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Ueberschrift: »Gudrun geht von dannen«.
Nun sagt jedermann, so diese Märe hört, daß nicht mehr auf der Welt ist und nimmermehr geboren werden wird ein solcher Mann, wie Sigurd war in jeglicher Hinsicht; und sein Name wird nimmer verklingen in deutscher Zunge noch in den Nordlanden, dieweil die Welt steht.
Es wird gesagt, eines Tages, da Gudrun in ihrer Kammer saß, da sprach sie: | »Besser war da mein Leben, als ich Sigurd hatte! So übertraf er alle Männer, wie Gold das Eisen, oder der Lauch das andere Gras [überragt], oder der Hirsch andere Thiere; bis meine Brüder mir einen solchen Mann mißgönnten, der trefflicher war als alle. Nicht konnten sie schlafen, bevor sie ihn erschlugen. Laut schnob Wörtlich: »Großes Getöse machte Grane.« Grane, als er seinen Herrn Eigentlich »Lehnsherrn«. verwundet sah. | Darauf redete ich mit ihm wie mit einem Menschen, er aber senkte das Haupt zur Erde: ||163) er wußte, daß Sigurd gefallen war.«
Darnach entwich Gudrun in den Wald, und hörte allerwegen um sich Wolfsgeheul, und es däuchte ihr da angenehmer zu sterben. Gudrun ging, bis sie zu König Half Man hat angenommen, daß dieser Half identisch sei mit Alf, Hjalprek's Sohn, dem Stiefvater Sigurd's, doch ist das zweifelhaft. kam; und weilte da bei Thora, Hakons Tochter, in Dänemark sieben Halbjahre, und fand da sehr freundliche Aufnahme. Und [jene] legte ihr ein Gewebe an Eigentlich: »schoß den Einschlag ins Gewebe über ihr,« vgl. oben S. 144***. und bildete darauf viele Heldenthaten ab und schöne Spiele »Kämpfe« waren gewiß gemeint, wenn es in der Quelle ( Gudr. II, Str. 14, 6) heißt: léku, was »kämpften« sowohl wie »spielten« bedeuten kann., die in jener Zeit üblich waren; Schwert und Panzer und alle Kriegsrüstung; die Schiffe König Sigmund's, wie sie vom Lande stießen; und das stickten sie, wie sie sich schlugen, Sigar und Siggeir Siggeir ist doch wohl der oben erwähnte Gatte Signy's; aber Sigar? Ist es der oben (S. 120) genannte Vater jener andern Signy, der Geliebten des Hagbard? Man möchte in diesem Zusammenhange eher Sigmund erwarten, zumal die Darstellung offenbar für Gudrun besonderes Interesse haben soll., südlich auf Fjon. á Fjóni (Fühnen)? Gudr. II, Str. 15, 8 á Fívi, d. i. Fife in Schottland. Damit ergötzten sie sich, und tröstete sich Gudrun nun in etwas über ihren Harm.
Das vernahm Grimhild, wo Gudrun geblieben war; sie berief ihre Söhne zu einer Unterredung, und fragte, wie sie Gudrun ihren Sohn und Mann büßen wollten, und sagte, daß das ihre Schuldigkeit sei. | Gunnar (sprach und) erklärte sich bereit ihr Gold zu geben und ihr so ihren Harm zu büßen. Der plötzliche Drang nach Aussöhnung und der (Eifer, mit dem nach erfolgter Aussöhnung die Vermählung Gudrun's mit Atle betrieben wird, zeigen, daß Atle (zur Sühne für Brynhild's Tod) Gudrun verlangt und andernfalls mit Krieg gedroht hatte, was Dr. Nifl. Z. 1-4 berichtet ist (vgl. Germ. 23,337, auch oben S. 141***).
