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Die sanft ansteigenden Hügel, welche die schöne Stadt Florenz von allen Seiten, sowohl diesseit wie jenseit des Arno, gleich schützenden Wällen umschließen, waren seit den ältesten Zeiten mit größeren und kleineren Niederlassungen bedeckt, die in den höheren und entfernteren Lagen den Charakter von Kastellen trugen, während an den unteren Abhängen und in den Thaleinschnitten luftig gebaute Villen, anmutig hingelagert, mit ganz einfachen Weinberghäuschen abwechselten. Von einer Anhöhe oder einer hochgelegenen Terrasse herab gesehen gewährte das Ganze einen entzückenden Anblick: unten die reiche blühende Stadt, vom Arno durchströmt, über dessen Flut schön gewölbte Brücken führten, darüber die wundervolle Kuppel des Domes und der kühne Turm vom Palaste der Signoria; überall umher aber in der Nähe und Ferne die zerstreut liegenden, weiß schimmernden Campagnen oder Landhäuser, wo die reicheren Bewohner der Stadt entweder von geschäftlichen Sorgen befreit das ganze Jahr hindurch wohnten, dort dem Betriebe der Landwirtschaft obzuliegen und ihren Liebhabereien ungehindert nachzugehen, oder, wenn ihnen dies nicht vergönnt war, doch wenigstens die Sommermonate mit ihren Familien daselbst zu verleben. Trugen diese Villen den Charakter harmloser Wohnungen, so zeigten dagegen die Kastelle, welche in sehr verschiedener Ausdehnung auf den Bergen umherlagen und vom Adel und den großen machthabenden Familien bewohnt wurden, daß bei ihrer Errichtung kriegerische Zwecke ins Auge gefaßt und alles berücksichtigt war, was zur Verteidigung der persönlichen Sicherheit gegen äußere Feinde dienen konnte. Die meisten dieser Gebäude waren mit Gräben umgeben, und in diesem Falle gab es mächtige Zugbrücken, die nur herabgelassen wurden, wenn jemand von der Herrschaft oder Gäste derselben das Thor passieren wollten. Für die Dienerschaft und die Feldarbeiter gab es stark verrammelte und verwahrte Hinterthüren, durch welche man auf einen Fußpfad gelangte. Kam ein Trupp bewaffneter Knechte, deren es in jedem Kastell eine Anzahl gab, von einem Streifzuge zurück, so gab der Wächter mit 4 seinem Horn das Zeichen und die Zugbrücke rasselte herab; dasselbe geschah, wenn die Herrschaft hoch zu Roß mit berittenem Gefolge von einem Jagdausfluge zurückkehrte. Das hohe Untergeschoß dieser Kastelle war aus mächtigen Quadern errichtet und nicht mit Fenstern, sondern nur mit kleinen Öffnungen, die als Schießscharten dienten, versehen, die Giebel waren mit Zinnen gekrönt, so daß der Zweck starker Gegenwehr überall unverkennbar hervortrat.
In den rauhen Zeiten des frühen Mittelalters, wo in Italien überall erbitterte Parteikämpfe wüteten, bildeten diese Kastelle die Zufluchtstätten der Condottieri, welche in den Kämpfen der größeren Befehlshaber und Fürsten sich anwerben ließen und den Umständen entsprechend ihre Rolle spielten. Die Fehden der Guelfen und Ghibellinen nahmen damals kein Ende, obgleich die eigentliche Veranlassung derselben den meisten Menschen bereits aus dem Gedächtnis entschwunden war. Bis in die Bürgerschaft, ja bis zu den untersten Schichten der Bevölkerung war der Zwiespalt und die heftige Erbitterung gedrungen, aber in den Städten fragte man nur nach den Namen der herrschenden Familien, die sich bekämpften, und diese Familien selbst erinnerten sich kaum mehr, daß ihre Feindschaft ursprünglich in der Frage wurzelte, ob der Kaiser oder der Papst in einer verjährten Angelegenheit Recht behalten solle.
Schon unter den Römern wurde Florenz die »blühende Stadt« genannt. Anfänglich als Kolonie des hochgelegenen Fiesole gegründet, um den Absatz für diese gewerbreiche Gebirgsstadt zu erleichtern, machte sich Florenz im Beginne des Mittelalters durch die selbständige Entwicklung seiner Seidenindustrie und den Handel mit den Produkten derselben bemerklich. Geschäftliche Interessen veranlaßten die ersten Kämpfe mit den benachbarten Städten, und als dieselben glücklich ausfielen, war der Weg zur künftigen Größe gebahnt. Je mehr Fiesole von seiner ehemaligen Bedeutung verlor, um so kräftiger erhob sich die Tochterstadt am Arno, welche bald mit den größten Handelsplätzen wetteiferte. Ein Hemmnis war der Umstand, daß Florenz keinen freien Zusammenhang mit dem Meere hatte; Pisa besaß Häfen und hatte eine Flotte, somit war der florentinische Handel auf die Pisaner angewiesen, was drückend genug empfunden wurde; Siena, Lucca, Pistoja und Arezzo umgrenzten das florentinische Gebiet, und in allen diesen benachbarten Städten lebten mächtige Adelsgeschlechter, welche unumschränkte Herrschaft übten.
Die Einzelkämpfe, die um persönliche oder städtische Sonderinteressen geführt wurden, gewannen feste Anhaltepunkte, als der Papst die Erbschaft der Gräfin Mathilde, welche ihre Besitztümer der Kirche vermacht hatte, obgleich dieselben kaiserliche Lehnsgüter waren, antreten wollte. Der Papst beanspruchte den Besitz, und der Kaiser wies seine Anforderungen zurück, weil die Gräfin kein Recht gehabt habe, ohne weiteres über kaiserliches Lehn zu verfügen. Der Kampf um die weltliche Herrschaft des Papsttums begann und ganz Europa wurde mit hineingerissen.
6 Ein Teil des Adels stellte sich auf die Seite des Kaisers, ein andrer auf die der Kirche, und nun begannen jene endlosen Kämpfe, in welchen die Bezeichnung Guelfen und Ghibellinen für die beiden Parteien aufkamen und Florenz lange Zeit als eine Art Mittelpunkt angesehen wurde.
Es war eine wilde, gärende Zeit. Denn neben dem ewigen Zwiespalt im Innern wurden die Kämpfe mit den Nachbarn fortgesetzt, um dem Handel der Stadt freie Wege zu schaffen. Zu den gemeinsamen Zwecken nach außen vereinigten sich die hadernden Parteien im Innern, aber es begannen nach dem Siege die alten Streitigkeiten von neuem. Waren die Guelfen in Florenz am Ruder, so drängten sie zum Kriege mit Pisa oder Pistoja zum Schaden der dortigen Ghibellinen, worauf in der Regel die ghibellinische Partei in Florenz die Beteiligung verweigerte, und der innere Kampf wieder in lodernde Flammen ausbrach. Auch die Besitzer der Kastelle außerhalb der Stadt ergriffen Partei, und diejenigen, welche gegen Sturm und Belagerung gerüstet waren, machten nicht selten Ausfälle und bedrohten den Frieden der Bewohner kleinerer Villen oder störten die Ruhe ganzer Stadtteile.
So empfindlich diese Verhältnisse waren, stählten sie doch nach und nach den Mut der gewerbtreibenden Bürgerschaft. Schon die Notwendigkeit, jene beste Lehrmeisterin, wies die friedliebenden Handwerker und Kaufleute darauf hin, sich selbst in den Waffen zu üben, um im schlimmsten Falle zur Verteidigung des eignen Herdes bereit zu sein. Die städtischen Behörden erstarkten nach und nach, und es bildete sich aus dem reichern Bürgerstande das Patriziat, eine neue Macht, die sich nicht nur als tüchtige Wehr den Anmaßungen des Adels entgegenstellte, sondern bald auch die Gewohnheiten der Ritterschaft annahm, sich aber dadurch von dieser unterschied, daß sie gebildetere Sitten hatte und sich namentlich der erwachenden Kunstliebe zuwandte. Vielfach vom Glück begünstigt, gewann trotz der inneren Unruhen Florenz immer mehr äußere Macht, und die Stadt nahm an Einwohnerzahl und Umfang zu. Die erstarkte Bürgerschaft entwickelte eine solche Energie, daß sie endlich den alten Adel ganz aus der Verwaltung der Stadt ausschließen konnte.
Da nun die großen Bürgerfamilien fast sämtlich zu den Guelfen gehörten, der Adel aber zum größten Teil zu den Ghibellinen hielt, so traten immer wieder dieselben Zwistigkeiten hervor, und die »Signoria«, wie der oberste Stadtrat genannt wurde, bestand schließlich nur noch aus Mitgliedern der Guelfenpartei, bis endlich Salvestro Medici, einer der reichsten Kaufleute, die sogenannten Mißvergnügten in der Stadt, welche nicht zu den Guelfen hielten, um sich vereinte und gegen die Übergriffe der Guelfenpartei Front machte. Es kam mit der Zeit dahin, daß das eigentliche Volk, die Gewerbtreibenden und Kaufleute, das große Handlungshaus Medici als Stütze betrachteten und dem jedesmaligen Haupte derselben unbedingt ergeben waren.
Die Medici waren durch Umsicht und Unternehmungsgeist nach und nach 7 zu beträchtlichem Reichtum gelangt, aber sie verstanden es auch, durch Klugheit und Freigebigkeit die Gunst der Florentiner in immer höherem Grade zu gewinnen. Schon Johann von Medici besaß im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts große Güter in der Umgegend der Stadt; einige Villen, darunter die schöne Villa Careggi, und ein hochgelegenes Kastell waren sein Eigentum, als er starb. Sein Sohn Cosmus erbte nicht nur seine Besitztümer, sondern auch seinen großen Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten.
