feierlichen Umzug veranstaltete, zuerst um die obwaltenden Zwistigkeiten auszutilgen, dann um die Begeisterung und den Glauben des Volks zu stärken, endlich auch um zu versuchen, ob sich das Wunder nicht erneuerte, durch welches Jericho in die Hände der Israeliten gefallen war. Freitags den 8. Juli wurde diese Prozession gehalten. Die Bischöfe und die übrigen Geistlichen führten sie an, festlich geschmückt, aber barfuß, mit Kreuzen und Reliquien in den Händen. Ihnen folgten, gleichfalls barfuß, aber völlig bewaffnet, mit Fahnen und Trompeten die Ritter und alles Volk; Gebete und Gesänge ertönten. So ging der Zug um die Stadt von dem Oelberge bis zur Zionsburg. An beiden Punkten wurden Reden gehalten von Peter von Amiens und einem flandrischen Geistlichen. Aller Hader wurde abgethan, reichliche Almosen vertheilt und inbrünstig gebetet, Gott möchte seinem Volke, das er bis zum Ziele der Reise geführt, auch fernerhin beistehen.

Inzwischen verfolgten die Muhamedaner von ihren Mauern herab den sonderbaren Zug mit lautem Hohn. Bald schossen sie Pfeile und Steine und verwundeten Einige, die sich zu unvorsichtig näherten; bald errichteten sie Kreuze auf Galgen und beschimpften sie mit schmutzigen Worten und Handlungen. Aber gerade diese Entweihung des Heiligen entflammte die Kreuzfahrer zum Zorn und zur Rache, und mit heißer Ungeduld, es die Ungläubigen entgelten zu lassen, kehrten sie in ihr Lager zurück.

 

4.

Sechs Tage darauf, Donnerstag den 14. Juli, wurde zur Erstürmung Jerusalems geschritten. Mit kühnem Ungestüm, fest entschlossen zu siegen oder zu sterben, rückte das Heer heran; selbst Weiber, Kinder und Greise drängten sich zu den Thaten der Männer. Aber wie heftig und nachdrücklich der Angriff auch war, ebenso nachdrücklich und heftig war die Gegenwehr. Ein schrecklicher Hagel von Pfeilen und Steinen empfängt die Stürmenden; sie erwidern ihn und unter großen Anstrengungen nähern sie ihre Kriegsmaschinen den Mauern. Doch diese sind mit Säcken voll Stroh und Heu, welche den Anprall der Mauerbrecher schwächen, wohl verwahrt und mit zahllosen Maschinen besetzt, welche die Stürmenden zurückhalten. Vom Morgen bis in die Nacht wird ununterbrochen gekämpft. Die Sonne geht unter, da wird der Kampf eingestellt. Aber welche Nacht! Schlaflos für Christen und Muhamedaner! Jene können nicht ruhen, weil sie einen feindlichen Ausfall und die Zerstörung ihrer Maschinen befürchten; diese aber sind in Sorgen, die Christen möchten im Schleier der Nacht heranschleichen, Leitern anlegen und die Mauern erklimmen. Endlich bricht der Morgen an. Sogleich eilen die Kreuzfahrer, von neuer Streitlust entflammt, jeder auf seinen Posten zum heißen Kampfe. Jetzt gelingt es ihrem kühnen Muthe, die Vordermauer niederzuwerfen und bis zur Hauptmauer vorzudringen. Aber hier finden sich neue Schwierigkeiten. Diese Mauer ist dick und hoch, mit einer Menge von Maschinen besetzt, aus denen Geschosse aller Art Tod und Verderben verbreiten. Die Muhamedaner schleudern Töpfe mit brennendem Pech und Schwefel auf die Maschinen der Christen und das Holzwerk geräth in Brand. Umsonst ist alle Anstrengung, aller Muth; die Festigkeit der Mauern und der Türken ist furchtbar. So kommt der Mittag heran und den Christen entsinkt der Muth. Nahe dem Ziele, wähnen sie sich demselben ferner als je. Laut jammerten die edelsten Ritter, daß sie nicht gewürdigt werden sollten, die heilige Stadt einzunehmen; schon wollen Manche den Kampf aufgeben und die rauchenden Belagerungsthürme zurückziehen, schon weicht das Heer in Unordnung zurück.

