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Siebentes Kapitel

Ueberschrift: »Signy empfängt Sinfjotle«.

Es wird erzählt, daß einmal, da Signy in ihrer Kammer saß, zu ihr ein Hexenweib kam, die gar sehr zauberkundig war. Da sprach Signy zu ihr: »Ich wollte, daß wir die Gestalten vertauschten.« Gestaltentausch wird durch Zauber bewirkt (so auch unten S. 129 durch Grimhild's Zauber). Dieser Tausch ist ein vollständiger: von der äußern Gestalt bleibt nur das Auge unverändert (s. u. Kap. 29, Abs. 4). – Svanhvita erkennt den Regner in seiner niedrigen Verkleidung als Hirt an den leuchtenden Augen (Saxo Gr. S. 70); vgl. Helg. Hund. II, 2, 3 ff. Die Zauberin sagte: »Du sollst darüber bestimmen.« D. h.: »Wie du wünschest, soll es geschehn.« Nun schuf sie es so mit ihren Künsten, daß sie die Gestalt vertauschten, und setzte sich die Zauberin auf den Platz Signy's nach deren Geheiß und legte sich Abends ins Bett zu dem Könige; und er merkte nicht, daß Signy nicht bei ihm wäre.

Nun ist | von Signy zu berichten, daß sie nach der Erdhütte zu ihrem Bruder ging, und ihn bat ihr Herberge zu geben über Nacht: »denn ich habe mich im Walde verirrt, und nicht weiß ich, wo ich mich befinde.« Er sagte, sie sollte da bleiben; er wolle ihr als einer einzelnen Frau die Herberge nicht versagen, und er sei überzeugt, daß sie ihm die freundliche Aufnahme nicht so [übel] lohnen würde, daß sie ihn verriethe. Nun nahm sie Herberge bei ihm, und sie setzten sich zum Essen; er blickte oft auf sie, und sie dünkte ihn schön und anmuthig. Als sie aber gegessen hatten, da sagte er zu ihr, er wolle, daß sie in der Nacht das Lager theilten; sie sträubte sich nicht dagegen, und | er nahm sie drei Nächte nach einander zu sich. Darnach begab sie sich heim zu der Zauberin und verlangte, daß sie wieder die Gestalten tauschten; und das bewirkte jene.

Und als die Zeit verstrichen war, gebar Signy einen Knaben; der Knabe ward Sinfjotle D. h. wahrscheinlich »der Gefährte«, s. H. Zschr. 23, 161 ff. genannt; und als er aufwuchs, war er sowohl groß wie stark und schön von Antlitz und artete nach den Volsungen; und war noch nicht völlig zehn Winter, | als Signy ihn zu Sigmund nach der Erdhütte sandte. Sie hatte mit ihren vorigen Söhnen, ehe sie die zu Sigmund schickte, die Probe gemacht, daß sie ihnen [den Rock] an die Arme durch Haut und Fleisch nähte Saumadhi at hondum medh holdi ok skinni, vgl. Grettis s. Kap. 17, S. 34.; die hatten das schlecht ertragen und darob geschrien. | Ebenso that sie mit Sinfjotle, der aber verzog keine Miene dabei. Sie zog ihm dann den Rock wieder ab, so daß die Haut mit den Aermeln ab ging, und sagte, er werde dabei Schmerz empfinden. Er [aber] sprach: »Gering sollte solcher Schmerz ||95) einem Volsung scheinen.«

Nun kam der Knabe zu Sigmund. Da gebot Sigmund ihm ihr Mehl auszukneten, er aber wolle Brennholz für sie suchen, und gab ihm einen Beutel in die Hand, sodann ging er zu Walde. Als er aber wieder kam, da war Sinfjotle fertig mit backen. Da fragte Sigmund, ob er etwas in dem Mehle gefunden habe. »Ich habe wohl Verdacht, daß etwas Lebendiges drin gewesen sei, als ich zuerst anfing zu kneten, und hier habe ich das mitgeknetet, was darin war.« Sigmund sprach, und lachte dabei: »Ich wähne, du wirst heut Abend keine Mahlzeit von diesem Brote haben, denn du hast eine große Giftschlange darein geknetet.« Sigmund war so stark, daß er Gift essen konnte, ohne daß es ihm etwas schadete; Sinfjotle aber vertrug es [nur], daß das Gift ihm von außen ankam, aber nicht bekam es ihm, es zu essen oder zu trinken.


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