Mit Cosmus trat denn auch zuerst jene hochentwickelte Kunstliebe, die sich jahrhundertelang in der Familie erhielt, im großartigsten Maßstabe hervor. Daß ein solcher Mann viele Feinde und mächtige Gegner besaß, lag in der Natur der Sache; es gelang diesen Feinden, ihn verräterischer Verbindungen mit Franz Sforza, dem damaligen Herzoge von Mailand, der seine Rechte gegen die Familie Visconti behauptete, zu beschuldigen und seine Verbannung zu bewirken. Aber das Volk drang auf seine Zurückberufung und empfing ihn mit großem Jubel, als er schon im folgenden Jahre wieder in seine Vaterstadt einziehen durfte.
Auch dieser Vorfall hatte bewiesen, daß der Rangstreit unter den großen Häusern wiederum keinen dauernden Frieden aufkommen ließ. Jede einzelne derjenigen Patrizierfamilien, welche im Besitz großer Reichtümer und dadurch selbstverständlich von großem Einfluß waren, wollte gern die gesamte Regierung in ihrer Gewalt haben, um die wichtigsten und einträglichsten Stellen nach Willkür und Belieben vergeben zu können. Auf diese Weise wäre die Republik der Spielball ehrgeiziger Menschen geworden, und da jeder dem andern durch alle erdenklichen Mittel den Rang abzulaufen und die Macht aus den Händen zu winden suchte, konnte es nicht ausbleiben, daß auch hieraus wieder erbitterte Feindschaften und blutige Kämpfe erwuchsen. In ruhigen Zeiten verkehrten sie friedlich miteinander, und überdies brachten die öffentlichen Festlichkeiten die Glieder der einzelnen Häuser häufig genug zusammen. So geschah es, daß sie sich untereinander verschwägerten und nach und nach fast alle mehr oder weniger verwandt waren. Brachen dann wieder Streitigkeiten aus, so wurden oft die zartesten Empfindungen grausam verletzt und heilige Bande mit Füßen getreten.
8 Was der Familie Medici vor den andern großen Florentiner Häusern den Vorrang gab, war offenbar nur die größere Intelligenz. Sie trat bei einzelnen Häuptern der Familie besonders mächtig hervor und befähigte sie in den Augen der Bürger weit mehr zum Herrschen als den rauflustigen Adel, der rücksichtslos seine selbstsüchtigen Zwecke verfolgte. Schon Cosmus besaß die in damaliger Zeit ungemein seltene Eigenschaft großer Selbstbeherrschung. Er hatte durch seine Verbannung Zeit zum Nachdenken gewonnen und war zu der Einsicht gelangt, daß es viel klüger sei, mit den andern großen Bürgerfamilien in dauernder Verbrüderung als in ewigem Zwist zu leben. Es war ihm gelungen, seinen wichtigsten Gegner, den reichen Beno Pitti, den Erbauer des prachtvollen Palastes, für sich zu gewinnen und die Familie Pazzi durch die Verheiratung seiner eignen Enkelin Blanca mit Wilhelm Pazzi dem Hause Medici möglichst nahe zu stellen. Nach seinem Tode trat sein Sohn Peter in alle Rechte des Vaters ein. Leider hatte dieser nicht dessen großartige Sinnesart geerbt; er verscherzte daher einen Teil der Volksgunst wieder. Außer seiner Tochter Blanca hatte Peter auch zwei Söhne, Lorenzo und Julius, welche unter den Augen des Großvaters ihre erste Erziehung erhalten hatten. Sie waren lebenslustige junge Leute und sehr von der Schwester verschieden, die sich von jeher durch sinniges und einfaches Wesen ausgezeichnet hatte.
Eine reizend gelegene Villa, von deren Vorderseite aus man die ganze Stadt mit allen Windungen des Arno überblicken konnte, während man rückwärts die fruchtbare Hügellandschaft bis zu dem hochgelegenen Fiesole sah, hatte der verstorbene Cosmus von Medici seiner Enkelin Blanca zum Hochzeitsgeschenke gemacht, als er sie vor einigen Jahren mit Wilhelm Pazzi vermählt hatte. Der patriarchalischen Sitte gemäß entschied Großvater Cosmus, solange er lebte, in allen Familienangelegenheiten. War er doch auch der eigentliche Begründer der Größe seines Hauses, dessen Geltung erst nach der Rückkehr aus seiner Verbannung den Höhepunkt erreichte. Dabei war er Geschäftsmann im vollsten Sinne des Wortes. Seinem energischen Geiste und weitschauenden Blicke war es gelungen, den väterlichen Seidenhandel zur höchsten Ausdehnung zu bringen und auswärts Bankhäuser zu gründen. Auch in dieser Richtung gab er die Zügel nicht aus der Hand, selbst als sein Sohn Peter bereits ein älterer Mann geworden war. Von seinen Enkeln war ihm Lorenzo der liebste, weil er in diesem schon während dessen Knabenjahren die eigne Geistesrichtung, namentlich die Liebe zu den schönen Künsten, wieder fand. Als Cosmus hochbetagt starb, überkam auf Peter der Einfluß, welchen der Vater in den Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung geübt hatte, gleichsam wie ein Teil der gesamten Erbschaft. Das Volk verehrte in dem Hingeschiedenen einen wahren Vater des Vaterlandes, und da man seinen Sohn seit vielen Jahren als den Vertrauten desselben betrachtete, fand die Republik es ganz selbstverständlich, daß Peter in alle Rechte des Verstorbenen eintrat und gewissermaßen auch die Herrschaft 9 über die Stadt antrat. Ein in der Familie Medici erbliches Übel, eine unheilbare, oft wiederkehrende und schmerzhafte Entzündung des rechten Fußgelenkes, trat bei Peter besonders hinderlich auf und nötigte ihn vielfach, sich einer Sänfte zu bedienen. Da er den größten Teil des Jahres auf seinem nahe bei der Stadt gelegenen Landgute Careggi zubrachte und doch häufig in Florenz sein mußte, ließ er sich durch seine Diener in einer Sänfte tragen, und da dies stets mit einer gewissen Umständlichkeit und unter zahlreichem Gefolge geschah, so machte sein Erscheinen den Eindruck ehrwürdiger Vornehmheit, was dem Ansehen der Familie beim Volke nur förderlich war. Hätte er die gleiche Freigebigkeit und denselben Grad von Kunstliebe wie sein Vater an den Tag gelegt, man würde ihn gleich diesem als Wohlthäter der Stadt verehrt haben.
Auch nach der schön gelegenen Villa seiner geliebten einzigen Tochter ließ sich Peter von Medici häufig bringen und es geschah dies stets in Begleitung einiger berittenen Diener, wie es die Unsicherheit der Zeit nötig machte. Die meisten Villen in der Umgegend waren von Ziergärten umschlossen, an welche ausgedehnte Ländereien grenzten. Feldfrüchte und Gemüse in Menge sowie reichlich tragende Obstbäume und Weinstöcke gaben das beste Zeugnis für die unerschöpfliche Fruchtbarkeit dieses gesegneten Landstriches. Die Umgebung der Villa, welche Wilhelm Pazzi mit seiner Frau bewohnte, verriet außerdem die sorgliche Pflege, die der jetzige Besitzer derselben angedeihen ließ. Nirgends sah man schönere Oliven- und Feigenbäume, und die zwischen den Fruchtbäumen sich hinschlingenden Weinreben trugen die edelsten Trauben und lieferten einen köstlichen Wein. Gleich einem kleinen Paradiese stellte sich der Blumengarten dicht um das Haus den Augen dar; außer kostbaren tropischen Gewächsen, die daselbst sorgsam gehegt wurden, erfreute zu jeder Jahreszeit reicher Blumenschmuck Herz und Sinn der Bewohner. Gern weilte Peter von Medici stundenlang unter den schattigen Ulmen und Platanen in der Nähe des Hauses, und wenn er dort saß, seine Blicke auf die Vaterstadt unten im Thale und die lachende Gegend umher gerichtet, dann wieder sich an der Schönheit seiner Tochter oder an den Spielen ihrer munteren Kinder erfreuend, konnte er sich in eine Welt harmonischen Zauberlebens versetzt glauben, ohne stachelnden Ehrgeiz, ohne Neid, ohne Kampf und Vernichtung.
Peter von Medici überlebte seinen Vater nur wenige Jahre. Doch hatte diese kurze Zeit hingereicht, die Anhänglichkeit des Volkes auch auf seine Söhne zu übertragen, oder richtiger diejenige Partei im Volke, welche das Haus Medici als das herrschende anerkannte, betrachtete es als selbstverständlich, daß die oberste Leitung der Republik aus Peters Händen in diejenigen der Enkel des großen Cosmus übergehen müsse. Dennoch lebte eine gewisse Besorgnis von neuem auf; denn wenn bei Peter dessen vorgerücktes Alter und sein leidender Zustand den Mangel an Thatkraft und Charaktergröße einigermaßen entschuldigten, so fehlte seinen beiden Söhnen eine solche zufällige Schicksalsgunst, ja es ließ sich geradezu 10 befürchten, daß die Enkel des großen Cosmus, Lorenzo und Julius, ihrer Jugend und Lebenslust wegen eine weniger wohlwollende Beurteilung finden würden. Das Andenken des Großvaters war gleichsam durch die Erinnerung an das erlittene Unrecht der Verbannung mit der Glorie des Martyriums umleuchtet, der Vater hatte dem Großvater als Vertrauter zur Seite gestanden und durch seinen kränklichen Zustand Teilnahme für sich wachgehalten, Lorenzo und Julius dagegen hatten weder etwas gethan noch gelitten, was sie dem Herzen der Florentiner nahe stellte. Als Söhne des reichen Handelsherrn Peter Medici und zugleich als die vermutlichen Erben seiner politischen Stellung, waren sie von Kindheit an gleich Prinzen erzogen worden und hatten sich in allen ritterlichen Vorzügen bewährt, ohne bis jetzt irgend welche persönliche Vorzüge zu verraten, welche dem Volke als Gewähr für eine gedeihliche Zukunft erscheinen konnten.