In diesen bedenklichen Augenblicken war es Herzog Gottfried, der die Verzagten ermuthigte und sie zur Vollendung der blutigen Arbeit begeisterte. Während er wie der gemeine Soldat arbeitete und zugleich die Pflicht des Heerführers übte, während er mit seinem Bruder Eustach auf den obersten Theil des Belagerungsthurmes stieg, bemerkte er plötzlich auf dem Oelberge eine Rittergestalt in weißer Rüstung und einen hellstrahlenden Schild schwingend. Er winkt nach der heiligen Stadt zu. »Seht da, ein Cherub mit flammendem Schwerte, den Gott zum Mitstreiter uns gesandt!« so rufen Alle begeistert und jauchzend springen sie abermals gegen die Mauern heran.

Nichts hilft es mehr, daß die Feinde mit Woll- und Strohsäcken ihre Mauern verwahren, nichts, daß sie große Balken an die Belagerungsthürme stoßen, um sie zu zertrümmern und zurückzuhalten; Gottfried mit seinen Mannen reißt die Balken nieder und mit feurigen Pfeilen läßt er die Woll- und Strohsäcke in Brand stecken. Jetzt erhebt sich schwarzer Dampf und ein heftiger Nordwind treibt ihn so dick nach der Stadt hin, daß die Feinde von der Mauer zurückweichen. Sowie Herzog Gottfried dies merkt, läßt er die im zweiten Stockwerk seines Thurmes befindliche Fallbrücke auf die Mauer herabfallen. Sie erreicht ihr Ziel. Herzog Gottfried ist einer der Ersten auf den Zinnen der Mauer. Ihm folgen die Andern. Tankred der Normann und Robert von Flandern erstürmen das Stephansthor und unter dem Ruf: »Gott will es, Gott will es!« dringen die Sieger in die Stadt.

 

5.

Aber kaum darf man die Sieger »Christen« nennen, die jetzt unaufhaltsam in die Stadt eindringen; so wild und furchtbar ist ihr Toben, so schrecklich überlassen sie sich ihren Leidenschaften. Mit blinder Blutgier fallen sie über die Unglücklichen her, Alles, was ihnen aufstößt, gleichviel ob Bewaffnete oder schwache Kinder, ob Männer oder Weiber oder Greise, wird erwürgt. Umsonst suchen sich die Unglücklichen zu retten; sind sie auch Gottfrieds Schaaren, die von Norden her vordringen, entronnen, so fallen sie Raimund's Kriegern, die von der südlichen Seite heranstürmen, in die Hände, und von Gasse zu Gasse wälzt sich der Mord. Am schrecklichsten wüthet er in dem Tempel Salomo's. Viele Tausende haben hinter den weiten und festen Mauern desselben Schutz und Rettung gesucht, aber Tankred erstürmt den Tempel und bemächtigt sich unter großem Blutvergießen der dasigen Schätze. Die übrigen Heerführer mit ihren Mannschaften folgen, an 10,000 Feinde werden getödtet und das Blut fließt in Strömen. Viele der Ungläubigen werden gespießt, andere gebraten, noch andere gezwungen, sich von den hohen Thürmen herabzustürzen. Zugleich erwacht die Begier nach Beute. Die Sieger stürzen sich in alle Häuser und plündern, was sie finden; jeder behält das Haus, vor dem er zuerst Schild oder Lanze aufsteckte, als sein Eigenthum.

