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1. Belisar und Narses.
1. Belisar macht dem Vandalenreiche ein Ende.
Die Vandalen, ein kräftiger deutscher Volksstamm, waren durch Spanien über die Meerenge von Gibraltar gewandert, und hatten die Provinz Afrika erobert. Ihr König hieß Genserich, der war ein tapferer Kriegsmann, und so lange er lebte, behielten die Vandalen ihre natürlichen Sitten. Sie waren grausam und roh, aber nüchtern, mäßig und keusch. Liederliche Personen wurden mit dem Kolben auf den Kopf geschlagen. Diese Kolben waren gezähnt und wurden am Kopfe umgedreht, so daß sich die Haare darin verwickelten, und wenn dann kräftig angezogen wurde, gingen nicht bloß die Haare, sondern auch oft die ganze Kopfhaut mit hinweg.
Nach dem Tode Genserich's entartete das Volk in dem warmen, fruchtbaren Lande und wurde eben so üppig und verderbt als die Römer. Als der schwache Hilderich den Thron bestieg, stürzte ihn sein Gegner Gelimer und ließ ihn in's Gefängniß werfen. Dies nahm der oströmische Kaiser Justinian zum Vorwand, um die Vandalen zu bekriegen, und sandte seinen tapfern Feldherrn Belisarius mit 15,000 Gewaffneten nach Afrika. Das Volk, welches die Kraft der Väter verloren hatte, hielt dem Angriffe nicht Stand, und siegreich zog Belisar mit seinem Heere in der Hauptstadt Karthago ein. Gelimer hatte unterdessen neue Schaaren gesammelt, aber Belisar schlug ihn abermals. Da flüchtete sich der Vandalenkönig aus einen Berg und verschanzte sich dort; aber die Feinde schlossen ihn ein. Drei Monate blieb er standhaft in seiner bittern Noth; endlich aber schickte er zu den Feinden hinaus und bat ihren Hauptmann, der ein Deutscher war, um drei Dinge: um ein Stück Brot, seinen Hunger zu stillen, um einen Schwamm, seine rothgeweinten Augen zu netzen, und um eine Laute, das Lied seines Jammers zu ihren Klängen zu singen. So auf's Aeußerste gebracht, ergab er sich in der Feinde Gewalt. Belisar führte ihn in silbernen Ketten fort nach Konstantinopel, und hielt hier einen glänzenden Triumphzug, in welchem die unermeßliche Beute prangte, welche die Vandalen, als sie früher Rom geplündert hatten, nach Karthago gebracht. Belisar ging aber bescheiden zu Fuß, während die altrömischen Feldherren ihren Triumphzug zu Wagen hielten.
2. Belisar zieht nach Italien.
Inzwischen sank auch die Macht des ostgothischen Reiches in Italien mehr und mehr. Nach Theodorich's Tode hatte dessen Tochter Amalasuntha für ihren minderjährigen Sohn die Regierung geführt. Als dieser frühzeitig starb, nahm sie Theodat, den Neffen ihres Gatten, zum Mitregenten an. Doch sie achtete den Theodat nicht sonderlich, und diesen verdroß es, unter der Herrschaft eines Weibes zu stehen. Darum trachtete er ihr nach dem Leben, und eines Tages, als sie im Bade saß, ließ er sie ermorden. Solche Uebelthat kam dem morgenländischen Kaiser sehr gelegen, und diente ihm zum Vorwande, Italien, das er immer noch als sein Eigenthum betrachtet hatte, wieder zu erobern. Schon vorher hatte er die Uneinigkeit zwischen Gothen und Römern genährt und den Haß der Katholiken gegen die Arianer aufgestachelt; denn die Italiener waren dem katholischen Glaubensbekenntniß zugethan.
So sandte er denn im Jahre 535 seinen siegreichen Feldherrn Belisar nach Italien und reizte überdies auch die Franken zum Kriege gegen Theodat. Dieser aber erwies sich jetzt in der Gefahr schwach und verzagt und verlor dadurch das Vertrauen seines Volkes. Weil er unentschlossen zögerte, bekam Belisar bald Sicilien und ganz Unteritalien in seine Gewalt. Da riefen die Gothen: »Was thun wir länger mit diesem armseligen König!« Sie setzten den König ab und riefen unter Trompetenschall und Schwertergeklirr ihren tapfern Feldherrn Vitiges zum Könige aus. Der sammelte schnell ein Heer von 150,000 Mann und rückte vor Rom, in welche Stadt sich Belisar mit 5000 Mann geworfen hatte. Und doch hielt sich der Letztere über ein Jahr lang in der bedrohten Hauptstadt und vertheidigte sich so lange, bis griechische Hülfstruppen zum Entsatze herbeirückten. Vitiges mußte unverrichteter Sache wieder abziehen, und die Gothen kamen immer mehr in's Gedränge, so daß sie auch an dem Vitiges irre wurden. In ihrer Verzweiflung trugen sie sogar dem gefürchteten Belisar die Krone an, um ihn zum Abfall von seinem Kaiser zu verlocken. Belisar stellte sich, als ob er das Anerbieten annähme, und die getäuschten Gothen ließen ihn ungehindert in das feste Ravenna einziehen. Da warf er plötzlich die Maske ab, nahm den Vitiges in seinem eigenen Schloß gefangen und schickte ihn sammt den erbeuteten Kostbarkeiten nach Konstantinopel. Der Kaiser Justinian lohnte aber die Dienste des treuen Feldherrn schlecht, denn er lieh den Feinden des Belisar sein Ohr und rief ihn mitten aus seiner Siegesbahn nach Konstantinopel zurück. Belisar gehorchte ohne Murren.
3. Totilas und Narses.
Aber das tapfere Volk verzagte noch nicht; es wählte sich den Totilas zum König, welcher noch jung, aber eben so weise als edel und tapfer war. Jetzt schien das Glück den Gothen noch einmal zu lächeln. Totilas eroberte das offene Land und die meisten Städte wieder, zog siegreich in Rom und Neapel ein und gewann durch seine Milde und Freundlichkeit die Herzen der Ueberwundenen. Schon hatte der wackere Gothenkönig ganz Unteritalien wieder gewonnen, da ward es dem Justinian doch ängstlich, und er schickte abermals den Belisar mit Heeresmacht nach Italien. Dieser gewann Rom auf's Neue und vertheidigte die Hauptstadt gegen Totilas mit solcher Beharrlichkeit, daß er, als es an Wurfgeschoß mangelte, sogar die schönsten Bildsäulen auf die Belagerer herabschleudern ließ.
