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1.
Die Hunnen gaben den Anstoß zur großen Völkerwanderung, die mit Zertrümmerung des römischen Weltreiches endigte. Sie wohnten ursprünglich im Norden und Nordwesten von China, in der heutigen Mongolei und Kalmuckei, und hausten im 4. Jahrhundert in den Steppen am Kaspischen Meere. Ihre unfruchtbaren Hochebenen erstreckten sich mehrere hundert Meilen in die Breite und in die Länge vom Irtisch bis an den Amur und von den Tibetanischen Gebirgen bis zum Altai. Den gesitteten Völkern erschienen sie wie wilde reißende Thiere; ihr Anblick war furchtbar. Sie hatten einen kleinen, aber starkknochigen Körper, ihr fleischiger Hals schien zwischen den Schultern vergraben, der Kopf war dick und rund, die Stirn kurz, die Nase gequetscht, das Gesicht breit und platt, der Bart dünn; ihre Augen waren klein und scharf, die schwarzen Augenbrauen schräg stehend und sehr dünn, die Ohren abstehend, der Mund breit. Als ein echtes Steppenvolk haßten die Hunnen den Ackerbau und feste Wohnsitze; Jagd und Krieg war ihr Leben, Viehzucht ihre Beschäftigung. Sie nährten sich von den Wurzeln ihrer Steppen und von dem halbrohen Fleisch ihrer Thiere. Ihr Getränk war die Milch ihrer Heerden, aus deren Molken sie einen berauschenden Trank zu bereiten wußten. Der unzertrennliche Gefährte des Hunnen war sein Pferd. Auf seinem kleinen und häßlichen, aber schnellen und unermüdlichen Pferde aß, trank und schlief er, zu Pferde focht er seine Kriege aus und durchschwärmte er seine Wüsteneien, während seine Familie auf Wagen, die von Ochsen gezogen wurden, gefolgt von den Heerden, langsam hinter ihm drein zog. Die ganze Nomadenhorde gehorchte 24 Oberhäuptern, welche aber, wenn es große Unternehmungen galt, einen gemeinschaftlichen Oberbefehlshaber wählten. Ihre Art zu fechten war wild und regellos. Mit gräßlichem Geschrei überfielen sie den Feind, stoben aber sogleich wieder auseinander, um mit der Schnelligkeit des Falken und mit der Wuth des Löwen zum Angriff zurückzukehren und Alles vor sich her zu Boden zu werfen.
Diese Hunnen, von östlichen Nachbarn gedrängt, brachen mit Weib und Kind und all' ihrer Habe von ihren Wohnsitzen auf und zogen gen Westen, nach Europa zu. Die tapfern Alanen, zwischen Wolga und Donau, auch ein tartarisches Volk, konnten dem Andrange der gewaltigen Masse nicht widerstehen und flohen theils, theils verbanden sie sich mit den Hunnen, um weiter auf die Ost- und Westgothen einzudringen. Auch diese unterlagen; ganz Europa zitterte. Doch nahmen einstweilen die Hunnen mit den am Schwarzen Meer und in Südrußland gefundenen Weideplätzen fürlieb. Als sie aber unter einem Herrscher vereinigt wurden, drang der wilde Strom weiter nach Westeuropa. Der furchtbare König, der sie anführte, war Attila oder Etzel.
Attila war klein von Wuchs, aber eisenfest an Körper und eisenfest an Willenskraft. Sein Gang war stolz und majestätisch, und wenn er die kleinen funkelnden Augen rollte, kam auch dem Beherztesten ein Zittern an. Der Krieg war sein Element, und weil seine Unterthanen nichts mehr liebten, als Rauben und Plündern, so stand der tapfere Attila bei ihnen in größtem Ansehen, ja er ward fast abgöttisch von ihnen verehrt. Im heutigen Ungarn hatte er sein Hoflager; seine Residenz bestand aus lauter hölzernen Hütten. Obwohl die vornehmen Hunnen in seiner Umgebung ein üppiges und schwelgerisches Leben führten, so blieb er doch sehr mäßig und einfach. Wenn er ein Gastmahl gab, ließ er seinen Gästen eine Menge der ausgesuchtesten Speisen und Getränke in silbernen und goldenen Gefäßen vorsetzen; er selbst aber begnügte sich mit Wenigem, aß aus einer hölzernen Schüssel und trank aus einem hölzernen Becher. Er war nicht gesprächig, doch sorgte er dafür, daß seinen Gästen die Zeit bei ihm nicht lang wurde. Er erlaubte – gegen die Gewohnheit morgenländischer Völker – seiner Gemahlin, öffentlich zu erscheinen und die Gäste zu unterhalten; er unterhielt sogar eine Art Hofpoeten, die seine Thaten in Verse bringen, und wenn die Unterhaltung in's Stocken gerieth, sie der Gesellschaft vorsingen mußten.
