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17. Gold und Frieden?

 

»Ehret Lykurg, er ächtete das Gold,
die Ursache aller Verbrechen.«

Pythagoras.

 

Der Bürgerfrieden ist die Bedingung für jenen Geist, der uns allein den dauernden Völkerfrieden bringen kann. Aber der Bürgerfrieden einerseits und Vorrechte, Zinsen, arbeitsloses Einkommen anderseits, kurz, Bürgerfrieden und Rentnertum sind Gegensätze. Die Renten und Zinsen, das sogenannte Recht auf den fremden Arbeitsertrag, müssen, sofern wir uns des Bürgerfriedens und durch ihn des Völkerfriedens erfreuen wollen, rest- und spurlos geopfert werden.

Der Völkerfrieden ist nicht so billig zu haben, wie manche Friedensfreunde sich das noch immer vorstellen, indem sie uns die Ersparnisse an den Rüstungsausgaben als Werbemittel für ihre Anschauung vor Augen führen. Ach, diese Kriegsrüstungen sind ja nur ein Pfifferling gegenüber den Kosten der Friedensrüstungen! Ein Pfifferling, von dem man in einer so großen Sache nicht reden sollte. In Deutschland betrugen die Heeresausgaben in Friedenszeiten nur 1 Milliarde, die Friedensrüstung aber verlangt dort die Preisgabe von 20 Milliarden jährlich an Grundrenten und Kapitalzinsen. Also das Zwanzigfache.

Gewiß, ein papierner Friedensvertrag ist billiger, aber was nützen solche Verträge? Die Verträge mit Belgien und Italien waren auch aus Papier und haben sich als Papier erwiesen. Verträge gelten nur, solange sie beiden Teilen gerecht werden, also solange man sie nicht braucht und sie eigentlich überflüssig sind. Sie zerfallen regelmäßig in ihren Grundstoff, in Papier, sobald die Entwicklung des Vertragsgegenstandes der einen Partei nachteilig wird. Die ganze Hohlheit dieser papierenen Verträge erkennt man sofort, wenn man versucht, den Bürgerfrieden auf ihnen zu begründen. Frage man doch die Arbeiterführer, ob sie vor der Staatsverfassung Halt machen würden. Eine Verfassung aber, die uns den Bürgerfrieden dauernd gewährleisten könnte, muß in den Dingen liegen. Gerechtigkeit gegen alle Bürger, restlose Beseitigung des arbeitlosen Einkommens, das ist die Verfassung, die keines Papieres bedarf und die gegen jeden Verfassungsbruch geschützt ist.

Nehmen wir aber einmal den Fall an, daß durch ein System von Bündnissen und Verträgen, durch Abrüstung, Schiedsgerichte usw. die Völker derart aneinander gekettet würden, daß Kriege überhaupt unmöglich gemacht werden. Solches kann man sich jedenfalls vorstellen. Aber da fragt man sich: was setzen wir an die Stelle des Völkerkrieges, dieses altbewährten Sicherheitsventils gegen den Ausbruch des Bürgerkrieges, des Weltbürgerkrieges, der der bürgerlichen Gesellschaft schon öfters in Gestalt des Generalstreiks angedroht wurde, bisher aber immer noch wegen unzureichender Streikrüstung unterblieb? Die Entwicklung der Dinge nach den in ihnen liegenden Richtpunkten duldet keine Unterbrechung, und in Friedenszeiten geht die Entwicklung schnell, für die, die sie zu fürchten haben, sogar rasend schnell vonstatten. Noch ein oder zwei Jahrzehnte Frieden, und die internationale Arbeiterorganisation wäre zum Losschlagen bereit gewesen. Das wäre der Weltbürgerkrieg geworden, der genau wie der jetzt tobende Krieg, in der ganzen Welt, in allen Städten und Dörfern mit allen Mitteln bis zum siegreichen Ende, d.h. bis zur Bezwingung des Gegners geführt werden wird. An diesem Weltbürgerkrieg entzündet sich aber, so sicher wie der Tod, der Völkerkrieg wieder. Die Dinge verlaufen dann so, daß die Staaten, deren Proletariat der Umsturz der kapitalistischen Ordnung »geglückt« ist und die zur kommunistischen Wirtschaftsweise übergegangen sind, infolge der solcher Wirtschaft von Natur anhaftenden Mängel bald ins Hintertreffen kommen und dann den Staaten nicht widerstehen können, die die Empörung niedergeknallt und die kapitalistische »Ordnung« gerettet haben.

Denn, daß die herrschenden Klassen die Empörung des Proletariats zur Rettung ihrer Vorrechte rücksichtslos und blutig zu unterdrücken versuchen werden, das wird auch der Hoffnungsselige zugeben.

Was nützen aber, so fragt man, unter derartigen Verhältnissen die Bemühungen um den Völkerfrieden? Hat es einen vernünftigen Sinn, für den Völkerfrieden zu arbeiten und dabei seine Unterlage, den Bürgerfrieden, unbeachtet zu lassen? Nennt man das nicht auf Flugsand bauen? Dachausbesserungen an einem Bau vornehmen, dessen Grundmauern untergraben werden? So, wie die Dinge liegen, bedeutet der Völkerfrieden ein bloßes Abdichten der Sicherheitsventile der heute in der ganzen Welt herrschenden Gesellschaftsordnung, also nur eine Verkürzung der Galgenfrist bis zum großen Weltbrand.

Ist es nicht im Gegenteil vielleicht besser und menschlicher, wir lassen die Sicherheitsventile unseres Kapitalismus wie bisher weiter arbeiten, bis wir die Grundlagen des echten Bürgerfriedens gefunden haben und ein Abkommen der Eintracht ( contrat social) abschließen, von dem wir sagen können: »es währet ewig«? Was wir nach diesem Weltkrieg machen werden, das wissen wir. Der Krieg nimmt irgend ein Ende. Man wird überall auf Schutthaufen sitzen und sich die Eitergeschwüre mit Scherben auskratzen. Doch wir werden auf Grund einer technisch bewahrten Wirtschaftsordnung arbeiten und infolgedessen leben. Was aber nach Ausbruch des Weltbürgerkrieges geschehen soll, darüber machen sich die, die ihn einst entfesseln werden, keine Kopfschmerzen. Es geht dann, wie es immer gegangen ist, dem völligen Untergang entgegen.

Diese Darlegungen bezwecken, alle, die den Frieden auf Erden herbeisehnen, auf den bestehenden Zusammenhang zwischen Bürger- und Völkerfrieden aufmerksam zu machen und ihnen gleichzeitig im Gold den allgemeinen Störenfried zu entlarven, den wir mit gewichtigen Gründen als den Erbfeind der Menschheit, als die wahre Ursache des Zerfalles des Volkes in Klassen, des Bürgerkrieges, und letzten Endes auch der Völkerkriege bezeichnen müssen.


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