Nun aber bestürmten die Feinde Belisar's abermals den Kaiser und suchten ihm den Argwohn beizubringen, der Feldherr wolle sich zum Alleinherrscher von Italien machen. Justinian rief wiederum den Belisar zurück, und abermals gewann Totilas Rom, ja noch ganz Sicilien dazu. Doch die Flotte der Gothen ward geschlagen, und zu Land kam der neue Feldherr Narses, ein Kämmerling des Kaisers, klein und schwächlich, aber großen Geistes und tapferen Muthes. Der brachte ein wohlgerüstetes Heer mit, und am Fuße der Apenninen, in jener Gegend, wo einst Kamillus die Gallier geschlagen hatte (bei Teginä), trafen beide Feinde aufeinander.
Totilas hatte den Gothen verboten, sich der Pfeile oder irgend eines andern Geschosses zu bedienen, nur die Sperre sollten sie brauchen, nur im Handgemenge kämpfen, damit die Kraft und der Muth des einzelnen Mannes entscheide. Dieses Verbot war edel, aber nicht klug, weil dadurch die Seinigen den Kaiserlichen nachstehen mußten; denn diese bedienten sich der verschiedenen Waffen, wie es die Umstände erheischten. Die gothische Reiterei stürmte ungestüm vorwärts, ohne daß die Fußgänger ihr folgen konnten, und vertrauete ihren Speeren; aber ihre Kühnheit war blind und bald mußte sie die Folgen derselben empfinden. Sie bemerkten nicht, daß die Enden des Halbmondes, in welchem die Bogenschützen aufgestellt waren, sich einander näherten und sie einschlossen. Als aber die Pfeile von beiden Seiten in ihre Reihen flogen, merkten sie bald ihre Thorheit. Sie hatten schon viele Menschen und Pferde verloren, bevor sie nur mit dem Feinde recht zusammen gekommen waren, und mit Mühe zogen sie sich aus ihre Schlachtreihe zurück.
Nun aber begann der gewaltige Andrang der Kaiserlichen gegen die Reihe der Gothen, und die Römer wetteiferten mit ihren Bundesgenossen an Tapferkeit. Der Tag neigte sich, da wurden die Gothen verzagt, denn sie waren zurückgedrängt von der Uebermacht der Feinde. Es wurde immer dunkler, aber die Römer metzelten ohne Erbarmen Alles nieder. Sechstausend Gothen blieben in diesem Treffen, und die, welche sich den Kaiserlichen ergaben, wurden alle getödtet. Totilas floh in die Nacht mit fünf seiner Getreuen; die Feinde setzten ihm nach, ohne zu wissen, wer die Flüchtigen wären. Unter den Kaiserlichen war auch ein Gepide, Namens Asbad. Dieser war dem Gothenkönige zunächst und zielte mit dem Speer auf den Rücken des Helden. Ein gothischer Jüngling sah die Gefahr und hieb nach dem Feinde, doch es war zu spät; Totilas war tödtlich getroffen. Aber er ritt noch eine lange Strecke, bis ihn seine Freunde vom Pferde hoben; sie wollten seine Wunde verbinden, aber er starb unter ihren Händen. Da machten die Gothen ein Grab und legten ihren unglücklichen König hinein.
Die Kaiserlichen wußten noch nicht, daß Totilas gefallen sei, bis es ihnen eine gothische Frau, die in der Nähe gewesen war, erzählte. Die Römer nannten das eine Lüge, bis sie den frischen Grabhügel erblickten, den die Gothen ihrem Könige als das letzte Zeichen ihrer Treue errichtet hatten. Sie gruben das Grab wieder auf, um nachzusehen. Da erkannten sie die Leiche des Gothenkönigs, und als sie sich satt daran gesehen, legten sie ihn wieder in sein Grab zur Ruhe und verkündeten die Sache ihrem Feldherrn Narses. Dieser schickte den Hut und das blutgetränkte Gewand des Helden nach Konstantinopel und dort wurden diese Ueberbleibsel dem Kaiser zu Füßen gelegt. Mit stolzer Freude betrachtete sie der Mann, der nie ein Schwert gezogen und doch so vielen Jammer über die deutschen Völker gehäuft hatte.
4. Tejas, der letzte König der Ostgothen (553 n. Chr.).
Die Gothen, welche aus dem Treffen entkommen waren, setzten über den Po und eilten nach Ticinum (Pavia). Dort wählten sie Tejas zu ihrem Könige. Dieser bemächtigte sich des gothischen Schatzes, den Ticinum aufgehäuft hatte, und suchte dafür wieder Mannschaften an sich zu ziehen. Narses aber eilte zuerst nach Rom, welches die Gothen, die dort lagen, muthig vertheidigen wollten. Totilas hatte einen großen Theil der Stadt niedergebrannt; aber das Grabmal Hadrian's (auf dem rechten Tiberufer) hatte er noch mehr befestigt, und dahin brachten nun die Gothen alle ihre Kostbarkeiten, und wollten diese Veste mit aller ihrer Macht schützen; die andern Mauern vernachlässigten sie. Die Kaiserlichen konnten auch nicht alle Mauern zugleich angreifen, sondern nur hier und da, und auf diesen bedrohten Punkten sammelten sich dann auch die Gothen, und ließen die dazwischen liegenden Räume frei. An einer solchen unbewachten Stelle erstiegen einige Kaiserliche die Mauer, und so ward Rom zum fünften Mal erobert – dreimal von den Kaiserlichen und zweimal von den Gothen.
Tejas sah wohl ein, daß die Gothen für sich allein dem Kriege nicht mehr gewachsen wären, und bat darum den Frankenkönig Theodebald um Hülfe. Allein die Franken wollten weder dem Kaiser noch den Gothen zu Lieb ihr Leben einsetzen, sondern für sich selber Italien haben. Da mußte Tejas die Hoffnung aufgeben; er zog südwärts an der Meeresküste hin. So kam er nach Kampanien, ohne daß ihn der Feind bemerkte. In Kampanien liegt der feierspeiende Berg Vesuv, an dessen Fuße ein kleiner Fluß Draco entspringt, der bei der Stadt Nocera vorbeifließt. Das Bett des Flusses ist eng und tief, darum der Uebergang sehr schwer. Die Gothen hatten die einzige Brücke besetzt, durch hölzerne Thürme und Ballisten (Wurfmaschinen) befestigt, um auf die andringenden Feinde niederzuschießen. So war kein Handgemenge möglich, weil der Bach immer zwischen den Kämpfern war; aber sehr oft standen die Feinde auf beiden Ufern und suchten sich mit Pfeilen zu erlegen.
