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4. Die statistischen Grundlagen der absoluten Währung.

Geschrieben 1921 und erstmalig in bei »Freiwirtschaft«, Februarheft 1921 veröffentlicht. (Der Herausgeber).

Meine in der Schrift »Das Reichswährungsamt« gemachten Vorschläge bezwecken, das Gleichgewicht im Haushalt des Reiches herzustellen, damit die alles zerrüttende Notenpresse außer Betrieb gesetzt werden kann.

Der Vorschlag gründet sich auf die Erkenntnis, daß die Steuerkraft des Volkes als Ganzes zusammen mit den Warenpreisen wächst und schwindet, daß somit eine zehnfache Preisinflation auch ohne weiteres die zehnfachen Steuererträgnisse liefern muß, ohne daß dadurch die Last der Steuern eine Änderung erfährt. Aus dem gleichen Grunde ist auch nicht einzusehen, warum die Inflation nicht auch voll und ganz auf sämtliche Tarife der Reichspost, der Eisenbahnen usw. übertragen werden könnte, warum man den Hauswirten, den Grundbesitzern das Recht nimmt, die Mieten und Pachtzinsen den Marktverhältnissen anzupassen. Ich verlange darum auch die vollkommene und ausgesprochene Preisgabe des Gedankens eines Abbaues der Preise, weil der Preisabbau gleichbedeutend sein würde mit einem Abbau der Steuererträgnisse, der wieder die Notenpresse zu Hilfe rufen würde. Ich verlange die dauernde Aufrechterhaltung der Preise auf der zur Zeit erreichten Höhe, damit den Kaufleuten und Unternehmern endlich eine sichere Grundlage für ihre Berechnungen geschaffen wird.

Die absolute Währung, die einen integrierenden Bestandteil dieses Programmes bildet, bedeutet, daß der allgemeine Preisstand der Waren durch aktive Währungspolitik dauernd auf gleicher Höhe erhalten werden soll, so daß man von da ab mit der gleichen Geldsumme stets die gleiche Lebenshaltung wird bestreiten können. Die Warenpreise sollen nicht im Sinne von einzelnen Höchst- und Mindestpreisen festgestellt werden. Die Preise sollen freihändig durch Angebot und Nachfrage gebildet werden wie vor dem Kriege. Jedem steht es völlig frei, zu fordern, soviel er glaubt nach Lage des Marktes fordern zu können. Jedoch wird das Währungsamt die umlaufende Geldmasse stets so genau bemessen, daß Preisstürze und Preistreibereien nicht mehr vorkommen können. Die Grundlage zur Führung solcher »aktiven Währungspolitik« bildet die Preisstatistik, mittels der die Bewegungen im allgemeinen Preisstand der Waren ermittelt werden sollen.

Die oft genannten Indexzahlen des Economist gehen aus den Preisen von 22 Stapelartikeln hervor. Man kann diese Zahl natürlich beliebig mehren, doch wird das Ergebnis dadurch nicht nennenswert verbessert, da ja die Preise der Waren in einer natürlichen, durch die Produktionskosten beherrschten Rangordnung stehen. Darum ist anzunehmen, daß, wenn der Index der Stapelartikel unverändert geblieben ist, auch der Preis der übrigen Waren sich nicht geändert hat. So will es das Gesetz des Wettbewerbs.

Wichtiger als die Anzahl der Preise ist die richtige Erfassung der Bedeutung der einzelnen Waren in ihrem Verhältnis zu den anderen Waren. Die gleiche Rolle, die etwa das Brot und der Pfeffer im Familienhaushalt spielen, sollen Brot und Pfeffer auch in der Währungs-Statistik spielen. Geschieht das mit der gebotenen Gründlichkeit, so wird das Ergebnis für die Bedürfnisse der Volkswirtschaft vollauf genügen. Der Einwand, der hier erhoben werden könnte, daß solche Statistik keine »mathematisch« genauen Zahlen liefert, kann unbeachtet bleiben. Solchen Kritikern sagen wir: Wir hindern niemand daran, das Indexermittelungsverfahren zu vervollkommnen. Die Kritik darf uns aber nicht hindern, das Gute zu tun, bloß weil mit der Zeit das Verfahren verbessert werden kann. Wir backen doch schon immer Brot, obschon man seit 10 000 Jahren unausgesetzt den Backofen verbessert. Namentlich vom Standpunkt der herkömmlichen Währungsverhältnisse wirkt solche Kritik direkt lächerlich.