Täglich hielt er Gericht unter freiem Himmel, und wer eine Klage vorzubringen hatte, fand sich ein. Attila übte strenge Gerechtigkeit. Er war ein feiner, schlauer Kopf, der ein sehr gesundes Urtheil besaß und die Menschen sehr geschickt nach seinen Absichten zu nehmen verstand. Auch war er großmüthig gegen Einzelne, aber erbarmungslos gegen das ganze Menschengeschlecht. Nachdem er seinen Bruder Bleda erschlagen hatte, vereinigte er alle Stämme der Hunnen, die von den Ufern der rauschenden Wolga bis zur Mitte des deutschen Landes zerstreut waren. Sobald er Alleinherrscher geworden, sann er auf große Dinge. Einstmals, so erzählt die Sage, als er im Ungarlande Hof hielt, kam ein Hirt zu ihm und brachte ihm ein Schwert, das er gefunden, verborgen auf einer Wiese, wo er die Heerde weidete. Da sprach Attila in Begeisterung: »Das ist das heilige Kriegsschwert, welches so lange in der Erde verborgen lag und das mir nun der Himmel bescheert, um die Völker des Erdkreises zu überwinden!« Er machte sich auch sogleich auf, um sein Kriegsschwert in das morgenländische Kaiserthum zu tragen, dessen Hauptstadt Konstantinopel war. Da zitterte der Kaiser auf seinem goldenen Thron und schickte ihm Gold und Gut, seine Gunst zu erhalten. Als aber einmal der jährliche Tribut ausblieb, wälzte Attila den Krieg über die schönen Gefilde Thessaliens und bedrohte die Hauptstadt des Kaisers. Da ließ ihm dieser 2000 Pfund Gold zu Füßen legen, gab ihm Land an der Donau, so viel er verlangte, und schickte ihm Gesandte, seinen Grimm zu versöhnen. Alle Länder waren voll Schreckens vor ihm und die Schwachen glaubten, Gott habe ihn als Geißel ausersehen, um die Menschheit für ihre Sünden zu züchtigen. »Gottes Geißel« ward Attila genannt und er verdiente diesen Namen. Dünkte er sich doch selber wie Gott, und sah er doch schon im Geiste die ganze Erde als sein Eigenthum an. »Wer hebt die Hand wider mich auf, und wer kann mir widerstehen?« so dachte er in seinem Uebermuth.
2.
Damals hatte Geiserich, König der Vandalen, seine Schwiegertochter in dem falschen Verdacht, daß sie ihn vergiften wolle; darum ließ er sie grausam verstümmeln und schickte sie ihrem Vater, dem König der Westgothen, der im südlichen Frankreich hauste, schimpflicher Weise zurück. Weil er nun fürchtete, der Westgothe möchte sich mit den Römern verbinden gegen ihn, trug er dem Attila seine Freundschaft an, und reizte ihn, das Reich der Westgothen zu erobern. Ein anderer Grund kam noch dazu, der den Hunnenkönig bestimmte, nach dem westlichen Europa aufzubrechen.