Gottfried allein bleibt auch hier seinem edlen Charakter getreu. Nur bei dem ersten Eindringen in Jerusalem, wo der Widerstand seine Hitze aufgeregt und der Tod so vieler Christen seinen Zorn entflammt, taucht er seine Hände in Blut, aber er enthält sich alles Marterns und Raubens und bald verläßt er das Mordgetümmel und geht, wohin das Herz ihn ruft. Von dreien seiner Diener begleitet, ohne Panzer und Helm, barfuß und im Pilgerhemd, wallt er um einen Theil der Stadt herum zum heiligen Grabe. Dort wirft er sich nieder in heißer Andacht, weinend, betend und Gott dankend, daß er nun das Ziel seiner Sehnsucht erreicht hat. Dann kehrt er freudig zurück und trifft Anstalten zur Beschirmung der Stadt gegen mögliche Angriffe herumschwärmender Feinde.

 

6.

Indessen dauerte das Mordgetümmel an diesem und dem folgenden Tage zu Jerusalem fort. Dreihundert Türken, die sich auf das Dach des Salomonischen Tempels geflüchtet und von Tankred Gnade erfleht hatten, wurden von andern Kreuzfahrern getödtet, zur großen Erbitterung Tankred's, der dort sein Panier aufgepflanzt hatte. Nur die Besatzung des Thurmes David's, die sich an Graf Raimund ergeben hatte, erhielt von diesem freien Abzug nach Askalon. Erst am dritten Tage, einem Sonntage, vereinigen sich alle Kreuzfahrer zu einer gemeinsamen Wallfahrt nach dem heiligen Grabe. Sie legen ihre Waffen an, entblößen ihre Füße, reinigen sie vom Blute und angethan mit weißen Kleidern ziehen sie zu den heiligen Oertern, besonders zur Kirche des heiligen Grabes. Hier kommt ihnen mit Kreuzen und Gesängen die Geistlichkeit entgegen sammt den bereits in Jerusalem ansässigen Christen, die so viele Jahre das Joch der Knechtschaft getragen haben und nun dem Heiland für ihre Befreiung danken. Auch Peter von Amiens empfängt den Zoll des Dankes und der Freude. Im Heiligthum selbst fallen die Kreuzfahrer auf ihre Kniee, um dem Allbarmherzigen zu danken, der ihnen den Sieg verliehen hat. Voll frommer Andacht beichten die Einen und geloben Besserung, die Andern vertheilen von der gewonnenen Beute reichliche Almosen an Kranke und Greise, noch Andere rutschen auf bloßen Knieen zu dem Grabe des Heilandes und bedecken es mit Küssen und Thränen. Einer sucht den Andern in Werken der Andacht zu übertreffen.

Nachdem so die Wallfahrt beendet war, gedachte man der irdischen Nothdurft. Stadt und Tempel wurden vom Blute gereinigt, alle Spuren des Islam vertilgt, die innern Angelegenheiten geordnet und süßlabende Ruhe (für kurze Zeit!) folgte auf jahrelange Leiden. Dem Herzog Gottfried trug man die Königskrone an, aber er schlug sie aus und nannte sich nur Schirmherr des heiligen Grabes. »Wie sollte ich – sprach er – dort eine goldene Krone tragen, wo der König der Könige eine Dornenkrone getragen hat?« – Gottfried starb leider zu früh, schon 1100 den 18. Juli, und überließ die von den Türken unaufhörlich beunruhigte Herrschaft seinem Bruder Balduin, der den Königstitel annahm.

 

4. Bernhard von Clairvaux.

 

1.

Seit dem ersten Kreuzzuge fehlte es nicht an kleinen Pilgergesellschaften, welche von Jahr zu Jahr nach Palästina zogen; allein diese Verstärkungen waren doch viel zu unbedeutend, als daß die Eroberer des heiligen Landes sich lange hätten halten können. Sie baten den Papst dringend um Hülfe und dieser brachte auch endlich, besonders durch den frommen Abt Bernhard, in Frankreich einen großen Heereszug zu Stande, der an Glanz den ersten noch übertraf.