Die erste That, welche die Brüder Medici nach des Vaters Tode vollführten, bewies wenigstens, daß sie die Vorsicht und Klugheit, welche schon dem Großvater eigen gewesen, geerbt hatten. Lorenzo erkannte sofort die Schwierigkeiten seiner Lage und die seines Bruders und er traf danach seine Vorkehrungen.
Er ordnete unverweilt an, daß einige Freunde seines Vaters, darunter namentlich Thomas Soderini und Andreas Pazzi, der Schwiegervater seiner Schwester Blanca, welche beide bereits während des Vaters Krankheit die Geschäfte der Regierung besorgt hatten, im Besitze ihrer Ämter bleiben sollten. Die Gesandten fremder Mächte waren bereits gewöhnt, mit Thomas Soderini zu verhandeln; als sie nun kamen, um ihm wegen des Ablebens Peters von Medici ihr Beileid zu bezeugen, schickte er sie, gleich allen übrigen Deputationen, zu den beiden Söhnen des Verstorbenen, weil er den Anschein vermeiden wollte, als maße er selbst sich die erste Stelle im Staate an, obgleich er die beiden Medici in den Geschäftsangelegenheiten vertrat. Die Gesandten und Deputationen achteten diese Anordnung, und Lorenzos Klugheit bewirkte in kurzer Zeit, daß das Volk stillschweigend sich daran gewöhnte, die beiden Brüder als die Erben der Machtstellung ihres Vaters und Großvaters zu betrachten. Allerdings konnte nicht vermieden werden, daß ein Teil der älteren Häupter andrer großen Familien mit Entrüstung diese Vorgänge beachteten, entschlossen, den beiden jungen Medici den Vorrang nicht zu lassen.
Die Ehe Wilhelm Pazzis mit Blanca Medici war bisher eine ungestört glückliche gewesen. Wie der Großvater, so hatte auch der kränkliche Vater die anmutige junge Frau aufs zärtlichste geliebt und alles aufgeboten, um ihr das Leben zu einer Reihe von glücklichen Tagen zu machen. Und Blanca ihrerseits vergalt diese Liebe mit bescheidener Dankbarkeit. Während ihre Brüder von frühester Jugend an große Summen beanspruchten, um ihre Liebhabereien zu befriedigen, für schöne Pferde, kostbare Waffen oder seltene Hunde schwärmten und viel Geld für derartige Dinge verschwendeten, hatte Blanca selten oder nie einen Wunsch geäußert, und wenn sie auch mit lächelnder Freude die Geschenke 11 an kostbarem Schmuck hinnahm, die sie vom Vater oder Großvater erhielt, war sie doch weit entfernt, unbescheidene Bitten auszusprechen, und daran zu denken, andre junge Frauen in Glanz und Pracht zu überbieten. Fragte der Großvater, ob sie einen prächtigen Gewandstoff oder ein reiches Schmuckstück begehre, so schüttelte sie lachend den Kopf und versicherte, sie besitze alles, was ihr Herz wünschen könne.
Blanca war schön, von jener sanften, schwermütigen Schönheit, die sich im Süden häufig findet, die weder siegen will, noch sich ihrer Siege bewußt ist, aber doch unaufhörlich für sich einnimmt. Ihr großes dunkles Auge besaß jenen sanften Glanz, der mehr rührt als begeistert, ihre Züge waren edel und regelmäßig, aber gemildert durch sanften Reiz. Nichts konnte mit dem Anblick verglichen werden, wenn sie an der Seite ihres Gatten stand oder langsam mit ihm einherschritt. Er, das wahre Bild eines lebensfrischen, kraftvollen Mannes, und sie das anmutige Weib, auf dessen Antlitz das innere Glücksgefühl leuchtete und dessen Gestalt sich in unbewußter Hingebung an die seinige schmiegte. Da Wilhelm von Jugend auf große Vorliebe für die Landwirtschaft gezeigt hatte, fühlte er sich auf dem umfangreichen Besitztum mit der geräumigen Villa und den ausgedehnten Ländereien ganz in seinem Elemente. Er selbst wäre reich genug gewesen, um für sich und Blanca Besitz zu kaufen und denselben zu erweitern, aber es gewährte ihm Freude, Blancas eignes Landgut durch seine Arbeit zu bewirtschaften und den Ertrag derart zu erhöhen, daß der Wert fortwährend stieg. Er war unaufhörlich bedacht, alle möglichen Versuche anzustellen, den Boden zu verbessern und wußte auf jede Weise seine Thätigkeit auf den Gebieten der Landwirtschaft nutzbar zu machen. Da wurden edle Tiere gezüchtet, Pferde eingeübt, Bäume veredelt, Wasserleitungen gebaut: kurzum, jeder Tag forderte geistige und körperliche Arbeit. In gleicher Weise schaltete Blanca in ihrem Bereiche, nicht nur, indem sie das Innere des Hauswesens überwachte, sondern auch als anregendes Element eines kleinen, überaus geselligen Kreises. Auch sie besaß jene Kunstliebe, welche bereits zu den Zeiten des Großvaters die Familie Medici ausgezeichnet hatte und deren Pflege nun schon als ein Erbstück betrachtet wurde. Cosmus hatte in dieser Beziehung alles gethan, um die Neigung der Enkelin zu fördern, und die Einrichtung ihres Landsitzes trug überall die Spuren dieser edlen Liebhabereien. Allerdings war dieselbe in den letzten Jahren doch etwas in den Hintergrund getreten und hatte der süßesten aller Pflichten weichen müssen, welche die Natur dem Weibe vorbehalten hat, seitdem Blanca für zwei allerliebste Kinder, einen fünfjährigen Knaben und ein zweijähriges Mädchen, zu sorgen hatte.
Das Zusammenleben der beiden Ehegatten war nun während der sechs Jahre ihrer Vereinigung durch keinen Schatten von Uneinigkeit getrübt worden. Sowohl Wilhelm wie Blanca verschmähten die Gelegenheiten, tagelang oder auch nur auf Stunden vom Hause fern zu bleiben. Trotzdem war Blanca 12 überrascht, als ihr Gatte eines Sonntags, wo sie aus guten Gründen mit Gewißheit vorausgesetzt hatte, er werde dem Hochamte im Dome beiwohnen, erklärte, zu Hause bleiben und die stille Messe in der eignen Hauskapelle dem festlichen Hochamte vorziehen zu wollen. Mit sanften Worten redete Blanca diesmal ihrem Gatten zu, denn sie hielt es für ihre Pflicht, seine Anwesenheit bei einer Feierlichkeit zu befürworten, welche sämtliche Mitglieder des Rates und die Vertreter der angesehensten Familien heute um den Hochalter des Domes vereinigte.
Es handelte sich nämlich um die feierliche Einführung des kürzlich zum Erzbischof von Florenz ernannten Kardinals Peter Riario, der unter der Assistenz der hervorragendsten Geistlichen der Stadt ein festliches Hochamt im Dome celebrierte, woran sich auch ein pomphaftes Gelage anschließen sollte, wie er solche bereits in verschiedenen italienischen Städten den vornehmen Familien gegeben hatte. Jedermann tadelte den weltlichen Glanz, welcher bei solchen Gelegenheiten entfaltet wurde, aber niemand wollte von der Teilnahme ausgeschlossen sein, zumal diese Feste Gelegenheit boten, mit den ersten und angesehensten Personen zusammen zu treffen. Peter Riario war ein Verwandter des Papstes Sixtus IV., dessen Gebaren überall den größten Unwillen erregte, insofern er verschiedenen seiner nächsten Verwandten die einträglichsten Kirchenämter übertragen oder sie mit weltlichen Besitztümern beschenkt und zu regierenden Herren erhoben hatte. Vier seiner Neffen bekleideten bereits hohen Rang und genossen beträchtliche Einkünfte, und der ungeheure Luxus, in welchem dieselben sich gefielen, gereichte ihnen nicht mehr zum Vorteile, denn ihr maßloses Treiben rief ebensoviel Neid wie Verdruß wach. Kürzlich aber hatte der Papst den kaum sechsundzwanzigjährigen Peter Riario, einen Sohn seiner Schwester, vom einfachen Franziskanermönch zum Kardinal des heiligen Stuhles, Patriarchen von Konstantinopel und Erzbischof von Florenz ernannt. Mit unglaublicher Leichtigkeit fand sich der junge Riario in seine neue Rolle; er entfaltete vom ersten Augenblicke an eine solche verschwenderische Pracht des Haushaltes, daß man nicht nur in Rom, sondern in ganz Italien darüber Glossen machte. Nachdem er in dem Palaste, den er in Rom bezogen hatte, den fremden Gesandten und mehreren durchreisenden fürstlichen Personen glänzende Gastmähler gegeben hatte, zog er mit pomphaftem Gefolge nach Florenz, um sein Amt als Erzbischof anzutreten. Von dort wollte er nach Mailand und dann nach Venedig reisen; überall gedachte er, die Welt durch Pracht und Verschwendung in Erstaunen zu setzen.
Die Anwesenheit dieses vielbesprochenen Mannes, der heute das Hochamt im Dome hielt, war allerdings eine Veranlassung, bei welcher zurückzubleiben dem Sohne aus einem der ersten Florentinischen Häuser kaum gestattet war. Anfangs hatte Blanca geglaubt, ihr Gatte habe die ganze Angelegenheit vergessen, da jedoch ihre Mahnung auf erneute Weigerung bei ihm stieß, mußte sie annehmen, es liege darin ein neuer Beweis dafür, daß ihm außer seiner 13 Häuslichkeit alles gleichgültig sei. So wohlthuend dieser Gedanke war, wünschte sie diesmal doch, ihr Gatte möge der Festlichkeit beiwohnen, und sie gab ihrem Zureden etwas stärkeren Nachdruck. Da sie wußte, daß wohl noch ein andrer Grund ihn in seinem Widerstand bestärkt haben konnte, wollte sie diesen nicht unerwähnt lassen. Sie sagte deswegen.
