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Einleitung

Die Volsunga- und Ragnars-Saga ist uns nur in Einer vollständigen alten Handschrift der Kgl. Bibliothek zu Kopenhagen ( Cod. reg. 1824 B. 40) überliefert, die gegen Ende des 14. Jahrhunderts geschrieben zu sein scheint. Wegen der Beschaffenheit des Pergaments ist sie theilweise schwierig zu lesen. Für die Volsungasaga ist sie von Bugge für seine Ausgabe sorgfältig verglichen, die Ragnarssaga bedarf noch einer sorgfältigen Vergleichung. Außer den beiden unmittelbar zusammenhängenden Ragn. s. schließt sich mitten auf der Seite an Vols. s. Saga's enthält die Handschrift noch die Krákumál (s. unten S. LI).

Alle anderen Handschriften sind junge Papierabschriften eben dieser Handschrift, also ohne selbständigen Werth.

Ganz neuerdings ist nun aber in dem Cod. AM. 147. 40 der Universitätsbibliothek zu Kopenhagen ein leider fast ganz ausradirter und dann überschriebener Text der Ragnarssaga entdeckt worden. Eine kurze Notiz darüber gab schon G. Storm, Ragn. Lodbr. S. 1071 Herr Professor Bugge Derselbe hat mir auf das Liebenswürdigste die wesentlichsten seiner Notizen zur Verfügung gestellt und gütigst erlaubt, dieselben zu veröffentlichen, wofür ich ihm hiermit auch öffentlich meinen herzlichen Dank ausspreche. theilt mir darüber Folgendes mit: » Cod. 147. 40 enthält jetzt Werke juristischen Inhalts ( Jónsbók etc.), die von verschiedenen Händen wahrscheinlich im 15. Jahrhundert geschrieben sind. Arni Magnusson erhielt ihn von Bjarni Sigurdarson zu Heynes. Ein großer Theil war früher beschrieben, die Schrift ist aber ausradirt. Auf den 19 letzten Blättern sind am Rande, oben und unten Reste lesbar von einer Handschrift der Ragnars saga Lodhbrókar, was Gudbrand Vigfusson zuerst entdeckte. Die Hand scheint von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Es stehn meist 24 oder 25 Zeilen auf der Seite, durchschnittlich fast 1½ Seiten des Drucks in Fas. entsprechend, – Auch die Krakumal finden sich, und zwar mit anderer Strophenfolge als in Fas. Unmittelbar auf Krakumal folgt: ... medh hreysti mikilli (= Fas. 1, 352, Z. 23 [ Rsth.], vgl. Fas. 1, 283, Z. 1). Die übrigen Blätter, deren Inhalt annähernd bestimmt werden kann, scheinen Alles umfaßt zu haben, was zwischen Fas. 1, 240 und 292 Die letzte Seite (s. S. XLV) ist nicht überschrieben. liegt. Doch hat Professor Bugge einzelne Stücke bisher nicht gefunden. Den Inhalt der verschiedenen Blätter zu bestimmen ist deshalb schwierig, weil der Text im Cod. 147 zuweilen anders geordnet ist als in Fas. Die Redaction im Cod. 147 hat an mehreren Stellen dem Rsth. näher gestanden als dem Texte der Saga in Fas. und zeigt sich öfter kürzer als dieser letztere. Die Strophen sind im Ganzen im Cod. 147 in besserer Form aufgezeichnet als in der bekannten Haupthandschrift der Ragnarssaga. Voran gehn in der Handschrift noch eine Menge Blätter, auf denen früher etwas geschrieben war. Aber hier ist die ursprüngliche Schrift so sorgfältig ausradirt, daß Professor Bugge bisher auf keinem einzigen dieser Blätter auch nur ein einziges Wort mit Sicherheit hat lesen können. Es ist demnach noch nicht zu bestimmen, ob und in wie weit die Volsungasaga auf Blättern des Cod. 147 geschrieben gewesen ist oder nicht.« Diese Angaben sind alle Herrn Professor Bugge's Notizen entnommen, aber von mir selbständig – jedoch unter möglichstem Anschluß an seine Worte – redigirt.

Herausgegeben sind beide Saga's mehrfach Abdrücke einzelner Abschnitte (in Lesebüchern etc.) sind hier nicht berücksichtigt., und zwar jede für sich, aber unmittelbar nach einander von

Björner, Nordiska Kämpadater, Stockholm 1737, XI und XII.

v. d. Hagen, Altnordische Sagen und Lieder, welche zum Fabelkreis des Heldenbuchs und der Nibelungen gehören (S. 17-186), II und III. Breslau 1814.
[Beruht auf Björner's Ausgabe.]

Rafn, Fornaldar sögur Nordhrlanda, Band I, S. 113-299. Kopenhagen 1829.
[Nach neuer Vergleichung der Handschrift.] Dieser Text liegt meiner Uebersetzung der Ragnarssaga zu Grunde, und beziehn sich die in ||–) eingefügten Seitenzahlen auf ihn.

Die Volsungasaga allein ist dann noch herausgegeben von

Bugge, Norrœne Skrifter af sagnhistorisk Indhold (Heft 2), S. 81-199. Christiania 1865.
[Dazu Nachträge und Berichtigungen auf dem Umschlage des Heftes. Eine neue, sorgfältige Collation der Handschrift liegt zu Grunde.] Aus diesem Text beruht meine Uebersetzung der Volsungasaga, und beziehn sich die in ||–) eingefügten Seitenzahlen auf ihn.

Wilken, die prosaïsche Edda im Auszuge nebst Volsunga-Saga und Nornagests-tháttr, S. 147 bis 234. Paderborn 1877.
[Im Wesentlichen genauer Abdruck des Bugge'schen Textes.]

Die Ragnarssaga ist seit 1829 nicht wieder herausgegeben und bedarf dringend einer neuen Ausgabe nach neuer Vergleichung der Handschrift.

   

Uebersetzungen giebt es, namentlich in dänischer Sprache, zahlreiche von der Volsungasaga, nämlich von

[Dänisch:] Rafn, Nordiske Kämpe-Historier, I, B: Volsunga-Saga eller Historien om Sigurd Fafnersbane. Kopenhagen 1822.
[Nach Björner's Text.]

Rafn, Nordiske Fortids Sagaer, Band I, S. 106-217. Kopenhagen 1829.
[Dieser zweiten Uebersetzung Rafn's liegt sein Text in Fas. zu Grunde.]

Ullmann, Sagaen om Völsungerne. Kopenhagen 1873.

Winkel Horn, Nordiske Heltesagaer, S. 1 bis 91. Kopenhagen 1876.

[Schwedisch:] Arwidsson, Historia Volsungorum svetice reddita. Aboæ 1820.

[Englisch:] Eirikr Magnusson und Morris, Völsunga Saga. The Story of the Völsungs and Niblungs etc. London 1870.

[Deutsch:] v. d. Hagen, Nordische Heldenromane, Band IV: Volsunga-Saga oder Sigurd der Fafnirstödter und die Niflungen. Breslau 1815.
[Beruht auf Björner's Text. Als vollständig umgearbeitete zweite Auflage dieser Uebersetzung erscheint vorliegendes Buch.]

Raßmann in seinem Buche »Die deutsche Heldensage und ihre Heimath«, Band I (Hannover 1857) hat die Volsungasaga übersetzt, aber nicht vollständig und zusammenhängend, sondern in einzelne Stücke zerrissen und theilweise in die Uebersetzung der Eddalieder eingeschoben. Daß Raßmann auch das »Uebergangskapitel« (I, S. 289 ff.) sowie einzelne Theile der eigentlichen Ragnarssaga und des Nth. übersetzt hat, sei hier erwähnt.

Von der Ragnarssaga giebt es nur die folgenden Uebersetzungen von

[Dänisch:] Rafn, Nord. Kämpehist. I, C: Ragnar Lodbroks Saga, Krakemaal, Fortælling om Norna Gest etc. S. 1-81. Kopenhagen 1822.

Rafn, Nord. Fort. Sagaer, Band I, 219-276.
[S. oben S. V.]

[Deutsch:] v. d. Hagen, Nordische Heldenromane, Band V: Ragnar-Lodbroks-Saga und Norna-Gests-Saga, S. 1-112. Breslau 1828.
(Hiervon ist meine Uebersetzung eine vollständig umgearbeitete zweite Auflage.]

   

Die Nornagestssaga ( tháttr af Nornagesti, mit Nth. bezeichnet) ist als Episode der ausführlichsten Redaction der Olafs saga Tryggvasonar in zwei alten Handschriften überliefert, die nicht unerheblich von einander abweichen, nämlich in

S, d. i. Cod. AM. 62 Fol. , nach Bugge, der diese Hdschr. seiner Ausgabe mit Recht zu Grunde gelegt hat, bald nach der Mitte des 14. Jahrhunderts geschrieben.

F, d. i. Flateyjarbók Herausgegeben in drei starken Bänden, Christiania 1860-68. jener bekannten, umfänglichen Hdschr., die um 1380 geschrieben ist.

Andere Handschriften haben keinen selbständigen Werth.

Folgende Ausgaben des tháttr sind zu verzeichnen:

Björner, Nord. Kämpadater XIV. (s. oben S. IV f.)

v. d. Hagen, Altn. Sagen u. Lieder IV. (s. oben S. IV f.)

Rafn, Fornaldar Sögur I, 311-342. (s. oben S. IV f.)
[Nach einer von F abhängigen Handschrift.]

Bugge, Norrœne Skrifter af sagnhistorisk Indhold (Heft 1), S. 45-80. Christiania 1863.
[Nach der Handschrift S.] Dieser Text liegt meiner Uebersetzung zu Grunde, und beziehn sich die in ||–) eingefügten Seitenzahlen auf ihn.

