Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Also der Staat kauft den gesamten Privatgrundbesitz auf und zwar Ackerboden, Wald, Bauplätze, Bergwerke, Wasserwerke, Kiesgruben, kurz alles. Der Staat bezahlt auch das Gekaufte, er entschädigt die Grundbesitzer.
Der zu bezahlende Preis richtet sich nach dem Pachtzins, den das Grundstück bisher einbrachte oder einbringen würde. Der ermittelte Pachtzins wird dann zum Zinssatz der Pfandbriefe kapitalisiert Die Grundrente »kapitalisiert« man durch Ausrechnung der Geldsumme, die an Zins so viel einbringt, wie der Boden Rente abwirft. und der Betrag den Grundbesitzern in verzinslichen Schuldscheinen der Staatsanleihe ausbezahlt. Kein Pfennig mehr noch weniger.
Wie kann aber der Staat solche gewaltigen Summen verzinsen? Antwort: Mit dem Pachtzins des Bodens, der ja nunmehr in die Staatskasse fließt. Dieser Ertrag entspricht der Summe der zu zahlenden Zinsen, keinen Pfennig mehr, keinen Pfennig weniger, da ja die Schulden die kapitalisierte Grundrente des Bodens darstellen.
Angenommen, der Boden bringt jährlich 5 Milliarden an Pacht ein, dann hat der Staat als Entschädigung bezahlt bei einem Zinsfuß von 4%: 5 000 000 000 x 100 : 4 = 125 Milliarden. Diese Summe zum gleichen Fuß verzinst gibt aber auch 5 Milliarden. Also Soll = Haben.
Vor der Größe dieser Zahlen braucht niemand zu erschrecken. Zurzeit (Nov. 1919) ist allerdings kaum noch etwas da, was abzulösen wäre. Die Verschuldung des Reiches, die als erste Hypothek sich auswirkt, wird die Rente zum größten Teil aufzehren. Für den Preis eines kleinen Bauernhofes in der Schweiz kann man schon ein ansehnliches Rittergut in Deutschland kaufen. Die Größe des »Soll« mißt man an der Größe des »Haben«. An sich ist nichts groß noch klein. Die Franzosen, die schon mit 35 Milliarden Staatsschulden und ebensoviel Bodenschuldzinsen belastet sind, häufen noch immer Milliarden auf Milliarden an fremden Staatspapieren auf. (Vor dem Krieg.) Das Becken ist eben groß und faßt viel. Ebenso wäre es mit der Schuld der Bodenverstaatlichung. Dem großen »Soll« wird ein gleich großes »Haben« entsprechen. Es wäre darum auch völlig überflüssig, eine Berechnung dieser Summe im voraus vorzunehmen. Sind es 100 Milliarden, gut; sind es 500 Milliarden, auch gut. Es ist für die Finanzen des Reiches nichts als ein Durchgangsposten. Diese Milliarden werden durch die Staatskassen pilgern, ohne eine Spur zu hinterlassen. Erschrickt denn ein Bankmann, dem man ein Vermögen in Verwahrung gibt? Erschrickt der Präsident der Reichsbank vor den Riesensummen, die durch sein – Tintenfaß gehen? Der Vorsitzende der Reichsbank schläft nicht weniger gut als der Leiter der Bank von Helgoland. Sind denn etwa die Schulden des preußischen Staates drückender geworden, seitdem dort mit Schuldscheinen die Eisenbahnen gekauft wurden?
Gewiß, die Einwendung ist berechtigt, daß mit der Übernahme der Bodenverstaatlichungsschuld ein Wagnis verbunden ist, insofern als die Höhe der Grundpachten von schwankenden Bestandteilen der Volkswirtschaft (Zölle, Bahnfrachtsätze, Löhne, Währung) bestimmt wird, während die Zinsen der Schulden, wie auch die Schuld an sich, auf dem Papier festgesetzt sind.