»Es wird den meisten unsrer Herren kein besonderes Vergnügen gewähren, dem eitlen Riario bei der heutigen Feier gewissermaßen die Schleppe zu tragen, und ich kann mir denken, mit welchem Widerstreben meine beiden Brüder zugegen sein werden. Sie müssen jedoch ihrem Stolze dies Opfer bringen, welches ihre Stellung erheischt.«
»Glaube nicht«, entgegnete Wilhelm, »daß mich Stolz oder Neid abhält, dem neuen Erzbischof meine Huldigung zu beweisen. Mir wäre es gleichgültig, seiner lächerlichen Prahlsucht dieses Opfer zu bringen, wenn es geschehen müßte, aber ich glaube nicht, daß meine Abwesenheit bemerkt wird, und ein unbestimmtes Gefühl hält mich gerade heute zurück.«
Es wurde ihm schwer, diese Erklärung zu geben, und obgleich Blanca nicht die leiseste Ahnung der Gründe hatte, die ihn bewegten, kannte sie ihn doch zu gut, um über seine anhaltende Weigerung nicht etwas befremdet zu sein. Sie entgegnete daher:
»Bei einer solchen Gelegenheit bleibt es gewiß nicht unbemerkt, wenn ein Mitglied des Hauses Pazzi ohne triftigen Grund fehlt.«
»Du irrst«, entgegnete Wilhelm mit einem Anflug von Bitterkeit; »die Pazzi sind sämtlich auf die Seite gedrängt. Deine Brüder stehen fest auf ihren eignen Füßen, seitdem meines Vaters Tod sie von der Vormundschaft befreite. Wie könnte es also darauf ankommen, ob ein Pazzi mehr oder weniger sich heute im Dome zeigt?«
»Du weißt«, erwiderte Blanca, »wie sehr ich den Zwiespalt unsrer Familien beklage; aber ich trage deinen Namen und darum dachte ich, gerade heute wäre eine Gelegenheit, bei welcher die Pazzi sich hervorthun könnten. Dein Bruder Franz, der in Rom das große Bankgeschäft besitzt, genießt das volle Vertrauen des Papstes und also wahrscheinlich auch die Gunst seines Neffen Riario. Wäre es da nicht möglich, daß die Anwesenheit des letzteren den ewigen Hader zwischen meiner und deiner Familie ausgleichen könnte? Du hast alle Festlichkeiten, welche bereits zu Ehren des Kardinals stattgefunden haben, vermieden, und eben darum meine ich, du solltest das feierliche Hochamt am heutigen Tage nicht versäumen.«
»Mein gutes, liebes Weib«, versetzte Wilhelm, indem er sie auf die weiße Stirn küßte, »du ahnst wenig von den Gedanken und Empfindungen, welche durch den Streit der Männer entfacht und genährt werden. Dein sanftes Herz ist nicht geeignet, die wilden Leidenschaften zu verstehen, wodurch fortwährend der Friede unsrer Stadt bedroht ist. Allerdings genießt mein Bruder Franz die 14 Gunst des Kardinals und ist daher auch zur heutigen Festlichkeit von Rom nach Florenz gekommen, aber seine Anwesenheit erweckt mir wenig Freude. Laß uns nicht weiter über diese unerfreulichen Dinge reden; hoffen wir vielmehr, daß der heutige Tag nichts Schlimmeres bringe, als viele seiner Vorgänger. Möge er in jedem Falle unser stilles häusliches Glück nicht stören – – beten wir zu Gott, daß er von unsern Häuptern und denen der Kinder jedes Unheil fernhalte.«
Einen Augenblick war es Blanca, als vernehme sie während dieser Worte ganz aus der Ferne rollenden Donner und ein unklares Gefühl der Angst bemächtigte sich ihres Gemütes. Sie nahm alle ihre Kraft zusammen, um sich zu bezwingen, und es gelang ihr wirklich.
»Wie ernst du diese Worte sprichst!« erwiderte sie, indem sie aufstand, ihres Mannes Hand ergriff und mit ihm an ein Fenster trat, welches über den Garten und das Feld hinweg die Aussicht auf Florenz gestattete. Es war gegen Ende April, und die ganze Gegend prangte im herrlichsten Schmucke des Frühlings.
»Sieh«, sagte Blanca, »wie sonnig und friedlich unsre blühende Vaterstadt im heitern Lichte der schönsten Jahreszeit vor uns liegt. Wozu solch trübe Grillen? Schon seit einigen Wochen habe ich bemerkt, daß du dich mit finsteren Gedanken plagst und oft in tiefes Sinnen versunken vor dich hinstarrst. Was geht in dir vor? Ich kenne dich zu gut, um nicht zu wissen, daß dich irgend etwas bedrückt. Hat mein Bruder Lorenzo gegen einen der Deinigen wieder etwas unternommen? Läßt ihm sein Ehrgeiz nicht Ruh' noch Rast – ist es wirklich unmöglich, daß die angesehenen Männer in Florenz freundschaftlich zusammenstehen, müssen sie sich fortwährend gegenseitig befehden?«
»Richte diese Fragen an deinen Bruder Lorenzo selbst«, entgegnete Wilhelm etwas gereizt; aber als er sah, wie Blanca das schöne Haupt demütig senkte, ohne etwas auf seine Worte zu erwidern, schloß er sie in seine Arme, küßte sie zärtlich auf Stirn und Mund und sagte dann: »Wie traurig, daß Cosmus und Peter von Medici und nun auch Andreas Pazzi gestorben sind; sie würden unsre Kinder geliebt haben, und ihretwegen wäre der Friede zwischen den beiden Häusern ungestört geblieben. Aber wo sind die Kinder?« setzte er in dem Bedürfnis, das Gespräch abzulenken, hinzu; »ich habe sie heute Morgen noch nicht gesehen.«
»Ich will dir die Kinder bringen«, entgegnete Blanca und verließ mit dem Lächeln der glücklichen Mutter das Gemach.
Kaum hatte sich die Thür hinter ihr geschlossen, als die Gedanken ihres jungen Gatten sich von ihr und den Kindern abwandten und mit einer Angelegenheit beschäftigten, die vielleicht schon in der nächsten Stunde eine gewaltige Umwälzung in den Verhältnissen seiner Vaterstadt bewirken sollte.
Schon seit längerer Zeit war die Republik Florenz ihre besonderen Wege gegangen und hatte sich nur um die inneren Streitigkeiten, die Interessen des Handels und infolge davon um die benachbarten kleinen Staaten, aber sehr 15 wenig um die größeren Angelegenheiten Europas und die Gesamtinteressen Italiens bekümmert; sie sah ruhig zu, wie der König Ferdinand von Neapel ehrgeizige Pläne verfolgte, wie Papst Sixtus IV. in gewissenloser Weise seine Familie auf jede Weise bereicherte, sie überließ ferner die Venezianer ihren unaufhörlichen Kriegen gegen die Türken und die Genueser ihren Revolutionen.
Wenn die Inhaber der öffentlichen Ämter in Florenz noch für irgend etwas außer dem Aufschwung ihrer Industrie Interesse hatten, so waren es die persönlichen Angelegenheiten des Hauses, oder vielmehr der beiden Brüder Lorenzo und Julius von Medici. Nach dem Tode des Andreas Pazzi konnte sich Lorenzos Ehrgeiz immer bedenklicher entfalten; denn der alte Thomas Soderini verehrte den lebhaften Geist des jungen Mannes viel zu sehr, um sich irgend einem seiner Pläne entgegen zu stellen. Eine Reise nach Rom 16 hatte Lorenzo mit der Familie Orsini zusammen und zu einer Verlobung mit einer Tochter dieses Hauses geführt. Schon dies allein genügte, um ihm in Florenz neue Feinde zu schaffen; kannte man doch dort den unbändigen Stolz des römischen Adels. Lorenzo und sein Bruder Julius waren fest überzeugt, daß ihnen die Herrschaft in Florenz von Rechts wegen zukomme, und seit seiner Verlobung mit Clarissa Orsini übte Lorenzo diese Herrschaft trotz seiner Jugend in immer unumschränkterer Weise aus. Er ernannte in Gemeinschaft mit seinem Bruder fünf Wähler, und diese bestimmten die Inhaber der verschiedenen Ämter, ohne das Volk zu fragen und ohne daß eine geregelte Verbindung zwischen den obersten Behörden und ihren Beamten bestanden hätte. Da der Adel noch zu zahlreich war, um ihn völlig zum Gehorsam zwingen zu können, so schufen die Medici eine permanente Vertretung, welcher sie die Macht und die Rechte einer beschließenden und ausführenden Behörde übertrugen. Durch diese Maßregel regierten sie als Souveräne und disponierten zugleich über die Einkünfte des Staates, ohne irgend jemand Rechenschaft ablegen zu müssen. Aus diesem Verhältnis entstand nach und nach eine seltsame Verwirrung, so daß niemand mehr genau wußte, wo die Interessen des Handlungshauses Medici aufhörten und die Angelegenheiten des Staates ihren Anfang nahmen. Cosmus und Peter von Medici waren tüchtige Geschäftsmänner gewesen, aber Lorenzo und Julius wurden durch ihre Erziehung den Handelsinteressen gänzlich entfremdet, und es kamen in ihren Dispositionen fortwährend Übereilungen vor, die sich durch große Verluste rächten. In solchen Fällen waren sie dann leichtfertig genug, Staatsgelder zu Hilfe zu nehmen. Das Haus Medici unterhielt hauptsächlich große Verbindungen in den Niederlanden. Einmal mußten hunderttausend Gulden aus der Staatskasse nach Brügge gesandt werden, um das Fallissement eines Bankhauses zu verhindern, welches Lorenzo dort gegründet hatte. Solche Vorfälle wiederholten sich und die Spekulationswut Lorenzos würde das Haus Medici bald ruiniert haben, wären die Staatsgelder nicht oft zu seinem Vorteile verwendet worden.
