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Die mißglückte Verschwörung der Pazzi und die furchtbaren Ereignisse, welche darauf folgten, das alles mußte selbstverständlich vom größten Einfluße auf Lorenzos von Medici Charakter sein, denn er wurde plötzlich aus dem Gefühle der Sicherheit, welchem er sich bisher überlassen hatte, gewaltsam aufgerüttelt. Die Umstimmung war insofern eine günstige, als seine ehrgeizige Natur früher nicht ganz frei von kleinlicher Eitelkeit war, während dieselbe nun mehr vertieft wurde, wodurch seine Gesichtspunkte sich erweiterten. Er sah ein, daß er sich nicht dabei beruhigen durfte, seine Rivalen in Florenz an Prachtliebe und künstlerischem Geschmack zu übertreffen und daß der Herrscher eines Volkes noch einen andern Halt haben müsse, als die Geltung, welcher er sich im Inneren seines eignen Staates erwirbt.
Die große Lehre, welche Lorenzo aus seinen schrecklichen Erlebnissen zog, brachte ihn also naturgemäß zu der Einsicht, daß die Regierung von Florenz sich in der Politik nicht länger isolieren dürfe und daß er selbst nur dann festen Halt gewinnen könne, wenn er persönliche Beziehungen zu andern Fürsten suche und danach trachte, deren Freundschaft für sich zu erwerben.
Bisher hatte er sich wenig oder gar nicht um die Verhältnisse im übrigen Italien bekümmert, nun aber blickte er um sich und überlegte, was zu thun sei, um starke Bundesgenossen unter den benachbarten Fürsten zu gewinnen.
Durch seine Vermählung mit Clarissa Orsini war er zwar einem der ältesten und stolzesten Fürstengeschlechter Roms nahe getreten, denn ein Orsini hatte als Nikolaus der Dritte die päpstliche Tiara getragen, und das Haus gehörte zu den einflußreichsten in Italien, aber im Grunde waren die Orsini doch nur Bandenführer und keine Herrscher, sie hatten nur über einen Teil der Stadt Rom zu gebieten, und der gegenwärtige Papst, der seine eigne Familie in ganz ungebührlicher Weise in den Vordergrund drängte, stand mit den Orsini wie mit den übrigen alten römischen Geschlechtern auf feindseligem Fuße. Das hatte Lorenzo von Medici nicht nur vorher gewußt, sondern es war ihm gerade durch die Verschwörung der Pazzi unzweifelhaft bewiesen worden.
42 So wurde nun das diplomatische Talent in Lorenzo, welches seither ohne besondere Anspornung und Pflege geblieben war, zur regeren Thätigkeit geweckt, und er machte es zur Hauptaufgabe seines Strebens, Beziehungen zu auswärtigen Mächten zu suchen und heranzubilden.
Es hatte Monate gewährt, bevor die Aufregung in Florenz so weit geschwunden war, daß auch Wilhelm Pazzi wieder wagen durfte, seine Villa außerhalb der Stadt ohne Lebensgefahr zu beziehen und dort seinen gewohnten Beschäftigungen nachzugehen. Inzwischen war Lorenzo mit seiner jungen Frau aus Rom angelangt und hatte in Clarissa eine Bundesgenossin in sein Haus eingeführt, welche seinen Ehrgeiz noch mehr aufstachelte.
Clarissa war eine energische Natur; sie erteilte ihrem Gatten Ratschläge, auf welche Weise er den inneren Feinden Furcht einflößen und sich zugleich gegen den Haß des päpstlichen Stuhles waffnen könne.
Sie lenkte seine Aufmerksamkeit einerseits nach der reichen und machtvollen Republik Venedig, anderseits auf das Königreich Neapel. Dort nahm gegenwärtig das Haus Aragon den Thron ein, dem ebenfalls daran gelegen sein mußte, in Italien starke Bundesgenossen zu besitzen, um nötigenfalls auf Hilfe zählen zu können, wenn das Haus Anjou, welches die Krone Frankreichs besaß, Rechte auf Neapel geltend machen wollte. Solche Rechte glaubte nämlich der König René von Provence durch Erbschaft erlangt zu haben, da Ferdinand von Aragon, der jetzige König von Neapel, ein Bastard war; aber René war nicht mächtig genug, seine Ansprüche zur Geltung zu bringen. Starb der König René, so erbte die Krone Frankreich seine Ansprüche, weil seine einzige Tochter Jolanthe eine unebenbürtige Heirat nach der Neigung ihres Herzens geschlossen hatte. Man behauptete vielfach, daß König René, welcher den Künsten der Poesie und Musik huldigte, allen kriegerischen Unternehmungen abhold sei, aber dies war nicht der Fall, nur sein vorgerücktes Alter zwang ihn zu friedlicher Lebensweise.
Schon nach kurzer Zeit sah Lorenzo von Medici ein, daß die freundschaftlichen Beziehungen zu Venedig und Neapel sehr schwer in Einklang zu bringen waren, denn zwischen diesen beiden Staaten herrschte fortwährend Neid und Eifersucht, weil die stolze Dogenstadt an der Adria durch ihre Flotte das ganze Mittelmeer zu beherrschen und den Handel zwischen Europa und dem Orient allein zu vermitteln suchte, womit sie den übrigen seefahrenden Staaten und namentlich Genua und Neapel vielfach in den Weg trat.
So starkgeistig und stolz Clarissa Orsini auch war, legte sie doch bei ihren Ratschlägen weniger Gewicht auf die Gewalt der Waffen, als auf die Einfädelung schlauer Intrigen. Sie kam damit denjenigen Grundsätzen entgegen, welche im Hause Medici erblich waren, wo gleichfalls mehr Nachdruck auf kluge Berechnung als auf rücksichtslos durchgreifende Maßregeln gelegt wurde.
Schon das Äußere des Palastes, den Cosmo von Medici in der Stadt für sich und seine Nachkommen von dem berühmten Meister Michelozzo hatte 43 erbauen lassen, zeigte den Charakter jener Unnahbarkeit, wie ihn die Wohnungen der großen Familien jener Zeit sämtlich an sich trugen. Wenn man diese gewaltigen Mauern der unteren Stockwerke betrachtete, welche von mächtigen Steinblöcken errichtet waren, als hätten Cyklopen sie zusammengetragen, so erhielt man den Eindruck einer in sich abgeschlossenen Macht, welche sich jedes Zugeständnis in passiver Verstocktheit erst nach langem Widerstande abtrotzen läßt. Im Inneren des imponierenden Gebäudes war allerdings für zahlreiche, helle und prachtvoll ausgestattete Räume gesorgt, welche meist nach dem Hofe und Garten hinauslagen und in denen sich behaglich wohnen ließ.
In einem dieser Gemächer saß Clarissa eines Morgens und ihre Gedanken waren mit ehrgeizigen Hoffnungen erfüllt, wie sie dieselben täglich hegte. Der edel geformte Kopf war in die Hand gestützt und während die Majestät ihrer Gestalt sich nicht verleugnete, waren ihre Blicke voll kühnen Selbstbewußtseins 44 in diesem Augenblicke hinaufgerichtet zum blauen Himmel, aber nicht, um dort den Gott der Liebe und Demut zu suchen, sondern um in der Unendlichkeit des Äthers ein unbegrenztes Feld für ihre schrankenlosen Wünsche zu finden. Clarissa liebte ihren Gatten, aber nicht mit jener sanften, schwärmerischen Hingabe, wie sie sonst dem liebenden Weibe eigen zu sein pflegt, sie fühlte sich vielmehr mit Lorenzo etwa in der Weise verbunden, wie der Waffenbruder seinem Freunde zu gemeinsamen Zwecken in Leben und Tod zur Seite steht.
