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26. Dez. 16
Lieber Jakob,
wieder bei Kerzenlicht und Tabaksqualm im Unterstand sitzend, gibt es nur ein Gefühl: das (mehr oder weniger melancholisch gefärbte) resignierende des Zuwartens. Weihnachten, hier im Unterstand und Graben, war weder süß noch sauer. Vermißt haben wir fast alle die Heimatpost – nur von Dir erhielt ich den Brief mit dem andern nach F.-Stadt geschickten. Fummelt mir nicht zuviel an meinen Gedichten herum – schließlich soll das Buch doch werden, wie ich es möchte. Da wir hier dauernd im Graben liegen, sind wir von aller Welt so gut wie abgeschnitten – weder Zeitungen noch Märzheft vom 9. Dezember daher zu erlangen. »Schulter an Schulter« möchte ich schon ganz gern an Heuss schicken – wenn ich nur ein Exemplar hätte! Dann noch: der Tüncher In der Sammlung »Schulter an Schulter« war für Engelke zur Bezeichnung des beruflichen Herkommens »Tüncher« angegeben worden. Meinethalben kann der Tüncher Euretwegen stehenbleiben. Doch Erklärendes: der Handwerker-Maler, der Tür, Wand und Decke streicht, lackiert oder dekoriert, heißt in Norddeutschland eben (was ich ja auch bin!) Maler. Tüncher oder Anstreicher sind Leute, die keine Lehrzeit, keine Handwerksfähigkeit haben. Wozu also Tüncher? um künstlich das Proletenhafte der Herkunft zu steigern? Wenn ein Redakteur und ein Kesselschmied dasteht, kann auch ein Maler dastehen. Übrigens ist es im Grunde Unsinn, die Gewerbe usw. der Verfasser voranzusetzen – denn jede Arbeit wird an sich, nach ihrem Wert beurteilt, gleichgültig, ob sie von einem Gelehrten oder Berufs-Künstler oder einem Arbeiter herrührt. Viele Worte um einen unbedeutenden Brei.
Las eben: Phantasien im Bremer Ratskeller von Hauff. Famos!
Wann werden wir endlich mal mit einem anständigen Tropfen die ersten friedlichen Tage wieder begießen?
Grüß mir Winckler, Lersch ...
Dein Gt.