So hatte sich die Herrschaft der beiden Medici immer bedenklicher entwickelt, aber sie hatten noch großen Anhang in Florenz. Allerdings waren es größtenteils verwerfliche Gründe, welche ihnen neue Freunde zuführten. Eine Anzahl der alten Familien hielt zu ihnen, um nicht nur Macht und Einfluß, sondern auch die Verfügung über die öffentlichen Einkünfte mit ihnen zu teilen.
Um es andern herrschenden Familien gleichzuthun, hatten die Medici schon früher der ihrem Palaste zunächst gelegenen Kirche San Marco ihre besondere Gunst zugewandt und erwarben das Protektorat über das damit verbundene Kloster. Schon Cosmus hatte daselbst eine Bibliothek gegründet, Lorenzo verband damit auch andre Zwecke wissenschaftlicher und künstlerischer Richtung; überhaupt verstanden es die Brüder Lorenzo und Julius, ausgezeichnete Gelehrte und Künstler an sich zu fesseln, indem sie denselben Aufträge erteilten und sie 17 dann mit Ehren und Geschenken überhäuften. Lorenzos großes Verständnis für die höchsten Ziele der Kunst kam ihm dabei sehr zu statten. Während nun ein großer Teil der ältesten und angesehensten Familien sich hauptsächlich aus Neid oder Rivalität gehässig gegen die Medici verhielt, jubelte das Volk ihnen zu, da es sich ihrer Freigebigkeit erfreute und sich an den Werken der Kunst ergötzte, welche sie überall öffentlich aufstellen ließen.
Übrigens waren Lorenzo und sein Bruder Julius in ihren Ansichten und Regierungsplänen nicht völlig einverstanden, und es war offenbar, daß seit Lorenzos Verlobung mit Clarissa Orsini ein dämonischer Geist unersättlichen Hochmuts über ihn gekommen war. Julius war viel sanfter, viel bescheidener und wohlwollender als sein Bruder, und machte diesem häufig Vorstellungen wegen seines Ehrgeizes, seiner rücksichtslosen Härte und maßlosen Heftigkeit. Aber der Einfluß der Familie Orsini bewirkte bei Lorenzo, daß er kein andres Ziel mehr im Auge hatte, als sich zum alleinigen Herrn der Republik zu machen, zu welchem Zwecke er alle übrigen großen Familien zu verdrängen oder zu unterdrücken suchen mußte.
Unter denjenigen Familien, deren Rivalität die Medici zu fürchten hatten, behaupteten die Pazzi den ersten Rang. Sie waren ein altes adliges Ghibellinengeschlecht und lebten in früherer Zeit in Feindschaft mit der Florentinischen Republik. Später verließen sie ihre Burgen und zogen in die Stadt, wo sie sich einen schönen Palast bauten und sich großer Vorrechte erfreuten. Nachdem Cosmus von Medici im Jahre 1434 von dem aufgewiegelten Volke vertrieben und bald darauf wieder zurückgerufen worden war, fühlte er die Notwendigkeit, sich mit einem Teile des alten Adels zu verbinden. Er gestattete daher einigen dieser Familien, ein bürgerliches Geschäft zu betreiben und dem Adel zu entsagen. Dazu gehörten die Pazzi, und Andreas Pazzi war der erste, der auf diese Weise in die Signoria gelangte. Die Pazzi hatten ein Bankhaus gegründet, welches bald eines der reichsten und angesehensten in Italien wurde. Nicht nur von vornehmer Abkunft, sondern auch bessere Geschäftsleute als die Medici, hatten sie nicht nötig, die Hilfe des Staatssäckels in Anspruch zu nehmen.
Cosmus von Medici hatte damals richtig eingesehen, daß es klüger sei, sich mit einer solchen Familie eng zu verbinden, und darum hatte er auf seinen Sohn eingewirkt und die Heirat zwischen seiner Enkelin Blanca und Wilhelm Pazzi begünstigt. Lorenzo verfolgte das entgegengesetzte Prinzip: nicht nur, daß er durch die Verbindung mit einem der römischen Adelsgeschlechter gegen die Überlieferungen der großen Florentiner Familien verstieß, er richtete auch sein Augenmerk darauf, die Pazzi ganz aus dem Wege zu schaffen. Seinen Schwager Wilhelm betrachtete er als ungefährlich, aber die Brüder desselben suchte er auf jede erdenkliche Weise zu drücken, um ihnen alle Macht zu benehmen. Franz Pazzi, Blancas ältester Schwager, konnte den Übermut Lorenzos nicht länger ertragen, und da sein Ruf als Geschäftsmann im ganzen Lande 18 verbreitet war, siedelte er nach Rom über und gründete dort ein eignes Geschäft, indem er zugleich die Bankgeschäfte des heiligen Stuhles übernahm, welche bisher das Haus Medici besorgte, ein Amt, das gerade unter dem Pontifikat Sixtus IV. sehr einträglich war. Kurze Zeit darauf ereignete sich ein Vorfall, welcher die Feindschaft zwischen den beiden Familien auf den Gipfel trieb. Der zweite Schwager Blancas, Johannes Pazzi, hatte die einzige Tochter und Erbin des Jakob Boromei, eines unermeßlich reichen Bürgers, geheiratet. Als dieser starb, erließ Lorenzo sofort ein Gesetz, nach welchem die Neffen den Töchtern vorgingen, wenn es sich um die Erbschaft eines Vaters handelte, der ohne Testament gestorben war, und er verlieh diesem Gesetze rückwirkende Kraft, wodurch Johannes Pazzi die große Erbschaft seines Schwiegervaters verlor, der es gar nicht für nötig gehalten hatte, ein Testament zu gunsten seines einzigen Kindes zu machen.
Derartige Vorgänge machten gewaltiges Aufsehen und verfehlten nicht, auch bei den auswärtigen Mächten Unzufriedenheit hervorzurufen. War doch Lorenzo von Medici durch seinen maßlosen Ehrgeiz und in manchen Fällen auch durch sein geistiges Übergewicht den fremden Fürsten ein Dorn im Auge geworden. Am päpstlichen Hofe aber rief außerdem seine Verlobung große Unzufriedenheit hervor, denn die Orsini gehörten zu den mächtigsten Feinden des heiligen Stuhles, wenngleich augenblicklich ein Orsini Kardinal war. Franz Pazzi hatte nicht verfehlt, die Mißstimmung beim Papste zu schüren, und da er auch die Geldgeschäfte für dessen Neffen, den Kardinal Riario, zu besorgen hatte, gab es Gelegenheit genug, einen Plan zu entwerfen, welcher die Medici mit einem Schlage vernichten sollte.
Peter Riario war mit allem einverstanden, Franz Pazzi begleitete ihn nach Florenz, wo er unter dem Schutze des mächtigen Kirchenfürsten sich ungehindert aufhalten konnte. In den wenigen Tagen, die er nun dort verweilt hatte, war er an die Spitze einer Verschwörung getreten, welcher eine Anzahl mißvergnügter Adliger sich anschloß und deren Ziel und Zweck dahin ging, die beiden Brüder Medici zu ermorden. Alle in Florenz anwesenden Mitglieder der Familie Pazzi hielten es für eine heilige Ehrensache, dem Bunde anzugehören, nur Wilhelm hatte aus naheliegenden Gründen seine Beteiligung verweigert, aber er war genötigt worden, zu versprechen, daß er der Sache nicht schaden wolle und hatte durch einen feierlichen Schwur das tiefste Stillschweigen, auch seinem Weibe gegenüber, geloben müssen.
Wilhelm ahnte, daß der Mordversuch während des heutigen Hochamtes im Dome vollzogen werden sollte, und es war nur zu begreiflich, daß er seine Aufregung schwer verbergen konnte. Der prunksüchtige Kardinal Riario war mit dem Erzbischof Salviati von Pisa, welcher den Medici gleichfalls schwer zürnte, in Florenz zusammengetroffen, und die Anwesenheit dieser beiden hohen kirchlichen Würdenträger hatte bereits in den letzten Tagen zu verschiedenen 19 festlichen Zusammenkünften in den ersten Familien Anlaß gegeben. Erst am gestrigen Tage hatte zu Careggi bei den Brüdern Medici ein prachtvolles Bankett stattgefunden, und bei dieser Gelegenheit hatte auch Wilhelm Pazzi den Kardinal kennen gelernt. Die Anwesenheit dieses letztern sollte gleichsam die Verschwörung sanktionieren, obgleich er selbst sich der Sache scheinbar gänzlich fern hielt. War der Schlag gelungen, so konnte das Ansehen des Kardinals für die neue Ordnung der Dinge wichtig werden.
Mehr wußte Wilhelm nicht. Seine Aufregung steigerte sich fieberhaft in der kurzen Zeit, während welcher er sich im Gemache allein befand und seinen Gedanken völlig überlassen blieb.
Der Eintritt Blancas riß ihn zwar aus seinen Träumen, aber als er nun die holde Gestalt erblickte, wie sie an der Hand den fröhlichen Knaben führte und auf dem Arme das liebliche kleine Mädchen trug, ergriff ihn das Gefühl ängstlicher Besorgnis so heftig, daß er einen Augenblick die Fassung verlor und sein Gesicht von tiefer Blässe überzogen wurde. Was auch der Ausfall des bevorstehenden Ereignisses sein mochte, diese unschuldigen Kinder wurden in jedem Falle schmerzlich davon betroffen, denn entweder unterlag die Familie ihrer Mutter oder diejenige des Vaters, und daß damit der Friede seiner eignen Ehe eine gefährliche Erschütterung erhielt, war leicht vorauszusehen.