Wohl zwei Monate vergingen, und kampfgerüstet standen sich die Heere gegenüber. Noch hatten die Gothen die Herrschaft über das Meer und ihre Schiffe führten ihnen reichlich Lebensmittel zu. Aber der Anführer der gothischen Flotte übergab sie den Kaiserlichen, und zugleich segelten von Sicilien her mehrere kaiserliche Schiffe heran. Da stellte auch Narses an seiner Seite des Flusses hohe Thürme auf und erschreckte die Gothen, daß sie meinten, sich nicht länger da halten zu können, sondern sich aus den benachbarten Berg zurückzogen. Dahin konnte ihnen das kaiserliche Heer nicht folgen, wegen der Unebenheit des Bodens. Aber bald reuete es die Gothen, so hoch hinaufgestiegen zu sein, denn sie hatten dort keine Lebensmittel mehr, weder für sich, noch für ihre Pferde. Darum entschlossen sie sich, lieber im ehrlichen Kampfe zu sterben, als langsam zu verhungern, und warfen sich mit Ungestüm auf die Kaiserlichen, die so Etwas am wenigsten erwarteten. Diese wehrten sich nicht auf ein Zeichen der Hörner, auch nicht nach Abtheilungen und regelmäßiger Anordnung, sondern wie sie gerade standen; denn der Angriff war ihnen zu unvermuthet gekommen. Aber dennoch vertheidigten sie sich mit aller Anstrengung, bis sich allmälig ihre Macht gesammelt hatte.
Die Gothen stiegen nun ab von ihren Rossen und ließen sie ungehindert laufen. Dann stellten sie sich alle in eine tiefe Schlachtreihe, die Stirn dem Feinde zugewendet. Als die Römer das erblickten, verließen auch sie alle Pferde und stellten sich so wie die Gothen. Dann aber begann der Kampf, in welchem Tejas an Heldenkraft und Muth keinem aller Namen weicht, welche die Geschichte kennt. Den Gothen gab die Verzweiflung Muth, obgleich ihnen der Feind an Macht weit überlegen war; die Römer kämpften für ihre Ehre; denn sie wollten sich nicht von der kleinen Schaar besiegen lassen.
Am Morgen begann der Kampf und Tejas stand durch seinen Schild gedeckt Allen erkennbar an der Spitze seines Haufens. Sobald die Römer ihn erblickten, meinten sie, daß sein Tod dem Treffen ein Ende machen würde, und darum drängten sich alle Kampflustigen gegen ihn heran. Ihrer war eine große Zahl und alle richteten auf ihn die Sperre oder suchten ihn auch mit Wurfspießen zu verwunden, die sie auf ihn schleuderten. Aber Tejas stand und fing die Spieße mit seinem Schilde auf; zuweilen sprang er vor und tödtete seinen Gegner. Wenn er aber bemerkte, daß sein Schild voll war von Wurfspießen, die mit der Spitze darin steckten und daran niederhingen, da rief er seinen Waffenträger und dieser reichte ihm einen andern dar. Als er so kämpfend den dritten Theil des Tages dagestanden hatte, geschah es, daß wiederum zwölf Wurfspieße an seinem Schilde niederhingen, und er ihn nur schwer bewegen und nicht ferner die Feinde damit abwehren konnte. Da rief er wiederum mit lauter Stimme seinen Waffenträger; er selbst bewegte sich aber nicht einen Finger breit von seiner Stelle, zog nicht seinen Fuß zurück und gestattete auch keinem Feinde, den seinigen vorzusetzen. Auch wandte er sich nicht und bog sich nicht zur Seite; sondern gleich als wäre er an den Boden geheftet, so stand er mit seinem Schilde an derselben Stelle, während seine Rechte unter die Feinde schlug und die Linke den Andrang abhielt. So stehend rief er seinen Waffenträger mit Namen. Der brachte ihm einen neuen Schild und nahm den schweren, an welchem die Wurfspieße niederhingen. Da aber ward seine Brust einen Augenblick frei, und diesen Augenblick benutzte der Feind; ein Wurfspieß sauste herüber und durchbohrte die Brust des Königs. Da hauchte der Held seine Seele aus.
Einige der Kaiserlichen aber zerrten die Leiche hervor und hieben ihr den Kopf ab und steckten denselben auf einen Speer, damit dieser Anblick den Römern Muth einflöße und die Gothen verzagt mache. Aber die Gothen kämpften wacker fort bis zum Abend. Die Nacht schied das Treffen und von beiden Seiten blieben die Kämpfer in den Waffen. Am folgenden Morgen stellten sie mit dem ersten Strahl der Sonne ihre Reihen und wiederum kämpften sie bis in die Nacht, und keiner wandte den Rücken und keiner wich, so viel auch ihrer fielen, und Jeder fiel an dem Orte, wo er getroffen war. Die Gothen wußten wohl, daß sie zum letzten Male kämpften; die Römer aber wollten ihnen nicht nachstehen an Muth.
Am Abend aber des zweiten Tages sandten die Gothen einige der angesehensten ihres Volkes zu Narses und ließen ihm sagen, sie sähen nun wohl ein, daß Gott ihnen das Land Italien nicht zum Eigenthum bescheert habe. Darum wollten sie abstehen vom Kampfe, doch nicht um sich dem Kaiser zu unterwerfen, sondern um mit ihren Genossen nach ihren Gesetzen zu leben. Darum bäten sie um freien Abzug, und daß sie auch das Reisegeld mitnehmen dürften, das früher ein Jeder zurückgelegt hätte.
Narses erwog diesen Vorschlag im Kriegsrathe mit seinen Anführern, und diese riethen ihm, die Bitte zu gewähren, weil ja doch die Gothen zum Todeskampfe entschlossen wären, der auch den Kaiserlichen noch manchen tapfern Mann hinwegnehmen würde. Diese Meinung billigte auch Narses, und er kam mit den Gothen überein, daß diese ungehindert abziehen und niemals wieder mit dem Kaiser Krieg führen sollten. Da gingen noch 1000 Gothen aus ihrem Lager hervor und begaben sich nach Ticinum (Pavia) und dem nördlich vom Po gelegenen Lande. So endete der Krieg, der achtzehn Jahre gedauert und an 15 Millionen Menschen verschlungen hatte, und so war das Ende des Stammes der Ostgothen. Narses aber wurde zum Statthalter Italiens bestimmt.
2. Roderich und Tarek (711 nach Chr.).
In dem schönen Spanien wurden die Gothen während des sechsten und siebenten Jahrhunderts selten angegriffen, und darum wurde das Volk im Ganzen der Waffen entwöhnt. Zugleich war das Land immer von Parteiungen zerrissen; denn es war ein Wahlreich, und nur der war rechtmäßiger König, welcher feierlich dazu gewählt auf dem Schilde emporgehoben wurde. Dadurch stieg die Macht der Großen des Reichs, sowohl der weltlichen als der geistlichen; denn nur die Großen hatten das Recht der Wahl, und dadurch entstanden unendliche Streitigkeiten, welche sowohl die königliche Macht, als auch die Ruhe und Sicherheit des Volkes zerrütteten.
