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Achtundzwanzigstes Kapitel

Ueberschr.: »Zank der Königinnen Brynhild und G[udrun]«.

Es geschah eines Tages, daß sie zusammen zum Strome gingen, sich zu baden. Da watete Brynhild weiter hinaus in den Strom. Gudrun fragte, was das bedeuten solle. Brynhild antwortete: | »Warum soll ich mich hierin mit dir gleichstellen, eher als in andern Dingen? Die ausführlichere Schilderung in Sn. E. 119, 12 ff. zeigt die Situation deutlicher: die Königinnen waschen ihr Haar im Strome. Brynhild watet tiefer hinein (stromaufwärts), weil sie nicht das aus Gudrun's Haar triefende Wasser in ihr Haar kommen lassen will. Vgl. auch Nib.-Lied, Str. 814 ff.; Thidr. s. Kap. 320. Ich wähnte, daß mein Vater mächtiger sei denn deiner, und | mein Mann mehr Heldenthaten vollbracht habe und durch brennendes Feuer geritten sei; dein Mann aber war ein Knecht König Hjalprek's.« Dieser Vorwurf beruht auf Entstellung der Thatsachen, s. oben S. 86*. Gudrun antwortete voll Zorn: »Weiser wäre es von dir, zu schweigen als meinen Mann zu lästern: es ist aller Leute Rede, daß keiner seines gleichen auf die Welt gekommen sei in jeglicher Hinsicht; und nicht steht es dir wohl an, den zu lästern, der dein erster Gatte war: er erschlug Fafni und ritt durch die Waberlohe, da du ihn für König Gunnar hieltest, und er wohnte dir bei und nahm dir von der Hand den Ring Andvaranaut Vgl. oben S. 133*., und magst du den nun hier erkennen.« Brynhild sah nun den Ring an und erkannte ihn: da erbleichte sie, als wenn sie todt wäre. | Brynhild ging [sodann] heim, und sprach kein Wort am Abend.

Und als Sigurd zu Bette ging, fragte Gudrun: »Warum ist Brynhild so unfroh?« Sigurd antwortete: »Nicht weiß ich es genau; doch ahnt mir, daß wir es bald etwas genauer erfahren werden.« Gudrun sagte: »Warum ist sie nicht zufrieden mit ihrem Reichthum und Glücke und aller Männer Lobe, und hat [doch] den zum Gemahl bekommen, den sie wollte?« Sigurd sprach: »Wo hätte man sie je sagen hören Wörtlich: »Wo war sie da, als sie sagte«., daß sie glaubte den vortrefflichsten Mann ||148) zu haben oder denjenigen, den sie am liebsten haben wollte?« Gudrun antwortete: »Ich will morgen darnach fragen, wen sie am liebsten haben will.« Sigurd entgegnete: »Davon rath' ich dir ab, und du wirst es bereuen, wenn du das thust.«

Am Morgen saßen sie in ihrer Kammer, und war Brynhild schweigsam. Da sprach Gudrun Im Folgenden beruht die Prosa offenbar auf einem Wechselgespräch in Strophen.: »Sei fröhlich, Brynhild; betrübt dich unser Gespräch? oder was steht deiner Freude im Wege?« Brynhild erwiderte: »Eitel Bosheit treibt dich hierzu (zu dieser Frage), und hast du ein grausames Herz.« »Glaube nicht also (sagte Gudrun), und sag' es lieber.« Brynhild antwortete: »Frage nur nach dem, was besser für dich ist, zu wissen; das ziemt vornehmen Frauen. Gut ist es mit Gutem zufrieden zu sein D. h.: »In guter (glücklicher) Lage ist es leicht zufrieden zu sein«., da euch alles nach Wunsche geht.« Gudrun antwortete: »Zu früh ist's noch, sich dessen zu rühmen, und [doch?] ist dies von Bedeutung, diese [deine] Prophezeihung. Was rächt ihr an mir? Ich that euch nichts zu Leide.« Brynhild antwortete: | »Dessen sollst du entgelten, daß du Sigurd hast; ich gönne dir nicht sein zu genießen noch des vielen Goldes.« Gudrun antwortete: »Nicht wußte ich von eurer Verabredung, und wohl hätte mein Vater mir eine Heirath ausersehen können, ohne daß du dabei betheiligt gewesen wärest (?).« at hitt. Die gewöhnliche Uebersetzung: »Wenn du auch nicht darum gefragt wärest« scheint mir keinen Sinn zu geben. Ist gemeint: »Davon betroffen«, in deinem Verhältniß zu Sigurd? Brynhild entgegnete: »Nicht haben wir uns heimlich beredet, und haben uns doch Eide geschworen: und | ihr wußtet, daß ihr mich betroget, und das will ich rächen.« Gudrun antwortete: »Du bist besser vermählt, als du verdienst; und dein Uebermuth wird übel enden, und manche werden es entgelten.« | »Zufrieden wäre ich (sagte Brynhild), wenn du nicht einen vornehmeren Mann hättest, denn ich.« Gudrun antwortete: »Du hast einen so vornehmen Mann, daß es ungewiß ist, welcher der bedeutendere König ist und genug [hast du] an Gut und Herrschaft.« Brynhild antwortete: »Sigurd überwand Fafni, und das ist mehr werth als das ganze Reich König Gunnar's, wie es im Liede heißt:

Sigurd schlug den Wurm,
Fürder wird keiner
Je das vergessen,
So lange die Welt steht; ||149)
| Dein Bruder hingegen
Wagte weder
Durchs Feuer zu reiten
Noch hinüberzuspringen.

Gudrun erwiderte: »Grane wollte nicht ins Feuer rennen Wörtlich »rannte nicht«. unter König Gunnar, er aber hatte den Muth zu reiten: den darf man ihm nicht absprechen.« Brynhild antwortete: »Verhehlen wir es uns nicht: ich halte von Grimhild, deiner Mutter, nicht viel.« Gudrun antwortete: »Schmähe sie nicht, denn sie ist gegen dich wie gegen ihre [eigene] Tochter.« Brynhild erwiderte: | »Sie ist die Urheberin alles Unheils, das an uns nagt: sie brachte Sigurd schlimmen Trank Eigentlich: »Grimmes Bier«., so daß er meines Namens nicht [mehr] gedachte.« »Manch verkehrtes Wort redest du (sagte Gudrun), und solches ist eine arge Lüge.« Brynhild antwortete: »Genießet ihr so Sigurd's, wie ihr mich nicht betrogen habt! Zu der Ausdrucksweise vgl. Gudr. I, Str. 21, 1-4. Euer Beisammenwohnen ist ungehörig, und gehe es euch so, wie ich denke.« Gudrun antwortete: »Besser werde ich sein genießen, als du es wünschen möchtest; und keiner kann sagen Wörtlich: »keiner erlangte das«, »keinem ward das zu Theil«., daß er sich übergut mit mir gestanden hätte, auch nicht Ein Mal.« Brynhild antwortete: »Uebel redest du, und was dir entfährt, wird dich gereuen: doch wollen wir uns nicht mit Scheltworten befassen.« Gudrun antwortete: »Du schleudertest zuerst Scheltworte gegen mich; jetzt thust du, als wolltest du es wieder gut machen; doch Grimm steckt dahinter.« »Lassen wir das unnütze Gerede (sagte Brynhild). Lange schwieg ich von meinem Harme, der mir in der Brust wohnte: doch liebe ich deinen Bruder allein; – laß uns über anderes reden.« Wörtlich: »Beginnen wir eine andere Rede«. Gudrun antwortete: »Im Herzen bist du weit anders gesonnen.« Die übliche Uebersetzung: »Weit sieht dein Geist voraus« giebt keinen Sinn. Auch steht nicht fram »voraus«, sondern um fram »an – vorbei«, »über – hinaus«, also wörtlich: »Weit sieht dein Herz (Sinn) vorbei« (an dem, was du soeben versöhnlich geredet hast); also dem Sinne nach gleich Gudrun's voriger Antwort. – Hier endete das verlorene Wechselgespräch in Strophen.

Und daraus entstand großer Unfriede, daß sie zu dem Strome gingen, und daß sie (Gudrun) den Ring zeigte: davon kam ihr Wortwechsel.


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