Ludwig VII., König von Frankreich, hatte gegen zwei rebellische Vasallen die Waffen ergriffen, ihr Land verheert und Vitri in der Champagne mit Sturm erobert. Da war eine Kirche, in welche sich 1500 Menschen geflüchtet hatten, von seinen Soldaten in Brand gesteckt worden. Um diese Grausamkeit wieder gut zu machen, gelobte er Gott einen Kreuzzug. Der Abt Bernhard bestärkte ihn in diesem Vorhaben und reiste alsbald im ganzen Lande umher, das Kreuz zu predigen. Dann erschien er auf dem glänzenden Reichstag, den Ludwig VII. 1146 zu Vezelay in Burgund hielt. Hier ertheilte er zuerst dem Könige, der jungen Gemahlin desselben, Eleonoren, und mehreren Baronen, welche Beiden zu folgen entschlossen waren, die ihm vom Papste zugesandten Kreuze. Dann begab er sich auf das freie Feld zu der unzähligen Volksmenge, die in der Stadt keinen Platz gefunden hatte. Eine Rednerbühne war daselbst für ihn bereitet. Er bestieg sie sammt dem Könige und kaum hatte er zu reden angefangen, so riefen von allen Seiten die Anwesenden: »Kreuze, Kreuze!« Er hatte ein großes Bündel derselben mitgebracht, aber es langte nicht, und nachdem er es mehr ausgestreut, als ausgetheilt hatte, so mußte er seine Kleider zerschneiden, um daraus neue Kreuze zu bereiten. Ihn selbst wollten die Bekreuzten zum Anführer erwählen, allein er verbat sich diese Ehre, ließ sich aber versprechen, daß Alle, welche das Kreuz empfangen hätten, bereit sein würden, im folgenden Frühjahr (1147) mit dem König Ludwig den Kreuzzug zu beginnen.

 

2.

Von Frankreich aus begab sich Bernhard im Herbste 1146 nach Deutschland, um auch hier das Kreuz zu predigen und besonders den deutschen König Konrad III. zur Annahme desselben zu bewegen. Aber er fand bei demselben große Schwierigkeiten. Zwar zeigte Konrad Ehrfurcht gegen den außerordentlichen Mann, der so viel Wunderbares wirkte und von Herzen fromm war; ja er soll sogar, als einst zu Frankfurt das Volk mit Ungestüm zu ihm drängte, ihn auf seine Schultern genommen und aus dem Gedränge getragen haben, aber zu einem Kreuzzuge war er nicht zu bewegen. Die Unruhen in Italien und Deutschland machten sein Verbleiben in Europa nöthig, überdies hatte er schon einmal eine Pilgerreise nach Jerusalem gemacht. Bernhard fand es für unklug, jetzt weiter in ihn zu dringen; er überließ es der zweifachen Macht der Zeit und des Beispiels, ihn auf andere Gedanken zu leiten, und unternahm indeß auf den Rath des Bischofs Hermann von Konstanz eine Reise in's südliche Deutschland. Der Ruf der Heiligkeit ging vor ihm her und wohin er kam, begeisterte er das Volk für den neuen Kreuzzug. Wie im Triumph reiste er über Zürich, Basel und Straßburg und von da auf dem Rheine nach Speyer, wo sich König Konrad mit den angesehensten deutschen Fürsten und Bischöfen zu einem Reichstage versammelt hatte. Am 24. Dezember 1146 traf er in Speyer ein. Auch hier empfing ihn hohe Bewunderung. Doch Konrad widerstand noch immer allen Anforderungen, bis er endlich durch Ueberraschung gewonnen wurde. Am dritten Weihnachtsfeiertage hielt Bernhard das Hochamt. Plötzlich unterbrach er, aller Gewohnheit entgegen, die heilige Handlung durch eine Anrede an die ganze Versammlung, um sie zum Kampfe für das heilige Grab zu ermuntern. Dann richtete er seine Rede unmittelbar an den König, stellte ihm das jüngste Gericht vor Augen und wie dort Christus zu ihm sagen würde: »Mensch, was ich dir Gutes thun konnte, habe ich dir gethan! Von mir bekamst du den Glanz der Herrschaft, bekamst Reichthümer, Weisheit, männlichen Muth und Kräfte des Leibes, und was hast du für mich gethan?« – Bei diesen Worten konnte sich Konrad nicht länger halten. Ueberwältigt von seinem Gefühle unterbrach er den Abt mit Weinen und Seufzen. »Ach«, rief er aus, »ich erkenne die Wohlthaten der göttlichen Gnade und will nicht als Undankbarer befunden werden. Ich bin bereit, ihm zu dienen!« Hocherfreut stimmte jetzt die Versammlung einen Lobgesang an; der König trat hin zum Altare und Bernhard bezeichnete ihn mit dem Kreuze und überreichte ihm das Panier, das er im heiligen Kriege tragen sollte. Nun zögerten auch die deutschen Fürsten, die bis dahin dem Kreuzzuge hartnäckig widerstrebt hatten, nicht länger. Sie empfingen das Kreuz und mit ihnen der junge Neffe des Königs Friedrich, damals Herzog von Schwaben und späterhin als Kaiser »Barbarossa« zubenannt Ueber den Kreuzzug, welchen der Kaiser Barbarossa im Jahre 1189 unternahm, siehe oben Seite 197..