Wilken, die pros. Edda etc.; S. 235-261. Paderborn 1877.
[Wilken legt mit Unrecht S. Wilken S. LXXXVI ff. und dagegen, Germ. 24, 353 f. und Zschr. f. d. Phil. 12, 87-92. die Hdschr. F zu Grunde.]

Außerdem ist der Nth. als Theil der ganzen Olafssaga (abgesehen von einer alten Ausgabe von 1690) gedruckt in der Ausgabe der Flateyjarbok, Bd. I, S. 346-359. (Genauer Abdruck der Handschr.)

Uebersetzt ist die Geschichte von Nornagest von

[Dänisch:] Rafn, Nord. Kämpehistorier, I. C (s. oben S. VI), S. 97-132. Kopenhagen 1822.

Rafn, Nord. Fort. Sagaer, Band I, S. 289 bis 316. Kopenhagen 1829.
[Nach dem Text in Fas.]

[Deutsch:] v. d. Hagen, Nordische Heldenromane, Bd. V, S. 113-171 (s. o. S. VI). Breslau 1828.

   

Die Literatur Gelegentliche Bemerkungen und kürzere Besprechungen werden hier nicht berücksichtigt. Nur das Wichtigste ist, besonders mit Rücksicht auf meine Citate, hier zusammengestellt. über die Volsunga-Ragnarssaga und den Nth. ist nicht eben bedeutend, wenn wir die Schriften über die Sage Weil die Nibelungensage für sich allein schon eine umfängliche Literatur hat. ausschließen, Ueber Volsungasaga und Nornagestssaga handelt P. E. Müller in seiner Sagabibliothek, Bd. II, S. 36-145 [in der Uebersetzung von Lange »Untersuchungen über die Geschichte und das Verhältniß der nordischen und deutschen Heldensage, aus P. E. Müller's Sagabibliothek II. Band ... übersetzt und kritisch bearbeitet von Georg Lange.« Frankfurt a. M. 1832. S. 1-107]; S. Bugge in der Einleitung zu seiner Edda-Ausgabe S. XXXIV-XLIV und in den Anmerkungen hinter seiner Ausgabe der Volsungasaga S. 193-199; besonders aber B. Sijmons in seinen gründlichen und gehaltvollen »Untersuchungen über die sogenannte Völsungasaga« (Beitr. 3, 199-303). Gegen diese Abhandlung wendet sich die Einleitung zu Wilken's Schrift »Die prosaische Edda im Auszuge nebst Volsungasaga und Nornagests- tháttr«, Paderborn 1877. Hier ist S. VI-LXXXV über die Volsungasaga, S. LXXXV-CIII über den Nth. gehandelt. Wilken's Widerspruch ist aber im Wesentlichen ungerechtfertigt und sein Standpunkt ein so eigenartiger, daß seine Auffassung in der Hauptsache und in den meisten Einzelheiten als verfehlt gelten muß. Das Buch ist deshalb nur selten von mir angeführt. Dies Urtheil habe ich Germ. 24, 353-363 ausführlich motivirt, womit Sijmons' noch eingehendere Recension in der Zschr. f. d. Phil. 12, 83-113 im Wesentlichen übereinstimmt. In beiden Anzeigen, namentlich in der letzteren, findet sich beachtenswerthes Material für die Beurtheilung der Volsunga- und der Nornagests-Saga. Den Eingang der Volsungasaga (Kap. 1-12) behandelt Müllenhof unter dem Titel »Die alte Dichtung von den Nibelungen. I: Von Sigfrid's Ahnen«, H. Zschr. 23, 113-173.

Ueber die Ragnarssaga handelt in Sijmons' Untersuchungen gelegentlich der erste Abschnitt (S. 200-215). Hierher gehören ferner Rafn's Anmerkungen in Kämpehistorier I. C, S. 155-165, sowie seine Bemerkungen zu den Strophen ebenda S. 177-247. Auch G. Storm's mehrfach von mir citirte Schrift » Ragnar Lodbrok og Lodbrokssönnerne«, Christiania 1877 Aus (Norsk) Historisk Tidskrift, 2. Folge I, 371-491., obwohl zunächst die Sage behandelnd, nimmt mehrfach auf die isländischen Bearbeitungen des Stoffes Bezug. Desgleichen kommt die schwedische Uebersetzung des Ragnars sona tháttr von Söderström Tháttr af Ragnars sonum. Sagostycke om Ragnars Söner, från Isländskan öfversatt och belyst. Akad. Afhandling ... Oerebro 1872. für die entsprechenden Partien der Saga und namentlich für die Strophen in Betracht.

Endlich ist auf die betreffenden Abschnitte in R. Keyser's Literaturgeschichte ( Efterladte Skrifter I, 346-65. 391-99), Sagabibl. 2, 264-82, sowie in Munch's Det norske Folks Historie I, 1 zu verweisen.

*

Die Volsungasaga beruht zumeist auf alten nordischen Heldenliedern, die uns zum großen Theil noch in jener alten Liedersammlung erhalten sind, welche wir die Lieder-Edda (Sämund's Edda) zu nennen pflegen, obwohl der Name »Edda« eigentlich nur der prosaïschen (Snorre's) Edda zukommt. Diese Lieder-Edda ist eine Sammlung von Liedern gleichen oder doch ähnlichen Charakters, aber sehr verschiedenen Alters und Werthes. Die Eddalieder sind nicht eigentlich Volkslieder, aber sie sind die Ausläufer einer älteren Volksdichtung, der einzelne Lieder ganz, andere wenigstens theilweise noch ziemlich nahe stehn. Ja es scheint, als ob in den bessern Eddaliedern Umdichtungen (Bearbeitungen, wenn man so sagen darf) älterer Volkslieder vorliegen, von denen oft einzelne Strophen und Strophengruppen ziemlich unverändert beibehalten sein mögen. Unter diesen Umständen ist eine genaue Altersbestimmung dieser Lieder sehr schwierig; doch wird man nicht weit fehl greifen mit der Annahme, daß in der vorliegenden Gestalt keines derselben vor dem 9. Jahrhundert Daß Theile einzelner Lieder älter sein können, ist nach dem eben Gesagten damit natürlich nicht ausgeschlossen, vielmehr ist es sehr wahrscheinlich. und keins (zwei oder drei Lieder etwa ausgenommen) nach dem 11. Jahrhundert entstanden ist, die meisten aber ihre jetzige Gestalt im 10. Jahrhundert erhalten haben und zwar auf Island Die neueste Theorie Gudbrand Vigfusson's (in seiner Ausgabe der Sturlunga, Proleg. CLXXXVI ff.), daß die Eddalieder auf den nordbritischen Inseln und Küsten (Orknöen, Hebriden, Nordküsten Schottlands und Irlands) von nordischen Dichtern verfaßt seien, ist eine geistreiche, aber nicht stichhaltige Vermuthung, wie ich nächstens andern Ortes ausführlich zu zeigen gedenke. – wo sie auch gesammelt wurden – und in dessen Nebenländern. Einzelne Lieder mögen immerhin in Norwegen entstanden oder in älterer Gestalt von Norwegen nach Island mitgebracht und dort umgedichtet sein.

Kann man die Eddalieder nun auch nicht schlechtweg Volkslieder nennen, so darf man diese ganze Dichtung doch gegenüber der überkünstlichen Skaldendichtung getrost als volksthümlich bezeichnen, insofern sie auf alten Volksliedern beruht und anscheinend, im Gegensatz zur Skaldendichtung der höfischen Kreise, vorzugsweise in den Kreisen des Volkes gepflegt worden ist, wie denn auch alle diese Lieder »verfasserlos« sind. Der Unterschied beider Dichtungsarten in der Form ist neueren Theorien gegenüber Sehr entschieden haben sich Wilken (Gött. gel. Anz. 1878, S. 77-89) und Sievers (Beitr. 6, 298) dagegen ausgesprochen, daß »in formeller ... Beziehung irgendwie eine feste Grenze zwischen »eddischer« und »skaldischer« Dichtung sich ziehen läßt«. Gegen Sievers' Theorie habe ich mich im Literaturblatt f. germ. und rom. Phil. 1, Sp. 166-69, ausführlich ausgesprochen. durchaus festzuhalten, wenn man auch unleugbar in späterer Zeit denselben zu verwischen trachtete.