Um den Anfang des achten Jahrhunderts drang ein neuer welterobernder Stamm nach Westen, die Nordküste Afrika's entlang. Die stürmende Tapferkeit der Araber überwältigte allen Widerstand; denn der Araber war nach der Lehre Muhamed's überzeugt, daß der einmal dem Tode Geweihte seinem Schicksal nicht entrinnen könne. Ein ähnlicher Glaube hatte auch einst Attila und die Hunnen zu ihren länderverwüstenden Eroberungen geführt. Als nun die Araber an der Nordküste Afrika's immer weiter nach Westen drangen, bis wo die Fluthen des Meeres ihnen eine Grenze setzten, vernahmen sie allerlei Gerüchte von dem schönen Lande Spanien. Es war dem arabischen Feldherrn Musa erzählt: Spanien hat einen immer heitern Himmel, große Reichthümer und einen Ueberfluß an heilsamen Kräutern und Früchten. Die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens wird durch das rechtzeitige Eintreffen des Regens und die vielen Flüsse und wasserreichen Quellen befördert. Große und prachtvolle Städte bezeugen den Reichthum der Bewohner. Man verglich Spanien mit Syrien in Rücksicht aus den heitern Himmel und die Fruchtbarkeit, mit dem Glücklichen Arabien in Rücksicht des Klima's, mit Indien in Hinsicht seiner Blüthen und Wohlgerüche, mit China in Betreff seiner kostbaren und reichhaltigen Minen, mit Griechenland wegen seiner günstigen Lage und seiner zahlreichen Küstenländer. Zugleich erfuhr Musa die Feindseligkeiten der Bewohner Spaniens unter einander und es wurde ihm gesagt, daß die Juden, die seit Hadrian's Zeit in großer Anzahl in Spanien weilten, nur auf den günstigen Augenblick warteten, um sich dem Drucke der verhaßten Gothen zu entziehen. Aber nicht die Juden nützten den Arabern so viel, als der Verrath der ersten Würdenträger des Reichs.
Die Araber griffen zuerst Ceuta in Afrika an, das der gothische Graf Julian wacker gegen sie vertheidigte. Aber dieser Mann, der die festeste Stütze des gothischen Reichs hätte sein können, wurde das Verderben desselben. So lange der Gothenkönig Vitiza regierte, war Julian diesem und dem Reiche treu; aber dann stieß Roderich den Vitiza vom Thron, und diesen fürchtete Julian, weil er ihn haßte. Die Sage erzählt noch dazu, daß der Gothenkönig Roderich dem Grafen Julian einen frevelhaften Schimpf angethan hatte durch die Mißhandlung der Cava, der Tochter Julian's. Darum berieth sich Julian mit Oppas, dem ersten Bischöfe des gothischen Reichs und nach dem Könige auch dem Ersten an Ansehn im gothischen Staate, und Beide kamen überein, den arabischen Feldherrn Musa aus Afrika nach Spanien herüberzurufen. Musa versprach ihnen, daß er sich mit der Ehre und Beute begnügen wolle, und darauf hin verriethen die beiden rachsüchtigen Männer ihr Vaterland.
Allein Musa trauete ihnen nicht recht und ließ deshalb zuerst Tarek mit einer kleinen Schaar über die schmale Meerenge setzen, damit dieser das Land und die Gesinnung der Bewohner erforschte. Tarek landete an der Südspitze Spaniens, und nannte den Felsen, an welchem er aus seinem Schiffe stieg, Gebel al Tarek, d. i. der Berg des Tarek, woraus der Name Gibraltar entstanden ist. Sogleich fielen einige gothische Edle ab und gingen zu Tarek über, der seine Schaaren durch neue Zuzüge von Afrika her verstärkte. Roderich erschrak über die Gefahr und entbot das ganze gothische Heer. An 90,000 Mann sammelten sich unter seinen Fahnen; aber die alte Kraft war nicht mehr in ihnen, und viele haßten den Roderich. Er zog nach Süden in die Nähe der kleinen Stadt Xeres, wo auch Tarek gelagert war, und nur der Guadaletestrom trennte die beiden Heere. Die Araber waren viel schwächer an Zahl, aber ihr Kriegsmuth war stürmender und gewaltiger; denn Muhamed hatte gelehrt, daß derjenige die größte Seligkeit im Himmel empfangen würde, welcher die Lehre des Propheten mit gewaffneter Hand ausbreitete und in der Schlacht den Tod fände. Roderich, als er zum Treffen ging, trug aus seinem Haupte ein Perlendiadem, er war bekleidet mit einem weiten Gewände, das mit goldener und silberner Stickerei bedeckt war, er fuhr in einem Wagen von Elfenbein, den zwei weiße Maulthiere zogen, und in demselben lehnte er nachlässig, um der Schlacht zuzuschauen.
Drei Tage lang ward schon gekämpft, ohne daß sich der Sieg entschied; denn gegen den höheren Muth der Araber stand die größere Zahl der Gothen. Am dritten Tage erlahmte fast die Kraft der Mauren vor der Uebermacht; denn Tausende von ihnen lagen schon auf dem Schlachtfelde. Da rief Tarek aus: »Meine Brüder, vor euch ist der Feind, hinter euch das Meer; wohin wollt ihr? Folget eurem Führer; ich lasse mein Leben, oder setze meinen Fuß auf den Nacken des entthronten Königs.« Außer dieser Anrede und der Wuth der Verzweiflung vertrauete Tarek aber besonders auf sein geheimes Einverständniß mit dem Grafen Julian und den Söhnen des früheren Königs Vitiza, mit denen er die Nacht vorher eine Zusammenkunft gehabt und das Bündniß erneuert hatte. Die beiden Söhne des Vitiza und Oppas hatten die wichtigsten Posten inne; im entscheidenden Augenblick des vierten Tages verließen sie dieselben, und Entsetzen und Verdacht herrschte nun durch das gothische Heer. Ein Krieger trauete dem andern nicht mehr und jeder suchte nur sein Leben zu retten. Da drängten die Araber immer stärker heran, und das ganze gothische Heer löste sich auf in wilder Flucht.
Unter der allgemeinen Verwirrung sprang Roderich von seinem Wagen und bestieg Orelia, das schnellste seiner Rosse; aber wenn er auch dem Tode in der Schlacht enteilte, so entkam er doch nicht seinem Schicksal, denn er gerieth in den Guadalquivir und ertrank in den Gewässern dieses Flusses. Sein Diadem und seine Gewänder wurden am Ufer gefunden; aber seine Leiche war von den Wellen in's Meer hinabgespült, und deshalb begnügte sich Tarek mit dem Haupte eines andern Gothen, und ließ es als Zeichen seines Triumphes nach Damaskus bringen. »Und so«, erzählt uns der arabische Geschichtsschreiber, »ist das Schicksal der Könige, die vom Schlachtfelde zu entfliehen suchen.«
Oppas aber und Julian sahen, daß sie sich so tief in Schuld und Verbrechen gestürzt hatten, daß nur der völlige Untergang des gothischen Reichs sie vor Bestrafung schützen konnte. Darum riethen sie dem Tarek, seinen Sieg auf das Kräftigste zu verfolgen und den Gothen keine Ruhe zu verstatten. Tarek folgte dem Rathe, aber er war doch mild und ließ die Gothen nach ihren eigenen Gesetzen leben, nur verlangte er Tribut von ihnen. Die Juden aber belohnte er, denn sie hatten seine Unternehmungen befördert, weil sie von den Gothen hart bedrückt wurden.