Das ist wahr, aber betrachten wir uns doch einmal diese schwankenden Bestandteile der Grundpacht vom Standpunkt derjenigen, die obige Einwendung machen, also vom Standpunkt der Grundbesitzer selber. Wie haben sich denn die Grundbesitzer bisher gegen einen Rückgang der Grundrenten gewehrt? Haben sie sich nicht immer in solchen Fällen um Hilfe an den Staat gewandt, und die ganze Last ihrer Not auf denselben Staat abgewälzt, den sie jetzt gegen genannte Verlustmöglichkeit in Schutz nehmen wollen? Wobei sie natürlich zu erwähnen unterlassen, daß, wo ein Wagnis ist, in der Regel auch eine entsprechende Gewinnmöglichkeit ist und daß sie selbst zwar den Verlust auf den Staat abzuwälzen pflegen, die Gewinne aber immer voll für sich beanspruchen. Die Rolle, die der Staat dem Privatgrundbesitz gegenüber gespielt hat, ist bislang immer die eines Nietenziehers bei Lotterien gewesen. Dem Staate die Nieten – dem Grundbesitzer die Gewinne. Tatsache ist, daß, so oft auch die Grundrenten stiegen, die Bezieher dieser Renten noch nie den Vorschlag gemacht haben, dem Staat zurückzuerstatten, was sie in Zeiten der Not von ihm erhielten. Ursprünglich halfen sich die Grundrentner in der Regel selber; sie verschärften die Sklaverei, die Leibeigenschaft. Als diese nicht mehr aufrechterhalten werden konnte, mußte ihnen der Staat durch Beschränkung der Freizügigkeit helfen, wodurch der Lohn unter seine, durch die Freizügigkeit geebnete, natürliche Höhe gedrückt wurde. Als solche Mittel zu gefährlich wurden, sollte der Staat mit dem Doppelwährungsschwindel helfen, das heißt, der Staat sollte die Währung preisgeben, um durch eine unübersehbare Preistreiberei die Klasse der Grundrentner (der verschuldeten Grundeigentümer) auf Kosten anderer Bürger von der Last der Schulden zu befreien. (Dieser Satz wird denen, die in den Währungsfragen noch vollkommene Neulinge sind, später besser verständlich sein.) Als der Versuch am Widerstand der anderen Rentnerklasse, der Zinsrentner, scheiterte und mit der rohen Macht das Ziel nicht erreicht werden konnte, da verlegten sich die Grundrentner aufs Betteln, Klagen, da begründeten sie ihre Forderung nach Sperrzöllen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit der sogenannten Not der Landwirtschaft. Um die Grundrenten zu retten und zu erhöhen, sollten die Volksmassen höhere Brotpreise zahlen. Immer ist es also der Staat, das Volk, gewesen, das die mit dem Grundbesitz verbundene Verlustgefahr gutwillig oder zwangsweise auf sich nahm. Die Verlustgefahr, die von einer so breiten und ausschlaggebenden Volksklasse, wie die der Grundbesitzer ist, getragen wird, ist in Wirklichkeit gleichbedeutend mit einer Verlustgefahr der Staatskasse. Mit der Bodenverstaatlichung würden sich diese Verhältnisse nur insofern ändern, als nun dem Staate als Entgelt für die Gefahr des Verlustes auch die Gewinnmöglichkeiten zufallen würden.
Übrigens liegt, volkswirtschaftlich betrachtet, im Rückgang der Grundrenten überhaupt keine Verlustgefahr; selbst der vollkommene Wegfall der Grundrenten wäre volkswirtschaftlich betrachtet kein Verlust. Dem Steuerzahler, der mit seiner Arbeit neben den Steuern heute noch die Grundrenten aufzubringen hat, kann, wenn die Grundrenten wegfielen, der Staat entsprechend mehr Steuern aufbürden. Die Steuerkraft des Volkes steht immer im umgekehrten Verhältnis zur Kraft der Rentner. In Frankreich fiel im Durchschnitt der Jahre 1908-1912 die Grundrente gegen den Durchschnitt von 1878-1881 um 22¼ %. Die Bodenpreise fielen um 32,6%, 1879/81 kostete 1 ha noch fr. 1830, 1908/12 nur noch fr. 1244. – Grundbesitz und Realkredit 18. April 1818.
Unmittelbar gewinnt und verliert niemand durch den Rückkauf des Grundbesitzes. Der Grundeigentümer zieht aus den Staatspapieren an Zins, was er früher an Rente aus dem Grundeigentum zog, und der Staat zieht an Grundrente aus dem Grundeigentum das, was er an Zins für die Staatspapiere zahlen muß.
Der bare Gewinn für den Staat erwächst erst aus der allmählichen Tilgung der Schuld mit Hilfe der später zu besprechenden Geldreform.
Mit dieser Umgestaltung wird der Zinsfuß in kürzester Zeit auf den niedrigsten Weltverkehrsstand sinken und zwar ganz allgemein für das Geld- und Industriekapital, und bei internationaler Annahme der grundlegenden Gedanken der Geldreform wird der Zins des Kapitals auf der ganzen Welt bis auf Null zurückgehen.