Blanca war in ein einfaches, aber dem Range und dem Reichtum ihrer Familie entsprechendes Gewand gekleidet. Ihr prachtvolles braunes Haar wurde von einem Netze zusammengehalten, und da sie im Hause keinerlei Schmuck trug, umschlossen köstliche Spitzen ihren zarten weißen Hals und die zierlichen Handgelenke. Sie fielen fast bis zu den schlanken Fingern, mit welchen sie das Händchen ihres Knaben gefaßt hatte. Auch die Kinder waren von ihren Wärterinnen zierlich gekleidet, und die gesamte Gruppe würde zu jeder andern Zeit den Augen des Vaters einen beglückenden Anblick gewährt haben. Diesmal aber konnte Wilhelm sich des lieblichen Schauspiels nicht erfreuen, und die zartfühlende Gattin erschrak, als sie seine Blässe gewahrte. Sie erkannte sofort, daß seine Stimmung während ihrer Abwesenheit viel düsterer, viel erregter geworden war. Besorgt wollte sie um die Ursache seines veränderten Aussehens fragen, aber er kam ihr zuvor und verhinderte ihre Erkundigung, indem er sagte. »Es war unüberlegt von mir, der heutigen Feier fern zu bleiben, und ich will eilen, mein Versehen wieder gut zu machen. Mein Pferd ist rasch gesattelt und vielleicht erreiche ich noch zeitig genug die Stadt.«
Er wußte selbst nicht recht, was er sagte und sagen wollte. Es war ihm, als müsse er um jeden Preis den Mord zu vereiteln suchen. War es eine Ahnung, die ihn bei seinen Worten wie mit Allgewalt erfaßte? Jedenfalls duldete ihn die innere Unruhe nicht länger im Hause. Mochte mit ihm geschehen, was da wollte, es trieb ihn unwiderstehlich nach dem Orte, wo in diesem Augenblicke das Schicksal der Vaterstadt und seiner Angehörigen sich entschied.
20 War Blanca schon beim Anblick ihres Gatten erschrocken, so geriet sie in ernstliche Besorgnis, als sie ihn, ohne ihre Entgegnung abzuwarten, fortstürmen sah. Auch die Kinder blickten erstaunt dem Vater nach, der gegen seine Gewohnheit sie gar nicht beachtet hatte. Als Blanca sich wieder gesammelt hatte, eilte sie zu einem Fenster, das nach dem Hofe ging, um sich zu überzeugen, was Wilhelm beginnen werde. Ihr Herz klopfte heftig, obgleich gar kein eigentlicher Grund zur Besorgnis vorlag. Sie beobachtete, wie Wilhelm rasch Befehle erteilte, wie sein Stallknecht eilig das Pferd sattelte und ein andrer Diener ihm Degen und Handschuhe, die er in der Eile vergessen hatte, holen mußte. Er selbst griff überall mit an, um schneller zu Ende zu kommen, und Blanca bemerkte, wie seine Hand zitterte und sein Auge glühte. Endlich war alles in Ordnung, und er konnte seiner Ungeduld Genüge leisten, indem er sich in den Sattel schwang. – Kaum sprengte Wilhelm zum Thor hinaus, so empfand Blanca gleichfalls eine unerklärliche brennende Unruhe. Vergeblich bemühte sie sich, dieselbe zu bemeistern, indem sie zu den Kindern eilte, die im vordern Gemach zurückgeblieben waren, wo sie sorglos miteinander spielten.
Nur wenige Augenblicke und sie konnte ihre Angst nicht mehr bezwingen. In ihrer Ratlosigkeit entschloß sie sich, eiligst einen Reitknecht abzusenden, der so schnell als möglich hinter ihrem Gatten die Stadt erreichen und für alle Fälle in seiner Nähe bleiben sollte. Dann verfügte sie sich in die kleine Hauskapelle, um ihr geängstigtes Herz durch brünstige Gebete zu beruhigen.
Als Wilhelm Pazzi in die Stadt einreiten wollte, hatte er am Thore einige Schwierigkeiten zu bestehen, und nachdem diese beseitigt waren, bewies ihm der große Tumult, der in allen Straßen tobte, daß der beabsichtigte Handstreich bereits geschehen war. Seine fieberhafte Ungeduld veranlaßte ihn, sich sofort nach dem Ausgang desselben zu erkundigen. Aber zu seinem Schrecken mußte er erfahren, welche unvorhergesehene Wendung die Sache genommen hatte. Die Aufregung war überall so groß, daß die Menschen in blinder Wut durch die Straßen rannten und laut ausriefen, alles, was mit der Familie Pazzi im Zusammenhange stehe, müsse sofort getötet werden. Ein Mordanschlag auf die Brüder Medici! Das war, als habe man dem Volke das Liebste auf dieser Welt rauben wollen, und jeder einzelne fühlte sich von Rachedurst angetrieben.
Nur der Fürsorge seines Weibes verdankte Wilhelm Pazzi sein Leben, denn kaum hatte der ihm nachgesandte Reitknecht erfahren, was geschehen war, und die Gefahr erkannt, welche seinen Herrn nicht nur in den Straßen von Florenz, sondern in gleicher Weise auf seiner Villa bedrohte, als er sich dicht an ihn herandrängte, um ihn auf den einzigen Ausweg zur Rettung aufmerksam zu machen. In der Not des Augenblickes konnten weder lange Verhandlungen gepflogen, noch besondere Rücksichten genommen werden, und so veranlaßte der brave Reitknecht seinen Herrn, ohne weiteres den kürzesten Weg nach dem Palaste einzuschlagen, den sein Schwager Lorenzo in der Stadt besaß.
21 Wilhelms Ankunft daselbst wurde sofort als ein Beweis der Parteinahme für die Medici aufgefaßt, denn die Freunde und Diener des Hauses wußten alle, daß er demselben verschwägert war. Nur kurze Zeit später, und selbst dieser Ausweg würde ihn kaum mehr gerettet haben, denn das leicht erregbare und lenksame Volk geriet in immer leidenschaftlichere Wut, und da die Verschwörung nun einmal von der Familie Pazzi ausging, sollte kein Glied derselben verschont werden, wäre ihm auch jede Beteiligung an der That fremd gewesen.
Einmal im Palaste seines Schwagers angelangt, durfte Wilhelm allerdings auf Schutz und Sicherheit zählen. Lorenzo selbst war kurz vorher verwundet nach Hause gebracht worden, und die Verwirrung war beispiellos. Die Teilnahme des Volkes überstieg jedes Maß, und das Leben Lorenzos war in diesen Augenblicken das Einzige, was für die Florentiner Wert hatte. Man umringte den Palast und verlangte fortwährend genaue Nachrichten über seinen Zustand, der durchaus nicht unbedenklich erschien.
Nun wurde die Leiche seines Bruders Julius in den Palast getragen, und bei dem Anblicke derselben stieg die Aufregung der Menge wieder zum höchsten Grade. Wilhelm Pazzis Reitknecht benutzte diesen Moment, um seinen Herrn zu verlassen und so schnell wie möglich zur Villa zurückzukehren, wo er der angstvoll harrenden Gattin die entsetzensvolle Botschaft des Geschehenen mit der tröstenden Nachricht überbrachte, daß ihr Gemahl vorläufig in Sicherheit sei.
Für Blanca mußten diese Mitteilungen die Wirkung eines furchtbaren Schlages aus heller Luft haben, denn obgleich die Anzeichen und Vorbereitungen der Verschwörung unter den Beteiligten vielfach besprochen und selbst von den Bedrohten geahnt worden waren, so hatte doch gerade die Schwester der beiden Medici, die zugleich die Gemahlin eines Pazzi war, nicht die geringste Andeutung darüber vernommen.
Der bestimmt ausgearbeitete Plan, die Regierung zu Florenz durch die Ermordung der Brüder Medici umzuändern, war hauptsächlich zwischen Franz Pazzi und dem Kardinal Riario, bald nachdem der letztere von seinem päpstlichen Oheim den Purpur empfangen hatte, gefaßt worden.
Als Dritten im Bunde gewann Franz Pazzi den Erzbischof von Pisa, Franz Salviati, einen gebornen Florentiner, von dem er wußte, daß er von Haß auf Lorenzo von Medici erfüllt war, weil dieser sich hartnäckig seiner Ernennung widersetzt hatte. In Florenz angekommen, suchte Franz Pazzi zuerst seinen Onkel Jakob für den Plan der Verschwörung zu gewinnen, aber dieser war nur schwer zum Beitritt zu bewegen, und erst als er die Versicherung erhielt, daß auch der Papst dem gefährlichen Unternehmen Beifall zollte, gab er seine Zustimmung.
Ein Anzahl andrer Gegner der Medici, darunter Bernhard Bandini und Johann von Montesecco, schloß sich an, und es war ausgemacht, daß die Pazzi an Stelle der Medici treten sollten, sobald der Schlag gelungen sei. Anfangs 22 bestand die Absicht, den Mord bei der Feier einer weltlichen Festlichkeit auszuführen. Aber da die Medici nicht ganz ohne Ahnung der drohenden Gefahr blieben, wurde es schwierig, eine Gelegenheit zu finden, wo man ihnen beikommen konnte. Kaum war der Kardinal Riario und mit ihm zu gleicher Zeit der Erzbischof Salviati in Florenz angelangt, so veranstaltete Jakob Pazzi ein großes Fest in seinem Hause. Er hatte die beiden Brüder Medici dazu eingeladen, aber Julius kam nicht. Bei dem glänzenden Gastmahle, welches Lorenzo dem Kardinal zu Careggi gab, blieb Julius gleichfalls fort, und man erfuhr, daß er allen Festen fern bleiben werde, welche dem Kardinal zu Ehren während dessen Anwesenheit in Florenz gegeben werden sollten. Es blieb also nur der eine Ausweg, die beiden Brüder während des Hochamtes im Dom anzugreifen, wo der Kardinal selbst die Messe las, bei welcher Gelegenheit kein Medici sich weigern durfte, dem Gottesdienste beizuwohnen.