Eben trat Lorenzo in das Gemach. Seine Züge trugen den Ausdruck freudiger Erregung, und kaum hatte Clarissa einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht geworfen, als sie rasch aufstand und mit erwartungsvoller Miene ihm entgegentrat. Lorenzo hielt einen geöffneten Brief in der Hand und sagte rasch.
»Der erwartete Bote des Königs Ferdinand hat sehr erfreuliche Mitteilungen gebracht, daß mein Besuch in Neapel durchaus willkommen sein wird. Nun heißt es, alles aufzubieten und dem Könige einen möglichst günstigen Eindruck zu machen. Daß sein Bote hier fürstlich gehalten wird, ist bereits angeordnet, aber es gilt zu überlegen, womit ich dem Könige selbst einen Dienst erweisen oder eine angenehme Überraschung bereiten kann.«
Clarissa blickte einen Augenblick sinnend vor sich hin. Feindselige Menschen hatten bei ihrer Verlobung und auch später noch spöttelnd gesagt, sie heirate einen Seidenhändler, und man wollte damit den Stolz der Römerin aus fürstlichem Stamme kränken. Nun stand dieser Seidenhändler im Begriffe, einem regierenden Könige als Gast gegenüber zu treten, um mit demselben ein freundschaftliches Bündnis einzugehen. Ihre stolze Brust hob sich bei diesen Gedanken und ihr kluger Sinn durchflog in rascher Überlegung das Reich der Möglichkeiten, durch welche Lorenzo sich dem Könige von Neapel sofort innerlich nahe stellen könne. Gab es ein Geschenk, welches dies zu bewirken vermochte? Ein Kunstwerk? Wer konnte wissen, ob der König Sinn für die Kunst besaß. Länder hatte Lorenzo nicht zu verschenken, aber – wie ein Blitzstrahl durchfuhr ein glücklicher Gedanke den grübelnden Kopf der klugen Römerin. Einen Rat konnte Lorenzo dem Könige geben, einen Rat, der den Wert ganzer Länder besaß. Und dieser Rat konnte nur in dem Kopfe einer klugen Frau seine Entstehung finden. Außer der Beziehung zu Neapel zogen auch die Verhältnisse zu Venedig die Aufmerksamkeit des Hauses Medici auf sich. Wie eine höhere Eingebung erschien Clarissa in diesem Augenblick ein Plan, den sie Lorenzo sofort mitteilte.
Die schöne Königin von Cypern, Katharina Cornaro, war Witwe, und wer ihre Hand gewann, erwarb damit zugleich ein herrliches Besitztum, dessen Lage demselben die Bedeutung eines mächtigen Landes gab. Die schlauen Venezianer hatten die Heirat zwischen dem kränklichen Könige Jakob von Lusignan, dem Beherrscher der Insel Cypern, und der Tochter des venezianischen Patriziers Cornaro dadurch möglich gemacht, daß Katharina zur Tochter der Republik erklärt und vom Staate Venedig förmlich adoptiert worden war.
46 Welch ein Aufsehen damals die Vermählung der Tochter der stolzesten Republik des Erdbodens mit dem Beherrscher der durch Poesie verherrlichten Insel des Mittelmeeres in ganz Europa machte, war noch in jedermanns Gedächtnis, und unvergessen blieb der märchenhafte Glanz, mit welchem Venedig seine Tochter ausstattete, als sie ihrem Gatten so, wie es ihrer künftigen Würde als Königin angemessen erschien, entgegengesandt wurde. Maler und Dichter hatten ihre schönsten Farben und schwungvollsten Worte aufgewendet, um die Feste zu schildern, welche die Abfahrt Katharinas von Venedig und ihre Ankunft in Cypern begleiteten. Schon damals war König Jakob leidend, und eine auszehrende Krankheit entwickelte sich rasch bei dem jungen, genußsüchtigen Fürsten, der übrigens nicht als der legitime Sohn des vorigen Königs galt. Nun war er gestorben, und Katharina herrschte als Königin in dem Reiche, das er ihr hinterlassen hatte und welches sie für ihren Sohn verwaltete. Die schlauen Väter der Lagunenstadt hatten vorläufig ihren Zweck erreicht.
Die Bewohner von Cypern, welche ihre Unabhängigkeit Venedig gegenüber wahren wollten, hätten gern die legitime Tochter ihres verstorbenen Königs Peter, Charlotte von Lusignan, zu ihrer Herrscherin gemacht, obgleich sie der Königin Katharina sehr zugethan waren. Aber das venezianische Netz war zu gut gesponnen, und Katharina Cornaro war gleichsam das schöne und reichgeschmückte Opfer auf dem Altare ihres Vaterlandes. Niemand glaubte daran, daß ihr Söhnchen das mannbare Alter erreichen würde. Starb das Kind, so war Katharina seine natürliche Erbin und nach Katharinas Tode konnte die Republik Venedig ihre Adoptivtochter beerben.
Aber ein Fall konnte eintreten, der allen diesen schlauen Kombinationen ein Ende bereitete: wenn nämlich die noch junge und schöne Katharina Cornaro ein zweites Ehebündnis einging und dann ihren Gemahl zum Erben ihrer Rechte einsetzte. Darauf gründete Clarissa ihren Plan, um dem Könige Ferdinand von Neapel einen großen, unvergeßlichen Dienst zu erweisen. Ferdinands zweiter Sohn, Prinz Friedrich von Neapel, war ihr persönlich bekannt, da sie ihn einmal in Rom gesehen hatte, und sie wußte sich zu erinnern, daß er damals ein schöner stattlicher Jüngling war, der sich ihren eignen Reizen gegenüber nicht ganz gleichgültig gezeigt hatte. Offen durfte die Werbung um Katharina Cornaro nicht betrieben werden, denn die Venezianer würden sie um jeden Preis vereitelt haben, aber wenn Lorenzo den Prinzen Friedrich für den Plan zu begeistern suchte und dem Könige dann die nötigen Andeutungen gab, war ein Gelingen desselben zu hoffen.
Dies teilte Clarissa nun ihrem Gemahle mit, und Lorenzo fand den Gedanken so außerordentlich einleuchtend, daß er kaum begreifen konnte, wie andre Fürstensöhne nicht längst selbst auf denselben verfallen seien. Aber Clarissa belehrte ihn über die große Schwierigkeit des Unternehmens. Hier war mit diplomatischer Vermittelung nichts auszurichten. Nur, wenn Katharina Cornaro 47 für den Mann, der sich um sie bewarb, eine große und leidenschaftliche Liebe empfand und dem Zorne der väterlichen Republik zu trotzen wagte, konnte an einen Erfolg gedacht werden.