Von diesen volksthümlichen Götter- und Heldenliedern ward nun etwa um 1240 Dies hat Bugge in der Einleitung zu seiner Edda-Ausgabe (S. LXVI ff.) festgestellt. Die Sammlung scheint nämlich nach Snorre's († 1241) Thätigkeit an der nach ihm benannten Snorra Edda entstanden zu sein, da sie dort weder in der Gylfaginning noch im Skaldskaparmal benutzt, Snorre also unbekannt gewesen ist, während andrerseits die Snorra Edda ziemlich sicher in der Sammlung benutzt ist (vgl. Bugge a. a. O. XXX f.; Germ. 24, 357; Zschr. f. d. Phil. 12, 104). Da nun die Snorra Edda als Ganzes etwa um 1230 verfaßt ist, andrerseits aber im Prolog der Thidrekssaga höchst wahrscheinlich auf unsere Sammlung angespielt wird (Bugge a. a. O. LXVIII), so muß die Sammlung zwischen 1230 und 1250, also etwa um 1240 entstanden sein. eine größere Zahl in einer Sammlung vereinigt, indem der Sammler erläuternde prosaische Bemerkungen, namentlich Einleitungen, hinzufügte und innerhalb der Lieder vergessene Strophen durch prosaische Zwischensätze ersetzte. Dabei hat er oft genug, wie der noch erhaltene Stabreim und die poetische Ausdrucksweise zeigt, die in ihrer metrischen Form ihm nicht mehr erinnerlichen Strophen inhaltlich getreu in Prosa-Auflösung wiedergegeben. Für die Heldenlieder sollten wir eigentlich richtiger von prosaischen Erzählungen mit eingeschobenen Liedern und Liedfragmenten – von kleinen Saga's also – als von einer Liedersammlung reden. Wenigstens ist das sogenannte »Lied« von Helge Hiorvardsson, wie man schon richtig erkannt hat, nichts anderes als eine kleine Saga, die größere und kleinere Fragmente von 4 Liedern zusammenfaßt, welche einen Liedercyklus von Helge Hiorvardsson bildeten. Nicht anders steht es mit dem sogenannten »zweiten Liede« von Helge dem Hundingstödter ( Helg. Hund. II): auch dies ist eigentlich eine kleine Helga saga Hundingsbana, in welche Fragmente von mindestens 3, eher wohl von 4-5 1 ( Káruljódh? vgl. Beitr. 4, 194 ff.): vom Anfange bis S. 163, Prosa, Z. 2 (Hild.). – Dahin gehört 2: Str. 38 nebst vorhergehnder Prosa (Fragment eines Scheltgesprächs mit Hunding, vgl. Beitr. 4, 171 f.). Dann folgt 3 (oder vielleicht gehörte 2 dazu?): S. 163, Prosa, Z. 2 bis Str. 12 Ende. – 4 ( Volsungakvidha in forna): bis Str. 27 Ende. – 5: Prosa nach Str. 27-37 incl.   Prosa nach Str. 38 bis Str. 50 (oder sind auch dies Reste zweier Lieder?). Liedern aus einem Liedercyklus von Helge dem Hundingstödter eingeschoben sind. Ebenso wird der Abschnitt von Sigurd's Geburt bis zu Brynhild's Tode schon als »Sigurdssaga« für sich bestanden haben und als Ganzes der Sammlung einverleibt sein, wie ich weiter unten ausführen werde. Leider fehlt gerade hier in der Hdschr. der Sammlung, welche diesen Theil allein erhalten hat Es ist der berühmte Codex regius (d. h. Handschrift der Kgl. Bibliothek in Kopenhagen) n0 2365. 40., ein beträchtliches Stück, und wir sind hier fast ausschließlich auf die Ergänzung angewiesen, welche glücklicherweise die Volsungasaga bietet.

   

Die Volsungasaga hat nämlich, wie erwähnt, die Liedersammlung, die wir Edda nennen, benutzt, und zwar eine ältere, vielfach bessere und vor Allem vollständige Hdschr. derselben. Auch abgesehen von der Lücke hat die unserm Verfasser vorliegende Hdschr. einen vollständigeren Z. B. 433. 483. 852. 891. 913. 952 und 961 (wo Sigurd als der bestimmte Erlöser erscheint, vgl. Fjölsvinnsmál 42-49). 994. (1633). 1833 (Germ. 23, 409). 1902.4 (Germ. 23, 410 f.). 1951 (Germ. 23, 407 f.). 2021. (2113) etc., besser geordneten Vgl. Germ. 23, 176 f. 314 f. 316 ff. oder in anderer Weise ursprünglicheren Z. B. 911 (Germ. 23, 318 f.); 51, 15 ( eitt statt eitr, Sinfj. Z. 7.); 532 etc. Text enthalten (vgl. meine gelegentlichen Bemerkungen in Germ. 23, 176 ff. 314 ff. 326 ff. 407 ff.). Am wichtigsten ist aber natürlich der Umstand, daß Kap. 23-29 den in der Lücke des Cod. reg. verlorenen Theil der »Sigurdssaga« wiedergiebt, und zwar die hier eingeschoben gewesenen Lieder und Liedstücke fast ausnahmslos in Prosa-Auflösung. Es ist daher sehr wichtig festzustellen, in wie weit wir hier eine getreue Wiedergabe des Verlorenen zu erwarten haben.

Diese Frage zu beantworten giebt es zwei Mittel. Zunächst können wir die kurze Skizze in der Snorra Edda Im Skaldskaparmal (dem Abschnitt, welcher die poetische Ausdrucksweise behandelt) ist zur Erklärung der Umschreibung »Otterbuße« für »Gold« die »Vorgeschichte des Hortes« erzählt. Eine spätere Bearbeitung der Snorra Edda hat diese kurze Darstellung unter Benutzung der Liedersammlung zu einem Abrisse der ganzen Nibelungensage erweitert: s. Sijmons, Beitr. 3, 209 ff. und Zschr. f. d. Phil. 12, 103 ff. sowie meine Ausführungen Germ. 24, 356 ff.; im Allgemeinen auch die gründliche Untersuchung von Mogk in den Beitr. 6, 477 ff. heranziehen, ferner Gripisspa und Sig. sk. 1-4, welche Darstellungen ebenfalls den verlorenen Theil der Sammlung benutzt haben. Genaue, theilweise wörtliche Uebereinstimmungen sprechen hier für eine verhältnißmäßig getreue Wiedergabe. Germ. 23, 174*. 326 ff. 24, 359. Zschr. f. d. Phil. 12, 106.

Sodann hat man namentlich zu beobachten, wie der Sagaschreiber bei der Benutzung seiner Quellen da verfährt, wo diese Quellen erhalten sind, so daß wir ihn controliren können. Hierüber hat B. Sijmons in seiner oben genannten Schrift (Beitr., Bd. 3) eine gründliche Untersuchung angestellt. Diese hat ergeben, daß der Verfasser der Saga seinen Quellen, den Liedern (bezw. der Sigurdssaga) bald freier, bald treuer sich anschließt, vielfach wortgetreu, fast immer sinngetreu, sofern er seine Quellen nicht mißverstand, was allerdings mehrfach nachweisbar ist. Vgl. z. B. die Anmerkungen 48*. 48**. (52*). 170†. 171†. 202†. 2147. Wenn übrigens seine Darstellung zuweilen unbeholfen, abgerissen und schwerfällig erscheint, so hat dies darin seinen Grund, daß er grade an solchen Stellen seinen Quellen am getreusten sich anschloß. Das ist besonders in Wechselgesprächen der Fall. Absichtliche Abweichungen bestehn in erläuternden Zusätzen, erweiternden Ausführungen (z. B. Kampfschilderungen) u. dgl. Z. B. 56, 4-57, 2.80, 6-81, 12; ferner 52*. 157, 6 f. etc. Uebrigens ist nicht Alles, was nicht auf der Sammlung beruht, willkürliche Erfindung des Verfassers, sondern derselbe muß auch neben der Sammlung noch hier und da aus der lebendigen Volksüberlieferung geschöpft haben, s. u. S. XXVIII f. Außerdem aber sind absichtliche Abweichungen seiner Darstellung von den Quellen auf folgende zwei Motive zurückzuführen: auf das Streben, widerstreitende Berichte zu vereinigen und auf die Tendenz, die Ragnarssage mit der Volsungensage zu verknüpfen.

Der Verfasser wollte nicht eine Zusammenstellung verschiedener Berichte, sondern eine zusammenhängende Erzählung liefern. Da nun aber in der Sammlung Lieder von sehr verschiedener Sagenauffassung vereinigt sind, so lassen sich die verschiedenen Berichte oft nur gewaltsam vereinigen. Außerdem finden sich Parallellieder, die zwar im Wesentlichen übereinstimmen, im Einzelnen aber abweichen. Auch in solchen Fällen hat der Verfasser die einzelnen Züge der verschiedenen Darstellungen oft nicht ohne willkürliche Aenderungen und Zusätze combiniren können. Lehrreich sind in dieser Hinsicht besonders die Kapp. 33-38, die aus Atlam. und Akv. combinirt sind, aber auch Kapp. 30-31, denen eine Combination aus Sig. sk. und Sig. 1. (= Brot) zu Grunde liegt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es z. B. zu beurtheilen, daß der Verfasser Atle von den Gjukungen in die Halle drängen läßt 1944 (vgl. das. und 1928). Daß Hjalle zweimal ergriffen wird 197† (vgl. 196*); daß das Anzünden der Halle erst nach dem Begräbniß Atle's erfolgt 207*** etc. Der Satz 1804 bildet den Uebergang von Akv. zur Situation in Atlam. Vgl. noch 2054 und dazu Germ. 24, 359†.

Die Tendenz, Ragnar's Geschlecht, d. h. das norwegische Königshaus, an die Volsunge zu knüpfen, äußert sich namentlich in der Einführung der Aslaug als Tochter Sigurd's. Dieser zu Liebe ist die Verlobung mit Sigrdrifa-Brynhild (die bei der Verschmelzung Sigrdrifa's mit Brynhild als seltsame »Vorverlobung« erscheint) und ein intimes Verhältniß beider erfunden, während die echte Sage und mit ihr die Quellen der Volsungasaga Sigurd's Verhältniß zu Brynhild (bezw. Sigrdrifa) durchaus als ein keusches auffassen.

