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Nicht erst dann, wenn der letzte Schuldschein der Bodenverstaatlichungsanleihe eingelöst und verbrannt sein wird, werden sich die Wirkungen der Bodenverstaatlichung zeigen, sondern gleich vom Tage an, wo die Enteignung gesetzlich beschlossen wird. Und zwar in erster Linie in der Volksvertretung, in der Politik.
Ähnlich wie es beim Turmbau in Babel zuging, werden sich die Volksvertreter nicht mehr verstehen, ja sie werden sich selbst nicht mehr wiedererkennen; sie werden als ganz andere Menschen, mit ganz neuen Hochzielen nach Hause zurückkehren. Das, was sie bisher vertraten, was sie verteidigten oder angriffen, wofür sie tausend neue gewichtige oder auch frevelhaft leichtsinnige Gründe zusammengetragen hatten, besteht nicht mehr. Wie durch Zauberschlag hat sich das wüste Schlachtfeld in einen Friedhof verwandelt. Die Privatgrundrente besteht nicht mehr; und was waren Reichs- und Landtag anderes als eine Börse, wo auf Steigen und Fallen der Grundrente Wucherspiel getrieben und gewühlt wurde? Eine Animierkneipe für höhere Zölle nannte es jemand, der dabei war! Es ist Tatsache, daß in den Parlamentsverhandlungen der letzten Jahre sich alles fast ausschließlich mittel- und unmittelbar um die Grundrente drehte.
Die Grundrente bildet den Standpunkt, von dem aus sich die Regierung auf dem Gebiete der Gesetzgebung die Richtung für ihr Handeln sucht; die Grundrente ist der Pol, um welchen alle Gedanken der Regierungsmänner sich drehen, sowohl hier, wie überall in der Welt. Ob bewußt oder unbewußt, bleibt sich gleich. Ist die Grundrente gesichert, dann ist alles in Ordnung.
Die langen und wüsten Verhandlungen bei Beratung der Kornzölle drehten sich um die Grundrente. Bei den Handelsverträgen waren es die Belange der Grundrentner, die allein Schwierigkeiten bereiteten. Bei den langwierigen Verhandlungen um den Mittellandkanal war wieder allein der Widerstand der Grundrentner zu überwinden. Alle die kleinen, so selbstverständlichen Freiheiten, deren man sich heute erfreut, wie z.B. die Freizügigkeit, die Abschaffung der Leibeigenschaft und Sklaverei, mußten gegen die Grundrentner erkämpft werden, und zwar mit den Waffen. Denn zu Kartätschen griffen die Grundrentner, um ihre Belange zu verteidigen. In Nordamerika war der lange, mörderische Bürgerkrieg nur ein Kampf gegen die Grundrentner. Der Widerstand auf allen Gebieten geht zielbewußt von den Grundrentnern aus; ja, wenn es von den Grundrentnern abhinge, so wären Freizügigkeit und allgemeines Wahlrecht schon längst zum Besten der Grundrente geopfert worden. Volksschule, Hochschule, Kirche wurden schon bei ihrer Gründung dem Gedeihen der Grundrente untergeordnet.
Das alles hört nun mit einem Schlage auf. Wie Schnee wird die Politik der Grundeigentümer an der Sonne der Bodenbefreiung vergehen, verdampfen, versinken. Mit der Privatgrundrente verschwindet jedes auf Geldvorteile gerichtete politische Bestreben; im Parlament wird sich niemand mehr die Taschen füllen können. Politik aber, die nicht mehr von Sonderbestrebungen geleitet wird, vielmehr allein von der höheren Warte des öffentlichen Wohls, ist keine Politik mehr, sondern angewandte Wissenschaft. Die Volksvertreter werden sich also in alle Staatsangelegenheiten wissenschaftlich vertiefen und eine Arbeitsweise sich aneignen müssen, bei der alle Leidenschaften schweigen, und wo man mit nüchternem Sinne den nüchternen Beratungsstoff mit Hilfe der Statistik und Mathematik prüfen wird.