Die Vorbereitungen zur Abreise Lorenzos von Medici waren bald getroffen, denn er war nicht der Mann, um in solchem Falle die Mittel zu sparen. Er reiste nicht als Privatmann, sondern in einer politischen Mission, um ein Bündnis zwischen Florenz und Neapel zu schließen. Da er absichtlich die päpstlichen Staaten vermeiden wollte, schiffte er sich in Livorno ein und fuhr in wahrhaft königlicher Ausrüstung nach Neapel. Bei seiner Annäherung sandte der König seinen zweiten Sohn Friedrich dem Gaste entgegen, und da der Prinz ein sehr leutseliger und liebenswürdiger Mann war, entspannen sich zwischen ihm und Lorenzo sofort die freundschaftlichsten Beziehungen. Lorenzo gedachte der geheimen Mission, welche seine Gattin ihm aufgetragen hatte, und er freute sich, in Friedrich einen Mann zu finden, dessen äußere Erscheinung recht geeignet war, ihn selbst bei einer anspruchsvollen Frau empfehlend einzuführen. Friedrich war groß und kräftig von Wuchs, dabei aber voll Anmut in jeder Bewegung; seine Gesichtsfarbe etwas dunkel, Augen und Haare glänzend schwarz. Ein zierlicher Schnurrbart hob die edlen Linien des Mundes; aber auch die Haltung des jungen Mannes war würdevoll genug, um ihn selbst in Neapel, wo schon der gemeine Mann des Volkes in jeder Bewegung angeborne Grazie verrät, vorteilhaft hervorragen zu lassen.
Eingedenk seiner Absicht, bot Lorenzo sofort alles auf, um das Zutrauen des jungen Prinzen zu gewinnen, aber er wurde vorläufig durch die Zuvorkommenheit des Königs selbst, der ihn im Residenzschlosse erwartet hatte, so sehr geschmeichelt, daß er Zeit gewinnen mußte, sich zu fassen und zur ruhigen Besonnenheit zurückzukehren. Der König und der Kronprinz behandelten ihren Gast wie einen befreundeten Herrscher und ließen ihn keinen Augenblick fühlen, daß er persönlich nichts weiter als der Sohn eines Kaufmanns war. Lorenzo konnte den Hofbeamten zwar nicht wie die fürstlichen Gäste Auszeichnungen erteilen, aber er konnte sie mit reichen Geschenken überschütten, und diese Aussicht bewirkte, daß ihm allenthalben gleich einem souveränen Herrn gehuldigt wurde. Eine Festlichkeit drängte die andre, Wasserfahrten mit Feuerwerk, ein glänzendes Turnier, prächtige Gastmähler und Tanzbelustigungen reihten sich aneinander, und der prachtliebende Mediceer hatte Gelegenheit genug, sich mit so ehrenvoller Aufnahme zufrieden zu erklären.
Im Verlaufe weniger Tage waren denn auch zwischen ihm und dem Könige die Versicherungen gegenseitiger Dienstbereitwilligkeit ausgetauscht worden, und Ferdinand, der in Lorenzo den Vertreter der streitbarsten aller italienischen Republiken und einen Bundesgenossen gegen den päpstlichen Stuhl erblickte, war sehr geneigt, seinem neuen Freunde volles Vertrauen zu schenken. Lorenzo fand den ersten Eindruck, welchen der Prinz Friedrich auf ihn gemacht hatte, während 48 der ganzen Dauer seines Aufenthalts bewährt, und es war zwischen beiden wirklich zu einem herzlichen Einverständnisse gekommen. So war es ihm leicht gewesen, dem liebenswürdigen Jüngling von Katharina Cornaro zu erzählen und dessen Phantasie eben so sehr für die reizende junge Witwe zu entflammen, wie er dessen Ehrgeiz stachelte, indem er ihm vorhielt, daß es sich bei dieser Liebe zugleich um eine echt ritterliche That handle, da die schöne Tochter der Republik Venedig in tyrannischer Weise den Plänen ihrer herrschsüchtigen Vaterstadt geopfert werden solle.
Friedrich ergriff diesen Plan mit Begeisterung. Ihn lockte die abenteuerliche Aufgabe, welche sich seinem Mute bot, und je gefährlicher das Unternehmen schien, um so mehr reizte es ihn. Die ganze Sache wurde als strengstes Geheimnis zwischen Lorenzo von Medici, dem Könige und Friedrich verhandelt. Der König selbst hielt sich scheinbar ganz im Hintergrunde. Als Lorenzo sich zur Abreise rüstete, gestattete der König seinem Sohne, den befreundeten Gast aus Florenz zu Schiffe eine Strecke weit zu begleiten. Wohl kannte er den Plan, der damit zusammenhing, aber es gelang ihm auf diese Weise, den Anschein zu wahren, als sei er selbst ganz unbeteiligt bei der abenteuerlichen Werbung um Katharina Cornaros Hand.
Es lagen verschiedene Schiffe im Hafen, als Lorenzo von Medici endlich unter den schmeichelhaftesten Beweisen der königlichen Huld und den herzlichen Abschiedsrufen der Bevölkerung sich zur Heimfahrt einschiffte. Das war ein Flattern von bunten Wimpeln, ein Schwenken von Mützen und Tüchern, ein Spenden von Kränzen und Blumen! Fast die ganze Wasserfläche war davon bedeckt, ein Anblick, wie er nur in dem farbentrunkenen Süden denkbar ist. Zahllose größere und kleinere Barken begleiteten die Schiffe bis weit ins Meer hinaus, Ritter, Damen und Edelknaben in den glänzendsten Gewändern wetteiferten, dem Gaste und seiner Begleitung die letzten Augenblicke, die sie in der Nähe von Neapel verbrachten, recht freundlich in das Gedächtnis zu prägen; wußte doch jedermann, daß Prinz Friedrich den neuen Freund begleiten und vielleicht längere Zeit bei demselben verweilen werde! Sah man doch die für die Rückkehr des jungen Fürsten bestimmte königliche Segelbarke im Gefolge des Florentiner Fahrzeuges und bemerkte man doch auf letzterem den allgemein beliebten Prinzen selbst mit einigen seiner Begleiter, wie er Abschiedsgrüße nach dem Ufer hin winkte und sich dicht an der Seite des scheidenden Lorenzo hielt.
Nach und nach wendeten die kleineren Barken um, die absegelnden Schiffe entschwanden dem Blicke der Menge und das laute Gewühl im Hafen kehrte wieder zu dem alltäglichen Verlaufe zurück.
Aber während dies am Ufer geschah, vollführte sich auf dem Meere das unerwartete Ereignis, daß Prinz Friedrich von dem Gaste seines Vaters herzlich Abschied nahm, sich dann in seiner eignen Barke einrichtete und dem Führer derselben den Befehl erteilte, in entgegengesetzter Richtung, um die Küste von 49 Sizilien herum, nach der Insel Cypern zu steuern. Nun erst konnte sich die verwunderte Mannschaft erklären, was eigentlich die Ausrüstung für mehrere Tage bedeutete. Schweigend gehorchte man dem Befehle. Der Prinz Friedrich stieg selbst in die Kajüte hinab und bewirkte dort mit Hilfe eines vertrauten Dieners eine äußere Verwandlung seiner eignen Erscheinung.
Er legte seine prinzlichen Gewänder ab und warf sich in die Kleider eines einfachen griechischen Matrosen, eine Umänderung, die ihm vielleicht in den Augen seiner Untergebenen nicht zum Vorteil gereichte, aber jedenfalls seine Gestalt und den südlich schönen Ausdruck seiner Züge derart hervorhob, daß in ihm jedes weibliche Auge wenn auch keinen Prinzen, so doch das Bild eines vollendet schönen, das Herz zu leidenschaftlicher Liebe entflammenden Mannes sehen mußte.