   

Dies nachweisbare Verhältniß des Verfassers zu seinen erhaltenen Quellen gilt mit Wahrscheinlichkeit auch für sein Verhältniß zu den verlorenen Quellen. Auch hier wird er seine Quellen inhaltlich (und z. Th. wörtlich) getreu wiedergegeben haben, soweit nicht etwa die beiden erwähnten Gründe ihn zur Abweichung veranlassen konnten. Und diese Auffassung findet, wie gesagt, ihre Bestätigung in den wörtlichen Berührungen mit jenen anderen Darstellungen, die aus derselben Quelle schöpften. Welchen Raum auf den verlorenen Blättern die Prosa der Sigurdssaga einnahm, läßt sich leider nicht mehr feststellen. Sicher aber umschloß sie auch hier mehrere Lieder und Liedfragmente, auf deren Charakter, Inhalt und Umfang die Prosa-Auflösung noch einige Schlüsse gestattet. Mehrfach zeigt die poetische Sprache nebst durchscheinenden Stabreimen, daß Verse ziemlich unversehrt erhalten sind Z. B. 111 f. 115 f. 122. 123, 5 ff. 145, 10 f. 147, 1 ff. etc.; mehrfach finden sich auch Anklänge an Verse erhaltener Lieder Z. B. 1101: Helr. 6, Grip. 27, 1-4; – 1103: vgl. Grip. 5; –111, 4 f. (vgl. 108††): Rigsth. 35, besonders Gudr. II, 18, 9 ff., wo die dort unpassenden Verse aus dem verlorenen Liede von Sigurd's Besuch bei Heimi zu stammen scheinen; – 112, 8-10: Gudr. II, 5, 5 f.; – 113, 10: Grip. 30, 5 f. (Germ. 23, 327); – 115***: vgl. Háv. 83 [liegt eine Str. zu Grunde, die ursprünglich zu Sigrdrifumal gehörte?]; – 1285: Kalfsvísa in Sn. E; – 1322: Grip. 39, 5-8. Sig. sk. 4, 1-5 (vgl. Brot 20, 1-4); – 1342: Grip. 45, 1 f.; – 1392: Sig. sk. 27, 7 f., Gudr. I, 25, 3. H. H. II, 33, 5 und Grip. 31, 7. oder was sehr zu beachten ist, an das Nibelungenlied 117 f. 1222 Vgl. ähnliche Uebereinstimmungen 1902. 194††. 197*** etc., d. h. an die dem Nibelungenliede zu Grunde liegenden alten deutschen Volkslieder. Vornehmlich bei den Wechselgesprächen zeigt es sich noch deutlich, daß diese ursprünglich strophisch waren In diesen Gesprächen entspricht ersichtlich jede Rede und Gegenrede je einer Strophe, sodaß man hier sogar die Zahl der benutzten Strophen feststellen kann., so namentlich 112 f. 114 ff. 131 f. 137-140. 147-151. Endlich sind vereinzelt (S. 130, 138, 152) noch vollständige Strophen der benutzten Lieder citirt. Dazu kommt vielleicht noch Gudr. II, 18, 9-12; s. oben Anm.**.

Es gab gewiß ein Lied von Sigurd's Besuch bei Heimi und seiner Verlobung mit Brynhild (Kap. 23-24); ein zweites, welches Sigurd's Aufenthalt bei den Gjukungen bis zur Vermählung mit Gudrun (Kap. 26) besang; vielleicht auch Gunnar's Werbung und Sigurd's Flammenritt (Kap. 27), was doch wohl eher in einem besondern (dritten) Liede behandelt war, von dein zwei schöne Strophen erhalten sind. Ein viertes Lied, dessen Anfang sich scharf markirt, handelte vom Zank der Königinnen, und was demselben unmittelbar folgt (Kap. 28) Vgl. jedoch unten Anm.***.; auch hiervon ist eine Strophe erhalten. Ueber die Stellung dieser Strophe s. Germ. 24, 359. Es folgen dann fünftens Daß mit Kap. 29 die Benutzung eines neuen Liedes beginnt, glaube ich aus folgendem Grunde: Es ist durchaus natürlich, daß Brynhild unmittelbar nach der vernichtenden Erklärung Gudrun's (also nach 1365) voll Zorn und stumm vor Schmerz sich zu Bette legt. So heißt es denn auch 136, 9: »Brynhild ging heim und sprach kein Wort (= Thidr. s. 2, 307 unten) – am Abend.« Dies »am Abend« scheint unser Verfasser hinzugefügt zu haben, weil er nach einer andern Quelle noch ein Gespräch Brynhild's mit Gudrun am folgenden Morgen zu berichten hatte. Mit Kap. 29 geht er offenbar wieder zu einer andern Quelle über, die inhaltlich an 1365 anknüpft. Der Anfang von Kap. 29 sieht aus, als begönne hier ein neues Lied, doch kann auch schon Kap. 28 bis 1365 demselben Liede folgen. die Wechselgespräche Gunnar's und Sigurd's mit Brynhild, die in zornigem Schmerz sich auf ihr Lager geworfen hat (Kap. 29), vermuthlich einem und demselben langen Liede angehörig, dem »langen Sigurdsliede«, dessen Schluß, das sog. Brot (d. h. Bruchstück), nach der Lücke im Cod. reg. erhalten ist. Außerdem gehört dazu die Strophe auf S. 152 f.; vgl. dazu 151**. Außerdem ist noch sechstens im Kap. 25 ein Lied von Gudrun's Träumen benutzt, richtiger wohl zwei: ein älteres und ein jüngeres Parallellied (s. S. 121**). Es werden also 6 bis 7 Lieder oder Theile von solchen in der Lücke verloren sein. Für die Auffassung des Verhältnisses Brynhild's zu Sigrdrifa, welches gerade hinsichtlich des Flammenrittes in Verbindung mit der Verlobung einigermaßen dunkel ist, ist dieser Verlust besonders zu beklagen.

   

Eine kurze Besprechung erfordern noch die ersten acht Kapitel nebst Kap. 11 und 12. Wie der Darstellung von Sinfjotle's Tode (Kap. 10) unzweifelhaft ein Lied zu Grunde liegt, welches auch im Sinfjötlalok der Sammlung benutzt, aber in knapperer Form wiedergegeben ist So auch Müllenhof, H. Zschr. 23, 133.; so beruht auch Sigmund's Geschichte, wenigstens theilweise, offenbar auf Liedern, die hier und da deutlich genug durch den prosaischen Text hindurchscheinen, z. B. bei dem Erscheinen Odin's in Volsung's Halle 14 ff. Zu 153 vgl. Hdl. 2, 7 f.; in Hjordis' Gespräch mit dem sterbenden Sigmund 58 f. Zu 592 vgl. Grip. 23, 6-8. 41, 5-8; zu 59** vgl. Herv. s. (Bugge) 312. – S. 58, 14 ff. sind Anfangs fast vollständige Verse und nachher noch die Stabreime erhalten.; in Signy's letzten Worten 39 – ein Lied, zu dem wahrscheinlich die Halbstrophe auf S. 38 gehört, und welches demnach Sigmund's und Sinfjotle's (Versuch der Rache und ihre) Einschließung und Befreiung, sowie die Ausführung der Rache enthielt. Vgl. H. Zschr. 23, 132 f. Aber auch sonst zeigen sich in der Geschichte Sigmund's und Volsung's deutlich Spuren poetischer Quellen. Vgl. H. Zschr. 23, 130 ff. Zu 22, 5 f. vgl. namentlich H. H. II. 33, 1-4; aber auch Oddr. 10, 1 f.; Herv. s. (Bugge), S. 216, 1 f.; [ Lokas. 47, 1 f.] u. s. w. Und selbst für die Geschichte Sige's und Reri's, wo die Prosa nichts mehr von poetischen Quellen verräth, ist es wahrscheinlich, daß sie einmal in alten, zur Zeit des Sageschreibers freilich schon verschollenen Liedern gesungen ward. Jene verlorenen, vom Verfasser der Saga aber noch benutzten Lieder oder Liedreste muß derselbe zugleich mit den Sagen, denen sie angehörten, aus der lebendigen Volkstradition geschöpft haben. Vgl. jetzt auch Sijmons', Zschr. f. d. Phil. 12, 1012. Wir haben uns diese seine Quellen für die in Rede stehenden Kapitel etwa so zu denken, wie die Quellen der Thidrekssaga, d. h. Sagen in ungebundener Rede untermischt mit Liedern und Liedstücken, der Art, daß in wichtigen Gesprächen und überhaupt bei wesentlichen Momenten der Sage die poetische Form sich am längsten hielt. Vgl. darüber meine Bemerkungen Germ. 23, 97; 25, 65 f. Daß auch neben der Liedersammlung, d. h. in den Abschnitten, wo er dieser hauptsächlich folgt, der Sagaschreiber noch aus der lebendigen Volksüberlieferung schöpfte, dafür spricht Manches: Bugge (Einl. zu seiner Edda-Ausgabe XXXVIII) hat es wahrscheinlich gemacht, daß ein Halbvers, der in der Sverrissaga ( Fms. 8, 409; bei Unger 183) kurz vor Fafn. 6, 4-6 citirt wird, von unserm Verfasser S. 68, 6-10 und 83, 2-4 benutzt ist. S. 81, 21-82, 1 klingt eine poetische Quelle durch, vielleicht dieselbe. In der Ermanrichsaga ist verschiedentlich (2122–6. 2134–6. 217***. 2185–6. 219, 2 f. 2192) die Volkssage neben der Sammlung benutzt (vgl. Zschr. f. d. Phil. 7, 383). Zu 1556 entsprechen die späteren Volkslieder etc. Auch die verderbte Variante zu Brot 4 auf S. 156 ist zu beachten.