Der damalige Kaiser in Rom, Valentinian III., hatte eine Schwester, Namens Honoria, eine reizende Prinzessin, die aber ihre hohe Abkunft mit allen Ausschweifungen des niedrigsten Pöbels schändete. Als ihr Bruder, der Kaiser, hiervon Nachricht bekam, gerieth er in Zorn und sandte die ehr- und pflichtvergessene Schwester nach Konstantinopel in ein Kloster, daß sie da für ihre Ausschweifungen büßte. Dreizehn lange Jahre verlebte Honoria in der Gesellschaft der frommen Jungfrauen und theilte ihre Uebungen und Kasteiungen, ohne ihnen einen Geschmack abgewinnen zu können. Des einsamen Lebens überdrüssig und nach den so lange entbehrten Freuden der Welt sich sehnend, gerieth sie auf einen sonderbaren Einfall. Attila's Name erfüllte den Erdkreis und seine Thaten waren das allgemeine Gespräch. Nach und nach wurde Honoria mit dem Gedanken vertraut, daß Attila und kein Anderer geeignet sei, als ihr Held und Retter aufzutreten. An den ungeheuren Abstand der Nationen, der Sitten und des Glaubens – denn Attila war noch Heide – kehrte sie sich nicht. Sie sandte einen vertrauten Diener an ihn ab und ließ ihm ihre Hand anbieten, mit der Versicherung, sie betrachte sich mit Vergnügen als seine Braut, wenn er nur ihr Erbe den Händen ihres ungerechten Bruders entreißen wollte. Dieses Anerbieten begleitete sie mit einem kostbaren Verlobungsringe.
Obgleich Attila schon mehrere Gemahlinnen hatte, so schien es ihm doch, das Anerbieten der Prinzessin sei so vortheilhaft, daß er es nicht von der Hand weisen dürfe. Er ließ daher der schönen Honoria, ohne sie gesehen zu haben, seine Gegenliebe versichern, und hielt dann förmlich bei ihrem Bruder um sie an. Vielleicht dachte er, der römische Kaiser würde es sich zur Ehre schätzen, den Hunnenkönig zum Schwager zu bekommen; aber er hatte sich geirrt. Valentinian, der vielleicht schon Nachricht erhalten haben mochte, wer den Attila auf diesen Einfall gebracht hatte, dankte ihm zwar höflichst für die Ehre, die er ihm erzeigen wollte, schlug ihm aber sein Verlangen geradezu ab. Zugleich ward die Prinzessin unverzüglich von Konstantinopel nach Rom geholt, ganz in der Stille mit dem ersten besten unbedeutenden Manne getrauet und dann auf ewig eingekerkert.
Attila schäumte vor Wuth, als er davon Nachricht bekam, und schwur, sich fürchterlich zu rächen. Er bot sogleich alle seine Heere auf und verließ seine Hauptstadt an der Spitze eines Heeres, das 500,000 streitbare Krieger zählte. Von Ungarn aus hätte er geradezu nach Italien marschiren können, aber mancherlei Ursachen bestimmten ihn, einen großen Umweg zu nehmen. Er zog mit seinem Heere längs der Donau hinauf, zerstörte die römischen Festungen an diesem Strom und verödete jeden Landstrich, den er berührte. Sein Zug glich dem der Heuschreckenschwärme, welche die Saatfelder, auf die sie fallen, in wenig Stunden zur Wüste machen. So kam er durch das heutige Oesterreich, Baiern und Franken, und riß mehrere deutsche Völker mit sich fort, die sein Heer verstärkten, so daß es auf 700,000 Mann anwuchs. In der Gegend, wo der Neckar in den Rhein sich ergießt, setzte er über diesen Strom und stürzte sich mit unwiderstehlichem Ungestüm in die belgischen Provinzen. Alle Städte, welche dem barbarischen Heere im Wege lagen, wurden erstürmt, geplündert und größtentheils in Asche gelegt. Die starken Mauern von Metz schienen anfangs dem Grimm der Barbaren trotzen zu wollen; als sie aber auf die Länge dem wüthenden Sturme nicht widerstehen konnten, brach der Feind um so wüthender herein, mordete ohne Rücksicht Männer und Frauen, Greise und Kinder, tödtete die Priester in den Kirchen und die Täuflinge über den Taufsteinen. Eine einzige Kapelle zum heil. Stephan bezeichnete den Ort, wo einst Metz stand. Zwischen dem Rhein und der Seine, zwischen der Marne und Mosel ward alles Land zur Einöde. Zum fünften Male ward Trier zerstört. Bei Auxerre ging der verheerende Zug über die Seine nach Orleans zu. Diese große Stadt ward belagert; schon war ein großer Theil ihrer Mauern niedergeworfen, schon waren die Vorstädte besetzt, das Volk in der Stadt lag betend auf den Knieen: da kam unerwartete Hülfe. Der tapfere römische Feldherr Aëtius und Theodorich, König der Westgothen, hatten ein großes Heer zusammengebracht, das bereit war, zu siegen oder zu sterben.