Noch nicht allein die Politik der Grundeigentümer ist erschöpft, sondern auch die ihrer Gegner. Wozu sandte man denn die Sozialisten, die Freisinnigen und die Demokraten in den Reichstag? Damit sie das Wohl des Volkes gegen die räuberischen Gelüste der Grundrentner schützen sollten! Die Verteidiger werden aber überflüssig, sowie die Angreifer verschwinden. Das ganze liberale Parteiprogramm ist mit der Bodenbefreiung als etwas völlig Selbstverständliches erledigt. Es denkt niemand mehr daran, dieses Programm anzutasten, überhaupt noch zu prüfen und zu benörgeln. Jedermann ist und denkt selbstverständlich freiheitlich. Welchen Sondervorteil könnte der einzelne auch noch von der Politik erwarten? Was war Reaktion, was war das konservative Parteiprogramm? Grundrente, weiter nichts als Grundrente war es.
Selbst die rückschrittlichen Agrarier von gestern denken nun freiheitlich, fortschrittlich. Es waren doch Menschen wie alle anderen, weder besser noch schlechter; sie waren auf ihren Vorteil erpicht, wie jeder anständige Mensch es ist. Sie waren keine besondere Rasse. Einig waren sie nur durch das gleiche, materielle Interesse. Allerdings ein starker Kitt. Mit der Bodenverstaatlichung geht die ganze Klasse in der Allgemeinheit auf. Ja, die Junker von gestern sind sogar freiheitlich gesinnt, denn was ist ein Graf ohne Land? Grundeigentum und Adelsherrschaft (Aristokratie, was man heute so nennt) sind ein und dasselbe. Jedem Aristokraten kann man an den Gesichtszügen ablesen, wieviel Hektar Land er besitzt, wieviel Rente sein Land abwirft.
Also, was sollen die Politiker noch im Reichstag? Es ist ja alles so einfach, so selbstverständlich geworden, seitdem die Grundrente nicht mehr jede Neuerung behindert. Der Entwicklung die Bahn frei! Das war der Ruf des Freisinns. Und jetzt ist sie frei. Nirgends stößt die Gesetzgebung noch mit dem Sondervorteil zusammen. Zwar besteht das bewegliche Kapital weiter, und dieses hat mit der Umwandlung des Grundkapitals in Staatsschulden (Mobilkapital) sogar um mehrere hundert Milliarden zugenommen. Aber das bewegliche Kapital unterliegt, weil ausfuhrfähig und der ganzen Welt zugänglich, ganz anderen Gesetzen als das Grundkapital. Politik ist dem beweglichen Kapital (Fahrhabe) nutzlos. (Dieser Satz wird im folgenden Teil weiter begründet werden.) Außerdem muß das bewegliche Kapital, schon um dem Wettbewerb des Auslandes Stand zu halten, den Fortschritt nach jeder Richtung fördern, und dies zwingt es, mag es wollen oder nicht, in die Bahn der Freiheit.
Nach Beseitigung der Privatgrundrente werden Land und Stadt politisch nicht mehr getrennte Wege gehen, sondern vereint den gleichen Zielen zustreben. Wollte man z. B. die Landwirtschaft durch irgendeine Entwicklung einseitig begünstigen, so würden die Arbeiter von der Industrie zur Landwirtschaft übergehen, bei den öffentlichen Verpachtungen den Pachtzins jenen Vorteilen entsprechend in die Höhe treiben und so das Gleichgewicht zwischen dem Ertrag der Arbeit in Industrie und Landwirtschaft wiederherstellen. Und umgekehrt natürlich. Der Boden stände eben jedermann zu völlig gleichen Bedingungen zur Verfügung. Es ist darum vollkommen ausgeschlossen, daß nach der Bodenverstaatlichung die Landwirtschaft durch Verfolgung ihrer Ziele noch in Gegensatz zur Industrie treten kann. Landwirtschaft und Industrie werden durch die Bodenverstaatlichung erst zu einer gleichartigen wirtschaftlichen und politischen Masse verschmolzen werden. Eine überwältigende Mehrheit, mit der alles, gegen die nichts erreicht werden kann.