Die Volsungsrimur Herausgegeben von Th. Möbius ( Edda Sæmundar, S. 240 ff. 301 f. (vgl. dort die Einl. S. XII ff.). Die rímur sind am Schlusse unvollständig überliefert. des Skalden Kalf, eine poetische Bearbeitung unserer Volsungasaga [vom Ende des 14. oder] aus dem 15. Jahrhundert, haben offenbar einen Text der Saga benutzt, der dem uns erhaltenen sehr nahe stand, doch schwerlich gerade unsere Handschrift. Eine andere Handschrift konnte aber manche in der unsrigen fehlende Züge und abweichende Lesarten enthalten Wenn z. B. Cod. AM. 147. 4°, wie wahrscheinlich, auch die Volsungasaga enthielt, sollte jener Text hier nicht auch wenigstens annähernd die Selbständigkeit wie in der Ragnarssaga gezeigt haben? Vgl. Bugge, Einl. zur Edda-Ausgabe, S. XXXV., die sehr wohl hier und da der abweichenden Darstellung der rímur zu Grunde liegen können; und die rímur sind daher für die Textkritik nicht unbedingt werthlos. Darin aber gebe ich Sijmons gegen Möbius und Wilken Recht, daß ebenso gut alle Abweichungen und Zuthaten vom rímur-Dichter herrühren können und also keineswegs mit Nothwendigkeit auf eine abweichende Fassung der Saga zurückweisen.

Für die Ermaurichsage (Kap. 39-42) ist außer der Liedersammlung noch eine ausführlichere, der Quelle Saxo's nahestehende Ueberlieferung benutzt, die der Verfasser wahrscheinlich aus der Volkssage schöpfte. Vgl. Bugge, Zschr. f. d. Phil. 7, 383 f.

   

Wenn oben dem Verfasser der Saga die Tendenz zugeschrieben ward, die Ragnarssage mit der Volsungensage zu verknüpfen, so ist damit das Verhältniß der Volsungasaga zur Ragnarssaga schon angedeutet: die Ragnarssaga ist eigentlich keine Saga für sich, sie hat niemals für sich bestanden Vgl. aber unten S. XLIX**. LVII***., sondern ihre Entstehung fällt mit der der Volsungasaga zusammen. Mit anderen Worten: die Volsungasaga ist als eine Art Vorgeschichte zur Ragnarssaga entstanden; beide gehören zusammen und rühren von einem und demselben Verfasser her. Willen hat (Pros. Edda, Einl. S. XII ff.) Bedenken dagegen geäußert; vgl. aber Sijmons' Erwiderung, Zschr. f. d. Phil. 12, 107. Das hat zuerst Sijmons eingehend dargelegt (Beitr. 3, 201 ff.) und ich habe verschiedentlich Namentlich Germ. 24, 356. meine Zustimmung ausgesprochen. Da nun auch G. Storm (Ragn. Lodbr. S. 109) dieselbe Ansicht geäußert hat, so habe ich keinen Anstand genommen, zum ersten Mal die Einheit beider Saga's auch äußerlich hervortreten zu lassen, zumal wiederholte und eingehende Beschäftigung mit dem Gegenstande mich in meiner Ansicht nur bestärkt hat, so daß ich in der Lage bin, die von Sijmons (und früher von mir selbst) vorgebrachten Gründe wesentlich zu verstärken.

Außer dem von Sijmons besonders betonten Momente, daß die Einführung der Aslaug nur auf das Streben nach Verknüpfung beider Sagenkreise zurückgeführt werden kann, kommt die eigenthümliche Stellung des Uebergangskapitels in Betracht, welches recht eigentlich die Verbindung zwischen beiden Sagenkreisen herstellt durch Aslaug's Hinüberführung nach Norwegen, d. h. durch Anknüpfung der zu diesem Zwecke erfundenen Daß diese Erfindung eben vom Verf. der Saga herrührt, ist nach Sijmons' Ausführungen (a. a. O. 205-213) mehr als wahrscheinlich. Daß aber die Neigung, die norwegische Königsreihe irgendwie auf Sigurd zurückzuführen, schon früher bestand, dafür spricht die von Sijmons S. 212 (vgl. das. auch S. 213) besprochene Stelle der Njala, sowie, daß in den Eireksmal (Möbius, Edda S. 231) Sigmund und Sinfjotle, anscheinend als Ahnen Eirek's, des Sohnes Harald Schönhaars, diesen Eirek in Walhall empfangen. Tochter Sigurd's an die unter anderm in Norwegen lokalisirte Sage von der »klugen Bauerntochter« (vgl. S. 248***), die der Verfasser der Saga dort wohl schon an die Person Ragnar's geknüpft fand. Hinter der Volsungasaga, zu welcher man dies Kapitel gewöhnlich zieht, erweist es sich hinsichtlich des Sagenstoffes offenbar als fremdartiger Anwuchs. Zur Ragnarssaga kann man es noch weniger ziehn, weil diese, sofern es sich überhaupt um eine selbständige Ragnarssaga handeln könnte, erst S. 231 (mit Kap. 1) beginnen müßte. Vgl. auch den Anfang des Rsth. und den Schluß der Herv. s. Dennoch steht das fragliche Kapitel mit letzterer Saga in weit engerem Zusammenhange als mit der Volsungasaga Wie denn auch unsere Hdschr. die Ueberschrift Saga Ragnars Lodhbrókar vor das Uebergangskapitel gesetzt hat., ja es wird in Kap. 4 ff. der Ragnarssaga durchaus zum Verständniß vorausgesetzt. Vgl. z. B. 249, Z. 10 ff.; 254, 21 ff. – Sijmons, Beitr. 3, 202. Daher kann man – abgesehen von anderen Gründen Dahin gehört es, daß in dem Uebergangskapitel sich dieselbe Tendenz geltend macht, wie in der Einführung Aslaug's in die Volsungasaga. Sodann kommen die Uebereinstimmungen des Stils in Betracht: z. B. 227††, vgl. mit 260**. 263†; 228* vgl. mit 237*; 230*** vgl. mit 336* etc. – nicht wohl annehmen, das Kapitel sei etwa zur Verbindung einer schon fertigen Volsungasaga mit einer ebenfalls schon vorhandenen Ragnarssaga später eingeschoben. Höchstens könnte man sich die Sache so denken, daß die Volsungasaga schon für sich bestanden habe, dann aber vom Verfasser der Ragnarssaga interpolirt und mit seiner Saga durch das Uebergangskapitel verbunden sei. Das war die Ansicht P. E. Müller's. Sagabibl. 2, 97 = Lange S. 582. – Keyser S. 394 meinte umgekehrt, daß eine ältere Ragnarssaga (vgl. übrigens unten S. LVII*** vom Bearbeiter der Volsungasaga benutzt sei. Indessen sprechen hiergegen triftige Gründe. Einmal nämlich greift die Einführung Aslaug's zu tief in den Bau der Volsungasaga ein, als daß man sie auf Rechnung eines Bearbeiters setzen könnte: die Verlobung Sigurd's mit Sigrdrifa-Brynhild (die sogenannte »Vorverlobung«) ist ihr zu Liebe erfunden u. s. w. (s. Sijmons S. 204).

In diesem Zusammenhange ist auch der auffallende Parallelismus zwischen Volsunga- und Ragnars-Saga in einzelnen Zügen zu erwähnen, insofern er nämlich vom Verfasser herrühren kann, bezw. von ihm weiter ausgedehnt zu sein scheint. Vgl. Sijmons a. a. O. 205. Schon auf die Entwickelung der Sage scheint Einfluß der Nibelungensage sich geltend gemacht zu haben. Namentlich gehört hierher, daß Ragnar wie Gunnar im Schlangenhofe stirbt, seine Thaten rühmend Vgl. S. 311 f. und dazu Krakumal; ferner 200**. 310†. 313*. 353*., sowie das Ritzen des Blutaars 330**, weil diese Züge sich auch bei Saxo finden; schwerlich aber Ragnar's Drachenkampf, wie Sijmons a. a. O. vermuthete. Der Sagaschreiber scheint diesen Parallelismus noch mehr ausgedehnt zu haben: die Art, wie Aslaug ihre Söhne, die sich zuerst weigern, zur Rache ihrer Stiefsöhne aufreizt, erinnert lebhaft an Gudrun's Aufreizung Hamdi's und Sorle's (282*†); Aslaug will die Stimmen der Vögel verstehn wie Sigurd, ihr Vater 267***; Sigurd's Erklärung für das keusche Beilager (133*) scheint aus einem Zuge der Ragnarssage entnommen zu sein u. s. w.