Attila zog sich schleunig zurück in die Ebene bei Chalons in der Champagne; denn die Hauptstärke seines Heeres war die hunnische Reiterei, und die konnte er ungehindert auf den catalaunischen Gefilden ausbreiten. Hier kam es denn zu einer entsetzlichen Schlacht, von der ein alter Schriftsteller sagt, es sei ihr keine weder in der damaligen noch in der vergangenen Zeit gleich gewesen. Alle Nationen von der Wolga bis zum Atlantischen Meere waren in der Ebene von Chalons versammelt. Nichts Geringeres galt es, als den Kampf der gesitteten Welt mit roher Barbarei, welche die kaum aufgesproßte Blüthe christlicher Bildung wie ein Nachtfrost zu zerknicken drohte.
Es war im Jahre des Heils 451 an einem Herbsttage, als die große Schlacht geliefert wurde. In dieser Völkerschlacht kämpften Ostgothen gegen Westgothen, Franken gegen Franken, Alanen gegen Alanen, Burgunder gegen Burgunder; sie begann mit Anbruch des Tages und dauerte bis tief in die Nacht hinein. Gegen 200,000 Todte deckten die Wahlstatt; ein blühendes Geschlecht war in wenigen Stunden abgemähet worden durch den Ehrgeiz eines Einzigen. Die Römer und ihre Bundesgenossen siegten; die Gottesgeißel wurde diesmal selber gegeißelt. Aber die Sieger waren so ermattet, daß sie König Attila mit den Ueberbleibseln seines Heeres sich ruhig zurückziehen ließen. Attila selbst hatte das nicht erwartet, und weil er am folgenden Tage einen neuen Angriff befürchtete, hatte er alle Kostbarkeiten, die er auf seinem Zuge erbeutete, auf Einen Haufen zusammenschichten lassen, in der Absicht, sich mit denselben sogleich zu verbrennen, wenn sein Lager von den Römern angegriffen würde. Aber seine Feinde blieben ganz ruhig und hinderten ihn nicht, sich über den Rhein nach Deutschland, und von dort in sein Gebiet zurückzuziehen.
3.
Durch diesen Zug der Hunnen, sowie durch die Völkerwanderung überhaupt, bekam Deutschland ein ganz anderes, aber freilich kein freundlicheres Ansehen. Die vielen schönen Städte, welche die Römer auf der linken Rheinseite angelegt hatten, wie z. B. Speier, Worms, Mainz, Köln, Trier und andere, waren in Aschenhaufen verwandelt worden. Die schönen Gebäude, Kirchen, Paläste, Landhäuser, an denen die Römer Jahrhunderte lang mühsam gebaut hatten, lagen zertrümmert da; die Gärten und Felder, die durch römischen Fleiß entstanden waren, lagen wüst. Auch das Christenthum, das die Römer zu verbreiten begonnen hatten, verlor sich in den meisten Gegenden, und die heidnische Religion wurde allgemein.
Attila aber ging nur in seine Residenz zurück, um wieder neue Kräfte zu sammeln und dann mit verstärkter Macht über die Römer herzufallen. Nur einen Winter lang vermochte er die Ruhe zu ertragen. Als er noch einmal bei dem Kaiser um Auslieferung seiner Braut angehalten und wiederum eine abschlägige Antwort erhalten hatte, brach er mit Anbruch des Frühlings auf, zog durch Pannonien und Norikum, ging über die julischen Alpen und lagerte sich unter den Mauern des festen und volkreichen Aquileja, das damals die blühendste unter den italienischen Seestädten war. Nach der hartnäckigsten Gegenwehr ward die Stadt eingenommen und zerstört. Als diese Vormauer Italiens gefallen war, stand der ganze obere Theil des blühenden Landes den feindlichen Verheerungen offen. Das reiche Venetien war überdeckt mit der Asche und dem Schutt seiner funfzig Städte. Pavia kaufte den gänzlichen Untergang mit Auslieferung seines ganzen Reichthums ab. Allenthalben flohen die Leute aus ihren Städten und Dörfern vor der Geißel Gottes. Die meisten flüchteten sich auf die kleinen Inseln in der Bucht des Adriatischen Meeres und siedelten sich auf den Lagunen um den Rialto herum an; davon hat die Stadt Venedig ihren Ursprung.