Um den Index zu gewinnen, können wir die Zahlen benutzen, die das Statistische Jahrbuch d. D. R. liefert. Wir multiplizieren die Preise mit den Produktionszahlen (bei eingeführten Waren den Verbrauch) und haben dann unmittelbar vergleichbare Größen.

Um ein Bild dieser Verhältnisse zu geben, lasse ich hier einige Zahlen folgen (auf Zuverlässigkeit erheben sie keinen Anspruch).

Produktion bzw.
Einfuhr
1910
Preise
Betrag
B
1911
Preise
Betrag
C
Roggen 8552000 t 152,30 1302 168,30 1439
Weizen 5240000 t 211,– 1108 204,– 1068
Baumwolle 4360000 dz 151,– 650 134,– 584
Roheisen 14793000 t 66,– 676 64,80 957
Steinkohlen 152827000 t 10,46 1598 10,16 1552
    _____   _____
      5634   5600

Erweitert man diese Liste auf alle Hauptwaren und findet sich, daß die Summen B und C nicht oder nur unerheblich – wie oben – voneinander abweichen, so wird man daraus schließen, daß die Kosten der Lebenshaltung sich nicht geändert haben, und man wird dem Reichswährungsamt das Zeugnis geben, daß es seine Sache gut gemacht hat. Es ist nämlich unausbleiblich, daß, wenn der Preis der Rohstoffe unverändert bleibt, auch die Preise der Fertigwaren sich nicht ändern, Lohnveränderungen gehen dann auf Rechnung des Kapitalzinses oder der Grundrente.

Da die Warenproduktion, von Witterungseinflüssen abgesehen, wenn sie nicht durch Krisen und Streik gestört wird, ebenso beständig sein muß wie die Zahl der Menschen, so können die Beiwerte oder Produktionszahlen für lange Zeit, mindestens fürs ganze Jahr ohne Bedenken verwendet werden, so daß man dann nur die Preisveränderungen zu ermitteln braucht, um dann nach Wunsch den Index alle Monate, Wochen oder Tage ausrechnen zu können. Wenn also der Direktor des Währungsamtes Wert darauf legt, daß ihm täglich nach Schluß der Börse der Index auf den Tisch gelegt werde, so wird man solchen Wunsch leicht erfüllen können.

In bezug auf die Beiwerte ist noch folgendes zu sagen: Die Erzeugungsziffern ändern sich nicht nur relativ, sondern auch absolut. Dies macht es nötig, den Betrag der Spalte B auf den Ausgangspunkt oder Vergleichsindex, hier also 5634 zurückzuführen, indem man alle Einzelposten einem gleichmäßigen Zu- und Abschlag unterwirft.

Hat man z. B. statt 8552000 t Roggen 8000000,
  " 5240000 t Weizen 6000000,
  " 4360000 t Baumwolle 5000000 usw.,

so müssen zunächst diese neuen Zahlen zu den alten Preisen (1910) ausgerechnet werden. Diese neuen Zahlen mögen dann zusammen den Betrag von etwa 6197 geben oder 10 Prozent über 5634. In diesem Falle zieht man von allen Produktionsziffern gleichmäßig 10 Prozent ab. Dann könnten erst die so gewonnenen Beiwerte mit den neuen Preisen multipliziert werden.

