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II. Die fränkischen Hausmeier an Statt der schwachen Könige.

 

1. Pipin von Heristall.

Während die Könige aus Chlodwig's Stamm immer schwächer und träger wurden, erhoben sich ihre Hausmeier zu immer größerer Macht. Dem mannhaften Pipin aber war es vorbehalten, das Ansehen dieses Amtes und seines Hauses für immer zu befestigen. Im Jahre 687 gewann er die Herrschaft über das ganze östliche Frankenreich. Im westlichen Frankenreich (Neustrien) herrschte jener Theodorich, welcher die Kirchen plünderte und die Unterthanen drückte. Viele von den Beraubten flohen zu Pipin und dieser schickte Boten zu Theodorich, welche den König baten, er möchte doch die Flüchtlinge wieder bei sich aufnehmen. Aber die Antwort war: »Ich will meine entlaufenen Sklaven schon selber von Pipin holen.« Da versammelte Pipin die Vornehmsten seines Volkes und der Krieg gegen den übermüthigen Theodorich ward beschlossen. Bei Testri, einem Dorfe nicht weit von St. Quentin, stießen die feindlichen Heere auf einander. Pipin wählte mit kluger Vorsicht seine Stellung auf einem Hügel und beim Ausbruch der Morgenröthe führte er sein Heer aus dem Lager, stellte sich dann gegen Theodorich so, daß dessen Heer die aufgehende Sonne im Gesicht hatte. Die Westfranken erlitten eine große Niederlage und flohen in wilder Flucht auseinander.

Pipin betrat als Sieger das Lager der Feinde und erlangte reiche Beute, die er unter seine Genossen vertheilte. Die entflohenen Feinde aber hatten sich in die Kirchen und Klöster geflüchtet und in den nächsten Tagen kamen nach einander die Aebte und Priester der Gegend und baten Pipin um Schonung des Lebens dieser Unglücklichen. Das gewährte ihnen Pipin und verfolgte dann weiter den Theodorich. Er kam nach Paris und nahm die Stadt ein und da kam auch Theodorich wieder. Pipin war zu klug, sich selbst zum Könige zu machen; er ließ dem Theodorich den Namen; aber er selbst nahm die Zügel der Regierung in seine Hand. So ward Pipin alleiniger Hausmeier des ganzen Frankenreichs.

 

2. Karl Martell.

Auf Pipin folgte Karl und zu dessen Zeit wurde Abdorrahman Anführer der Mauren in Spanien. Dieser faßte nach den Wünschen seines Volkes den Plan, das Reich der Araber auch im Norden der Pyrenäen siegreich zu verbreiten und dann von Westen her durch Europa ostwärts vorzudringen, also daß er auf diesem Wege das Reich der Araber im Osten wieder erreichte. Mit einem gewaltigen Heere zog er zerstörend über die Pyrenäen, schlug den Herzog Eudo von Aquitanien (Südfrankreich) und warf Alles vor sich nieder. Dann zog er an die Rhone, um Arles einzunehmen und hier trat ihm Eudo wieder entgegen, doch vergebens; die Fluthen der Rhone wälzten die Leichen der erschlagenen Franken zu Tausenden in's Meer. Noch einmal sammelte Eudo ein Heer; aber seine Niederlage war so gewaltig, daß die Franken trauernd sagten, nur Gott habe die Gefallenen zählen können. Die Kirchen und die Klöster lagen in Asche, die Felder verwüstet; es war keiner mehr im großen Frankenreiche, der helfen und retten konnte, als Karl der Hausmeier.

Zu ihm gingen deshalb die fränkischen Edeln und selbst Eudo vergaß der Feindschaft, die er früher mit Karl gehabt hatte, und bat, er möchte doch jetzt helfen. Karl antwortete den Bittenden: »Laßt die Mauren erst ungestört ziehen und übereilt euch nicht mit einem Angriffe, denn sie gleichen einem Strom, den man nur mit Gefahr in seinem Laufe aufhalten kann. Mögen sie erst ihren Durst nach Reichthümern sättigen und sich mit Beute überladen; dann werden sie uneinig sein und euch den Sieg leichter machen!«

Diese Worte sprach Karl auch im Hinblick auf die Schwierigkeit, ein großes Heer schnell zusammen zu bringen, denn Austrasien, der östliche Theil des Reiches, war säumig in der Stellung des Heerbannes, weil es die Gefahr nicht kannte, welcher Neustrien fast unterlag. Aber als das Heer mit vieler Mühe endlich zusammengebracht war, rückte Karl mit festem Muthe gegen die Räuber vor, deren Schaaren in der Nähe von Tours und Poitiers mit Plündern beschäftigt waren. Da trafen die Völker des fernen Ostens und Westens aufeinander, es war ein harter, gewaltiger Kampf und er dauerte sieben Tage. Die Araber waren den Franken überlegen durch ihre Reiterei und die Schnelligkeit ihrer Bogenschützen; die deutschen Stämme dagegen hatten festere Körper und kräftigere Glieder und waren im Vortheil, wenn es zum Handgemenge kam. Karl hatte eine feste Stellung gewählt; denn eine Reihe von Hügeln deckte die Seite seines Heeres und machte es den Mauren schwer, von dort her mit Reiterei einzubrechen. Nachdem aber schon sechs Tage lang der Kampf gewährt hatte, rückten sie sich näher und die Araber erschraken vor den breiten Gliedern und zornigen Blicken der Deutschen. Abdorrahman selbst fiel am siebenten Tage und die Mauren zogen sich am Abend in ihr Lager zurück.

