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Ueberschrift: »Von Sigurd«. Das folgende bis S. 95 wird Sn. E. 118, 8-11 kurz berichtet.
Sigurd ritt nun fort lange Wege, bis daß er hinauf zum Hindarfjall kam, und richtete seinen Ritt gen Süden nach Frankenland. Auf dem Berge sah er ein großes Licht, als wenn ein Feuer brennte, und es leuchtete davon auf zum Himmel. Als er aber heran kam, stand da vor ||125) ihm eine Schildburg Aus zusammengesetzten Schilden hergestellt, nach oben und an den Seiten geschlossen; vgl. Helr. 9, 1-4; Fms. VI, 413; Fafn. 42, 5-8 (Germ. 23, 165). Auch über zu verbrennenden Todten? ( Sig. sk. 65,5 ff. Walhall, der Aufenthaltsort der todten Krieger, war gleichfalls mit Schilden gedeckt.) Auch Brynhild's Schlaf ist ja eigentlich ein Todesschlaf. und aus derselben [ragte] ein Banner. Sigurd ging in die Schildburg, und sah, daß da ein Mensch schlief und in voller Waffenrüstung dalag. Er nahm ihm zuvörderst den Helm vom Haupte ab, und sah, daß es ein Weib war: sie war im Panzer, und [dieser] saß so fest, als wenn er am Fleische festgewachsen wäre. Da schlitzte Sigurd [den Panzer] oben von der Kopföffnung bis ganz hernieder und ebenso die beiden Aermel entlang bis ans Ende, und es [das Schwert] zerschnitt ihn wie ein Kleid. Sigurd sagte, sie habe allzu lange geschlafen. | Sie fragte, was so mächtig gewesen wäre, »daß es den Panzer zerschnitt und meinen Schlaf bannte? Sollte etwa Sigurd, Sigmund's Sohn, hierher gekommen sein, mit dem Helm Fafni's, und seinen Tödter in der Hand?« Sigurd's Schwert Gram. Sigurd antwortete: »Der ist vom Geschlechte der Volsunge, der dieses Werk vollbracht hat. Und das habe ich vernommen, daß du eines mächtigen Königs Tochter bist, und desgleichen ist uns gesagt worden von eurer Schönheit und | Weisheit, und das will ich nun erproben.« Brynhild antwortete: »Zwei Könige schlugen sich; der eine hieß Hjalmgunnar, er war alt und ein höchst tapferer Heermann, und hatte Odin ihm den Sieg verheißen; der andere aber hieß Agnar oder Audabrodir. D. h. Aude's Bruder, in der Lieder-Edda Audhu bródhir, d. h. Bruder der Auda. Ich fällte Hjalmgunnar in der Schlacht; Odin aber stach mich mit dem Schlafdorn Es ist im Grunde ein Todesdorn, ein Dorn, durch welchen der Todesgott Odin in (Todes-)Schlaf versenkt, wie der Scheiterhaufen aus Dorn geschichtet ward (J. Grimm, kl. Schr. 2, 241 ff., besonders 276 ff.); vgl. Dornröschen., des zur Strafe, und sagte, daß ich nimmer fortan Sieg [zu verleihen?] haben sollte, und er gebot, daß ich mich vermählen sollte. Ich aber that ein Gelübde dagegen, mich keinem solchen zu vermählen, der sich fürchten könnte.« Sigurd sprach: »Ertheile mir Rath zu hohen Dingen.« Sie antwortete: »Ihr werdet der weisere sein: doch gern will ich euch lehren, wenn es euer Wille ist, und wenn unter dem, was ich weiß, etwas ist, das euch gefallen möchte, in Runen oder in andern Dingen, die ||126) für einen jeden Fall nützlich sind. Eigentlich: »für jegliche Sache geeignet sind« (zur Abhilfe nämlich). Laß uns beide mitsammen trinken, und | mögen die Götter uns einen günstigen Tag geben, daß dir Nutzen und Ruhm erwachse aus meiner Weisheit und du später dich dessen erinnerst, was wir reden.« Brynhild füllte einen Becher und brachte ihn Sigurd dar und sprach:
»Bier bringe ich dir,
Walter des Waffenspiels
Eigentlich »des Brünnenthings«. So unser Text; jedoch
Sigdr.: (Apfel-)Baum des Kampfs = Held, vgl. S. 103**.,
Mit Kraft gemischet
Und hohem Ruhm;
Voll ist's von Liedern
Und Trostesworten,
Von heilsamen Sprüchen
Zauberlieder. Es ist ein Erinnerungstrank, s. oben.
Und Freude-Runen.
Die ursprünglich weniger zu zusammenhängender Schrift als zu magischem Gebrauch verwendeten Buchstaben (Runen), welche, eingeritzt, durch die dazu gehörigen Zauberlieder magische Kraft erlangten.
Sieg-Runen sollst du kennen,
Wenn du | klug sein
Besser
Sigdr. »Sieg haben«.willst,
Und auf des Schwertes Heft ritzen,
Auf dem Rücken der Klinge
Und auf der Schneide (?)
Es ist ungewiß, welcher Theil des Schwertes gemeint ist.,
Und zweimal Ty
Der deutsche
Tîo (Zîo), Kriegsgott; wird im Norden bei Zweikämpfen angerufen. Nach ihm heißt die Rune
T. nennen.
Brandungs-Runen sollst du ritzen,
Willst du geborgen haben ||127)
Auf der See die Segelrosse.
Am Steven sollst du sie ritzen
Und am Steuerruder
Und mit Feuer ins Ruder brennen (?).