Es würde zu weit führen, hier die Wirkung der Bodenverstaatlichung auf politischem Gebiete bis in die äußersten Folgerungen zu erörtern. Ich muß mich hier auf diese groben Umrisse beschränken. Sie genügen übrigens, um zu zeigen, daß mit der Bodenverstaatlichung die heutige Parteipolitik wesenlos, ja, daß die Politik nach heutigen Begriffen überhaupt erledigt wird. Politik und Grundrente sind eins. Zwar wird damit die Volksvertretung nicht überflüssig, aber sie wird von jetzt ab ganz andere Aufgaben zu lösen haben – Aufgaben, bei denen eigensüchtige Sonderbestrebungen Einzelner völlig ausgeschlossen sein werden. Es werden wissenschaftliche Tagungen abgehalten werden, und statt daß man Vertreter in das Volkshaus schickt, die über alles und jedes zu urteilen haben und sich auch ein Urteil über alles erlauben, wird man Fachmänner für jede einzelne Frage entsenden. Auf diese Weise erhalten dann alle Fragen eine fachgemäße, wissenschaftliche Behandlung. Was wird nicht heute alles vom Volksvertreter verlangt! Er soll über Heer und Flotte, über Schule, Religion, Kunst und Wissenschaft, über Heilkunde (Impfzwang), Handel, Eisenbahnen, Post, Jagd, Landwirtschaft usw. usw., kurz, über alles und jedes rechtsprechen. Sogar über die Währungsfrage, wahrhaftig über die Währungsfrage, haben diese Allweisen entscheiden müssen (Goldwährung), obschon mehr als 99 % unter ihnen keine blasse Ahnung davon haben, was das Geld ist, was es sein soll und sein könnte.
Kann man da diesen geplagten Wesen einen Vorwurf daraus machen, daß sie schließlich in keiner Frage zu vertiefter Erkenntnis gelangen? Den Staat könnte man mit Vorteil vollkommen von der Last der Staats-Schulen, Staats-Kirchen, Staats-Universitäten und noch vielem andern Ballast befreien. Dem Staate sind diese Dinge von den Grundrentnern aufgebürdet worden; sie sollen dazu dienen, die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Zankapfel abzulenken.
Diese seltsamen Gestalten werden nun mit der Bodenverstaatlichung verschwinden. »Mädchen für alles« wird das Volk zu den Beratungen nicht mehr entsenden, sondern Fachmänner, deren gesetzgeberische Vollmachten auf ihr Fach und die besondere, zur Verhandlung stehende Frage beschränkt bleiben. Mit der jeweiligen Frage ist auch die Vollmacht erledigt.
Ebenso tiefgreifend wie in politischer Beziehung, wird die Bodenverstaatlichung das allgemeine Verhältnis der Volksgenossen zu einander beeinflussen, und zwar auch dies gleich vom Tage der Enteignung an.
Das Bewußtsein, daß nun jeder dem vaterländischen Boden gegenüber völlig gleichberechtigt ist, wird jeden mit Stolz erfüllen und schon in seinem Äußeren einen Ausdruck finden. Jeder wird den Nacken steifhalten, selbst den Staatsbeamten wird der Mut zum Widerspruch nicht fehlen; wissen sie doch alle, daß sie im Boden einen Rückhalt haben, eine treue Mutter, die allen, die da draußen Schiffbruch leiden, eine Zuflucht gewährt. Denn der Boden wird allen, allen ohne Ausnahme, immer unter völlig gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen, dem Armen wie dem Reichen, Männern wie Frauen, jedem, der den Boden bearbeiten kann.