Unter den Kostbarkeiten, welche die Araber in dem eroberten Lande plünderten, befand sich auch ein massiv goldener Tisch, Missorium genannt, welcher 500 Pfund wog und mit den schönsten Edelsteinen besetzt war. Das war der werthvollste Schatz der gothischen Könige gewesen. Ein anderer Tisch war aus einem einzigen Smaragd geschnitten, mit drei Reihen schöner Perlen eingefaßt und wurde von 365 goldenen Füßen, an denen Edelsteine blitzten, getragen.
Bald war ganz Spanien den Arabern unterworfen und nur in Asturien, im Norden und Nordwesten des Landes, erhielten sich einige Ueberbleibsel der gothischen Macht unbesiegt. Diese drangen nach vielen Jahren aus ihren Gebirgen wieder hinab in das Land, und der christliche Glaube, der sie beseelte, gab ihnen Heldenkraft, wie vormals den Arabern die Lehre Muhamed's.
3. Alboin und Autharis.
1. Alboin wird seinem Vater tischfähig.
Als die Longobarden von ihrem Könige Audoin nach Pannonien (Ungarn) geführt waren, lebten sie in beständiger Feindschaft mit den Gepiden, welche am linken Donauufer wohnten, so daß nur der Fluß sie schied. Als sie nun einmal ein Treffen lieferten, standen beide Heere lange einander gegenüber im Kampfe, ohne daß das eine dem andern auch nur einen Fuß breit weichen wollte. Da geschah es, daß Alboin, der Sohn des Audoin, und Thorismund, der Sohn des Gepidenkönigs Thorisind, aufeinander trafen, und daß nach kurzem Kampfe Alboin seinen Gegner mit dem Schwerte vom Pferde schlug. Als die Gepiden den Fall ihres Königssohnes sahen, wandten sie sich zur Flucht. Diese war so eilig und verworren, daß die Longobarden eine große Menge erschlugen.
Als sie dann nach dem erfochtenen Siege mit der Beute in's Lager heimkehrten, baten sie den König Audoin, daß Alboin um seiner bewiesenen Tapferkeit willen mit ihm an einem Tische speisen sollte, denn er habe es nun verdient, wie in der Gefahr, so auch in dem Genusse der Gefährte des Vaters zu sein. Aber Audoin entgegnete, das könne er nicht zugeben, weil es gegen die Sitten des Volkes wäre. »Denn ihr wißt ja Alle,« – so sprach er, – »daß es dem Sohne nicht vergönnt ist, mit dem Vater zu speisen, bis er von einem andern Könige die Waffenweihe empfangen hat.«
Sobald Alboin diese Worte seines Vaters vernommen hatte, nahm er nur vierzig Jünglinge mit sich und ging zu Thorisind, dem Könige der Gepiden, mit welchem er kurz zuvor noch Krieg geführt hatte. Er sagte dem Könige, weshalb er gekommen wäre. Thorisind nahm ihn gütig und freundlich auf, lud ihn zu seinem Gastmahle ein und setzte ihn an seine Seite rechter Hand, wo früher sein Sohn Thorismund gesessen hatte. Während der Vorbereitungen zum Mahle dachte Thorisind an den Tod seines Sohnes, an dessen Stelle nun der Mörder desselben saß. Er seufzte tief auf, und der Schmerz entriß ihm diese Worte: »Das ist mir ein lieber Platz; aber der Mann, der jetzt auf ihm sitzt, hat mir viel Leid gethan!«
Durch diese Worte des Königs ward ein anderer seiner Söhne erregt und fing an, die Longobarden zu reizen, indem er behauptete, daß die Longobarden Stuten glichen, deren Füße bis an die Schienbeine weiß seien; die Longobarden pflegten nämlich das untere Bein mit weißen Binden zu umhüllen. Dann sagte er: »Die Stuten, denen ihr gleicht, haben einen üblen Geruch.« Da sprach einer der Longobarden zu ihm: »Geh' doch auf das Aasfeld, und dort wirst du ohne Zweifel erfahren können, wie kräftig diejenigen, welche du Stuten nennst, hinten ausschlagen. Dort wirst du die Gebeine deines Bruders zerstreut finden, wie die Gebeine eines schlechten Gespannes mitten auf der Wüste.« Als das die Gepiden hörten, konnten sie ihren Zorn nicht mehr verhehlen, sondern wollten sofort Rache nehmen an ihrem Beleidiger. Auch die Longobarden hatten schon ihre Hand an den Schwertern.
Da erhob sich der König vom Tische, trat mitten dazwischen und gebot den Seinen Stille, indem er drohte, daß derjenige den Tod erleiden sollte, der zuerst den Kampf beginnen würde; »denn,« – so sprach er – »ein solcher Sieg kann Gott nicht wohlgefällig sein, wenn man den Feind tödtet im eigenen Hause.« Als so der Streit beigelegt war, setzten sie das Gastmahl fort mit fröhlichem Sinn. Thorisind aber nahm die Waffen seines Sohnes Thorismund, und übergab sie dem Alboin und entließ ihn dann in Frieden zu seinem Vater. Sobald Alboin zu seinem Vater zurückgekehrt war, ward er dessen Tischgenoß und erzählte ihm Alles, was bei dem Könige der Gepiden sich zugetragen hatte. Da verwunderten sich Alle, welche dabei waren und lobten die Kühnheit des Alboin, aber nicht weniger rühmten sie die Redlichkeit und Treue des Königs der Gepiden.