Sie sandten nach ihren Freunden, und rüsteten ihre Rosse, Helme und Schilde, Schwerter und Brünnen und allerlei Waffenrüstung; diese Fahrt war aufs prächtigste Eigentlich: »höfischste«. ausgerüstet, und kein Held, der bedeutend war, saß daheim. Ihre Rosse waren geharnischt, und jeder Ritter hatte entweder einen vergoldeten Helm oder einen spiegelblanken. D. h. blankpolirten. Grimhild begab sich mit ihnen auf die Fahrt: sie sagte, daß ihr Vorhaben um so eher von Erfolg sein werde, wenn sie nicht daheim bliebe. Sie hatten im ganzen fünfhundert Mann; auch hatten sie vornehme Männer mit sich: da war | Valdamar ||164) von Dänemark und Eymod und Jarisleif. In Gudr. II heißen sie: Valdar, Jarisleif, Eymod, Jariskar.
Sie gingen hinein in die Halle König Half's: da waren Langobarden Der Volksname scheint durch ein Mißverständniß von Gudr. II, Str. 20,3 hereingekommen, wo es heißt »des Langbarts [Atle's?] Gefolgsleute«, s. Beitr. 3, 238., Franken und Sachsen; sie gingen einher in voller Rüstung und hatten rothe Pelzmäntel übergeworfen, wie es im Liede heißt:
»Kurze Brünnen,
Gegossene
Nach Fritzner »hochragende« (?). Helme,
Schwertumgürtet,
Und hatten braunes Haupthaar.«
Sie wollten ihrer Schwester kostbare Gaben darbringen Eigentlich »auswählen«. und redeten freundlich mit ihr; aber sie traute ihrer keinem. Darauf gab Grimhild ihr einen Zaubertrank Eigentlich »unheilvollen Trank«. Es ist ein Vergessenheitstrank, wie sie ihn auch Sigurd reichte, oben S. 124 f., und mußte sie [den] annehmen, und gedachte seitdem keiner [an ihr begangenen] Schuld. Dieser Trank war gemischt mit der Erde Kraft und See und Sühnblut. »Blut ihres Sohnes« giebt unser Text, indem der Verfasser mißverständlich sonar statt sónar las. Ich habe Germ. 23, 339 vermuthet, daß Són-Blut den im Gefäße Són aufbewahrten Dichtermeth meine, die Worte sich also auf die den Trank wirksam machenden Zauberlieder beziehe. Unser Text lehnt sich an Gudr. II, Str. 22, wo der Ausdruck absichtlich dunkel ist, wie auch im Folgenden. Und in das Horn waren allerlei Runen geritzt und mit Blute geröthet, wie es hier heißt:
Es waren in dem Horne
Allerlei Runen
Geritzt und geröthet;
Nicht konnt' ich sie deuten;
Ein langer Haidwurm
D. i. Schlange., ||165)
Vom Lande der Haddinge
Haddinge (hochdeutsch Hartunge) in der nordischen Sage berühmte Helden. Das »Land der Haddinge« erklärt sich vielleicht als Anspielung auf Saxo Gr. S. 51 (s. Egilsson 284a, Bugge u. a.).
Eine ungeschnittene Aehre,
Eingeweide der Thiere.
Die letzte Halbstrophe ist dunkel und verschiedenartig zu deuten versucht. Man hat auch in den dunkeln Ausdrücken Bezeichnungen der eingeritzten Runenzeichen finden wollen, was das Naheliegendste und Ansprechendste wäre, wenn es sich durchführen ließe.
Es war in dem Biere
Viel Schlimmes beisammen,
Allerlei Kräuter
Eigentlich: »Kräuter (Laub?) von allerlei Bäumen«.,
Verbrannte Eichel,
Ruß des Herdes,
Opfer-Gedärme,
Gesottene Schweinsleber,
Da sie Hader stillte.