Sodann kommt die Gleichheit des Stils in Betracht. Daß in dem größten Theil der Volsungasaga der Stil von dem der Ragnarssaga verschieden ist, hat schon Sijmons S. 204 f. mit Recht daraus erklärt, daß der Verfasser hier unselbständig arbeitete, indem er sich den benutzten Liedern oft recht getreu anschloß. Wo er indessen selbständig schreibt, zeigt sich ein ziemlich stereotyper, zur Formelhaftigkeit neigender Stil, der wesentlich mit dem der Ragnarssaga übereinstimmt, wie ich schon Germ. 24, 356 an einigen Beispielen zeigte. Ich kann jetzt die Belege bedeutend vermehren. Auf die Formelhaftigkeit des Stils, soweit der Verfasser selbständig erzählt, hat schon Sijmons S. 229 gelegentlich hingewiesen. Sie läßt sich aber durch die ganze Saga hindurch nachweisen. Hier nur wenige Belege, da sich unten S. XXXII ff. mehr finden: 38** = 251. 58**. 77**. – 17, 11 = 148†††. 1761 – 157** = 159**. 181**. 1864. 191†. – 64, 7 ff. = 107, 10 ff. – 214–7 vgl. 194†† bis 1952. – Wenn hier in Einem der verglichenen Fälle nachweislich eine Liedquelle zu Grunde liegt, so ist dies allerdings auch in den anderen Fällen möglich; doch kann auch der Verfasser jene, in dem Einen Falle auf seiner Quelle beruhende Ausdrucksweise an den anderen Stellen nachgeahmt haben. Dasselbe gilt von der Ragnarssaga und zwar aus den angeführten Gründen in noch höherem Grade. Namentlich kehren hier bestimmte Wendungen wieder, wo feindliche Ueberfälle, Heeresaufgebote zur Vertheidigung, der Zusammenstoß der Heere, der Kampf selbst und dessen Ausgang geschildert werden Ich wähle hier zu Belegen nur Beispiele für die ersten beiden Kategorien aus, indem ich für die anderen auf S. XXXII ff. verweise: 273, 10 ff. ( Fas. 260, 8 ff.): landsmenn urdhu varir vidh [= 44, 15] ... ok segja Eysteini konungi, at herr var kominn í landit [vgl. 79, 15] = 290, 10 f. ( Fas. 270, 10 f.): menn komast undan á fund Eysteins konungs ok segja honum, at í ríki hans var kominn mikill herr. – 3081 vgl. 48, 5 f. – konungrinn laetr fara örvarbodh um ríki sitt (273, 13 f. – Fas. 260, 10; 291* = Fas. 270, 17 f.; vgl. 79, 21 f. = B. 118, 1; 486 = B. 104, 1 f.) ok stefnir öllum til, theim er hans menn eru ok honum vilja lidh veita (291, 2 ff. – Fas 270, 18 ff.; 321, 9 – Fas., 287, 19) ok skildi megu valda (291, 3 f. = Fas. 270, 20; vgl. 308, 6 ff. = Fas. 280, 22: er skildi má valda ok hesti at rídha ok thori at berjast; 320** = Fas. 28712; 491 = B. 102, 2 f.: siti sá engi heima, er berjast vili). Diese Wendungen finden sich mehr oder minder wörtlich in Thidr. s. wieder, s. u. S. XXXVII*., aber auch in anderen Fällen. Z. B. 231, 10 ff. = 263, 1 ff. – 273*** = 290*. 296**. 320*. – 279, 8 ff. = 316, 9 ff. – 239*** = 292**. – 285** = 328*. Sehr häufig greifen nun solche Uebereinstimmungen aus der Volsungasaga in die Ragnarssaga hinüber; für diese Fälle, weil für die in Rede stehende Frage am wichtigsten, will ich hier reichlichere Belege zusammenstellen. Am besten denke ich die Formelhaftigkeit der Ausdrucksweise zu veranschaulichen, indem ich die beiden längsten Kampfschilderungen nebeneinanderstelle und in Ziffernoten darunter die übrigen Parallelstellen anführe:

56, 5-57, 2; 57, 8-10 (B. 107, 3-14): settu upp merki sin 1, ok var thá blásit i lúdhra 2. Sigmundr konungr lætr nú vidh kvedha sitt horn ... Vgl. Thidr. s., wo solche Wendungen oft begegnen (Germ. 25, 153). [ok eggjar sina menn; hafdhi Sigmundr lidh miklu minna; tekst thá nú hördh orrosta, ok ... bardhist hann nú hart ok var jafnan fremstr sinna manna; helzt hvárki vidh honum skjöldr né brynja, ok gekk hann jafnan í gegnum lidh úvina sinna á theim degi ... mart spjót var thar á lopti ok örvar; en ... hann vardh ekki sárr, ok engi kunni töl, hversu margr madhr feil fyrir honum; hann hafdhi bádhar hendr blódhgar til axlar; ok er orrostan hafdhi stadhit um hridh, thá ... sídhan sneri mannfallinu ... ok fell mjök lidhit fyrir honum. Konungrinn ... eggjadhi mjök lidhit ... [ok lýkstmedh thví sjá bardagi, at ... B. 100, 22] ... fell Sigmundr konungr ... í öndverdhri fylkingu [= Fas. 261, 12] ok mesti hluti lidhs hans.

80, 2-81, 1;81, 5-7. 9-14 (B. 118, 2-23): stefnir til sin öllum theim mönnum er honum vilja lidh veita 15 kemr nú á mót Sigurdhi medh allmikinn her ... tekst thar in hardhasta orrosta medh theim; mátti thar á lopti sjá mart spjót ok örvar margar, öxi hart reidda, skjöldu klofna ok brynjur slitnar, hjalma skífdha, hausa klofna ok margan mann steypast til jardhar. Wörtlich übereinstimmende Schilderungen finden sich formelhaft in der Thidr. s. (s. Germ. 25, 152 und unten S. XXXVII*. [Ok er orrostan hefir svá stadhit mjök langa hrídh, soekir Sigurdhr framm um merkin ... ok hefir bádhar hendr blódhgar til axlar, ok stökk undan folk, thar sem hann fór, ok helzt hvárki vidh hjalmr né brynja, ok engi madhr thóttist fyrr sét hafa thvílíkan mann ... fell thar svá mart fyrir Hundingssonum at engi madhr vissi töl á ... Sigurdhr höggr til Lynga konungs ok klýfr hjalm hans ok höfudh ok brynjadhan búk, ok sídhan höggr hann Hjörvardh ... sundr í tvá hluti Hierzu vgl. gleiche und ähnliche Schilderungen in der Thidr. s. (s. Germ. 25, 152 und unten S. XXXVII*)., ok thá [drap hann ... mestan hluta lidhs theira. 15;

Hierher gehören noch folgende formelhafte Wendungen: 2194 (B. 186, 24 f.): their vördhust vel ok drengiliga ok urdhu mörgum manni at skadha, vgl. 36, 2 ff. (B. 98, 10); 275, 10 f. ( Fas. 261, 11); [3101 ( Fas. 281, 13)]. – 36, 4 f. (B. 98, 12): verdha their ofrlidhi bornir ok verdha handteknir; 1952 (B. 175, 22): vardh hann ... ofrlidhi borinn ok höndum tekinn; 275, 17 f. ( Fas. 261, 17): verdhr hann ofrlidhi borinn ok handtekinn etc.

Diese Zusammenstellung, die sich leicht vermehren ließe, zeigt, daß die Kampfschilderungen aus formelhaften Wendungen zusammengesetzt sind und für die längeren derartigen Schilderungen in der Ragnarssaga (294, 11-295, 2; 309, 8-310, 5; 329, 7-14 etc.) Satz für Satz zahlreiche Parallelstellen aus der Volsunga- und Ragnars-Saga sich beibringen lassen.

Aber auch außer den Kampfschilderungen sind die Uebereinstimmungen zahlreich. Was die Kriegsbotschaft und das Aufbieten des Heeres betrifft, vgl. oben S. XXXI**. Ferner ist anzuführen: 56, 18 (B. 107, 12 engi kunni töl, hversu margr madhr ...) vgl. 81* (B. 118, 16 f.: fell svá mart, at engi madhr vissi töl á); 321** ( Fas. 287, 21 f.: svá mikit lidh, at engi madhr mátti tölu á koma). – 124* (B. 142, 24: meira enn menn vissi dœmi til) vgl. 79, 16 f. (B. 117, 22: meira enn dœmi finnist til). 204* (B. 180, 12: verra enn menn viti doemi til); [277* ( Fas. 262, 11)]; 335** ( Fas. 295, 6: engi vissi dœmi til, hvé mikit). – 64, 11 = 235***. – 81, 15-18 = 255†. – 2004 (B. 178, 13: thar lét hann sitt líf medh mikilli hreysti) vgl. 278†† ( Fas. 263, 13: nú lætr hann líf sitt medh mikilli hreysti); 313* ( Fas. 283, 1: nú lætr hann líf sitt [medh hreysti mikilli, Cod. AM 147 = Rsth.]. – Eine ähnliche Situation wird ähnlich geschildert 211, 4 f. 8 f. (B. 183, 19 f. 22 f.) und 251† ( Fas. 247, 15-17. – Zu 111*. 114, 3 (vgl. 316, 7 f.). – 122* = 1673. 2084. 2321. – 1071= 1671. 267††. – Diese durchaus nicht erschöpfenden Zusammenstellungen mögen hier genügen.