2. Alboin zieht nach Italien.
Nachdem Alboin König geworden war, überwand er das Volk der Heruler und auch das der Gepiden; Kunimund, den Gepidenkönig, erschlug er in einer Schlacht; aus seinem Schädel ließ er sich nach alter Sitte einen Trinkbecher machen, aber die Tochter des Königs, die schöne Rosamunde, nahm er zum Weibe. Bald führte ihn das Schicksal noch auf ein weit größeres Feld für kühne Thaten. Der tapfere Narses war nämlich, zum Lohn für seine treuen Dienste, vom Hofe zu Konstantinopel abgesetzt worden, und die Kaiserin spottete seiner noch gar: »Bist doch nur ein halber Mann, Narses; drum nimm die Spindel und ich will dich zum Aufseher der Mädchen machen, wenn sie am Rocken sitzen!« – »Und ich will dir ein Gespinnst über's Haupt werfen, o Kaiserin, dessen du nicht mehr ledig werden sollst,« rief Narses im Grimm, und schickte stracks zu den Longobarden, sie möchten herbeikommen und Italien, in welchem sie bereits gegen die Gothen so wacker gefochten, für sich selbst erobern. Des Narses Botschafter brachte ihnen köstliche Früchte als Wahrzeichen, und jene aus dem Volke, welche mit Ruhm und Beute aus dem Feldzuge wieder gekommen waren, priesen nun ihren Brüdern daheim die Schönheit des Landes und die Milde des Himmels. Da schwoll dem Könige Alboin das Herz vor Lust; er vertrug sich mit seinen Nachbarn, den Avaren, und überließ ihnen das Land, in welchem die Longobarden 42 Jahre lang gewohnt hatten. Dann lud er die Sachsen, alte Freunde seines Volks, zur Heerfahrt ein; es kamen ihrer 20,000 mit Weib und Kind. Mit diesen vereinigt zogen nun die Longobarden, von Alboin angeführt, im Jahre 568, gen Italien aus, und gewannen zuerst das Land, welches von den Flüssen Isonzo, Tagliamento, Piave, Brenta und Etsch durchschnitten wird; darüber setzte Alboin einen Herzog. Dann eroberte er das Land von der Etsch bis zu den hohen Alpen Savoyens. Ueberall flohen die Römer in die festen Städte, nach Ravenna, wo der Statthalter des griechischen Kaisers Hof hielt, nach Rom und Genua. Pavia aber widerstand dem Alboin drei Jahre lang; da schwur der Held einen grimmigen Eid: »Wenn ich die Stadt einnehme, soll keine Menschenseele darin dem Schwerte der Longobarden entrinnen.« Im vierten Jahre endlich erstürmte das tapfere Volk die Stadt. Alboin selbst ritt auf einem weißen Rosse den Seinigen voran; doch als er nun in's Thor kam und den Befehl zum Morden geben wollte, stürzte sein Roß im Thore nieder. Es half kein Zuruf und kein Sporn, das Pferd blieb liegen und wollte nicht weiter. Da trat ein weiser Mann zum Könige und sprach: »Herr! Du hast ein zorniges Wort gesprochen, darum hemmt der Himmel selbst hier dein Roß, daß es nicht vorwärts gehen kann. Nimm dein im Grimm gesprochenes Wort zurück und verzeihe der Stadt, die sich so wacker vertheidigt hat; dann wird auch dein Roß weiter gehen können.« Dann besann sich Alboin eine Weile und blickte gen Himmel; dann sprach er: »Ich will zurücknehmen, was ich im Zorn gesprochen habe, und der Stadt ihren kühnen Muth verzeihen.« Nun erhob sich sogleich das Pferd und der König zog in die Stadt, und die Bürger nahmen ihn freudig auf. Pavia ward die Hauptstadt des neuen Longobardenreichs, das bis an die Tiber sich erstreckte.
3. Der Tod Alboin's und Rosamundens.
Nachdem Alboin drei Jahre in Italien geherrscht hatte, ward er durch die Anschläge seiner Gemahlin Rosamunde getödtet. Als er nämlich eines Tages ein Fest gab und zu viel des süßen Weines trank, forderte er den Becher, welcher aus dem Schädel des Gepidenkönigs Kunimund bereitet war. In seinem Uebermuthe ließ er diesen Becher bis oben mit Wein füllen und zwang seine Gemahlin, mit ihm aus ihres Vaters Schädel zu trinken. Die Königin gehorchte, aber in ihrem Herzen schwur sie dem grausamen Manne bittere Rache. Sie überredete den Helmichis, welcher des Königs Milchbruder und Schildträger war, daß er ihn tödten sollte. Helmichis rieth ihr aber, zu dieser That lieber den Peredeo, einen sehr starken Mann, zu wählen. Peredeo weigerte sich auch, aber die Königin wußte ihn doch zu überreden. Während nun der König am Mittage schlief, hieß Rosamunde Alles still sein im Palaste, daß nicht das leiseste Geräusch den Schlummer Alboin's störte. Dann nahm sie ihrem Gemahl alle Waffen weg und sein Schwert, das er im Arme trug, band sie am Bette fest, daß er es nicht gebrauchen konnte. Als das geschehen war, führte sie den Peredeo in's Gemach. Aber Alboin erwachte darüber, und da er gleich seine Gefahr erkannte, streckte er seine Hand aus nach seinem Schwerte. Da er dieses nicht losmachen konnte, ergriff er einen Fußschemel und vertheidigte sich mit demselben eine Zeit lang. Aber lange konnte er sich nicht schützen, und er mußte den Streichen des Peredeo unterliegen. Die Longobarden beklagten ihren König bitterlich und begruben ihn unter der Treppe seines Palastes.
Doch auch Rosamunde nahm ein trauriges Ende. Sobald Alboin getödtet war, heirathete sie den Helmichis, der sich zum König der Longobarden aufwarf. Aber die Longobarden wollten ihn tödten. Da schickte Rosamunde einen Boten nach Ravenna, wo der Exarch, der Statthalter des Kaisers von Konstantinopel, wohnte, und ließ ihm sagen, er möchte ihr ein Schiff senden, daß sie entfliehen könnte. Dies that Longinus – so hieß der Statthalter – und Helmichis und Rosamunde flüchteten mit dem Schatze der Longobarden nach Ravenna. Dort überredete Longinus die Rosamunde, sie sollte seine Frau werden und den Helmichis tödten. Als Helmichis im Bade saß, überreichte ihm Rosamunde einen Becher mit Gift und sagte ihm, das wäre ein sehr heilsamer Trank. Doch Helmichis merkte bald, daß er seinen Tod getrunken habe; da zog er sein Schwert und zwang die böse Frau, den Becher vollends auszutrinken. So starben sie miteinander.
4. Autharis und Theudelinde.
Die Longobarden machten nun Kleph, einen tapfern Mann von edlem Stamm, zum König; der breitete ihre Herrschaft aus bis in's südliche Italien, nach Benevent hinab; dort setzte er einen Grenzherzog ein mit großer Macht. Aber schon nach 18 Monaten ward Kleph ermordet; da wollte das Volk keinen König mehr wählen, sondern vertheilte die oberste Macht nach alter Sitte an viele Herzöge, die in den großen Städten regierten.