Franz Pazzi und Bernhard Bandini hatten es übernommen, Julius zu töten, und man hielt diese Aufgabe für die schwierigste, weil Julius sehr ängstlich war und gewöhnlich ein Panzerhemd unter seinen Kleidern trug. Johann von Montesecco hatte den Auftrag erhalten, Lorenzo zu töten, aber als er vernahm, daß der Mord nicht während eines Gastmahls, sondern inmitten der heiligen Handlung in der Kirche vollführt werden solle, erklärte er sich solcher That für unfähig. Diese Bedenklichkeit wirkte sehr niederschlagend auf die meisten Mitglieder der Verschwörung, aber der Erzbischof Salviati wußte Rat, denn er kannte die Macht der Subordination, wie sie in der Kirche bestand. Auf sein Betreiben fanden sich zwei Priester, welche sich zu der That verstanden und zwar einesteils, weil der kirchliche Raum für sie nicht mehr jenen heiligen Schauer hervorrief und andernteils, weil die Interessen des heiligen Stuhles ihnen besonders am Herzen lagen. Als Augenblick der Ausführung war derjenige Moment bestimmt worden, wo der Kardinal die Hostie erheben werde, weil dann zu erwarten war, daß die beiden Opfer ihre Köpfe beugten und ihre Mörder nicht erblicken konnten. Für die andern Verschwörer außerhalb des Domes gab dann zugleich die Meßglocke das Zeichen, sich des Palastes der Signoria zu bemächtigen, woselbst der Erzbischof Salviati mit seinen Leuten die Räte der Stadt nötigen sollte, den inzwischen vollführten Mord gutzuheißen.
Die Verschwörer waren bereits im Gotteshause versammelt, auch Lorenzo und der Kardinal waren daselbst angelangt, und die Kirche von Menschen überfüllt. Schon hatte die heilige Handlung begonnen, und noch immer erschien Julius von Medici nicht, Franz Pazzi und Bernhard Bandini gingen endlich, um ihn zu suchen; sie überredeten ihn, daß seine Anwesenheit durchaus notwendig sei, und Franz legte gleichsam scherzend den Arm um seinen Leib, damit er den Panzer entdecken könne; aber Julius, der in dieser Zeit gerade an dem ererbten Beinschaden litt, hatte sich in keiner Weise vorgesehen und sogar sein langes Jagdmesser, das er stets zu tragen pflegte, abgelegt, weil es im Gehen 23 sein krankes Bein schmerzhaft berührte. Er ließ sich bestimmen, trat mit seinen Begleitern in die Kirche und näherte sich dem Altar. Außer den zum Mord bestimmten beiden Männern blieben noch zwei Verschwörer dicht bei ihm, ebenso geschah es bei seinem Bruder, und die Menge, welche den Dom erfüllte und die Verschwörer umringte, gab diesen den Vorwand, sich dicht an die Medici heranzudrängen.
Nun war die Messe so weit vorgeschritten, daß der Kardinal die Hostie erhob. In demselben Augenblicke stieß Bernhard Bandini seinen Dolch tief in Julius' von Medici Brust. Dieser machte einige Schritte und fiel dann zur Erde. Franz Pazzi warf sich auf ihn und traf ihn mit verdoppelten Stichen. Er verfuhr dabei mit solcher Wut, daß er sich selbst am Schenkel verwundete. Zu gleicher Zeit war aber auch Lorenzo von den beiden Priestern angegriffen worden. Der Eine, Anton von Volterra, legte seine linke Hand auf Lorenzos Schulter, um ihm einen Dolchstich in den Hals zu versetzen, aber das Opfer riß sich rasch los, umwickelte den linken Arm mit seinem Mantel, um ihn als Schild zu benutzen, zog den Degen und verteidigte sich mit Hilfe seiner beiden Stallmeister, von denen der eine während des Kampfes schwer verwundet wurde, gegen die Angreifer.
Auch Lorenzo war leicht am Halse verwundet. Während die beiden Priester den Mut verloren und sich durch die Flucht zu retten suchten, eilte Bernhard Bandini, nachdem er Julius getötet hatte, auf Lorenzo zu und stieß unterwegs einen von dessen Begleitern, der ihm den Weg versperrte, nieder. Inzwischen hatten sich jedoch Lorenzos Anhänger um ihn geschart, und er konnte sich mit seinen Freunden in die Sakristei flüchten; einer der Freunde schloß die schweren Bronzethüren, während ein andrer die Wunden seines Herrn aussaugte, weil man vergiftete Dolche vermutete, worauf rasch ein Verband angelegt wurde.
Die Anhänger der Medici, welche in der Kirche zerstreut gewesen waren, versammelten sich nun mit bewaffneter Hand vor der Thür der Sakristei; sie verlangten stürmisch, daß man ihnen öffne, was anfangs verweigert wurde, weil Lorenzo Verrat fürchtete. Endlich erstieg einer seiner Begleiter die Orgel, von wo aus er das Innere der Kirche überblicken konnte. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß diejenigen, welche den Eintritt begehrten, wirkliche Freunde der Medici waren, wurde ihnen geöffnet, und Lorenzo suchte in ihrer Mitte bis zu seinem Hause zu gelangen.
Auf diesen Ausgang waren die Verschwornen nicht vorbereitet. In der festen Überzeugung, daß der Mord gelingen werde, hatten sie gar keine Vorbereitungen getroffen, ihre Opfer zu verfolgen, was im ersten Augenblicke der Verwirrung, bevor die Menge eigentlich wußte, um was es sich handle, leicht gewesen wäre. Statt dessen hatten sie alle ihre Kräfte auf die Einnahme des Palastes der Signoria gerichtet, denn der Erzbischof Salviati, welcher diesen Teil des Programms übernommen hatte, wußte, daß die Menge stets nach dem 24 Erfolge urteilt und den Siegern Recht gibt, sobald sich diese im Besitze der Gewalt befinden. Der Erzbischof von Pisa, der einem Florentiner Hause entstammte, hatte sich mit seinem Bruder, einigen Verwandten und mehreren Anhängern nach dem Regierungspalaste begeben und gleich beim Eingange einen Teil seines Gefolges zurückgelassen, um sich des Haupteingangs zu bemächtigen, sobald Lärm entstehen sollte. Einen andern Teil seiner Anhänger brachte er in einem Saale unter, aber unglücklicherweise warf er in der Aufregung bei seinem Austritt aus demselben die Thür in das Schloß, wodurch die in jenem Saale befindliche Abteilung außer Stand gesetzt war, sich mit den andern zu vereinigen oder überhaupt bei dem weitren Verlaufe sich zu beteiligen.
Trotzdem trat der Erzbischof Salviati in das Gemach des Gonfaloniero, der die oberste Behörde vorstellte und im Palaste der Signoria wohnte. Er hieß Cäsar Petrucci und war ein Mann von ehrwürdigem Alter, der bereits andre Verschwörungen erlebt hatte, was ihn mißtrauischer als jeden andern und daher doppelt vorsichtig machte. Der Erzbischof gab vor, ihm eine Mitteilung vom Papste machen zu müssen, aber während er sprach, bemerkte der besonnene Petrucci, wie jener wiederholt die Farbe wechselte und vergeblich seine Aufregung zu bekämpfen suchte. Salviati wußte nämlich, daß aus dem Gemache des Gonfaloniero eine Thür zu jenem Saale führte, wo er selbst einen Teil seines Gefolges widerwillig eingeschlossen hatte. Cäsar Petrucci folgte den Blicken des Erzbischofs und ging endlich selbst auf jene Thür zu, um sie zu öffnen. Sofort durchschaute er die Lage der Dinge, rief seine Leute und die Wachen des Palastes zusammen und gebot ihnen, sämtliche Eingedrungene zu verhaften. Alle Korridorthüren wurden geschlossen und bald waren Salviatis Anhänger überwältigt. Diejenigen, welche sich zur Wehre setzten, wurden niedergehauen, andre zu den Fenstern hinausgestürzt, und nur der Erzbischof selbst nebst seinen nächsten Verwandten vorläufig von Petrucci für seine Rache zurückbehalten. Als er bald darauf den ganzen Umfang des Komplottes erfuhr, ließ er ohne weiteres den Erzbischof mit seinem Bruder und seinen Vettern an die Fenster des Palastes aufknüpfen.
Unter denjenigen, welche es unternehmen wollten, die Medici zu töten, waren die beiden Priester auf ihrer feigen Flucht von den Anhängern Lorenzos ergriffen und sofort in Stücke gehauen worden. Bernhard Bandini hatte kaum bemerkt, daß Lorenzo ihm entschlüpft war und Franz Pazzi sich selbst schwer verwundet hatte, als er einsah, daß die Sache der Verschwörung verloren war. Es gelang ihm, aus der Stadt zu entweichen und sich vorläufig in Sicherheit zu bringen. Franz Pazzi war durch den Blutverlust derart geschwächt, daß er sich nicht zu Pferde aufrecht erhalten konnte; er bat daher seinen Oheim Jakob, an seiner Stelle das Volk für die Sache der Freiheit aufzurufen. Trotz seines hohen Alters stellte sich Jakob an die Spitze von etwa hundert Menschen, welche sich in seinem Hause versammelt hatten, und marschierte mit diesen nach dem 25 Platze der Signoria, indem er unterwegs die Bürger aufforderte, die Waffen für die Sache der Freiheit zu ergreifen. Aber da sich ihm niemand anschloß, zog er sich mit seiner Truppe vorsichtig nach einem der Stadtthore zurück, durchschritt dasselbe und eilte nach der Romagna.
Lorenzo von Medici hatte nicht das Geringste angeordnet, um sich der Verschwörer zu bemächtigen; er überließ seine Rache dem Volke und sie wurde dadurch um so grausamer. Nichts wäre im stande gewesen, das Haus Medici bei den Florentinern mehr beliebt zu machen, als diese verunglückte Verschwörung, welche sich der heiligsten Dinge bedient hatte und nach der Ansicht des Volkes vom Himmel selbst verurteilt worden war. Wer jemals gegen die Medici 26 Feindschaft gezeigt hatte oder mit den Verschwörern in irgend einer Verbindung stand, wurde aufgesucht, und wenn sich der geringste Verdacht herausstellte, von der Verschwörung gewußt zu haben, erbarmungslos niedergehauen. Der Kardinal Riario hatte sich bei dem furchtbaren Tumult, der in der Kirche entstand, auf den Altar geflüchtet, wo ihn die Priester nur mit Mühe vor der Wut des Volkes schützen konnten. Franz Pazzi, der seiner Wunde wegen sich hatte zu Bett legen müssen, wurde daraus hervorgezogen und, ohne daß man ihm gestattete, seine Kleider anzulegen, nach dem Palaste der Signoria geschleppt, wo er an dasselbe Fenster neben dem Erzbischof aufgehängt wurde. Unterwegs konnten ihm die Mißhandlungen und Beleidigungen des erbitterten Volkes keinen Laut entlocken; mit festem Auge blickte er die Bewohner seiner Vaterstadt an und seufzte darüber, daß sie zur früheren Sklaverei zurückkehren wollten. Es war ein Wunder, daß das Volk nicht die Wohnungen der Pazzi zerstörte und die herrliche Grabkapelle schonte, welche Andreas Pazzi durch Brunelleschi hatte erbauen lassen und die als ein Kleinod aus der Zeit der Wiedergeburt edler Baukunst im Klosterhof von Santa Croce der Nachwelt erhalten blieb.