Und darauf, als ihr Wille überein gekommen, war große Freude. Da sprach Grimhild, als sie Gudrun traf: »Wohl ergeh es dir, Tochter! | ich gebe dir Gold und allerlei Kleinode, daß du sie empfangest nach deinem Vater D. h. nach dem Tode deines Vaters., köstliche Ringe und Bettvorhänge von hunischen Vgl. oben S. 154**. Maiden, so die feinsten sind. Damit ist dir dein Mann gebüßt. | Sodann sollst du dich dem König Atle, dem mächtigen, vermählen, so wirst du seines Reichthums schalten; und laß nicht von deinen Blutsfreunden um Eines Mannes willen, sondern thu vielmehr, wie wir bitten.« | Gudrun antwortete: »Nimmer will ich den König Atle [zum Gatten] haben, und nicht ziemt es uns beiden, Nachkommen zusammen zu gewinnen.« Wörtlich: »das Geschlecht zu mehren«. Grimhild erwiderte: »Nicht sollst du jetzt an Hader gedenken; und gehab dich, als ob Sigurd und Sigmund Sigurd's mit ihm ermordeter Sohn, s. oben S. 1273. [noch] lebte, wenn du mit Atle ||166) Söhne hast.« Gudrun sprach: »Nicht kann ich die Gedanken von ihm wenden; er war trefflicher als alle.« Grimhild sagte: »Diesen König zu haben ist dir bestimmt, oder keiner sonst ist dir beschieden.« Das ist nicht etwa eine (höchst unpassende) Drohung, sondern Grimhild meint, Atle eigne sich besser als jeder andre für Gudrun zum Gemahl. Gudrun sprach: »Bietet mir nicht den König [zum Gatten], von dem eitel Unheil ausgehn wird für dies [unser] Geschlecht; und wird er deinen Söhnen Uebles anthun, und darauf wird es grausam an ihm gerochen werden.« Grimhild ward traurig über ihre Vorstellungen (wegen ihrer Söhne? D. h. über das Schicksal ihrer Söhne (nach Bugge zu streichen, doch vgl. Gudr. II, Str. 33, 3 ff.).), und (doch?) sie sprach: »Thu, wie wir bitten, auch sollst du dafür große Ehre und Freundschaft von uns haben, auch die Orte, die Vinbjarg und Valbjarg heißen.« Wörtlich: »diese Orte, die so heißen: Vînbj.« u. s. w. Ihre Worte waren von so großem Gewicht, daß dies vor sich gehn mußte Es ist wohl wieder an Grimhild's Zauberkunst zu denken, die ihrer Ueberredung besondere Wirksamkeit verleiht; s. oben S. 157*.. | Gudrun sprach: »Dies muß vor sich gehn, obschon gegen meinen Willen: und es wird wenig zur Freude, vielmehr zum Leide [gedeihen].«
Sodann stiegen sie Gudrun mit ihren Mägden, die mit Atle oder seinen Sendboten nach Hunenland fährt. auf ihre Rosse, und ihre Frauen wurden auf Wagen gesetzt, und reisten so sieben Tage zu Rosse, und andre sieben zu Schiffe, und die dritten sieben wieder zu Lande, bis daß sie zu einer hohen Halle kamen. Ihr Gudrun nämlich. Die Undeutlichkeit in unserm Texte beruht auf der lückenhaften Ueberlieferung des benutzten Liedes. ging dort eine große Menge entgegen, und da war ein herrlich Gastmahl bereitet, wie denn vorher zwischen ihnen Botschaft gewechselt war Zwischen Atle und den Gjukungen. Genauer: »Wie vorher Botschaft dazwischen gegangen war«, zwischen ihnen Benachrichtigung stattgefunden hatte., und dasselbe verlief ehrenvoll und mit großer Pracht. Bei diesem Gastmahle hielt Eigentlich »trank«, wie oben S. 126***. Atle seine Hochzeit mit Gudrun. | Doch nimmer wollte ihr Herz ihm entgegen lachen, und wenig freundlich war ihr Beisammenwohnen. ||167)