Sehr wichtig, und ein schlagender Beweis für die Einheit beider Saga's, ist ihr gleiches Verhalten zur Thidrekssaga. Nachdem Sijmons selbst seine entgegengesetzte Ansicht zurückgenommen hat (Zschr. f. d. Phil. 12, 107 f.) sind nun wohl alle Forscher Wilken S. LXXVII ff. ist freilich andrer Ansicht. darin einig, daß die auffallenden wörtlichen Berührungen der Volsungasaga mit der Thidrekssaga sich durch Entlehnung der Volsungasaga aus letzterer (nicht umgekehrt) erklären, daß also die Volsungasaga namentlich das ganze, Wort für Wort übereinstimmende Kapitel 22, außerdem aber auch kleinere Stellen mehr oder minder wörtlich aus Thidr. s. entlehnt hat. Es betrifft das namentlich folgende Stellen: 159†. 1671. 1813. Es ist nun von besonderer Wichtigkeit, daß sich diesen auch eine Stelle der Ragnarssaga hinzugesellt, nämlich 232**, wie ich Germ. 25, 262 gezeigt habe. Ferner finden sich die in der Thidrekssaga formelhaften Wendungen für das Aufbieten eines Heeres (Germ. 25, 153) sowie für Kampfschilderungen (ebd. S. 152) in der Volsunga-Ragnarssaga (s. oben S. XXXIII** und *** wieder Zu den oben S. XXXI** mitgetheilten Stellen ( lætr hann fara örvarbodh um ríki sitt ok stefnir til sín öllum theim er honum vilja lidh veita ok skildi megu valda ok hesti at rídha ok thori at beriast) vgl. die Germ. 25, 153 mitgetheilten Stellen, namentlich: sendir hann bodh um allt sitt ríki (oft), at allir menn skyldi til hans koma, er honum vilja lidh veita ok thördhi at beriast (Unger 264, 7; 273, 13) ... at allir skulu til hans koma, their er skildi megu valda (Unger 271, 6 ff. 39, 19 ff. 31, 1 ff.) ok thori at beriast; vgl. Unger 31, 1 ff.: hverr madhr ... svá gamall ... at hann má rídha best sinn ok bera skiold sinn edha thori at beriast. – Zu S. 80, 8 ff. (B. 118): mátti thar sjá ... skjöldu klofna, brynjur slitnar, hjalma skífdha, hausa klofna ok margan mann steypast til jardhar .... vgl. namentlich Unger 221 f.: sét hefi ek fyrr hjalma klofna, skjöldu skifdha (so A!), brynjur sundradhar, ok menn steypast af sínum hestum höfudhlausa [ til jardhar Unger 8, 9 f.], aber auch die andern, Germ. 25, 152 zusammengestellten Stellen. – Zu 81, 9 ff. (B. 118): Sigurdhr höggr til Lynga konungs ok klýfr hjalm hans ok höfudh ok brynjadhan búk, ok sídhan höggr hann Hjörvardh ... sundr i tvá hluti vgl. Unger 340, 3: höggr til Ingrams ok ... klýfr hann hjalminn ok höfudhit ok búkinn ok brynjuna (– Unger 290, 28 f. 103, 9 f. etc.). Desgleichen für das Zerhauen in zwei Stücke sind Germ. 25, 152 zahlreiche Belege angeführt. Auch die Wendungen höggr bædhi menn ok hesta 80, 14 (B. 118, 10) und höggva á tvær hendr 213 (B. 91, 16) finden sich häufig in der Thidrekssaga, z. B. Unger 147, 16: höggr á tvær hendr bædhi menn ok hesta etc. (vgl. Germ. 25, 153).; desgleichen kehrt die in der Thidrekssaga zweimal (Germ. 25, 154) vorkommende Wendung ok svá fast kreistir hann höndina, at blódh stökk undan hverjum nagli (Unger 134, 18; ähnlich 22, 20) in der Ragnarssaga 317† ( Fas. 285, 21 f.) wörtlich wieder: ok hann kreisti hana svá fast, at blódh stökk undan hverjum nagli. Allgemeine Anklänge des Stils an den der Thidr. s. finden sich auch sonst in der Volsunga-Ragnarssaga 125*. 1701. 67, 15 ff. (s. d. Nachtr.). 279*. – í nordhrhalfu heimsins 64, 11. 235*** = Thidr. s. Unger 82, 13. 248, 5.. Die Kenntniß der früheren bösen Rathschlage Bicke's (S. 212*) hatte der Verfasser doch wohl aus der Thidrekssaga, und die mehrfach (35, 4. 230***. 336*) zum Verbergen des Gesichtes gebrauchten Auch bei Odin erwähnt (14, 23 f. 57, 2 f.), der ebenfalls auf diese Weise unerkannt den Sterblichen zu erscheinen liebt. tief herabreichenden Hüte werden gleichfalls in der Thidrekssaga mehrfach erwähnt. Z. B. 1, 215; 2, 361 u. s. w. Die Bezeichnung des Wurms als lyngormr, die sich sowohl in der Volsunga- wie in der Ragnors-Saga findet, ist nach G. Storm (Ragn. Lodbr. 75 f.) wahrscheinlich erst durch die Thidrekssaga in der altnordischen Literatur bekannt geworden. Das Blasen der Hörner ( lúdhrar) S. 56, 6. 321, 8 wird in der Thidrekssaga häufig erwähnt (s. Germ. 25, 153). Die Bemerkung, daß Sigmund auf seinem friedlichen Zuge zu Eylime überall Kaufgelegenheit geboten wurde ( var sett torg) erinnert stark an Thidr. s., Unger 40, 7 f. (nur in M2!): ok ekki ræna their. ok eru theim allt torg sett at kaupa allt that er their thyrva.

   

Durch das bisher Angeführte ist meiner Ansicht nach erwiesen, daß die beiden Saga's zusammen Ein Werk bilden und denselben Verfasser haben. Es liegt aber überhaupt gar kein Grund vor, diese Thatsache zu bezweifeln; vielmehr spricht auch sonst Alles dafür. In der alten Hdschr., auf welche unsere gesammte Ueberlieferung zurückgeht, sind beide als ein Ganzes überliefert, und auch in der neuentdeckten Hdschr. kann die Volsungasaga sehr wohl der Ragnarssaga voraufgegangen sein, ja es ist das wahrscheinlich, wenn es sich auch vorläufig noch nicht feststellen läßt? Vgl. oben S. III.

Ein ausdrückliches Zeugniß kommt hinzu. In der Saga von Halfdan Eysteinsson ( Fas. 3, 521) heißt es nämlich von einem gewissen Ale: »man sagte von ihm, daß er der Bruder Heime's wäre, des Pflegevaters Brynhild's, der Tochter Budle's, dessen in der Saga von König Ragnar Lodbrok erwähnt wird.« In dem Theile des ganzen Werkes, welchen wir als Ragnarssaga zu bezeichnen pflegen, wird aber Heimi's nur S. 254 gelegentlich gedacht; als Pflegevater Brynhild's ist er jedoch nur in der sogen. »Volsungasaga« erwähnt. Wir haben hier also ein ausdrückliches Zeugniß dafür, daß man damals das ganze Werk mit Einschluß der sogen. Der Titel » Volsunga saga« ist nämlich nirgends überliefert, auch wird nirgends eine Volsungasaga citirt. »Volsungasaga« als Ragnar-Lodbroks-Saga« bezeichnete. – In diesem Zusammenhange ist auch noch zu erwähnen, daß in Halfdan Einarsson's Sciagraphia (s. Möbius, Edda S. XII) rímur des Arni Bödvarsson (c. 1770) erwähnt sind, welche » historiam Volsungorum, Budlungorum, Giukungorum et Ragnaris Lodbrok« behandelten; ferner, daß auf den Färöen neben den Liedern, welche auf die Volsungasaga zurückgehn S. Lit. Centralbl. 1877, Sp. 1447; Germ. 22, 445 f., sich auch zwei Ragnars táttur und Gestsríma. finden, welche Theile der Sage von Ragnar behandeln, und zwar anscheinend nach einem älteren, theilweise ursprünglicheren Text der Saga (s. unten S. XLV** und ***.

Haben wir also streng genommen kein Recht, von einer Volsungasaga und einer Ragnarssaga als Theilen des ganzen Werkes zu reden, so empfiehlt es sich doch, diese einmal eingebürgerten Bezeichnungen aus praktischen Gründen beizubehalten.

   

Daß unsere Ueberlieferung der Ragnarssaga (im engern Sinne) jedenfalls nicht überall den ursprünglichsten Text der Saga bietet, zeigt die Vergleichung der verwandten Ueberlieferungen des Stoffes. Es kommen aber dabei in Betracht: tháttr af Ragnars sonum (Rsth.), der färöische Ragnars táttur nebst der Gestsríma, sodann der in Cod. AM. 147. 40 neuentdeckte Text der Saga; ferner für den Drachenkampf der Schluß der Herraudssaga [und etwa noch der tháttr von Nornagest für die beabsichtigte Romfahrt der Ragnarssöhne].