Von allen Mitgliedern der unglücklichen Familie Pazzi, welche sich am Tage der Verschwörung in Florenz aufhielten, wurde nur Wilhelm, der Gemahl der Schwester von Lorenzo Medici, gerettet. Kaum hatte Blanca aus dem Berichte des Reitknechtes, der entsetzt und atemlos auf der Villa anlangte, die furchtbare Kunde dessen vernommen, was sich in der Stadt begeben hatte, als eine merkwürdige Verwandlung bei ihr vorging. Mit zurückgehaltenem Atem, wie versteinert, hatte sie den fliegenden Worten des treuen Dieners zugehört und dann sofort den Entschluß gefaßt, allen Gefahren zu trotzen und an das Bett ihres Bruders zu eilen, um diesen zu pflegen und zugleich ihren Gatten, den Vater ihrer Kinder, um jeden Preis zu retten.
Die junge Frau schien unter dem Einflusse der schrecklichen Nachricht zur Heldin geworden, und sie entwickelte mit einem Male die volle Thatkraft, welche ihrer Familie stets eigen gewesen war. Sie gab sofort ihre Befehle und verriet ihre Angst durch keine Miene, als sie das Haus an die zuverlässige Dienerschaft empfahl. Nur als sie niederkniete, um ihre Kinder zu küssen und ihnen Worte zärtlichen Abschiedes zuzuflüstern, stahlen sich einige Thränen zwischen ihren Wimpern hervor. Die Kinder blieben in den Händen ihrer Wärterinnen, und Blanca bestieg eines der für sie bestimmten Pferde, um sofort, von zwei Dienern gefolgt, nach der Stadt und dem Hause ihres Bruders hin zu eilen, wo jetzt unter allen Umständen ihr Platz war.
Die Florentiner kannten ziemlich genau die verschiedenen Glieder ihrer angesehenen Familien, und Blanca aus dem Hause Medici war ihrer Einfachheit und Herzensgüte wegen allgemein beliebt, so daß ihr Erscheinen in der Stadt mit wohlwollenden Zurufen begrüßt wurde. Nach und nach schloß sich ihr ein Volkshaufen an, der ihren Ritt zum Palaste des Bruders fast zu einem 27 Triumphzuge machte, einem Triumphzuge, bei welchem der gefeierten Heldin das Herz blutete. – Noch bevor sie wußte, was geschehen, hatte man auch die Leiche ihres Bruders Julius aus der Sakristei des Domes nach seiner Wohnung gebracht, und dieser Transport war unter ungeheurer Beteiligung von Menschen aus allen Klassen des Volkes ausgeführt worden. Es schien, als sei jedem Einzelnen das Liebste auf der Welt getötet worden, man hörte lautes Klagen, Jammern und Weinen und dazwischen das Geschrei der Wut und furchtbare Racheschwüre. Kaum war die Leiche im Hause untergebracht, so zerstreute sich die nachfolgende Menge, um aufs neue ihren Rachedurst zu befriedigen. Die leblosen Körper der ermordeten Verschwörer wurden unter Geheul und Geschrei durch die Straßen geschleppt, einzelne Glieder der zerstückelten Leichen steckte man auf Lanzen und trug sie bis in die entferntesten Stadtteile; es schien, als könnte dieser fanatische Rachedurst unmöglich erschöpft werden.
Inzwischen hatte die einzige Schwester Lorenzos von ihrem Rechte Gebrauch gemacht und sich sofort an das Lager des Bruders begeben, um mit ihm das schreckliche Schicksal des jüngern Bruders zu beklagen, Gott für seine eigne Errettung zu danken und ihn um Schutz für den Gatten anzuflehen. Ihre gemeinsame Mutter war lange vor dem Vater gestorben, aber die Erinnerung an ihre sanfte Natur und ihren edlen Geist erwachte in Lorenzo beim Anblick der Schwester, von der er glauben durfte, daß sie an sein Lager geeilt war, um ihn mit liebender Hand zu pflegen. Zwar wußte er nicht, wie er über ihren Gatten denken sollte, aber Blanca gab ihm in fliegender Hast die Versicherung, Wilhelm habe nur auf ihren Antrieb das Haus verlassen und sei erst in der Stadt angelangt, nachdem das mißlungene Werk der Verschwörer bereits seinen Verlauf gehabt hatte. Sie versicherte ihren Bruder, Wilhelm sei bei dem Komplotte völlig unbeteiligt gewesen und habe sich überhaupt stets von allen Parteihändeln fern gehalten. Wie könne er ein Feind der Medici sein, da er Weib und Kinder über alles liebe und mit seiner eignen Familie seit dem Tode seines Vaters gar keinen Verkehr unterhalten habe!
Der glühenden angstvollen Beredsamkeit des jungen Weibes gelang es, den Schutz des Bruders für den bedrohten Gatten zu gewinnen, denn nur im Hause Lorenzos und unter dessen Schutze war Wilhelm Pazzi sicher, solange sich die Wut des Volkes nicht gelegt hatte, ja er blieb es auch hier nur so lange, als seine treue Gattin den Aufenthalt mit ihm teilte und jeden Augenblick bereit blieb, sich als Schild zwischen ihn und die Gefahr zu stellen. Trotz der Milde ihres eignen Wesens kannte Blanca den wilden Geist, der die Parteien zur rücksichtslosesten Grausamkeit trieb. Eines Tages konnte Lorenzo der Staatsklugheit mehr Gehör geben als der Liebe zur Schwester, dann war der Augenblick gekommen, wo Blanca ihr Leben für ihren Gatten einsetzen mußte.
So verlebte das tapfere junge Weib Tage von unaussprechlicher Angst. Die Erbitterung des Volkes legte sich erst langsam. Einer der Pazzi, Namens 28 Rinaldo, hatte sich schon einige Tage vor dem Ausbruche der Verschwörung auf das Land begeben, um nicht den geringsten Anteil an der Sache zu haben, aber er wurde, obgleich als Bauer verkleidet, von umherspürenden Feinden entdeckt, nach Florenz gebracht und dort gehängt. Auch Jakob Pazzi wurde von Bergbewohnern auf der Flucht nach der Romagna erkannt; man schleppte ihn nach der Stadt zurück, wo ihn dasselbe Schicksal wie seinen Neffen Rinaldo traf. Man setzte seinen Leichnam in der schönen Grabkapelle der Familie Pazzi bei, aber da die Verschwörer die heiligsten religiösen Einrichtungen zum Deckmantel ihrer That gewählt hatten, hielt man die Pazzi für Gottesleugner und wollte sich erinnern, daß Jakob die Religion öfter verspottet habe. Das Volk ruhte nicht, bis die Leiche aus geweihter Ruhestätte entfernt und außerhalb der Mauer begraben worden war; aber junge Leute gruben den Körper aufs neue aus, und es ereignete sich, daß Kinder die entstellte Leiche durch die Straßen der Stadt schleiften, bis man den Toten zuletzt in den Arno warf.
Für Lorenzo von Medici bahnte die Verschwörung der Pazzi den Weg zur vollkommenen Herrschaft über das florentinische Volk, und seine unumschränkte Machtfülle schien auf lange Zeit gesichert. Kaum war er von seiner Wunde genesen, so begab er sich nach Rom, um seine Hochzeit mit Clarissa Orsini zu feiern.
In ihrer äußeren Erscheinung bot Clarissa das vollendete Bild einer stolzen Römerin. Die regelmäßigen festen Gesichtszüge waren nur von dem Eindrucke hochmütigen Selbstgefühls belebt, der namentlich ihren schönen Mund gewöhnlich mit einem verächtlichen Lächeln umgab. Die großen schwarzen Augen blickten zwischen langen Wimpern gebietend in die Welt hinaus, und ihr hoher Wuchs, die gemessenen Bewegungen und die vornehme Ruhe, welche über ihr ganzes Wesen ausgegossen war, vollendeten das Bild der gebornen Herrscherin. Als sie an der Seite ihres jungen Gatten in Florenz einzog, wo sie von den Behörden, den angesehensten Männern und Frauen und fast sämtlichen Bewohnern empfangen und mit jubelnden Zurufen begrüßt wurde, umspielte ein herablassendes Lächeln der Befriedigung ihren stolzen Mund, und ein Gedanke, der ihr ganzes späteres Leben bestimmte, trat damals zuerst klar vor ihre Seele. Dem kostbaren Diadem, welches ihre prachtvoll gewellten schwarzen Haare umschloß, wollte sie in Zukunft eine höhere Bedeutung verschaffen, und sie gelobte sich, in diesem Ziel eine Lebensaufgabe zu erreichen.
Wie groß die Macht Lorenzos geworden, bewies das Schicksal des letzten Teilhabers an der Verschwörung. Bernhard Bandini war es gelungen, sich in Konstantinopel zu verbergen, aber bald erfuhr Lorenzo seinen Aufenthalt und begehrte vom Sultan Mohammed dessen Auslieferung. Wirklich zeigte sich der Sultan dem Mediceer gefällig, Bandini wurde ausgeliefert und dann gehängt. 29