50 Die Lage der Insel Cypern war eine derartige, daß sie als wichtiger Stapelplatz für alle jene Schiffe, welche die kostbaren Schätze Indiens, Persiens und andrer Länder des Orients einbrachten, dienen konnte, bevor sie in Venedig, Genua, Neapel oder einem andern Hafen landeten, wo die Waren dann in den großartigen Lagerräumen aufgespeichert wurden, um von dort nach den innern Handelsplätzen Europas weiter geschafft zu werden. Außerdem war die Insel in allen Türkenkriegen ein Punkt von unberechenbarer Wichtigkeit und gleicherweise zum Schutze gegen Seeräuber das beste Asyl. Die Bewohner Cyperns wußten, was es heißt, wenn ein von der Natur in verschwenderischer Fülle ausgestattetes Eiland von Handelsleuten besucht wird, die nach glücklich vollbrachten Einkäufen voller Hoffnung in die Heimat zurückkehren und die kurze Rast benutzen, um sich von der beschwerlichen Seereise zu erholen und sich einige Tage fröhlichen Genießens zu gönnen. In ihren Kisten und Ballen führten die Seefahrer nicht nur die köstlichen Spezereien Indiens, sondern auch die bewunderten Gewebe und golddurchwirkten Stoffe Persiens, die leuchtenden Edelsteine aus den heißen Zonen und was es an märchenhaften Wunderlichkeiten sonst dort noch gab. Auf Cypern selbst reiften die herrlichsten Früchte, und der weltberühmte Wein, den die Sonne dort am felsigen Gestade kochte, vereinte süßen Wohlgeschmack mit berauschender Glut. War es ein Wunder, wenn die Welt von Götterfesten redete, die auf dieser Zauberinsel gefeiert wurden, oder wenn das liebliche Eiland als der eigentliche Sitz aller höchsten Lebensfreuden galt! Und die Beherrscherin dieses zauberhaften Reiches war ein junges schönes Weib, eine zweite Kleopatra, wenn auch nicht an Machtfülle der ägyptischen Königin gleich, so doch an poetischem Reiz, an jenem Schimmer idealer Wesenheit, der die höchste und begehrenswerteste Macht ausübt.
Diesem zauberhaften Lande segelte Friedrich von Neapel nun entgegen, und seine Phantasie beschäftigte sich bereits mit dem göttergleichen Weibe, das zu sehen, zu lieben, zu besitzen er verlangte. – Was konnte ihr dagegen der Werber bieten?
Als der Sohn eines mächtigen Fürstenhauses hätte er ihr wie der Befreier von den fesselnden Banden, welche Venedig um sie wand, erscheinen können!
Würde sie aber zugestehen, daß sie jene Bande für drückend hielt und davon befreit sein wollte?
Nichts auf der Welt konnte für Katharina Cornaro Anziehung besitzen, wenn es nicht die Persönlichkeit eines Mannes war, der ihr gefiel, der ihre Liebe entflammte, und sie dadurch nur den einen Wunsch kennen lehrte, mit ihm vereint sich des Besitzes ihres unvergleichlichen Reiches zu erfreuen. Wohl stieg zuweilen in Friedrichs Geiste die Frage auf, ob denn auch ihr Wesen der Vorstellung entsprechen werde, die er sich von ihr machte, aber das Abenteuer an sich war schon verlockend genug, und in jedem Fall mußte abgewartet werden, ob der Preis dem Wagnis entsprach oder nicht.
51 Die Fahrt ging bei lauem Winde und sanft bewegter Flut rasch von statten, und endlich eines Abends zeigte sich in der Ferne den Blicken das ersehnte Ziel.
Allmählich aufsteigend ragten die Wipfel der Palmen, der Oliven und die Spitzen der Cypressenbäume aus dichterem Gebüsch von tief dunkler Färbung hervor. Alles was der Süden an reichem Pflanzenwuchs zu bieten hat, diese glückliche Insel war damit reich gesegnet, und die Bewohner hatten wenig Mühe, um den Boden ergiebig zu machen. Der üppige Blumenflor und die Orangenhaine sandten ihre berauschenden Düfte weithin über die blauen Wellen. Als verwandle die Sehnsucht das Segel zum Flügel, so tanzte die Barke des Prinzen Friedrich in leichtem Schwunge über das Meer dahin.
Nach und nach gewannen die Umrisse der Insel festere Gestalt. Man erkannte die Thäler und Höhen, die Flüsse und Wälder, und da sich mehrere Seeleute an Bord befanden, welche Cypern öfter gesehen hatten, wurde nach deren Angabe das Fahrzeug in diejenige Gegend gesteuert, wo die Stadt Famagosta mit ihrem berühmten Hafen lag. Das Auge entdeckte bald den sich am Ufer ausbreitenden, reizend gelegenen Ort mit seinen Lagerhäusern, Bazaren und gewölbten Hallengängen. Weiter hinauf lag Villa bei Villa, alle umgeben von den schönsten Gärten, die mit Mauern von weißem Marmor oder mit lebenden Hecken von riesengroßen blaugrünen Agaven eingefaßt waren. Mitten zwischen diesen anmutigen Behausungen, in der Nähe der Kathedrale, erblickte man das königliche Schloß, ein Gebäude, dessen Stil die Zierlichkeit der maurischen Architektur mit der Strenge des italienischen Baustils verband.
Von dem Hauptgebäude gingen nach beiden Seiten von Säulen getragene Bogengänge, die in einer sanften Rundung einen Teil des Gartens umschlossen, offenbar den schönsten und wahrscheinlich nur für die Königin bestimmten Teil der weitausgedehnten Anlagen. Ob sie wohl in diesem Augenblicke dort weilen mochte? Friedrichs Phantasie malte sich das jugendblühende, siebzehnjährige Weib, wie es zwischen den schönsten Rosen und köstlichsten Pflanzen umherwandelte. Von den Gärten der andern Villen erstreckten sich manche bis tief an das Ufer des Meeres.
Die Barke war nun so nahe gekommen, daß die Frage entstand, wo man landen solle.
»In keinem Falle im Hafen der Stadt«, rief Friedrich aus, »denn das Gewühl und Gedränge, das Aus- und Einladen der Kaufmannsgüter paßt schlecht zu meiner Stimmung!«
Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als sein Auge zufällig nach der zierlichen Terrasse eines hübschen Hauses blickte, das von einem großen Garten umgeben, fast dicht am Ufer des Meeres lag.
Die Terrasse breitete sich vor dem Hause aus, von einer fein gearbeiteten Marmorfassung umgeben. Nach dem Meere zu führte eine breite Treppe herab, deren letzte Stufe von den Wellen bespült wurde.
52 Näher kommend, gewahrte man eine Anzahl von Damen, die sämtlich griechisch gekleidet waren und sich auf der Terrasse mit irgend einem Spiel unterhielten, welches zugleich eine Art Tanz war. Sie schwebten bald einzeln, bald paarweise, bald in Gruppen auf und ab, und als die Barke näher kam, konnte man ihr silberhelles Lachen über das Wasser schallen hören, was die Aufmerksamkeit der Ankömmlinge um so lebhafter erregen mußte.
Prinz Friedrich wollte zwar unerkannt bleiben, aber der kühne Plan, den er nun aussprach, konnte eben doch nur im Kopfe eines jungen Mannes von sehr vornehmer Abkunft entstehen. Er befahl, bis dicht an die große Treppe der Villa zu fahren, wo mehrere kleinere Barken an große Pfähle festgebunden waren, und als der Steuermann seiner Angabe folgte, stellte er sich selbst auf das Verdeck, um gleichsam darzuthun, daß er gesonnen sei, eine Verhandlung mit den Bewohnern oder Bewohnerinnen anzuknüpfen.
Die hohe Gestalt des Prinzen zog die Augen der Damen auf sich, und die griechische Kleidung, die er trug, weckte deren Vertrauen, obgleich jede fremde Männererscheinung in solchem Falle verdächtig schien, da gerade zu damaliger Zeit in jenen Gewässern überall Korsaren kreuzten.