Noch spät am Abend vernahmen die Franken großes Getümmel im maurischen Lager; doch wußten sie die Ursache nicht und rüsteten sich für den folgenden Tag wieder zum Kampfe. Der Morgen brach an und die Sonne stieg höher und höher am Himmel; aber Alles blieb still im Lager der Mauren. Darüber verwunderten sich die Christen und Karl vermuthete eine Kriegslist. Aber die Kundschafter berichteten, daß das ganze Lager leer und verlassen sei; da drangen die Franken vor. Sie fanden in dem Lager eine Menge der erbeuteten Schätze und Kostbarkeiten. Die Araber selbst aber ließ Karl ungestört entfliehen, denn sein Heer war so sehr ermüdet von dem siebentägigen Kampfe. Dreihundert und fünfzig Tausend Leichen erschlagener Mauren sollen das Feld bedeckt haben und der Ruhm Karl's erscholl durch die Christenheit, die er mit seinen Franken durch diesen Sieg gerettet hatte. Von dieser Schlacht bekam er den Zunamen »Martellus«, weil er wie ein Hammer die Macht der Mauren zertrümmert hatte. (732 n. Chr.)

 

3. Pipin der Kurze.

Des Helden Karl Martell tapferer Sohn war Pipin, von seiner kleinen gedrungenen Gestalt »der Kurze« genannt. Das Volk hatte die schwachen Könige nicht mehr lieb und bekam sie nur zu der großen Heerschau zu sehen, die jedes Frühjahr gehalten wurde, wo die geistlichen und weltlichen Großen ihre Zustimmung gaben zu den Beschlüssen des Hausmeiers. Dahin kam nun der König auf einem von Ochsen gezogenen Wagen gefahren, ein Knecht ging nach Bauernsitte nebenher und trieb das Gespann. Und wenn der König sich dann auf den Thron setzte, sah er, umwallt von seinen langen Haaren, blöd' aus wie ein scheues Kind, sprach auch nur einige Worte, die man ihm eingelernt hatte. Neben einem solchen König, der gebeugt und furchtsam dasaß, als könnte er sich nicht auf eigenen Füßen erhalten, sah das Volk den Hausmeier, aufrecht, das Kriegsschwert in der Faust, Feuer im Blick, das Siegel der Kraft im Antlitz. Darob freuete sich das kriegslustige Volk und das wußte Pipin. Da er nun bei dem Papste anfragte: »Sprich, o Vater der Christenheit, wer soll König der Franken sein, der den Namen trägt, oder der sein Volk durch Rath und Kraft groß gemacht?« antwortete der heilige Vater: »Nur der soll die Krone tragen, welcher sie verdient.« Als Pipin dies gehört, berief er einen Reichstag in die Stadt Soissons; da kamen die geistlichen und weltlichen Großen des Reiches und das Volk zusammen und erfuhren die Antwort des Stellvertreters Jesu Christi. »Das ist des Himmels Stimme!« riefen Alle und hoben Pipin empor, trugen ihn dreimal feierlich herum und setzten ihn dann auf den Thron der Merowinger. Pipin aber kniete in der Kirche vor dem Altare nieder und Bonifacius, als Gesandter des Papstes, salbte ihn im Namen Gottes zum König der Franken. Der schwachsinnige König Childerich III. ward in ein Kloster gesteckt, wo ihm die Mönche seine langen Haare abschnitten.

Bisher war das Königthum aus freier Volkswahl hervorgegangen, nun aber machte sich die Ansicht geltend, daß der Papst Zacharias die Krone des fränkischen Reichs verschenkt und Pipin sie auf seinen Befehl angenommen habe. Noch mehr wurde diese Ansicht befestigt, als im Jahre 800 Papst Leo III. dem Sohne Pipin's, dem mächtigen Karl, die Kaiserkrone aufsetzte. Nunmehr sollte das Königthum von »Gottes Gnaden« durch die Kirche geheiligt werden, um bei dem Volke Geltung zu erlangen.

 

4. Die Kraft Pipins.

Als der König Pipin einmal erfuhr, daß die Großen seines Reichs ihn um seiner kleinen Gestalt willen heimlich verhöhnten, befahl er, als sie Alle versammelt waren, daß man einen wilden ungezähmten Stier herbeibringen und einen starken Löwen auf dieses Thier loslassen sollte. Der Löwe stürzte sich mit einem heftigen Sprunge auf den Stier, faßte ihn beim Nacken und warf ihn so zu Boden. Als die Thiere übereinander lagen, wandte sich der König zu den umstehenden Höflingen und sprach: »Wer entreißt dem Löwen seine Beute?« Sie sahen einander stumm und betroffen an, endlich murmelten sie: »Herr! Wer möchte solches wagen?«

Pipin erwiederte nichts, sondern stieg schweigend von seinem Thronsessel und trat in die Schranken. Mit gezücktem Schwerte ging er auf den Löwen los; ein kräftiger Hieb – und der Kopf des Löwen lag zu seinen Füßen; und wiederum mit einem Streiche trennte er auch den Kopf des Stiers von dem starken Halse. Als der König zurückkehrte, sprach er bloß die Worte: »Ich bin zwar klein, aber starken Armes!« Niemand hat seitdem mehr über seine kleine Gestalt gespottet.


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