Zehn Jahre lang hatte diese Vielherrschaft der Herzöge gedauert, da schauete das Volk mit Sorgen, daß nur Zwietracht und kein Segen dabei war, und daß es von der Macht des morgenländischen Kaisers, der noch die Gegenden an der Meeresküste und alles Land gegen Süden inne hatte, bald würde bedroht werden. Da kam es darauf zurück, daß ein einziger König, der Aller Kräfte vereinigte, es vor jeder Gefahr besser schützen werde, und erwählte (584) Autharis, den Sohn Kleph's, einen schönen, tapfern und klugen Mann. Der waltete mit Weisheit im Innern des Landes, sicherte die Grenzen und verband sich mit den Baiern gegen die Franken, welche stets in Unfrieden lebten mit den Langobarden. Der Volksstamm der Baiern hielt seit dem Fall der Ostgothen zum Reich der Franken, aber er war ihm nicht zinsbar, und wurde von eigenen Fürsten beherrscht. Damals war Garibald Herzog der Baiern, der hatte eine holdselige Tochter Theudelinde. Um diese warb nun König Autharis durch Gesandte, und Garibald sagte sie ihm zu. Da kam Autharis selber, den Baiern unbekannt, als sein eigener Botschafter verstellt, zu Garibald, und bat um die Gunst, die Braut zu erschauen, damit er ihre Gestalt und ihr Antlitz dem Könige daheim beschreiben könnte. Als er sie nun erblickte, überwältigte ihn ihre Schönheit, und er bat um einen Becher Weins aus ihrer schneeweißen Hand. Die Fürstentochter kredenzte ihm denselben, und als ihn der Unbekannte zurückgab, berührte er wie von ungefähr ihre Finger und Wangen. Darüber erschrak die Jungfrau, und voll Schaam erzählte sie es heimlich ihrer Amme. Die aber sagte: »Gewiß ist's dein Bräutigam selbst, denn kein Geringerer hätte solches gewagt, und fürwahr, der dich berührte, ist wohl werth, ein König und dein Gatte zu sein.« Wie nun Autharis mit den Seinigen wieder vom Hofe fortzog, gaben ihm die Baiern bis zur Grenze des Landes das Geleit; da erhob sich Autharis auf seinem Roß, warf seine Streitaxt an den nächsten Baum, daß sie tief eindrang und rief: »Solche Würfe thut Autharis.« Daraus erkannten jetzt die Baiern, daß sie den König selber begleitet hatten.
Nicht lange darauf überzog der König der Franken den Garibald mit Krieg. Als die Baiern hart bedrängt wurden, entfloh Theudelinde mit ihrem Bruder Gundrald nach Italien, um Schutz zu suchen bei ihrem Verlobten, Autharis. Dieser ritt ihr mit einem großen Gefolge entgegen, und als er ihr auf den Gefilden bei Verona begegnete, hielt er dort gleich die stattliche Hochzeit. Jubelnd begrüßten die Longobarden ihre junge Königin.
5. Theudelinde und Agilulf.
Nachdem Autharis sechs Jahre König der Longobarden gewesen war, starb er bei Ticinum (590). Die Königin Theudelinde (Theodolinde) aber hatte sich die Zuneigung des ganzen Volkes erworben und darum gestatteten sie ihr, daß sie Königin bleiben sollte, und versprachen auch, Denjenigen als ihren Herrn anzuerkennen, welchen Theudelinde sich zum Gemahl ersehen würde. Da berief die Königin die weisesten Männer und beredete sich mit ihnen; diese riethen ihr, den Agilulf zu wählen, einen tapferen und thätigen Mann, auch an Körper und Geist zur Herrschaft wohl geschickt. Die Königin ließ ihn zu sich entbieten und ritt ihm selber entgegen. Als er zu ihr kam, unterredete sie sich eine Zeit lang mit ihm und ließ dann Wein herbeibringen. Zuerst trank sie, und reichte dann dem Agilulf den Becher. Als dieser getrunken hatte und ihr die Hand küssen wollte, sprach sie lachend: »Nicht geziemt es dem, meine Hand zu küssen, der wohl meinen Mund küssen dürfte.« Dann erzählte sie ihm, daß sie nach dem Rathe der Weisen ihn zu ihrem Gemahl und zum König der Longobarden erwählt hätte. Da ward die Hochzeit mit Jubel gefeiert, und Alle freueten sich über die Wahl der Königin. Aber das Volk mußte erst ihre Wahl bestätigen und das geschah in feierlicher Volksversammlung im Mai auf den Feldern von Mailand (591). Agilulf herrschte mit großem Ruhme bis zum Jahre 610, und das Andenken der Theudelinde blieb lange gesegnet im Volke der Longobarden.
4. Aistulf und Desiderius.
1. König Aistulf (747).
Unter dem Könige Aistulf nahm die Feindschaft zwischen dem Papste und den Longobarden immer mehr zu; denn der König wollte ganz Italien sich unterwerfen, und der Papst sah ihn als Hinderniß seiner Macht an. Der Haß zwischen den Römern und Longobarden wurde so bitter, daß einmal der Bischof Luitprand von Cremona zu dem Kaiser Nicephorus sagte: »Wenn wir einen Menschen mit einem schweren Schimpfworte nennen wollen, so heißen wir ihn einen Römer; denn unter diesem Namen verstehen wir Longobarden Alles, was niederträchtig, was furchtsam, geizig, unkeusch und verlogen ist, ja was sich nur Lasterhaftes denken läßt.« In diesem Zwiste aber betrachtete der Papst den fränkischen König als die Stütze, an welche er sich zu halten habe. Darum kam es dem Papste so sehr gelegen, als Pipin, der bisherige Hausmeier ( major domus, Minister des königlichen Hauses), ihn um Rath fragte, ob derjenige König zu sein verdiene, welcher die Macht, oder der, welcher bloß den Namen habe? Zacharias, der römische Papst, erwiederte, »wer die Macht in Händen habe, müsse auch den Namen des Königs haben.« Da wurden dem letzten Merowinger, dem schwachen Childerich, die Locken abgeschnitten und Pipin bestieg den Thron der Franken. Durch diese That hatte sich der Papst den fränkischen König zur Dankbarkeit verpflichtet und diese Schuld der Dankbarkeit haben die fränkischen Könige reichlich abgetragen, so daß die Welt die Folgen davon spürt bis auf den heutigen Tag.
Als Aistulf nun nicht aufhörte, den Papst zu bedrängen, sah Stephan, der Nachfolger des Zacharias, wohl ein, daß er sich auf die Hülfe des Kaisers in Konstantinopel nicht mehr verlassen könnte; denn alle seine Klagen dahin waren fruchtlos geblieben. Darum rief er den kräftigen und tapfern Pipin zu Hülfe, und Pipin kam. Zuerst mahnte er den Longobardenkönig in Güte, der Kirche zu geben, was der Kirche sei; als aber derselbe nicht darauf achtete, drang Pipin, als Schirmvogt der Kirche, mit seinen Franken durch die Pässe der Alpen in's Longobardenland und schloß den Aistulf in Pavia ein. Da redete der Papst nochmals zum Frieden; Aistulf nahm ihn an und beschwor mit allen Herzogen seines Volks, daß er die Oberherrschaft der Franken und den neuen römischen Staat anerkennen wolle, dessen unsichtbarer Regent der heilige Petrus, gleichwie der Papst der sichtbare sei. Dies geschah im Jahr 754, in welchem Bonifacius bei den heidnischen Friesen den Märtyrertod fand.