Während sich oben auf der Terrasse eine neugierige Gruppe bildete, stiegen zwei der kühnsten Damen herab, um mit den fremden Ankömmlingen sich in Verhandlung zu setzen. Dies war ein Wagnis, ja sogar eine Unbesonnenheit, aber der edle Anstand des Prinzen mochte dazu ermutigen.
Friedrich verstand so viel von der griechischen Sprache, um sich verständlich machen zu können. Er erfuhr, daß er an der Villa einer Fürstin Candoras angelangt sei, und daß die Besitzerin zu wissen begehre, wer er sei und mit welchem Rechte er bei ihr zu landen versuche. Prinz Friedrich entgegnete, er sei ein fremder Liedersänger und Lautenspieler, der die Absicht habe, der Königin Katharina seine Künste anzubieten. Vorläufig wolle er die Gastfreundschaft der Fürstin Candoras und vielleicht auch ihre Fürsprache erbitten, wenn sie gestatten werde, daß er sich ihr vorstelle.
Die beiden Damen waren über dieses seltsame Begehren überrascht und versprachen, mit der Fürstin zu reden. Sie erstiegen langsam die Treppe wieder, und es gab dann oben auf der Terrasse ein lebhaftes Geplauder, welches zuweilen von mutwilligem Lachen unterbrochen wurde und zuletzt damit endigte, daß die Damen wieder herabstiegen und dem Prinzen die Nachricht brachten, die Fürstin habe eingewilligt, ihn zu empfangen, wenn er sich bestimmten Vorsichtsmaßregeln, welche unumgänglich nötig seien, unterwerfen werde.
Friedrich erklärte sich mit allem einverstanden, was die Besitzerin der Villa begehren werde, und es wurde ihm darauf gestattet, das Land zu betreten.
Von den beiden Damen geleitet erstieg er die Treppe und befand sich bald auf der Terrasse, wo sich die übrigen Damen inzwischen zu seinem Empfange aufgestellt hatten.
54 Es waren etwa zehn bis zwölf weibliche Erscheinungen von der ersten Blüte des Jugendalters bis zur reiferen Schönheit, aber es wurde nicht schwer, diejenige herauszufinden, welche die andern alle an Holdseligkeit übertraf. Wohl befanden sich Schönheiten der verschiedensten Art darunter, und anfangs schien es, als ob – jene erste und eine andre, eine ältliche und verwachsene Person, ausgenommen, die mit ihren stechenden Augen den Ankömmling aufmerksam musterte – keine einzige geringere Bewunderung verdiente als die andern. Wie diese letztgenannte durch Häßlichkeit, so ragte jene erste, eine strahlende Schönheit mit goldblonden Haaren, welche überhaupt gar keinen Vergleich mit den übrigen aufkommen ließ, zwischen allen hervor. Merkwürdigerweise hielt sich die unschöne Mißgestalt stets dicht an der Seite jener schönen Erscheinung, welche den Mittelpunkt der ganzen Gruppe bildete und von Friedrich sofort als die Herrin des Hauses begrüßt wurde. Sie nahm seine ritterliche Huldigung lächelnd entgegen, blickte ihn mit ihren herrlichen dunkelblauen Augen auffällig prüfend und forschend an und stellte dann nochmals dieselben Fragen nach seinem Herkommen und der Absicht der Reise nach Cypern.
Getreu der Rolle, die er sich ausgedacht hatte, entgegnete Friedrich, er komme von einer griechischen Insel und habe die Absicht, der Königin von Cypern seine Kunst zu zeigen und Lieder auf der Laute vorzutragen. Er würde dann seine Reise nach verschiedenen andern Höfen fortsetzen, und wenn es ihm gelungen sei, den Beifall der schönen Katharina Cornaro zu finden, sei sein Glück in der Welt gemacht.
Die Dame lächelte wiederum sehr freundlich und bat ihn, ihr selbst und ihren Freundinnen, die heute auf der Villa zu Gaste seien, eine Probe seiner Gesangskunst zu geben.
Friedrich winkte und ließ eine Laute aus seiner Barke bringen. Er spielte dieses Instrument wirklich vortrefflich und seine Stimme war von jeher gerühmt worden. Er trug ein provençalisches Minnelied vor, welches der poesiereiche König René kürzlich gedichtet hatte und das eben die Runde an allen Höfen machte. Inzwischen hatten schwarze Dienerinnen Polstersitze zurecht gestellt, und die Damen hatten sich darauf niedergelassen. Sie spielten nachlässig mit ihren Fächern und blickten dem Sänger unbefangen in das Gesicht. Nur die Dame mit den dunkelblauen Augen und dem reich herabfallenden goldblonden Haar, in welchem einige Blüten befestigt waren, als hätte sie der Wind darauf gestreut, senkte den reizenden Kopf, als sinne sie über etwas nach. Zweimal an bestimmten Stellen des Liedes flammte ihr Auge auf und sie warf einen prüfenden Blick auf den Sänger, aber sofort senkten sich die Wimpern wieder, und ein leichtes Erröten überflog ihre zarten Wangen.
Als Friedrich geendigt hatte, klatschten sämtliche Damen mit ihren zarten Händen Beifall, und bald entstand ein lebhaftes Hin- und Herreden über das gehörte Lied, über König René und über andre seiner Gesänge.
55 Die goldhaarige Dame nahm an dem Gespräche keinen Anteil, aber nach einer Pause erhob sie sich und sagte:
»Die Gastfreundschaft, die Ihr wünschet, soll Euch gewährt werden, aber nur Euch allein und keinem Eurer Gefährten, die wohl in Eurer stattlichen Barke bequem bleiben können. Ihr müßt mir jedoch Euer Ehrenwort geben, daß Ihr nichts Feindseliges gegen irgend jemand auf dieser Insel im Schilde führt und Euch auch nicht entfernen werdet, ohne Euch von mir verabschiedet zu haben. Es sind uns Warnungen zugekommen, welche diese Vorsichtsmaßregel nötig machen. Die Zeit wird kommen, wo wir Euch Aufklärung geben können.«
Prinz Friedrich war mit allem einverstanden. Er bemerkte dabei nicht, daß die Freude, welche sein Herz durchströmte, keineswegs mit der Absicht seiner Reise im Einklang stand, denn es war weniger der Gedanke an die Königin Katharina, der ihn mit Hoffnung beseligte, als vielmehr die Aussicht, in der Nähe jener bezaubernden Frau bleiben zu können, die ihm Gastfreundschaft gewähren wollte. Einige der andern Damen gingen in die Villa, und bald erschienen mehrere Diener, welche sich dem Fremden zur Verfügung stellten, ihn in das Haus geleiteten und ihm dort ein Gemach anwiesen, in welchem er alles fand, was zu seiner Behaglichkeit dienen konnte. Daß zugleich auch dieses Gemach so gewählt war, um ihn fortwährend genau überwachen zu können, bemerkte er nicht, ebensowenig fiel es ihm auf, daß seine Barke, die ganz in der Nähe Anker geworfen hatte, Tag und Nacht beobachtet wurde.
Scheinbar bewegte sich Prinz Friedrich ganz unbefangen, aber es verdroß ihn bereits am folgenden Tage, daß sich weder die Herrin des Hauses, noch sonst eine der Damen vor ihm sehen ließ. Auf seine Erkundigung erfuhr er von den Dienern, die Fürstin Candoras sei eine reiche junge Witwe, welche die Villa mit ihrer Dienerschaft allein bewohne. Sie sei an diesem Tage unwohl, hieß es, aber sie lasse ihn bitten, sich ganz als heimisch in ihrem Hause zu betrachten und seine Zwecke auf der Insel nicht außer acht zu lassen.
