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Ueberschrift: »Von den Volsungen«.
Nun fuhren die Volsunge heim und hatten abermals ihr Ansehen stark vermehrt. Sinfjotle begab sich von neuem auf Heerfahrten. | Er ersah eine schöne Frau und begehrte sehr, sie zu gewinnen. Um diese Frau warb auch der Bruder Borghild's, die König Sigmund zur Frau hatte. Sie stritten um diese Sache im Kampfe, und Sinfjotle fällte jenen König. Er heerfahrtete nun weit umher und bestand manchen Kampf, und hatte immer den Sieg. Er ward der berühmteste und angesehenste der Männer, | und kam um den Herbst heim mit vielen Schiffen und großem Gute.
Er sagte seinem Vater, was sich begeben; der aber sagte es der Königin. | Sie hieß Sinfjotle sich fortheben aus dem Reiche, und sagte, daß sie ihn nicht [vor Augen] sehen wolle. Sigmund sagte, er lasse ihn nicht hinweg ziehen, und bot ihr an, für ihn mit Golde und großem Gute Buße zu leisten, obschon er zuvor noch keinen Mann gebüßt habe; und sagte, es fromme nicht mit Weibern zu streiten. Sie konnte also dies nicht durchsetzen und sagte: »Ihr habt ||105) zu entscheiden, Herr; so ziemt es sich.«
Sie bereitete nun die Todtenfeier erfi, eigentlich Erbmahl, dann allgemein Gedächtnißfeier, die in einem feierlichen Trinkgelage bestand, s. Weinhold, Altn. Leb. S. 500 ff. ihres Bruders mit Willen des Königs und rüstete dieses Gastmahl mit der besten Kost und Wirthschaft zu, und entbot dazu viele vornehme Männer. | Borghild reichte den Männern den Trunk. Sie trat vor Sinfjotle mit einem großen Horne und sprach: »Trink nun, Stiefsohn.« Er nahm es entgegen und sah in das Horn, und sprach: »Vergiftet ist der Trank.« Sigmund sprach: »Gieb ihn mir denn,« und trank ihn aus. Die Königin sprach: »Warum sollen andre Männer für dich Bier trinken?« | Sie kam abermals mit dem Horne: »Trink' nun!« und sprach geringschätzig von ihm mit manchen Worten. Er nahm das Horn und sprach: »Verfälscht ist der Trank.« Sigmund sagte: »Gieb ihn mir denn.« Zum drittenmale kam sie und hieß ihn austrinken, wenn er den Muth der Volsunge hätte. Sinfjotle nahm das Horn, und sprach: »Gift ist im Tranke.« Sigmund erwiderte: »Laß den Schnurrbart ihn seihen, Sohn.« Der König war da schon sehr trunken, und deshalb sprach er also. Sigmund's Worte, wörtlich gleich Sinfj., sind offenbar aus dem hier und dort benutzten Liede entnommen und vom Sagaschreiber mißverständlich als unbedachte Rede aufgefaßt und mit Trunkenheit erklärt. Sinfj. hat hier die Bemerkung, daß Sigmund Gift von außen und innen, seine Söhne aber nur von außen vertrugen (= oben S. 292). Darum also soll Sinfjotle durch den Bart, trinken, damit dieser die schädliche Wirkung des Giftes aufhebe, ehe es ihn von innen berühre. Sinfjotle trank, und fiel alsbald [todt] nieder.
Sigmund stand auf, und sein Harm ging ihm fast ans Leben; | er nahm die Leiche in seine Arme und ging in den Wald und kam endlich da zu einer Bucht. Da sah er einen Mann in einem kleinen Boote; dieser Mann fragte, ob er von ihm über die Bucht gefahren sein wollte. Er bejahte es. Das Schiff war so klein, daß es sie nicht [alle] trug, und ward die Leiche zuvörderst aufs Boot geschafft, Sigmund aber ging an der Bucht hin. Und alsbald entschwand das Schiff Sigmund aus den Augen und ebenso der Mann. Es ist Odin, hier als Todtenfährmann gedacht, der Sinfjotle zu sich nimmt. Ueber die Sitte, die Leichen auf einem Schiffe dem Meer zu überlassen oder auf Schiffen zu verbrennen s. Weinhold, Altn. Leb. S. 458 f.; Mannhardt, Germ. Mythen, S. 356-65. Darnach ging Sigmund heim; er verstieß nun die Königin, und bald darauf starb sie. König Sigmund beherrschte fürder sein Reich, und gilt als der größte Held und König in den Zeiten des Heidenthums.