Man wird hier wohl einwenden, daß auch heute die Gelegenheit nicht fehlt, Boden zu pachten und zu bebauen, jedoch darf man nicht vergessen, daß die Grundrente heute in die Privattaschen fließt, und daß dadurch jeder unmenschlich viel und schwer arbeiten muß, nur um sein Brot zu verdienen. Mit Eintritt der Bodenverstaatlichung wandert die Grundrente in die Staatskasse und kommt so unmittelbar einem jeden in den Staatsleistungen zugute. Dadurch wird aber die Arbeit weniger, die jeder für seinen Lebensunterhalt leisten muß. Statt 10 ha zu bebauen, werden 6 oder 7 genügen, so daß mancher in der Stadtluft geschwächte Beamte als Bauer sein Brot wird verdienen können. Dies wird natürlich noch viel mehr der Fall sein, wenn wir mit der Einführung des Freigeldes auch noch den Kapitalzins beseitigt haben werden. Dann werden 4 ha genügen, wo jetzt 10 bebaut werden müssen, nur um das Leben zu fristen.
Diese wirtschaftliche Kraft und Selbständigkeit wird natürlich den gesamten Verkehr der Menschen umgestalten; die Sitten, Gebräuche, Redewendungen, die Gesinnung werden edler, freier werden.
Nach Beseitigung der Privatgrundrente, und noch mehr nach Beseitigung des Zinses wird jede gesunde Frau imstande sein, ihr Brot und das ihrer Kinder in der Landwirtschaft zu verdienen. Wenn hierzu 3 ha statt 10 genügen, dann genügt auch die Kraft einer Frau, wo man heute eine volle Manneskraft benötigt. Ob die Rückkehr der Frau zur Landwirtschaft nicht der »Frauenfrage« die glücklichste Lösung geben würde?
Die deutsche Freiland-Freigeld-Bewegung (Physiokratie) sucht dem Gedanken Eingang zu verschaffen, den Müttern für die Mehrbelastung, die ihnen durch die Aufzucht der Kinder zufällt, eine Staatsrente auszusetzen, die dem entspricht, was die Bodennutzungen dem Naturweib sind. Für diese Mutterrenten soll die Grundrente herangezogen werden, statt daß man diese, wie von Henry George vorgeschlagen wurde, für die Beseitigung der Steuern benutzt.
Vieles spricht für diesen Vorschlag. Zunächst der Umstand, daß die Grundrente letzten Endes ja überhaupt als Verdienst der Mütter zu betrachten ist, insofern als die Mütter die für die Grundrente nötige Volksdichtigkeit überhaupt erst schaffen. Soll jeder das Seine erhalten ( suum cuique) so unterliegt es keinem Zweifel, daß die Mütter das meiste Anrecht auf die Grundrente haben. Zu demselben Ergebnis kommt man, wenn man das Naturweib, das wie eine Königin über die Natur ringsum verfügt, mit unseren armseligen Fabrikarbeiterinnen vergleicht. Dann sieht man, daß den Müttern die Grundrente heute geradezu gestohlen wird. Es gibt wahrhaftig unter den Naturvölkern Asiens, Afrikas, Amerikas keine Mutter, die wirtschaftlich so aller Hilfsmittel entblößt ist, wie die Proletarierinnen Europas. Dem Naturweib gehört die ganze Umgebung. Das Holz für ihr Haus nimmt sie, wo sie es findet; den Bauplatz wählt sie sich selbst. Ihre Hühner, Gänse, Ziegen, Rinder weiden um die Hütte herum. Der Hund bewacht das Nesthäkchen. Aus dem Bache zieht der Bub die tägliche Forelle. Im Garten säen und ernten die größeren Kinder, andere kommen mit Holz und Beerenobst beladen aus dem Walde, die Älteste bringt aus dem Gebirge den erlegten Bock. Und an die Stelle all dieser Naturgeschenke haben wir den Rentner, ein dickes, faules, unschönes Geschöpf gesetzt. Man braucht sich also nur in die Lage einer schwangeren Proletarierin zu versetzen, die von der ganzen Natur ringsum nichts hat, wo sie ihr Kind hinlegen kann, um zu erkennen, daß, wenn es schon einmal in der jetzigen Volkswirtschaft nicht ohne Abgrenzungen und Grundrenten geht –- diese Grundrente dann unverkürzt den Müttern zusteht.