Friedrich verstand, was letzteres sagen wollte, aber ihm war vorläufig die Lust vergangen, sich um die Gunst der Königin zu bemühen, bevor er seine schöne Wirtin wieder gesehen und ihre strahlenden Augen, ihren lächelnden Mund noch einmal bewundert hatte.
So verging ihm der Tag, und obgleich er viele Stunden auf der Terrasse verbracht, das Meer angestaunt, seine Gefährten aufgesucht und sie noch einmal zur Verschwiegenheit ermahnt hatte, waren ihm doch die Stunden träge verstrichen. Er hatte nur wenig von den trefflich bereiteten Speisen und dem köstlichen Weine genossen, die man ihm vorsetzte, denn sein ganzes Denken galt den unvergleichlichen Reizen, die gestern seine Sinne umstrickt hatten.
Er war endlich froh, als der Abend hereingebrochen war und er sich zur Ruhe begeben konnte, denn er hoffte am andern Tage die schöne Dame endlich wiederzusehen. Dies geschah jedoch nicht, und es schien fast, als habe sich alles 56 im Hause verschworen, ihn durch höfliche Zurückhaltung zur Verzweiflung zu bringen. Er durfte gehen und kommen, wie er wollte; auch die Mannschaft seiner Barke wurde in nichts gehindert, aber überall folgten ihnen die Blicke von Spähern, und jeder einzelne sah sich genau beobachtet. Die Fürstin Candoras ließ sich auch heute nicht sehen, und so ging es mehrere Tage fort. Der Prinz ahnte nicht, daß man darauf wartete, ihn zur Königin gehen zu sehen, ja er dachte kaum mehr an diesen eigentlichen Zweck seiner Reise, da die geheimnisvolle Zurückhaltung der schönen Fürstin sein Herz immer mehr für diese entflammte. Verdrossen schlich er umher und an mehreren Abenden saß er auf der Terrasse, blickte der untergehenden Sonne nach, wie sie die blaue Meeresflut vergoldete, und sang schwärmerische Lieder der Sehnsucht zur Laute. Dann bemerkte er wohl, daß die Fenster sich öffneten und weibliche Gestalten seinem Gesange verstohlen lauschten, aber vergeblich hoffte er auf eine Annäherung von seiten der Herrin des Hauses. Schon verwünschte er den Plan, der ihn nötigte, die Rolle eines armen Sängers aus Griechenland durchzuführen, als ein unerwarteter Vorfall die ganze Sachlage änderte.
Eines Abends hatte sich der Prinz zur Ruhe begeben, als ihn plötzlich ein Lärm aufweckte, der wie ängstliches Rufen und Hin- und Herlaufen klang, und ihn endlich veranlaßte, vom Lager aufzuspringen, sich rasch in die Kleider zu werfen und hinauszueilen, um die Ursache des Getöses zu entdecken. Diener liefen hin und her und man sagte, es sei ein Bote vom Palaste der Königin gekommen, der die Nachricht gebracht habe, Katharina sei von tunesischen Seeräubern überfallen worden, welche sie gewaltsam auf ihrem Schiffe davonführen wollten.
Friedrich hörte diese Nachricht zwar mit Überraschung, aber doch nicht mit jener Bestürzung, die sie eigentlich bei ihm hätte bewirken sollen. Er empfand sofort das Gebot der Ritterpflicht, welche ihn aufforderte, der bedrohten Königin zu Hilfe zu eilen, aber es würde ihn nicht zur Verzweiflung gebracht haben, wäre der Fang den Seeräubern gelungen. Überdies hatte die Königin ihre Wächter, ihre Offiziere und Diener, die sie verteidigen konnten.
Aus diesen Gedanken wurde er durch die angsterfüllte Anrede einer Dame gerissen, die er sofort als eine derjenigen erkannte, welche bei seiner Ankunft in der Gesellschaft der schönen Fürstin Candoras gewesen waren.
»Zögert nicht«, rief sie ihm entgegen, »der Königin Eure Hilfe zu erweisen; ich sende soeben sämtliche Bewohner der Villa zu ihr, während in der Stadt alle waffenfähigen Männer aufgerufen werden, denn die Palastwache ist nicht stark genug, sie zu schützen. Schon seit mehreren Tagen fürchteten wir diesen Überfall; die Königin war gewarnt worden, da der Bei von Tunis einen hohen Preis darauf gesetzt hatte, sie in seine Gewalt zu bringen. Wir glaubten schon, Ihr wäret in der Absicht gekommen, sie in die Hände des Bei zu liefern. Daher wurdet Ihr so vorsichtig überwacht. Zeigt denn nun, daß wir uns in Euch geirrt haben, und helft die schöne Königin verteidigen.«
57 »Ich eile sofort zu ihrem Palaste«, entgegnete Friedrich, »aber ich beschwöre Euch, dieses Haus und seine Herrin nicht allen Schutzes zu berauben, indem Ihr die ganze Dienerschaft fortsendet; denn sonst müßte ich es für meine erste Pflicht halten, derjenigen Dame meinen Beistand zu widmen, der ich vorläufig allein auf dieser Insel verpflichtet bin.«
»Ich bin Euch dankbar«, erwiderte die Dame, »aber kümmert Euch nicht um mich, die in keiner Weise bedroht ist, sondern eilt zu ihr, der Ihr selbst bereits Treue und Gehorsam gelobt habt.«
»Wie soll ich das verstehn?« versetzte Friedrich; »ich habe der Fürstin Candoras meine Dienste geweiht und ich werde sie nicht schutzlos lassen, um so weniger, da sie leidend ist.«
»Ihr seid in einer Täuschung befangen«, entgegnete rasch die Dame; »die Fürstin Candoras bin ich, und jene schöne Frau, die sich damals mit Euch unterhielt, war die Königin selbst, die mit andern Damen ein kleines ländliches Fest in meinem Hause beging. Eilt und schließt Euch ihren Verteidigern an, wenn Euch an ihrer Gunst gelegen ist!«
Friedrich hatte die letzten Worte kaum mehr gehört. Wie ein Rasender stürmte er fort und eilte nach seiner Barke, wo er seine Leute aufrief, ihm bewaffnet zu folgen. Sie kamen nach dem königlichen Schlosse, als dort eben die Palastwache und die Dienerschaft von den türkischen Seeräubern überwältigt wurde. Der Überfall war mit berechneter Schlauheit ins Werk gesetzt und der günstigste Augenblick gewählt worden; denn wenn auch in jedem Momente militärische Hilfe aus der Stadt zu erwarten war, so blieb doch den Türken Zeit genug, bis dahin die Königin, die sich mit ihren Frauen in die innersten Gemächer des Schlosses geflüchtet hatte, gewaltsam auf die Schiffe zu bringen, und ihre Rettung war alsdann in der nächtlichen Dunkelheit fast unmöglich.
Aber die Seeräuber hatten nicht ahnen können, daß andre Hilfe nahe war, und daß ein tapfrer und durch die Liebe begeisterter Held dieselbe brachte.
Wie ein Racheengel, in der Raserei seines Zornes alles um sich her niederschmetternd, warf sich Friedrich dem Anführer der Seeräuber entgegen. Die überwältigten, aber noch kampffähigen Diener und Wachen des Palastes wurden ihrer Fesseln entledigt und schlossen sich mit verdoppelter Wut den neapolitanischen Streitern an. Die Seeräuber konnten nicht lange widerstehen, und als bald darauf laute Männerstimmen und das Geklirr von Waffen die Ankunft der bewaffneten Macht aus der Stadt verkündeten, waren die Türken bereits in die Flucht getrieben und in sinnloser Hast auf ihre Schiffe zurückgewichen, wobei sie ihre Toten und Verwundeten mitnahmen, wie es ihr Glaube befahl.