Im kaiserlichen Palaste zu Mailand fand Attila ein Gemälde, welches die Kaiser auf ihren Thronen sitzend und scythische (nordische) Fürsten zu ihren Füßen niedergeworfen darstellte. Attila befahl einem Maler, das Gemälde zu ändern: nun erschienen die Kaiser in einer demüthigen Stellung vor den Scythen, die auf dem Throne saßen, und zählten ihnen Hülfsgelder hin. Was das Gemälde bei dieser Aenderung an Schönheit verloren haben mochte, hatte es zwiefach an Wahrheit gewonnen.
Italien gerieth über die Fortschritte der Barbaren in eine dumpfe Betäubung. Der unkriegerische Kaiser Valentinian verließ sein festes Ravenna und floh in das offene Rom, vermuthlich um bei zunehmender Gefahr Italien gänzlich zu räumen. Die einzige Stütze des Reichs war jetzt der tapfere Aëtius, aber ohne Heer und ohne Aussicht, eins zu sammeln, war er nicht im Stande, etwas zu leisten, was seines ehemaligen Ruhmes würdig war. Die Barbaren, die ihm hatten Gallien vertheidigen helfen, weigerten sich, auch diesseits der Alpen ihn zu unterstützen. Aëtius konnte daher nichts thun, als mit einer kleinen Schaar dem Feinde das Vorrücken zu erschweren, und wirklich that er ihm hin und wieder einen nicht unbedeutenden Abbruch. Noch verderblicher aber war für die Hunnen das heiße Klima Italiens, die italienischen Weine, Gewürze und Leckereien. Es brachen ansteckende Krankheiten unter ihnen aus, die sie zu Tausenden hinrafften.
Attila rückte indessen Rom immer näher. Am Flusse Mincio, wo dieser in den Po tritt, hatte er sein Lager aufgeschlagen. Da kam aus der Stadt, welche einst die Welt beherrschte und jetzt kein Heer mehr hatte und keinen Muth, der Bischof Leo, ein ehrwürdiger Greis. Wehrlos, aber gerüstet mit der Kraft des Herrn, trat er vor den finstern Hunnenkönig, inmitten seiner Heerschaaren, und griff mit Bitten und weisen Reden an sein trotziges Herz. Und siehe – es gelang dem gottbegeisterten Priester, was kein Kriegsheer vermocht hatte – Rom vor der Geißel Gottes zu retten. Es mögen auch die Geschenke sehr wirksam gewesen sein, die dem Attila theils gebracht, theils versprochen wurden. So entschloß er sich denn, einen Waffenstillstand einzugehen. Er verließ Italien mit der Drohung, daß, wenn ihm die Prinzessin Honoria nebst einem königlichen Brautschatze nicht ausgeliefert würde, er bald wiederkommen und das Land noch härter heimsuchen werde.
Doch das Schicksal wollte nicht, daß diese Drohung in Erfüllung gehen sollte. Im Jahre 453 sah der römische Kaiser des Morgenlandes im Traume den Bogen Attila's zerbrochen; das war in derselben Nacht, in welcher der Hunnenkönig mit der schönen Hildegunde Hochzeit hielt; diese stieß ihm aus Blutrache den Dolch in's Herz – so erzählt die Sage. Groß war der Schrecken, allgemein die Trauer der Hunnen um den großen König. Unter freiem Himmel ward ein seidenes Gezelt aufgeschlagen, unter welchem auf einem herrlichen Prunkbette der königliche Leichnam zur Schau ausgestellt wurde. Die Edelsten der Nation ritten Tag für Tag in feierlichem Gepränge um das Zelt. Sie schoren ihr Haar, zerfetzten ihren Leib und sangen Klagelieder. Dann legten sie den Leichnam in einen goldenen Sarg, setzten diesen in einen silbernen und diesen wieder in einen eisernen, vergruben ihn des Nachts und tödteten alle Gefangenen, welche dabei geholfen hatten. Denn Niemand sollte wissen, wo Attila's Asche und seine kostbare Kriegsbeute vergraben läge.
Mit dem Tode dieses großen Eroberers löste sich sein mächtiges Reich wieder in seine Theile auf; denn seine Söhne hatten nicht den Verstand und den Heldenmuth des Vaters. Die vornehmsten der unter Attila vereinigten Völker setzten sich wieder in Freiheit und machten Eroberungen für sich allein.