Nach Berechnungen, die allerdings auf unsicheren Unterlagen beruhen, würden etwa 40 M. monatlich für jedes Kind unter 15 Jahren aus der Grundrente verteilt werden können. Mit dieser Unterstützung einerseits, und mit der Entlastung vom Kapitalzins anderseits, wird jede Frau imstande sein, auf dem Lande ihre Kinder groß zu ziehen, ohne unbedingt auf Geldbeiträge des Mannes angewiesen zu sein. Wirtschaftliche Rücksichten könnten die Frauen nicht mehr brechen. In allen geschlechtlichen Fragen würden ihre Neigungen, Wünsche und Triebe entscheiden. Bei der Gattenwahl würden die geistigen, körperlichen, die vererbungsfähigen Vorzüge statt des Geldsackes den Ausschlag geben. So kämen die Frauen wieder zu ihrem Wahlrecht, und zwar nicht zum wesenlosen politischen Wahlrecht, sondern zum großen Zuchtwahlrecht. –
Nach der Bodenverstaatlichung wird jeder über das gesamte deutsche Reich, und, wenn sie allgemein eingeführt wird, über die ganze Welt verfügen. Verglichen damit sind die jetzigen Könige die reinen Bettler. Jedes neugeborene Kind, ob ehelich oder unehelich, wird 540 932 Geviertkilometer, 54 Millionen ha Land zu seiner Verfügung haben. Und jeder wird freizügig, keiner mehr wie die Pflanze an die Scholle gebunden sein. Jeder, dem die heimatliche Luft nicht zusagt, dem die Gesellschaft nicht gefällt, der aus irgend einem Grunde einen Platzwechsel wünscht, löst seinen Pachtvertrag und zieht fort. Dadurch werden die verschiedenen deutschen Stämme, die, wie zur Zeit der Leibeigenschaft, an der Scholle kleben und von der schönen Welt nie etwas anderes als ihren Kirchturm gesehen, in Bewegung geraten und neue Sitten, neue Arbeitsverfahren, neue Gedanken kennen lernen. Die verschiedenen Stämme werden sich kennen lernen und auch einsehen, daß keiner besser als der andere ist, daß wir allesamt nur eine schmutzige, lasterhafte Gesellschaft gebildet haben. Und da, wie bekannt, man sich des Lasters in der Regel vor Fremden mehr schämt als in der Heimat vor Bekannten und Verwandten, so ist anzunehmen, daß der Verkehr mit Fremden die Sitten strenger und reiner machen wird.
Aber die Bodenverstaatlichung dringt umgestaltend in das innerste Wesen des Menschen: den gemeinen Knechtssinn, der aus der Zeit der Leibeigenschaft noch dem Menschen anhaftet (dem Herrn nicht weniger als dem Knechte), weil das Sondereigentum am Boden, diese Grundlage der Leibeigenschaft, noch fortbesteht, diesen knechtischen Sinn wird der Mensch mit dem Privatgrundbesitz endgültig abschütteln; er wird sich wieder aufrichten wie eine junge Tanne, die, vom niederzwingenden Gewichte des Schnees befreit, kerzengrade wieder emporschnellt. »Der Mensch ist frei, und wär' er in Ketten geboren.« Allen Einflüssen paßt sich der Mensch an, und jeder Schritt auf der Bahn der Anpassung kommt durch Vererbung dem kommenden Geschlechts zugute. Nur in bezug auf die Knechtschaft findet keine Vererbung statt; nicht einmal Narben wird das Privatgrundeigentum in der Gesinnung der Knechte zurücklassen.
