Adolf Glaser
Savonarola
Adolf Glaser

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Vorwort.

Die großen Epochen geschichtlicher Entwickelung treten meistens unter furchtbaren Erschütterungen auf, und so bezeichnet denn auch der verheerende Dreißigjährige Krieg den Höhepunkt des großartigsten Ereignisses der Neuzeit, der Reformation. Damals drängten sich in verhältnismäßig kurzer Zeit mehrere der gewaltigsten Errungenschaften des menschlichen Geistes zusammen, und wie die Entdeckung von Amerika den wichtigsten Schritt zur Erweiterung des geographischen Gesichtskreises und hierdurch zur besseren Kenntnis des physischen Zustandes der Erde bildete, so bildete die Reformation eine mächtige Stufe zur Befreiung der Geister. Der Umschwung auf dem Gebiete der Künste, den wir mit dem Worte der Renaissance bezeichnen, steht mit den Umwälzungen auf religiösem Gebiete in unmittelbarstem Zusammenhange. Die Wiedergeburt des antiken Geistes vollzog sich nicht nur in bezug auf die bildenden Künste, sondern auch auf den Gebieten der Litteratur und Philosophie, und wie das Auge der größten Meister sich an den Trümmern antiker Tempel und Paläste und den ausgegrabenen Marmorstatuen heranbildete, so brachten die Werke der griechischen Dichter und die tiefen Gedanken ihrer Philosophen neues Leben in die starr gewordenen Denkformen der Zeit. Namentlich waren es die idealen Anschauungen des großen Plato, welche überallhin ihr mildes Licht ausstrahlten.

Es ist etwas Großes um die erhabenen Ideen geistig bevorzugter Menschen, aber nicht minderen Wert besitzen die schönen Werke, welche der künstlerische Genius schafft, denn an diesen beiden Stützen rankt sich der menschliche Geist empor zur Vollkommenheit. Zurücksinken würden die Menschen auf die Stufe hilfloser Tierheit, wenn nicht einzelne hochbegabte Geister immer wieder aufs neue uns Ideale vor Augen stellten.

Aber über einen Umstand dürfen wir uns nicht täuschen. Nicht immer entspricht das Gefäß dem köstlichen Inhalt, den die Gottheit sich selbst zur Ehre darin bereitet; nur in einzelnen Fällen ist der Künstler, welcher Ideale schafft, auch selbst ein idealer Mensch. Es ist eine der interessantesten Aufgaben der psychologischen Forschung, zu ergründen, in welcher Beziehung die geistige Begabung zu der individuellen Natur steht, ja es gereicht dem denkenden Menschen zum Troste, wenn er erkennt, daß der Genius auch in trüber und den idealen Aufschwung niederdrückender Zeit seine lichten Bahnen zieht und daß der Fortschritt auf geistigem Gebiete sich unter ungünstigen Umständen oft am herrlichsten bewährt.

Man kann häufig beobachten, wie die Schwäche und Unvollständigkeit der menschlichen Natur sich darin äußert, daß die Künstler dem Leben zu sehr leben und bei ihrer sinnlichen Zerstreuung zu weit gehen, während die Denker und Forscher an Einseitigkeit und Unduldsamkeit leiden.

Nicht selten ist nach beiden Richtungen hin jener Hang gefahrdrohend für die irdische Existenz. So verzehrt manches herrliche Talent frühzeitig seine Kräfte im frohen Kreise lebenslustiger Genossen, und der Fanatismus bereitet einzelnen Denkern zuweilen ein trauriges Schicksal.

Die entsetzliche Verwilderung, welche um die Zeit der Reformation überall in der Welt herrschte, rief den Glauben wiederum wach, daß das Ende der Welt nahe sei, und einzelne hervorragende Geister wähnten sich berufen, das neue Reich Gottes auf Erden begründen zu helfen. Zu diesen gehörte auch der italienische Mönch Savonarola, der fest überzeugt war, daß sich von Florenz aus die politische und religiöse Reform, die er predigte, über die ganze Welt verbreiten werde. In seiner Selbstlosigkeit und in der erhabenen Reinheit seines Wandels ist er geradezu das Gegenbild jenes niederdeutschen Schwärmers, der fast ein Jahrhundert später auch ein »Reich Gottes« von Münster aus begründen wollte. Bei dem Italiener war die asketische Abkehr von der Sinnenwelt, bei dem Niederländer wahnsinnige Genußsucht die Achillesferse ihrer Bestrebungen. Die Betrachtung solcher Erscheinungen hebt die wahrhaft menschliche Größe des deutschen Reformators Martin Luther, der klaren Blickes fest und sicher auf dem Boden der Wirklichkeit stand und das Reich Gottes nicht äußerlich aufrichten wollte, in das hellste Licht.

Die nachfolgende Erzählung handelt von Denkern und Künstlern, von Männern der raschen That und des geistigen Aufschwungs; sie schildert eine große, gewaltige Zeit, die mit der Reformation in enger Verbindung steht, da ihr Held, welcher der Mittelpunkt der Begebenheiten ist, als Märtyrer auf dem Gebiete des Widerstandes gegen die Übergriffe der Kirche endet. Wir sehen das Athen des Mittelalters, den eigentlichen Sitz der Renaissance, das herrliche Florenz, in seiner Blüte, wie dort jede edle Regung von der Familie Medici gepflegt und gefördert wird. Wir sehen das gewaltige Rom, zum zweitenmale der Mittelpunkt der Welt, aber zugleich der Sitz einer entarteten Priesterschaft, an deren Spitze der Papst seine Machtvollkommenheit mißbraucht. Das Haus Borgia tritt in seinen einzelnen Gliedern vor den Leser hin, und neben diesen wichtigen Hauptgestalten tauchen andre aus den Nebeln der Vergangenheit auf, teils anmutige Frauen, teils kräftige Männer, und lassen uns erkennen, daß die Rätsel des Lebens zu allen Zeiten gewaltet haben. Was erzählt wird, beruht bis in die wichtigeren Einzelheiten auf historischer Wahrheit, die nur in unwesentlichen Verzweigungen zum Zwecke künstlerischer Abrundung zuweilen vom Verfasser absichtlich verlassen wurde.

 


 


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