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Ueberschrift: »Sigurd's Geburt«.
Es wird nun gesagt, daß sie einen Knaben gebar, und der Knabe ward dem König Hjalprek gebracht. Der König ward froh, als er die scharfen »Durchdringenden«, wie wir von »durchbohrendem« Blick sprechen. Augen sah, welche er im Haupte hatte, und sagte, keinem werde er ähnlich oder gleich werden. Und er ward mit Wasser begossen Auch im Heidenthum ward das neugeborene Kind mit Wasser besprengt und ihm dabei der Name beigelegt. Wahrscheinlich ward das Erscheinen der Nornen, die das Schicksal des Kindes bestimmten (s. unten S. 87**), während dieser heiligen Handlung gedacht. (Vgl. Mannhardt, Germ. Mythen, S. 635 ff.) und Sigurd genannt. | Von ihm sagen alle überein, daß an Haltung und Wuchs keiner seines gleichen war. Er ward dort bei König Hjalprek mit großer Liebe aufgezogen. Und wo alle die vortrefflichsten Männer und Könige in alten Sagen genannt werden, | muß Sigurd vorangehen, was Stärke und Tüchtigkeit, Thatkraft und Kühnheit betrifft, so er voraus gehabt hat vor allen andern Männern im Nordtheil der Welt. Sigurd wuchs dort auf bei König Hjalprek, und jedes Kind liebte ihn. Jener (König Hjalprek nämlich) | verlobte Hiordis mit König Alf So auch Sinfj., nicht mit Hjalprek. und bestimmte ihr den Brautschatz.
| Regin hieß Sigurd's Pflegevater Daß Sigurd hier außer seinem Stiefvater noch einen Pflegevater hat (und zwar am Hofe selbst von letzterem erzogen wird), das erklärt sich aus Vermischung zweier verschiedener Sagengestalten: einer ältern (Sigurd wächst, ohne seine Eltern zu kennen, bei Regin im Walde auf) und einer jüngern (der obigen).; er war Hreidmar's Sohn; er lehrte ihn Kunstfertigkeiten, Brettspiel und Runen und in vielen Zungen zu reden, wie da gebräuchlich war für Königssöhne, und mancherlei andres. Einmal, da sie beide [allein] beisammen waren, fragte Regin Sigurd, ob er wisse, wie großen Hort sein Vater gehabt habe, und wer denselben in Obhut habe. Sigurd antwortete und sagte, daß die Könige ihn verwahrten. Regin sprach: »Trauest du ihnen völlig?« Sigurd sagte: »Es ziemt sich, daß sie ihn so lange verwahren, bis es mir dienlich ist, denn sie verstehn sein besser zu hüten, als ich.«
Ein ander ||111) Mal kam Regin zur Unterredung mit Sigurd und sprach: »Wunderlich ist es, daß du der Könige Roßknecht werden willst, und wie die Landstreicher einhergehen.« Sigurd antwortete: »Nicht ist es also, denn wir schalten über alles mit ihnen, und steht in unserer Gewalt, was wir haben wollen.« Regin sprach: »Bitt ihn, dir ein Roß zu geben.« Sigurd antwortete: »Sofort wird das [geschehen], wenn ich will.«
Sigurd ging nun zu den Königen. Da sprach der eine König zu Sigurd: »Was willst du von uns haben?« Sigurd antwortete: »Ein Roß will ich haben zu meiner Ergötzung.« Der König sprach: »Kiese dir selber ein Roß und was du etwa von unserm Gute haben willst.«
Andern Tages darauf fuhr Sigurd zu Walde, und begegnete einem alten Manne mit langem Barte Es ist wieder Odin, der auch sonst mit lang herabwallendem Barte gedacht wird. Einer seiner Beinamen ist »Langbart«., der war ihm unbekannt. Er fragte, wohin Sigurd zu fahren vorhabe. Der antwortete: »Ein Roß habe ich vor zu kiesen: sei mir behilflich dazu.« Er sprach: »Laß uns gehn und (die Rosse) zu dem Strome treiben, der Busiltiarn heißt.« Sie trieben die Rosse hinein in die Tiefe des Stroms, aber alle schwammen ans Land außer einem Hengste: den nahm Sigurd. Er war grau an Farbe, jung an Alter, groß von Wuchs und vielversprechend; Niemand war noch auf seinen Rücken gekommen. Der bärtige Mann sprach: »Dieser Hengst stammt von Sleipni Sleipni ( Sleipnir) ist Odin's achtbeiniges Roß, auf dem er im Sturm daherfährt., und er soll sorgfältig aufgezogen werden, denn er wird besser werden als jegliches Roß.« Da verschwand der Mann. Sigurd nannte den Hengst Grane, und es ist das der beste Hengst gewesen. Es war aber Odin, den er getroffen hatte.
Abermals sprach Regin zu Sigurd: »Zu wenig Gut habt ihr, und es macht uns Kummer, daß ihr laufet, wie die Dorfknaben: aber ich weiß dir großen Hort nachzuweisen und es ist wohl zu glauben, daß es Ehre bringt, ihn zu suchen, und Ansehen gewährt, wenn du ihn gewinnst.« Sigurd fragte, wo der wäre, und wer seiner hütete. Regin antwortete: »Er heißt Fafni und liegt nicht weit von hier entfernt, das heißt Gnita-Haide. Die niederdeutsche Sage verlegte diese Haide zwischen Paderborn und Mainz, wo sie im 12. Jahrhundert dem isländischen Abt Nikolaus gezeigt ward ( HS. 41). Und wenn du hinkömmst, wirst du sagen, daß du niemals größeren Reichthum an Gold an einer Statt sähest; und nicht bedarfst du mehr, ob du schon aller Könige ältester und berühmtester werden solltest.« Sigurd antwortete: »Ich kenne die Art dieses Wurmes, obschon ich noch jung bin, und ich habe erfahren, daß niemand ihm entgegen zu treten wagt wegen seiner Größe und ||112) seiner Bosheit.« Regin erwiderte: »Das hat nichts zu bedeuten. Der Wuchs ist nach Art der Lindwürme; und es ist viel mehr davon gemacht, als es ist. So würde es auch deine Vorahnen gedünkt haben; und wenn du auch vom Geschlechte der Volsungen bist, so wirst du doch nicht ihre Sinnesart haben, die sie zuvörderst genannt werden in Hinsicht auf jegliche Mannestugend.« »Mag sein,« erwiderte Sigurd, »daß wir [noch] nicht viel von ihrem Eifer oder ihrer Tüchtigkeit haben; doch ist nicht vonnöthen [sie] mir abzusprechen, denn ich bin noch wenig über Kindes Alter. Warum reizest du mich denn so sehr dazu?« Regin antwortete: »Davon handelt eine Geschichte, und die will ich dir erzählen.« Sigurd sprach: »Laß mich hören.«