 

3.

So zogen im Jahre 1147 zwei große Heere von mehr als 200,000 Kriegern unter zwei Königen und vielen Fürsten aus; aber es kamen nur Wenige zurück. Sie fanden auf ihrem Marsche noch größere Schwierigkeiten als Peter und Gottfried funfzig Jahre vorher. Der griechische Kaiser verweigerte ihnen Lebensmittel, griff sie als Feinde an und führte sie wohl gar den Türken in die Hände, denn er war eifersüchtig auf die Macht der Abendländer. Und als sie in Asien ankamen, rieben Hungersnoth und Pest den größten Theil des Heeres auf, und die Christen in Jerusalem, voll Argwohn gegen die abendländischen Fürsten, als suchten sie eigene Macht, hinderten jede größere Unternehmung. Konrad und Ludwig kehrten unwillig wieder zurück, nachdem sie durch Aufopferung von beinahe 200,000 Menschen nichts weiter erlangt hatten, als daß sie Jerusalem und das heilige Grab gesehen. Bernhard, der von diesem Zuge den glücklichsten Erfolg im Namen Gottes versprochen hatte, ward jetzt mit Vorwürfen überhäuft. Er aber rechtfertigte sich, die Schuld läge an den Sünden der Kreuzfahrer, und die Seelen der Gebliebenen seien doch im Himmel. Hätte doch Moses selbst sein Volk nicht in das gelobte Land einführen können!

 

5. Philipp August und Richard Löwenherz.

 

1.

Im Jahre 1190 traten auch der König von Frankreich, Philipp August, und der König von England, Richard I., dem seine Heldenkühnheit den Beinamen »Löwenherz« erworben hat, gemeinschaftlich den Kreuzzug an. Sie beschlossen, statt des mühsamen und gefährlichen Landweges durch Ungarn, lieber zur See die Reise zu unternehmen. Die italienischen Seestädte Genua, Pisa und Venedig übernahmen die Ueberfahrt und Besorgung der Heere, und wurden dadurch reiche und mächtige Seestaaten. Bei der Rückkehr beluden sie die leeren Schiffe gewöhnlich mit Erde aus dem gelobten Lande. Diese wurde in der Heimath theuer verkauft und auf die Begräbnißplätze gestreuet, denn seliger glaubte der fromme Christ unter dem heiligen Sande zu schlummern, und wenn er nicht das Glück genossen, die heilige Erde selbst zu betreten, hatte er doch den Trost, daß sie nach dem Tode seine irdische Hülle bedecke. Auch wurde Wasser aus dem heiligen Jordan mitgebracht, womit sich die Christen in ihrer Sterbestunde besprengen ließen.