Von dieser wurzelechten, weil wirtschaftlich begründeten Freiheit, die uns die Bodenverstaatlichung bringt, dürfen wir daher mit Recht alle die Früchte edlerer Gesittung erwarten, die wir bisher umsonst einzuheimsen hofften. Muß der politische Friede im Innern nicht auch nach außen sich bemerkbar machen, wie die Zufriedenheit im inneren Menschen sich in seinen Gesichtszügen widerspiegelt? Der herrische, gemeine, rohe Ton, der sich als natürliche Frucht der gemeinen Gesinnung, die die Grundrente großzieht, in den politischen Verhandlungen einbürgert, mußte auch unsere auswärtige Politik beeinflussen. Wir sind durch den ewigen Widerstreit der Interessen, den das Privatgrundeigentum mit sich bringt, gewöhnt worden, in jedem Nachbarn, in jedem Nachbarvolk nur Feinde zu sehen, die uns Böses wollen und gegen die wir uns wappnen müssen, wenn es nicht angeht, augenblicklich über sie herzufallen und sie zu erschlagen. Denn nicht als Menschen und Brüder stehen sich die Völker gegenüber, sondern als Grundeigentümer. Schafft man hüben und drüben das Eigentum am Boden ab, so wird damit der Zankapfel beseitigt. Es bleiben dann anstelle der Grundrentner nur Menschen, die vom gegenseitigen Verkehr nur Befruchtung ihrer Berufstätigkeit, ihrer Religion, ihrer Kunst, Gesittung, Gesetzgebung, niemals aber Schaden erwarten können. Nach der Bodenverstaatlichung wird niemand mehr durch die Höhe der Grundrente berührt, und wenn das in allen Nachbarländern der Fall ist, wer würde sich dann noch um Grenzzölle kümmern, die den Verkehr der Völker verpesten, Zwietracht stiften, zu Abwehrmaßnahmen führen und alle Beziehungen so verwirren, daß sich die Völker nicht anders als durch Pulver und Blei wieder Luft machen können? Mit der Bodenverstaatlichung und noch mehr durch die im 4. Teil dieses Buches dargestellte Freigeld-Einführung bürgert sich der Freihandel von selbst ein. Lassen wir den vollen Freihandel nur einige Jahrzehnte sich frei entwickeln und entfalten, und wir werden bald sehen, wie innig das Wohl der Völker mit der Förderung und Aufrechterhaltung dieses Handels verknüpft ist, mit welcher Liebe gute Beziehungen zu den Nachbarvölkern vom ganzen Volke gepflegt werden, wie die Familien hüben und drüben durch Bande der Blutsverwandtschaft fest aneinander gekettet werden, wie die Freundschaft zwischen Künstlern, Gelehrten, Arbeitern, Kaufleuten, Geistlichen alle Völker der Welt zu einer einzigen, großen Gesellschaft verketten wird, zu einem Völkerbund, den die Zeit und die Einzelbestrebungen immer nur inniger und fester schnüren, bis zum Verschmelzen der Teile zusammenschweißen können.
Ohne Privatgrundrenten gibt es keinen Krieg mehr, weil es keine Zölle mehr gibt. Die Bodenverstaatlichung bedeutet daher gleichzeitig Weltfreihandel und Weltfriede.
Dieser Einfluß von Freiland auf Krieg und Frieden ist übrigens bis jetzt nur oberflächlich erforscht worden; es ist noch Neuland. Der Bund deutscher Bodenreformer hat hier nie geschürft. Hier ist Stoff für ein groß angelegtes Werk, dankbarer Stoff. Wer wird sich dieser Aufgabe unterziehen? Gustav Simons, Ernst Frankfurth, Paulus Klüpfel, die sich für diese Arbeit tiefgründig vorbereitet hatten, die auch die richtigen Männer für diese Arbeit waren, hat der Tod mitten aus ihrer Arbeit gerissen.
Einen schwachen Umriß dieser zu lösenden Aufgabe habe ich in der Abhandlung »Freiland, die eherne Forderung des Friedens« zu geben versucht, mit der dieser 2. Teil des Buches eingeleitet ist.
In bezug auf das allgemeine Lohngesetz ist nur zu sagen, daß mit der Bodenverstaatlichung und nach Tilgung der Schuld
die gesamten Grundrenten in den Lohnschatz
ausgeschüttet werden und daß dann der allgemeine Arbeitsertrag gleich sein wird dem gesamten Arbeitserzeugnis, abzüglich Kapitalzins.