Friedrich verfolgte die Räuber noch eine Weile und konnte seine Wut kaum zügeln. Als er mit seinen Leuten zurückkehrte, hatte Katharina Cornaro bereits erfahren, daß sie ihre Rettung hauptsächlich dem fremden Manne verdanke, den sie mehrere Tage vorher in der Villa der Fürstin Candoras gesehen 58 hatte. Sie wollte ihm sofort ihren Dank aussprechen, aber als er nun in dem schwach erleuchteten Gemach vor sie trat, an Gestalt und Blick vom edelsten Anstande, wurde ihre Vermutung, daß er kein einfacher, wandernder Minnesänger sein könne, zur Gewißheit; sie dankte ihm mit innigem Händedrucke für die geleistete Hilfe und setzte dann leise die Bitte hinzu, ihr zu gestehen, wer er sei.
In der Erregung des Augenblicks nannte Friedrich flüsternd seinen Stand und Namen und gab der Königin die Versicherung, der Ruf ihrer Schönheit habe ihn nach Cypern gelockt, wo dann der Anblick der vermeintlichen Fürstin Candoras jeden Gedanken an die Königin dieser Insel verdrängt habe, bis er nun in Erfahrung gebracht, daß diese und jene eine und dieselbe Person sei.
Dieses rasche Geständnis entzückte die Königin und ließ sie für einen Augenblick die überstandenen Gefahren und alle obwaltenden Umstände vergessen. Sie neigte errötend ihr schönes Haupt und ließ es geschehen, daß Friedrich im Taumel der Leidenschaft einen feurigen Kuß auf ihre reine Stirn drückte. Kaum war dies geschehen, so fuhr Katharina erschreckt zurück, denn ein Geräusch in ihrer Nähe belehrte sie, daß sie nicht allein waren. Mit Verdruß erblickte Friedrich jene ältliche, verwachsene Person, welche ihm bei der ersten Begegnung mit der Königin als Gegensatz zu den andern, durch Schönheit ausgezeichneten Frauen aufgefallen war. Das mißgestaltete Geschöpf machte vor der Königin eine tiefe Verbeugung und bat um Entschuldigung, daß sie einen kleinen Anfall von Husten nicht habe unterdrücken können. Rasch flüsterte Katharina ihrem Retter die Worte zu:
»Ich bin überall von Spionen und Aufpassern umgeben; seid daher auf Eurer Hut und folgt in allen Stücken genau meinen Worten; zugleich aber bitte ich: verzeiht, wenn die Gefahr, die mich und Euch umgibt, mich zu Schritten nötigt, die ein Weib nicht wagen sollte. Ihr seid ein Königssohn, und ich darf Eurer Versicherung Glauben schenken, aber ich will es auch, weil mein Herz mich dazu drängt.
»Verlaßt diese Insel so schnell als möglich«, fuhr sie nach einer Pause fort, »und kehrt in kurzer Zeit mit einem Gefolge zurück, welches Eurem hohen Range entspricht. Die Fürstin Candoras ist mir treu, und an ihrer Villa findet Ihr den sichersten Landungsplatz. Bereitet alles vor, damit unsre Verbindung sofort unauflöslich geschlossen werden kann; alles weitere wird sich dann finden. Ich hätte Euch noch vieles zu sagen, aber überall lauert hier Verrat. Klugheit und Mut müssen uns zum Ziele verhelfen. Und nun lebt wohl und bewahrt unser Geheimnis, damit der Plan gelingt.«
Ganz beseligt von diesen Worten, aber auch durch dieselben gewarnt, machte Friedrich eine tiefe und ehrfurchtsvolle Verbeugung, als habe die Königin ihn wegen seiner Tapferkeit belobt. Dann zog er sich mit seinen Leuten zurück. Er gab sofort den Befehl zur Rückreise, und wenige Stunden darauf segelte seine Barke bereits von dem blühenden und duftenden Eilande fort. Aber wie 59 der laue Wind die Segel blähte, so schwellte die süßeste aller Hoffnungen das Herz des liebenden Mannes, dessen Blicke lange noch an dem Palaste hingen, der nach und nach am Horizonte verschwand.
Katharina blieb voll banger Erwartungen in diesem Palaste zurück. Der Schrecken, welchen der Überfall der Seeräuber bewirkt hatte, war verdrängt durch stille Hoffnung. Soviel sie auch versuchte, wie sonst durch Geselligkeit und die Pflege der schönen Künste sich zu zerstreuen, ihr Herz pochte doch mit Ungestüm dem Tage ihrer Befreiung entgegen. Es handelte sich nicht nur um ihre Vermählung mit einem fürstlichen, schönen und tapfern Manne, dem ihr Herz entgegenschlug, sondern wirklich um die Befreiung von einer Fessel, die zwar mit allem Schönen und Köstlichen, was die Erde zu bieten vermag, durchwoben, aber trotzdem nach und nach für sie unerträglich geworden war.
Als Katharina zu dem glänzenden Lose der cyprischen Königin ausersehen wurde, war sie ein halbes Kind; der Gedanke, zur Tochter ihrer mächtigen und reichen Vaterstadt ernannt und mit einem Könige vermählt zu werden, regte ihren Ehrgeiz an, denn ein solches Schicksal weckte den Neid der edelsten Fürstentöchter. Aber sie hatte inzwischen einsehen gelernt, daß sie nur das Werkzeug für die politischen Pläne Venedigs war.
Die Eifersucht zwischen Genua und Venedig bestimmte einen großen Teil der Unternehmungen dieser beiden großen Handelsrepubliken, denn es handelte sich fortwährend um den Vorrang auf dem Mittelländischen Meere und zugleich um die Niederhaltung der orientalischen Machthaber, die ihrerseits ebenfalls gern den reichsten Anteil am Gewinn des immer mächtiger aufblühenden Handels von Asien nach Europa gehabt hätten. Noch war ja der Seeweg nach Ostindien nicht entdeckt.
Von Jugend auf wußte Katharina Cornaro, daß sie das Kind aus einem der reichsten Patrizierhäuser Venedigs war. Was kümmerte es sie, woher das Geld kam, womit nicht nur alle äußeren Bedürfnisse in der kostbarsten und glänzendsten Weise befriedigt, sondern auch die edelsten Werke der Kunst hervorgezaubert wurden. In dem prächtigen Palaste ihres Vaters verkehrten Künstler und Gelehrte aller Art. Der gefeierte Maler Jakob Bellini, der gleichfalls ein Freund ihres väterlichen Hauses war, hatte kurz vor ihrer Vermählung ihr eignes und das Bildnis ihres Bruders Georg für den väterlichen Palast gemalt. Der wunderbare Aufschwung, den die Baukunst hauptsächlich durch Meister Lombardos Einfluß zu Venedig gewann, hatte auch Katharinas von früher Jugend auf gepflegten Schönheitssinn erfreut, und sie hatte später auf der Insel Cypern jenen eigentümlichen Stil eingeführt, der als Verschmelzung maurischer und italienischer Elemente gelten durfte.