Die Engländer schifften sich in Marseille, die Franzosen in Genua ein. In Messina vereinigten sich beide Könige wieder, aber schon hier entzweite Eifersucht und Nationalhaß Könige und Völker, und weil sie sich nicht einigen konnten, blieben sie einen ganzen Winter auf Sicilien liegen. Noch größer wurde der Zwiespalt, als sie im folgenden Jahre bei der Stadt Akre landeten und diese belagerten. Man kam endlich darin überein, daß einen Tag die Engländer, den andern Tag die Franzosen stürmen sollten, und so brachte es der Wetteifer in der Tapferkeit dahin, daß die Türken am 13. Juli 1191 die Stadt unter der Bedingung übergaben, daß man ihnen freien Abzug gestatte, sie aber nichts als ihre Kleider mitnähmen und der Sultan Saladin beiden Königen 200,000 Dukaten Kriegskosten bezahlte; bis dahin sollte die Besatzung verhaftet bleiben. Man ließ nun die eingeschlossenen Türken herausziehen, da aber Saladin das Geld nicht gleich schickte, ließ Richard in der Hitze 2000 der Sarazenen niedermetzeln. Man schnitt sogar noch mancher Leiche den Leib auf, ob man vielleicht verschluckte Edelsteine fände. Jetzt stürmten die Christen von allen Seiten in die Stadt und Herzog Leopold von Oestreich war einer der Ersten, aber gewinnsüchtig und gewaltthätig schloß Richard die Deutschen von der Beute aus. Nun weigerte sich Leopold, ihm bei der Befestigung von Askalon zu helfen. Richard aber ließ die deutsche Fahne im Lager herunterreißen und durch den Koth ziehen. Zornig griffen die Deutschen zu den Waffen, aber sie waren zu schwach, ihren Schimpf rächen zu können und Leopold zog mit ihnen wieder heim.

 

2.

Auch der König Philipp August konnte den stolzen, hochfahrenden Sinn Richard's nicht länger ertragen und schiffte sich bald wieder ein; nur den Herzog von Burgund ließ er mit 10,000 Mann zurück. Richard aber zog weiter vorwärts und erfüllte das ganze Morgenland mit dem Ruhme seiner Thaten. Saladin wurde geschlagen, schon war er Jerusalem nahe, da verließ ihn plötzlich der Herzog von Burgund mit den französischen Truppen, und selbst viele Engländer zogen mit den französischen Truppen ab. Richard indeß, im Vertrauen auf seine Tapferkeit, ließ sich dadurch nicht abhalten, wiewohl er einige Mal in Lebensgefahr kam. Einst ging er mit wenigen Begleitern auf die Jagd und gerieth in einen türkischen Hinterhalt. Er hieb wie ein Rasender um sich, allein seine Begleiter waren schon alle bis auf einen gefallen, und der Türken waren viele. Da rief plötzlich jener Eine – es war Wilhelm von Pourcellet –: »ich bin der König!« Sogleich ließen die Feinde Richard los und nahmen Jenen gefangen, Saladin lobte ihn, als er die List erfuhr, behandelte ihn ehrenvoll und wechselte ihn nachher gegen 10 Türken aus.