Darum wird man auch guttun, den Inhabern der Bodenverstaatlichungsanleihen als Zins nur so viel zu versprechen, wie nötig sein wird, um den Kurs dieser Papiere dauernd auf 100 (pari) zu erhalten. Denn der Kurs festverzinslicher Papiere muß alle Schwankungen mitmachen, die der Kapitalzins erleidet. Soll daher der Kurs der Staatspapiere fest bleiben, so muß ihre Verzinsung frei bleiben. Diese muß mit dem allgemeinen Kapitalzins auf- und abgehen – nur so kann das Wucherspiel (Spekulation) von den Staatspapieren ferngehalten werden. Es wird aber für das Gemeinwohl vorteilhaft sein, ein Kapital von 2-300 Milliarden vor den Raubzügen der Börsenspekulanten durchaus zu sichern, zumal die Schuldscheine der Bodenverstaatlichungs-Anleihen vielfach in die Hände völlig unerfahrener Leute gelangen werden.
Sinkt also infolge des gleichzeitig mit der Bodenverstaatlichung einzuführenden Freigeldes der allgemeine Kapitalzins, so wird damit auch von selbst der Zinsfuß der Bodenverstaatlichungs-Anleihen zurückgehen, von 5 auf 4, 3, 2, 1 und 0%.
Dann werden die Finanzen der Bodenverstaatlichung folgendes Bild zeigen:
Betragen die Grundrenten jährlich | 10 Milliarden |
so hat der Staat bei einem Zinsfuß von 5% an Entschädigung an die Grundbesitzer | 200 Milliarden |
zu bezahlen gehabt, und bei einem Zinsfuß von 4% | 250 Milliarden |
Zur Verzinsung von 200 Milliarden zu 5% gehören | 10 Milliarden |
Sinkt nun der allgemeine Kapitalzins auf 4%, so genügen zur Pariverzinsung der 200 Milliarden jährlich | 8 Milliarden |
während die Grundrenten zunächst auf dem gleichen Stand bleiben von | 10 Milliarden |
So entsteht im Soll und Haben der Bodenverstaatlichungs-Finanzen ein Überschuß von jährlich | 2 Milliarden, |
der zur Schuldentilgung herangezogen wird und nun nicht mehr verzinst zu werden braucht, während die Grundrenten weiter in den Staatssäckel fließen. Dieser jährliche Überschuß wächst in demselben Verhältnis, wie der allgemeine Kapitalzins zurückgeht, und erreicht bei Null schließlich den vollen Betrag der Grundrenten, die allerdings mit dem Rückgang des Zinses ebenfalls sinken werden, wenn auch nicht im gleichen Maße. (S. Teil I, Abschn. 14.)
In diesem Falle wäre die ganze, gewaltige, aus der Bodenverstaatlichung entstandene Reichsschuld in weniger als 20 Jahren vollständig getilgt.
Erwähnt sei noch, daß der jetzige, außergewöhnlich hohe Zinsfuß der Kriegsanleihen, den man als Grundlage für die Entschädigungsberechnung (Kapitalisierungsrate) benutzen würde, ganz besonders günstig für die Bodenverstaatlichung wäre – denn je höher der Zinsfuß – um so kleiner der als Entschädigung an die Grundbesitzer zu zahlende Übernahmepreis.
Für je 1000 Mark Grundrente müssen an Entschädigung den Grundbesitzern gezahlt werden:
bei 5% = 20 000 Mark Kapital
bei 4% = 25 000 Mark Kapital
bei 3% = 33 333 Mark Kapital
Ob es wünschenswert ist, die Übergangs- oder Eingewöhnungsfrist, die nach obigem Tilgungsentwurf den Grundbesitzern bewilligt wird, noch mehr zu verkürzen, das mögen andere entscheiden. An Mitteln dazu wird es nicht fehlen. Die Umgestaltung unseres Geldwesens, wie sie im 4. Teil dieser Schrift vorgeschlagen wird, ist von erstaunlicher Leistungsfähigkeit. Freigeld entfesselt die Volkswirtschaft, beseitigt alle Hemmungen, bringt die durch die neuzeitlichen Arbeitsmittel ins Ungeheuerliche angewachsene Schaffenskraft des geschulten heutigen Arbeiters zur vollen Entfaltung, ohne daß es noch zu Stockungen (Krisen) und Arbeitseinstellungen kommen kann. Die Einnahmen des Staates, die Steuerkraft des Volkes werden ins Ungeahnte steigen. Will man also diese Kräfte zur schnelleren Tilgung der Staatsschulden heranziehen, so kann der oben angegebene Zeitraum noch sehr verkürzt werden.