Kaum war jedoch Pipin aus Italien heimgekehrt, so brach Aistulf den Eid und zog im Grimm aus, um den neu erstandenen römischen Staat zu zertrümmern. Bald stand er vor Rom und belagerte den Papst in dieser seiner Hauptstadt. Da schickte Stephanus abermals zu Pipin und dieser kam wieder und bezwang die Langobarden. Aistulf mußte nun das Exarchat – d. i. alles Gebiet an den Küsten des Adriatischen Meeres, welches einst der Statthalter (Exarch) des morgenländischen Kaisers besessen – mit gar vielen herrlichen Städten abtreten; dies übergab Pipin dem heiligen Petrus und seinem Stellvertreter, dem römischen Papste, als ewiges Eigenthum. Das war der Grund und Anfang des Kirchenstaats, und so wurde das geistliche Oberhaupt der Christenheit nun auch ein weltlicher Herr.
Bald darauf (756) starb Aistulf; im nächsten Jahre wurde Desiderius König der Longobarden.
2. Sage von dem eisernen Karl.
Im Frankenreiche war Karl der Große zur Regierung gelangt; dieser hatte sich mit der Tochter des Desiderius vermählt, aber dieselbe auf dringende Mahnungen des Papstes wieder verstoßen. Da nun auch Karl die Länder seines Bruders Karlmann erworben hatte, dessen Wittwe und Söhne aber zu Desiderius geflohen waren, wollte der Longobardenkönig den Papst zwingen, daß er die Söhne Karlmann's zu Königen der Franken salben sollte. Da sandte der Papst Hadrian eiligst Boten an den König Karl, und dieser ließ nicht lange auf sich warten.
Als Karl mit seiner Heeresmacht gegen Pavia heranzog, wollte Desiderius seinen Gegner gern selbst sehen. Zu ihm war einer von den Dienstmannen Karl's geflohen, der hieß Autkar (Otkar). Autkar hatte den fränkischen König erzürnt, und suchte nun Schutz bei Desiderius. Der König bestieg mit dem Flüchtling den höchsten Thurm, von dem man das Feld weithin überblicken konnte. Als sie nun zuerst das Heer der Krieger aus dem weiten fränkischen Reiche erblickten, sprach Desiderius zu Autkar: »Ist der König Karl unter dieser Schaar?« »Noch nicht,« antwortete Autkar. Darauf nahete das Gepäck heran, welches gar kein Ende nehmen wollte, und Desiderius fragte wieder: »Ist Karl unter dieser Schaar?« »Noch nicht, noch nicht!« erwiederte Autkar. Da begann es dem Desiderius schwül zu Muthe zu werden und er sprach: »Was sollen wir denn thun, wenn ihrer noch mehr kommen?« Autkar sprach: »Du sollst ihn sehen, wenn er herannaht; aber was aus uns werden soll, weiß ich nicht!«
Wie sie noch so redeten, zeigte sich ihnen ein anderer Haufe Bewaffneter. Als Desiderius die erblickte, sprach er bestürzt: »Das ist sicherlich Karl!« Aber Autkar entgegnete: »Auch das noch nicht, noch immer nicht!« Darauf nahten die Bischöfe, die Aebte, die Priester. Als Desiderius diese sah und schon an sein nahes Ende dachte, sprach er: »Laßt uns hinuntersteigen und uns verbergen vor dem Anblick des furchtbaren Feindes!« Autkar aber sagte: »Wenn du eine eiserne Saat auf dem Gefilde starren siehst, wenn es dir scheint, als wälzte der Po und der Tessin schwarzeiserne Wogen gegen die Mauern der Stadt heran, dann ist Karl uns nahe!«
Als sie noch so redeten, zeigte sich im fernen Westen ein schwarzes Gewimmel ähnlich einer dicken Wolfe, welche ihre Schatten auf den sonnenhellen Tag wirst. Allmälig kam der Haufe heran und das Gefilde erglänzte weithin von den blanken Waffen. Da erschien Karl, bedeckt mit einem eisernen Helm, mit eisernen Armschienen, und die breite Brust und die Schultern mit einem eisernen Panzer umhüllt. In der linken Hand trug er einen langen eisenbeschlagenen Speer, dessen Spitze zum Himmel sah, die rechte aber ruhte immer am Schwertgriff; an den Hüften trug er eiserne Panzerbekleidung und eiserne Schienen bedeckten auch seine Beine. Am Schilde sah man nichts als Eisen und sein Roß zeigte mit der Farbe des Eisens auch eiserne Festigkeit. Alle umringten den König und ritten theils vor ihm, theils an seiner Seite, theils hinter ihm. Die Bürger, die von den Mauern aus zuschauten, riefen aus: »O des Eisens, mit welchem der König bewehrt ist!« Als die Beiden vom Thurme herab das Alles erblickten, wandte sich Autkar zu Desiderius und sprach: »Siehe, da ist er, den du zu sehen begehrtest!« Desiderius aber stürzte vor Schrecken nieder.
3. Sage von der Einnahme von Pavia.
Desiderius floh mit einem Sohne und einer Tochter nach Pavia und hielt sich für sicher in dieser festen Stadt. Die Tochter des Desiderius hatte aber viel von der Macht des Königs Karl vernommen und ließ ihm deshalb mit einem Wurfgeschosse über den Ticinus einen Brief in sein Lager werfen. In diesem Briefe stand, daß sie ihm die Stadt und alle Schätze ihres Vaters überliefern würde, wenn er sie zu seiner Frau und zur Königin des fränkischen Reiches machen wollte. Auf diesen Brief antwortete ihr Karl so, daß die Liebe der longobardischen Königstochter noch mehr angefacht wurde. Sie ließ dem König wiederum durch ein Wurfgeschoß die Nachricht sagen, daß er sich in derselben Nacht am Thore bereit halten sollte, welches sie auf das gegebene Zeichen öffnen würde. So geschah es. Sie nahm die Schlüssel und öffnete das Thor und alsbald stürzten die Franken in die Stadt. Die Tochter des Desiderius wollte Karl unter den Reitern aufsuchen, aber sie gerieth unter die Pferde und ward im Getümmel von den Hufen zertreten.
Von dem Lärm erwachte Adalgis, der Sohn des Desiderius, zog sein Schwert und wollte hinausstürzen, den Feinden entgegen. Aber der Vater untersagte es ihm, denn er meinte, es wäre Gottes Wille, daß sie untergingen. Desiderius war ein gutmüthiger Mann, aber ohne Muth und Geist. Darum sah Adalgis, daß aller Widerstand vergeblich sein würde, und floh eiligst aus der Stadt. Karl hatte sie unterdessen ganz eingenommen und ging dann in den Palast hinaus, wohin er die Longobarden berief, daß sie ihm huldigen sollten. Dem Könige Desiderius ließ er die Haare scheeren und steckte ihn dann in ein Kloster.