Richard indeß, schon im Angesichte von Jerusalem, war nun doch zu schwach, die heilige Stadt zu erobern. Er wandte sein Gesicht unwillig ab und rief: »Wer den Muth nicht hat, das heilige Grab zu befreien, der verdient auch nicht, es zu sehen!« Er zog zurück nach Ptolemäus (Akre), schloß mit Saladin Frieden und segelte im September 1192 nach Europa zurück. Er eilte so sehr als möglich, weil er die Nachricht erhalten hatte, sein Bruder Johann gehe damit um, sich auf den englischen Thron zu schwingen. Auf der Rückreise hatte er das Unglück, vom Sturme in's Adriatische Meer verschlagen zu werden. Bei Aquileja, unweit Venedig, stieg er an's Land und setzte nun seine Reise, als Pilger verkleidet, weiter fort. Aber zu Wien ward er erkannt. Der erbitterte Herzog Leopold, welcher die Beschimpfung seiner Fahne noch nicht vergessen hatte, ließ ihn augenblicklich gefangen nehmen und lieferte ihn dem deutschen Kaiser Heinrich VI. aus. Dieser hielt den stolzen Engländer auf der Burg Trifels in strenger Haft, aus Rache, weil er früher die unruhigen Sicilianer gegen ihn unterstützt hatte.

Ueber die Nachricht von Richard's Gefangennehmung empfand Keiner größere Freude, als Philipp August von Frankreich. Sogleich fiel er über dessen englische Besitzungen in Frankreich her. Auch unterstützte er Richard's nichtswürdigen Bruder Johann, der, weil ihm sein Vater keine Provinz ausgesetzt hatte, Johann ohne Land genannt wurde. Aber der größte Theil der Engländer verabscheuete Johann und sehnte sich nach Richard zurück. Man wußte in England noch gar nicht, wo sich eigentlich der König befände. Schon mehrere Monate schmachtete Richard in schmählicher Gefangenschaft; aber ein Freund der Dichtkunst goß er jetzt seinen Schmerz in Liedern aus, und dadurch machte er sich seinen Freunden kenntlich. Die Volkssage hat seine Abenteuer und Schicksale romantisch ausgeschmückt. Als es – so erzählt eine alte Sage – noch unbekannt war, in welchem Schlosse man den hohen Gefangenen festgenommen habe, zog Blondel, sein Lieblingssänger, aus, um den Herrn aufzusuchen. Er kommt bis Oestreich. Dort hört er, daß auf dem Schlosse Dürrenstein ein vornehmer Gefangener sei, aber jeder Zutritt werde verweigert. »Das ist Richard,« denkt der Sänger in seinem Herzen; er setzt sich in der Nähe des Schlosses nieder und stimmt ein Lied an, das er einst gemeinschaftlich mit seinem König gedichtet hat. Richard lauscht den Tönen und als der Sänger innehält, singt er die andere Hälfte des Liedes weiter. Da ist Blondel hoch erfreut, er meldet die Kunde nach England und das Lösegeld wird zusammengebracht. Der habsüchtige Kaiser verlangt 100,000 Mark Silber (1 Million Thaler) und das treue Volk sendet sie ihm.

 

6. Die Ritterorden.

Schon vor den Kreuzzügen, im Jahre 1048, hatten sich mehrere Kaufleute aus Amalfi in Unteritalien zusammengethan, um die Pilger, welche oft krank und hülflos in Jerusalem ankamen, zu unterstützen. Sie baueten zu diesem Zwecke in der Nähe des heiligen Grabes ein Kloster mit einem Hospitale, in welchem kranke und hülflose Pilger unentgeltlich verpflegt werden sollten. Als Schutzpatron dieser frommen und nützlichen Stiftung wurde der heilige Johannes der Täufer gewählt. Darum hießen die Ordensbrüder Johanniter, auch wohl Hospitalbrüder. Ihr Name ward in der ganzen Christenheit berühmt, und damit sich immer mehrere zu dem frommen Dienste finden möchten, schenkten ihnen manche wohlhabende Christen des Abendlandes Geldsummen und vermachten ihnen liegende Güter, um so zur Bekämpfung der Ungläubigen ein frommes Werk zu stiften, auch wenn sie nicht in's heilige Land ziehen konnten.