So sehr sie auch den Stolz empfand, der die Bewohner ihrer Vaterstadt erfüllte, erwachte doch nach und nach an der Seite ihres kränklichen und kraftlosen Gatten ein Gefühl innern Elendes, und es gab Stunden, in denen sie 60 allen Stolz und alle Würde der Tochter der Republik verwünschte und sich als das unglückliche Opfer handelspolitischer Pläne beklagte. Dies steigerte sich noch, seitdem sie Witwe geworden war. Sie war das unbefangene Kind nicht mehr und wußte sehr wohl, daß Venedig ihr jeden Wunsch erfüllen würde, unter der einzigen Bedingung, daß sie keine neue Vermählung einging. Der Besitz der Insel Cypern war für die Republik an der Adria so wichtig, daß kein Verbrechen gescheut worden wäre, um sie völlig in die Gewalt zu bekommen, seitdem einmal dort Fuß gefaßt war. Ihren Knaben hatte man nach Venedig gebracht, wo er erzogen werden sollte.
Darum umgab man Katharina mit Spionen, welche jeden ihrer Schritte nach der Vaterstadt berichteten. Wie sehr sehnte sie sich nach endlicher Befreiung! Und nun durch einen Mann befreit zu werden, für welchen ihr Herz sich sofort entschieden hatte! Der Gedanke bereitete ihr soviel glückliche Empfindungen, daß sie mit fast fieberhaft ängstlichem Bangen der Erfüllung ihrer schönsten Hoffnung entgegenharrte.
Sie konnte natürlich nicht verhindern, daß der Überfall der tunesischen Seeräuber, in welchen man Kreaturen des Bei vermuten durfte, nach Venedig berichtet wurde. Dort sah man in diesem Vorfall einen willkommenen Vorwand, um endlich die Fesseln, welche die arme Katharina an jeder freien Bewegung hinderten, so zu verstärken, daß für sie alle Hoffnung auf Befreiung schwinden sollte. Die Bewohner der Insel Cypern hätten gern alles aufgeboten, um die alte Unabhängigkeit ihres Vaterlandes wiederzugewinnen, und dieser Umstand beschleunigte nur die Maßregeln Venedigs.
Dort, in der mächtigen Lagunenstadt, galt kein höheres Gesetz, als der Vorteil des Staates, und jede Rücksicht auf das Glück einzelner Unterthanen oder ganzer Familien mußte dem ehernen Willen des Rates der Zehn weichen. Man wußte dort längst, daß die Tochter der Republik in ihrem Königreiche sich die Zeit mit harmlosen Beschäftigungen vertrieb, selbst ein wenig malte und sich in litterarischen Spielereien übte, wie es die Mode der Zeit mit sich brachte. Aber die Anwesenheit der im Herzen gutmütigen Königin hinderte die Republik in vieler Hinsicht. Die Cyprioten hingen am Hause Lusignan und warteten auf den Sohn Jakobs und Katharinas. Das mußte geändert werden, und nun war der Vorwand zum energischen Eingreifen gefunden.
Georg Cornaro, der Bruder der Königin, wurde mit einer kleinen Flotte nach Cypern geschickt. Er hatte den strengen Befehl, seine Schwester zurückzubringen. Mit seinem Kopfe haftete er für die Ausführung dieser Aufgabe.
Als der Bruder bei Katharina anlangte, teilte er ihr den Befehl mit, den er überbrachte. Er erinnerte sie an die Unmöglichkeit des Widerstandes, an die Notwendigkeit des Opfers, er versuchte den Ausbruch ihres Schmerzes zu lindern und ihre Vorwürfe dadurch zu entkräften. Katharina erbot sich jedoch, ihr Betragen vor dem Rate der Zehn zu rechtfertigen, denn sie glaubte, 61 daß sie durch die Spione, die sie nicht aus ihrer Nähe hatte verbannen können, verleumdet worden sei.
Allerdings, so versicherte ihr Bruder, war durch jene mißgestaltete Person, die man ihr als stete Begleiterin aufgenötigt hatte, von einem jungen Manne berichtet worden, der, als Grieche verkleidet, sich der Königin zu nähern gesucht und ihre Verteidigung gegen die Seeräuber übernommen hatte.
Aber der Rat der Zehn legte darauf kein Gewicht; denn man würde der Königin kein Verbrechen aus einer Neigung gemacht haben, solange nicht erwiesen war, daß der Gegenstand derselben ehrgeizige Absichten auf die Herrschaft der Insel hatte. Nicht deshalb war ihre Entfernung von Cypern vom Rate der Zehn beschlossen worden, sondern weil die Republik freie Hand auf der Insel haben wollte.
In ihrer Angst und Verzweiflung entdeckte Katharina ihrem Bruder, daß es sich um den Prinzen Friedrich von Neapel handle. Sie wagte dieses kühne 62 Geständnis, weil sie ihre Hoffnung auf den Familienstolz gründete, und sie setzte daher alles auf einen Wurf.
»Unselige«, erwiderte der Bruder, »begreifst du denn nicht, daß du für Neapel ebensowohl nur der Gegenstand einer staatspolitischen Berechnung bist, wie du es für Venedig zu sein bedauerst?«
»Was kümmert mich«, entgegnete die Königin, »wie ihr Männer über das Königreich Cypern verfügt! Habe ich mich um die Krone beworben, die ich seither trug? Venedig hat mich seinetwegen elend gemacht, und an Friedrichs Seite, das weiß ich, würde ich das glücklichste Weib der Welt werden. Gelüstet es ihn, der Beherrscher dieser schönen Insel zu sein, so preise ich mein Geschick glücklich, denn ich wünsche nichts sehnlicher, als ihm mit allem, was ich bin und habe, anzugehören.«
»Arme Schwester!« seufzte Georg, und er setzte hinzu: »wie konnte das Schicksal so grausam sein, ein solches Weib zum Opfer der kalten Politik zu machen! Ich kann dich bedauern, aber ich muß dem Rate der Zehn folgen und das Opfer deiner Liebe von dir verlangen. Willst du unser ganzes Haus verderben? Tausende haben ihr Leben auf den Schlachtfeldern für die Größe der Republik dahingegeben, Tausende haben es unter unsäglichen Qualen in den Folterkammern verhaucht, wie könnte das Herz eines einzigen Weibes geschont werden? Weigere dich nicht länger, hier gilt nur blinder Gehorsam, ohne Widerstand.«
Es folgten Stunden schmerzlicher innerer Kämpfe für die arme Katharina, und ihre Zähren flossen in der stillen Nacht, ohne ihr Herz zu erleichtern.
Wenige Tage darauf nahm sie Abschied von ihren Unterthanen. Es wurden nicht nur von ihr heiße Thränen dabei vergossen, denn ihre Abreise raubte den Bewohnern den letzten Rest von Hoffnung auf Unabhängigkeit. Von ihrem Bruder, einem der venezianischen Räte und dem Statthalter der Insel begleitet, umgeben von dem ganzen Adel Cyperns und unter militärischem Gefolge verfügte sich die Königin nach dem Hafen von Famagosta. Auf dem venezianischen Schiffe wurde sie daselbst mit königlichen Ehren begrüßt und sie benutzte diese Gelegenheit, um dem Vertreter der heimatlichen Regierung das Wohl ihrer seitherigen Unterthanen ans Herz zu legen. Kaum aber war diese Zeremonie vorüber und das Schiff unter Segel gegangen, so eilte sie in das für sie bestimmte Gemach in der Kajüte. Sie bat ihre Frauen, sie allein zu lassen, damit niemand sehen konnte, wie sie sich verzweiflungsvoll auf den Boden warf und mit einem Strom von leidenschaftlichen Thränen alle Hoffnungen ihres Lebens begrub. 63