Handelt es sich nun darum, den Index einer zehnfachen Inflation zu gewinnen, wie sie für die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs wohl nötig sein wird, so beginnt man damit, eine Liste der hauptsächlichsten Waren mit den Preisen der Vorkriegszeit, nur zehnfach aufgebläht, zu veröffentlichen. Dann heißt es: Die hier ausgeführten Preise stehen in der natürlichen, durch die Produktionsbedingungen der einzelnen Waren geschaffenen Rangordnung. Diese Rangordnung ist durch die Zwangswirtschaft zerstört worden. Die Preise werden in diese Rangordnung zurückfallen, wenn die gesetzlichen Hemmungen beseitigt werden. Wir warnen daher jedermann, von den Waren, deren Preise heute über den in der Liste veröffentlichten Preisen stehen, mehr als den unmittelbaren Bedarf einzukaufen, weil sie voraussichtlich bald im Preise fallen werden. Das Währungsamt wird dafür sorgen, daß der allgemeine Preisstand sich nicht vom zehnfachen Index entfernen wird. Ein jeder rechne hiermit und richte sich danach! Und im übrigen sehe jeder, wo er bleibe. Jeder verlange für seinen Kram den Preis, den er nach Lage des Marktes glaubt erzielen zu können. Macht er dabei ein gutes Geschäft, so gewinnt er dadurch die Mittel, um auch einmal ein schlechtes Geschäft ertragen zu können. Das Reichswährungsamt wird jedoch dafür sorgen, daß mit der absoluten Währung der Spielraum für Verluste und Gewinne immer kleiner wird, so daß mit der Zeit nicht nur der Index fest bleibt, sondern daß auch die Rangordnung der Preise durch Währungsereignisse nicht mehr gestört werden wird. Es ist nämlich zu beachten, daß jede allgemeine, auf Währungspfuschereien zurückzuführende Veränderung des Preisstandes auch die natürliche Rangordnung der Preise zerstört, indem solche Währungsänderungen die Kaufkraft der einzelnen Volksklassen ungleich berühren. Eine Preissteigerung z. B. begünstigt die werbenden Klassen (Schuldnerklasse). Diese Klasse kauft und verbraucht aber ganz andere Waren als die durch dieselbe Preissteigerung benachteiligte Klasse der Gläubiger. Es werden mehr teuere Lebensmittel, mehr volkstümliche Luxuswaren gekauft, während die Nachfrage nach Waren, die hauptsächlich von Rentnern gekauft werden, entsprechend nachläßt. Diese Störung setzt sich dort in Preisabschlägen, hier in Preisrückgängen um. Mit der absoluten Währung fällt darum auch die Hauptursache der Schwankungen in den Einzelpreisen fort.

In der Schweiz, wo die vom Schweizer Freiland-Freigeld-Bund gemachten Vorschläge der absoluten Währung die Presse schon stärker beschäftigte, ist von seiten der Goldwährungsinteressenten der Einwand erhoben worden, daß eine aktive Währungspolitik, wie wir sie erstreben, nicht durchzuführen sei, weil Ausgabe und Einzug von Geld nicht unmittelbar auf die Preise wirken, sondern erst nach längerer Zeit, nach Nikolson sogar erst nach drei Monaten. Wir lassen diesen Verteidigungsversuch der Hochfinanz mit sattem Geschmunzel gelten – gibt es doch kein Beweismaterial, das die heutigen Währungsmittel gründlicher in den Boden verurteilt, als die genannte Tatsache. Wenn die Zügel eines Pferdes sich erst nach drei Monaten fühlbar machen, so ist solches Pferd unlenkbar – man ersetzt es durch ein anderes. So handele man auch hier. Ist die Währung unlenkbar, zügellahm, dann fort mit ihr. Mit dem Freigeldpferd wird man nicht drei Monate auf die Wirkung der Zügel zu warten brauchen. Das Freigeld ist ein empfindlicher Gaul. Noch am selben Tage, wo die Geldmenge vermehrt oder vermindert wird, nimmt man auch schon die Wirkung auf dem Markte wahr.

Jeder Versuch der Haute Finance, an der absoluten Währung zu rütteln, wird immer auf die Goldwährung abprallen.


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