Nach der Eroberung von Jerusalem theilten sich die Ordensbrüder in drei Klassen: Ritter, Geistliche und dienende Brüder. Während die Geistlichen den Gottesdienst besorgten und die dienenden Brüder pflegend am Krankenlager der Pilger saßen, bestiegen die rüstigen Ritter das Roß, um mit dem Schwerte in der Hand die Wallfahrer gegen die überall an den Wegen auflauernden Sarazenen zu schützen. Ihre Ordenstracht war ein schwarzer, mit einem achtspitzigen weißen Kreuze bezeichneter Mantel. Lange behauptete sich dieser Orden durch die Eintracht und Tapferkeit gegen die muhamedanischen Waffen. Als aber das heilige Land an die Türken verloren ging, flohen sie nach der Insel Rhodus an der Südwestküste von Kleinasien, und als sie auch hier von den Feinden vertrieben wurden, gingen sie nach der kleinen Felseninsel Malta. Darum haben sie auch den Namen Rhodiser und Malteser Ritter geführt.

Der Orden der Tempelherren entstand nach der Eroberung Jerusalems im Jahre 1118 und war ganz kriegerisch. Er wurde von acht französischen Rittern gestiftet, die sich zu dem Zwecke vereinigten, die Pilger durch Palästina zu geleiten und sie mit gewaffneter Hand gegen die Anfälle der Ungläubigen zu schützen. Ihren Namen erhielten sie von dem Platze, auf welchem einst der Tempel Salomonis gestanden hatte; dieser Platz wurde ihnen vom König Balduin eingeräumt. Der Papst verlieh ihnen den Vorzug, als Sinnbild ihres blutigen Berufs ein rothes Kreuz auf ihren weißen Mantel zu heften. Ungewöhnlich schnell stieg das Ansehen dieses Ordens, der größtentheils aus Franzosen bestand, und er gewann durch reiche Mitglieder und fromme Vermächtnisse beträchtliche Reichthümer. Die meisten ihrer Güter hatten die Tempelherren in Frankreich und der große Reichthum reizte die Habsucht der französischen Könige zum Verderben dieses Ordens. Im Jahr 1307 ließ der heimtückische König von Frankreich, Philipp IV. (der Schöne), alle Tempelherren in seinem Reich ergreifen und in hartes Gefängniß werfen. Er legte ihnen die unerhörtesten Verbrechen zur Last, an die sie gar nicht gedacht hatten, und er ließ sie auf die schrecklichste Weise foltern, damit sie solche Geständnisse machen sollten, wie er sie wünschte. Manche wurden sogar lebendig verbrannt. Dann wurde auf der Kirchenversammlung zu Vienne im Jahr 1312 der Orden vom Papst für aufgehoben erklärt und der Reichthum desselben fiel dem Könige zu.

Auch der deutsche oder Marianer-Ritterorden hat seine Entstehung den Kreuzzügen zu verdanken. Er wurde 72 Jahre später, im Jahr 1190, von Deutschen gegründet. Die Mitglieder desselben mußten Deutsche sein, und sie verpflichteten sich, wie die beiden vorher genannten Orden, zu den gewöhnlichen Klostergelübden des Gehorsams, der Ehelosigkeit und der Armuth. Ihre Ordenstracht war ein weißer Mantel mit schwarzem Kreuze. Nach dem Verluste des heiligen Landes wandten sie sich nach Venedig. Von da wurden sie unter ihrem Großmeister, Hermann von Salza, im Jahre 1229 von den Polen gegen die Preußen zu Hülfe gerufen. Dreiundfunfzig Jahre führten sie mit diesem damals noch heidnischen Volke schwere Kriege. Endlich eroberten sie das Land und zwangen die Bewohner, die christliche Religion anzunehmen. Marienburg wurde im Jahre 1309 die Residenz des Hochmeisters. Im 16ten Jahrhundert (1523) ging ihr Hochmeister, der Markgraf Albrecht von Brandenburg, sammt den meisten Ordensgliedern zur lutherischen Religion über, die Uebrigen wandten sich nach dem Städtchen Mergentheim in Würtemberg. Im Wiener Frieden (1815) wurde der Orden aufgehoben.


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