Geht die Brandung auch hoch
Und die blauen Wogen,
Doch kommst du heil von der See.
Rederunen sollst du kennen,
Willst du, daß niemand dir
Mit Haß seinen Harm vergelte.
Die windet man (?),
Die webt man,
Die setzt man alle zusammen
Auf dem Thinge,
Wenn die Leute sollen
Zu vollen
D. i. »zahlreich besuchten«, oder »vollgiltigen (Haupt-) Gerichtstagen«? Gerichten fahren.
Bierrunen sollst du kennen,
Willst du, daß eines andern Weib
Dich nicht betrüge, so du traust.
Aufs Trinkhorn sollst du sie ritzen
Und auf den Rücken der Hand
Und am Nagel »
Naudh«
Die
N-Rune;
naudh = Noth.] zeichnen. ||128)
Den Becher sollst du segnen,
Vor Nachstellung dich hüten
Und Lauch in den Trank werfen.
Dann weiß ich,
Daß nimmer dir wird
Zum Schaden gemischt der Meth.
Berge-Runen sollst du lernen,
Wenn du bergen willst
Und lösen ein Kind von der Mutter
Geburtshilfe ist gemeint. Eigentlich steht: »von einer Frau«.:
Auf die Handfläche sollst du sie ritzen
Und [diese] um die Glieder spannen
Und die Disen
Schutzgottheiten, die man weiblich dachte; den Fylgjen (S. 56**) und den Nornen verwandt, vgl. u. S. 148**. um Beistand bitten.
Zweig-Runen
Der Name findet in Vers 4-6 seine Deutung. Da aber sonst die Runen nach dem, was sie bewirken oder betreffen, benannt sind, übersetzt man vielleicht richtiger »Gliedrunen«, von
limr »Glied«. sollst du kennen,
Willst du Arzt sein
Und verstehn Wunden zu beschauen,
Auf die Rinde sollst du sie ritzen
Und auf das Laub des Baumes,
Dessen Zweige sich ostwärts neigen.
Sinn-Runen sollst du lernen,
Willst du jeglichen Mann ||129)
An klugem Sinn übertreffen.
Die errieth,
Die ritzte ein,
Ueber die sann Hropt.
Ein Name Odin's. Ueber Odin als Runen-Finder s.
Háv., Str. 137 ff., und über das Verhältniß jener Strophen zu unsern vgl. Bergmann, des Hehren Sprüche, S. 198 ff.
Am Schilde sind sie geritzt,
Der da steht vor der glänzenden Gottheit
Die Sonne ist gemeint, vor der auf ihrem Wagen der Schild
Svalin steht (
Grimn. 38).,
[Am Ohre Arvakrs
Und an]
Ergänzt nach
Sigdr.Alsvinn's
Arvakr (Frühwach) und
Alsvinn (Vielgeschwind) sind die beiden Rosse des Sonnenwagens. Hufe,
An dem Rade, das rollt
Unter Rögni's
Ein Name Odin's. Wagen,
An Sleipni's
Odin's Roß, s. oben S. 67*. Zähnen
Und an des Schlittens Bindebalken.
An des Bären Tatze
Und an Brage's
Brage ist Gott der Dichtkunst. Zunge,
An des Wolfs Klauen ||130)
Und an des Aars Schnabel,
Auf blutigen Schwingen (?)
Und am Brücken-Ende,
An lösender Hand
Vgl. oben S. 99*** und †.
Und auf Heiles-Pfade.
An Glas und an Gold
Und an gutem Silber.
In Wein und in Bier
Eigentlich: Malzextrakt, woraus durch Gährung Bier wird.
Und an der Volva
S. oben S. 46**. Sessel,
An Gungni's
Odin's Speer. Spitze
Und an Grane's
So
Sigdr. (unser Text: »der Riesin«). Brust,
An der Norne Nagel
Vgl. Mannhardt, Germ. Myth., S. 615 ff.
Und an der Nachteule Schnabel.
Alle wurden abgeschabt,
Die geritzt waren,
Und gemischt mit dem heiligen Meth
Der Dichtermeth ist gemeint: Runen
lied und Runenzeichen gehören zusammen, um den Zauber zu wirken.,
Und gesendet auf weite Wege:
Sie sind bei den Alfen,
Etliche bei den Asen ||131)
Und bei den weisen Vanen
Ein mit den Asen in Verbindung getretenes Göttergeschlecht.,
Etliche haben die Menschenkinder.
Das sind Buch-Runen,
Das sind Berge-Runen
Und alle Bier-Runen
Und hehre Macht-Runen
Jedem, der sie ungeirret
Darf und unverwirret
Sich zum Heile gebrauchen.
Genieß [ihrer], wenn du sie vernommen,
Bis die Götter vergehn.
Beim Weltuntergang (Ragnarök, »Götterdämmerung«).
Nun sollst du wählen,
Da dir die Wahl geboten ist,
Du Baum scharfer Waffen
»Baum (hier eigentlich Ahorn) der Waffen« ist eine skaldische Umschreibung für »Mann, Held«; vgl. oben S. 97**.:
Reden oder Schweigen
Bedenke bei dir selbst.
Alle Reden sind wohl erwogen (?).«
Anders
Sigdr. ||132)
Sigurd antwortete:
»Nicht werd' ich fliehen,
Wenn ich mich auch todgeweiht weiß:
Nicht mit Feigheit bin ich geboren.
Deinen Freundesrath
Will ich all befolgen,
So lange, wie ich lebe.«