Lehrreich ist zunächst eine Vergleichung des ersten Kapitels mit dem Anfange des Rsth. und dem Schlusse der Herraudssaga ( H). Ich bespreche dies Kapitel so eingehend, weil grade hier ein Urtheil über den Werth unseres Sagatextes zu gewinnen ist. Diese beiden Berichte sind wesentlich kürzer als Unser Text der Saga ( R) und stimmen darin mehrfach, zuweilen auch in Zusätzen und Abweichungen untereinander gegen R überein. Ein schlagendes Beispiel sei hier angeführt: Rsth. fügt als Bedingung des Jarls hinzu edha thyrdhi at ganga til tals vidh hana fyrir orminum = H: sem thyrdhi at ganga í skemmuna til máls vidh hana. Dies fehlt in R, ist aber gewiß echt, weil in R (nicht aber in den beiden kürzenden Auszügen, die grade diese Bedingung bewahrt haben) nachher Ragnar mit Thora spricht, und zwar in einer Strophe. Unter diesen Umständen verdienen auch kleinere Uebereinstimmungen Beachtung: einum manni H 233, 23 = Rsth. 346, 1; gipta Rsth. und H, gefa R; desgleichen kürzere Fassungen, in denen Rsth. und H gegen R zusammentreffen: statt der umständlichen Erzählung R 237, 18 bis 238, 4 ( Fas. = 233, 8-16 der Uebersetzung) heißt es im Rsth. einfacher und natürlicher: thessi ormr vardh svá mikill um sídhir, at hann lá í kring um skemmuna [ok beidh í spordh sér (der letzte Satz = R und Ragn. t., fehlt in H); H: ok óx hann svá mikit, at hann lá í hring um skemmu hennar (Vgl. R ... hann óx mikit ... ok liggr nú í hring um eskit ... nú liggr hann útan um skemmuna, svá at saman tók höfudh ok spordhr). Dem kürzeren Text des Rsth. = H entspricht auch der Ragn. t. Der Zug, daß das Gold unter ihm wächst, fehlt demnach in Rsth. und H. – Nach Rsth. giebt Ragnar seiner Tochter die Schlange í morgingjöf, nach H: í tannfé [Ersteres dürfte das ursprüngliche sein: in entsprechenden deutschen Sagen will der Vater seine Tochter selbst heirathen). R 237, 11-14 ( Fas. = 233, 1-3 d. Uebers.) hat dafür etwas recht Abgeschmacktes gesetzt. Andrerseits stimmt mehrfach H zu R gegen Rsth. Daß Thora aller Frauen schönste war; daß der Wurm in die Truhe gelegt wird (= Ragn. t.) und sich später in den Schwanz beißt (= Ragn. t.); daß vor Ragnar Keiner die That wagte – berichten nur Rsth. = R., zuweilen auch Rsth. zu R gegen H. Daß der Wurm sehr schön ( R) oder goldfarbig ( H) ist, und daß Gold unter ihn gelegt wird (= Ragn. t.), berichten nur H = R. Diese stimmen auch S. 234, 2 f. ( sá [einn R] R H, their Rsth.) und 2342 gegen die Erweiterung im Rsth. 345, 18-21 genauer überein. Daß bei der Einführung Thora's im Rsth. und H grade das fehlt, was in R mit der Thidrekssaga oder Volsungasaga übereinstimmt 237, 9 ( Fas. = 232†† d. Uebers.): jarlinn unni dóttur sinni mikit = Thidr. s. (s. Germ. 25, 155); 237, 3-5 ( Fas. = 232, 1-3 d. Uebers.) wörtlich = Thidr. s. (Germ. 25, 262); die Erklärung des Namens »Borgarhjort« = Vols. 1673. 2084., ist bemerkenswerth, schwerlich aber mehr als Zufall. Denn die Redaction der Saga, Welche im Rsth. (und also doch auch wohl in H) benutzt ist, muß schon mit der Volsungasaga in Verbindung gestanden haben Rsth. kennt Aslaug als Tochter Sigurd's mit Brynhild (346, 23 ff.) etc. – Der in Verbindung mit der Volsungasaga verfaßte Text der Saga aber hat eben die Thidrekssaga benutzt. Also kann Rsth. nicht auf eine Redaction der Saga zurückgehn, in welcher die Thidrekssaga noch nicht benutzt gewesen wäre. Als eine Stütze für Keyser's Ansicht (s. oben S. XXIX*, vgl. aber auch unten S. LVII* darf man Obiges also nicht anführen.. Ebensowenig ist aus dem Fehlen anderer Züge Daß das Gold unter dem Wurme wächst und zu Thora's Mitgift bestimmt ist (vgl. übrigens G. Storm, Ragn. Lodbr. 76); die Herrichtung von Thora's umzäuntem Gemache 232†††. im Rsth. und H ohne Weiteres auf die Unechtheit derselben zu schließen. Denn Rsth. und H sind offenbar kürzende Auszüge, wie sich denn Rsth. 346, 17 ff. ausdrücklich auf die ausführlichere Darstellung in der Saga Ragnars konungs beruft. Man vergleiche hiermit die unten S. XLIX**. LXIV besprochene Berufung des Nth. auf die saga Sigurdhar. Da nun Rsth. und H nicht von einander abhängig sind Dies ergiebt sich daraus, daß bald Rsth., bald H allein zu R stimmt, wie oben S. XLIII* und XLIII** gezeigt ist., so sind beide als kürzende Recensionen einer und derselben ältern Fassung der Saga zu betrachten, die in manchen Punkten von R abwich und mehrfach R gegenüber eine ursprünglichere Kürze Auch G. Storm (Ragn. Lodbr. 75) findet hier im Rsth. den »kürzesten und echtesten« Bericht. bewahrt hatte. Daß dieser Text vielfach bessere Lesarten hatte als R, zeigt sich namentlich in den Strophen. S. unten S. L f.

Auch das Exemplar der Saga, nach welchem die färöischen Lieder gedichtet sind Vgl. oben S. XL**., muß einen vollständigeren und in mancher Hinsicht bessern Text gehabt haben, weil der Ragnars táttur Vgl. Str. 41-49 und darüber S. 239**; Str. 63 und dazu S. 252**; Str. 76 ff. und dazu S. 250*. (Hammershaimb S. 59 ff.) und für die Aslaugsage die Gestsríma Vgl. Str. 15 und dazu S. 256***; Str. 26. 34 und dazu S. 2461; wenigstens ist die Fassung der Gestsrima hier einfacher und ansprechender. (ebd. S. 68 ff.) auf einen solchen hinweisen.

   

Lehrreich für das Verhältniß unseres Textes zu den verwandten Ueberlieferungen ist ferner die kleine Stelle, wo ich durch Herrn Prof. Bugge's Güte in der Lage bin, die neuentdeckten Fragmente im Cod. AM. 147. 40 [den ich mit AM bezeichne) zu vergleichen. Der letzten lesbaren Seite in AM entspricht in meiner Uebersetzung S. 329, 2 – 331, 8 ( Fas. 291, 25 – 292, 22) und Rsth. 354, 5-27. Zunächst, nämlich bis Fas. 292, 12, schließt sich AM in der Hauptsache an R an, während Rsth. hier viel kürzer ist. Doch stimmt auch hier manches in AM zum Rsth., was in R fehlt, Für R 291, 25-29 ( Fas.) hat AM nur: sœkir til móts vidh thá, fylkja nú hvarirtveggju vandliga lidhinu, setja upp merkin. R 291, 30-292, 3 (Fas.) ist wörtlich = AM, doch hat AM hier einen Satz eingeschoben, s. unten S. XLVII*. Zu R 292, 4 ff. ( Fas.) lautet AM ähnlich: thá lýkr svó at landsmenn flýja ok fá mikinn ósigr [= R, fehlt Rsth.]; en Ella konungr er leiddr fyrir Ragnarssonu; hann var sárr mjök (= R 292, 13 f., fehlt Rsth.). Im Rsth. lautet die Stelle: vardh konungr thá borinn ofrlidhi (= AM: medh thví at lidhsmunr var allmikill), svá at mikill thori lidhs hans fell; [en sjalfr vardh hann handtekinn (= R, fehlt AM). R 292, 6 f. ( Fas.) giebt AM ähnlich wieder. R 292, 7-12 stimmt wörtlich zu AM, während Rsth. kürzt. – Rsth. 354, 5 f. ferr hann nú móti theim brœdhrum medh sinn her = AM: sœkir nú til móts vidh thá. – Rsth. 6 f. ok er their koma saman = R 291, 28 f.: en thegar theira lidh hittist. Dagegen von Fas. 292, 12 ( Rsth. 354, 12) ab stimmt AM ziemlich wörtlich zu Rsth., nur Fas. 292, 13-15 stimmt wörtlich und 292, 12 f. 20 f. 22 f. inhaltlich mit AM überein. Das Ritzen des Blutaars wird in AM folgendermaßen geschildert: reist örn á baki honum ok skar rifin frá hrygginum ok dró ur honum lungun – Rsth. 354, 12 ff.: rista örn á baki Ellu ok skera sídhan rifin öll frá hrygginum medh sverdhi, svá at thar vóru lungun útdregin. In R. heißt es kurz: »that, wie Ivar ihm gebot«. Die Halbstrophe aus Sighvat's Knutsdrapa findet sich in AM, dsgl. die Tödtung des heiligen Eadmund etc., s. G. Storm, Ragn. Lodbr. 107. Andrerseits hat aber AM auch Züge, die nicht nur in R, sondern auch im Rsth. fehlen und dabei eine von R und Rsth. wesentlich verschiedene Auffassung von Ivar's Betheiligung am Kampfe zeigen. Entsprechend der Zeile 30 auf S. 291 Fas. (= 329, 8 d. Uebers.) ist in AM eingeschoben: en er skamma stund hefir stadhit bardaginn (vgl. 57, 1 f. – B. 107, 14), thá kom Ívarr thar medh mikinn her til móts (vgl. 80, 4 f. = B. 118, 3) vìdh brœdhra sína, [sneri nú mannfallinu í her Ella konungs (vgl. 57, 9 ff. = B. 107, 19 f.). Dem entsprechend ist der Satz medh thví, at ... Ívarr kom mjök i opna skjöldu Ella konungi vor Z. 4 auf S. 292 Fas. (= 329, 11 f. d. Uebers.) eingeschoben, sowie der Satz R. 292, 5 f. Fas. ( ok – nánd) fortgefallen ist. Die List besteht hier darin, daß Ivar seinem Versprechen gemäß Ella nicht feindselig gegenübersteht; (S. 323, 7), sondern ihn im Rücken angreift. Ferner hat AM auch sonst abweichende Lesarten, wo R und Rsth. übereinstimmen. Vgl. oben S. XLV†.

Sofern es nicht überhaupt voreilig ist, aus einem so kleinen, zur Vergleichung stehnden Abschnitt Schlüsse zu ziehen, müßte man aus den dargelegten Verhältnissen schließen, daß in dem besprochenen Abschnitte Rsth. zuerst bedeutend gekürzt hat und deshalb AM, obwohl auch hier vielfach von R abweichend, doch mehr zu R als zu Rsth. stimmt, während in der zweiten Hälfte Rsth, seine ( AM nahestehende) Vorlage vollständiger wiedergegeben hätte, und deshalb hier mit AM weit genauer übereinstimmt als mit R. Es ist beachtenswerth, daß wenigstens an Einer Stelle (330***, Nachtr.) AM sicher gegenüber der Verderbniß in R die richtige Lesart bewahrt hat. Auch das ist übrigens zu beachten, daß der Stil in AM auch da, wo AM von R abweicht, dieselben formelhaften Wendungen zeigt, wie sonst die Volsunga-Ragnarssaga; vgl. z. B. XLVII*. Da nun nach Prof. Bugge's Angabe Natürlich konnte ich Herrn Prof. Bugge nicht zumuthen, die einzelnen, mit unendlicher Mühe von ihm entzifferten Brocken mir zu sehr wohlfeiler Ausnutzung zu überlassen. Hoffentlich macht er selbst Alles von ihm Gelesene recht bald der Forschung zugänglich. die Hdschr. auch in den Strophen bessere Ueberlieferung zeigt sowie mehrfach dem Rsth. näher steht und kürzer ist als R, so darf man wohl die Ansicht aussprechen Unter dem Vorbehalt natürlich, daß bei Kenntniß reicheren Vergleichsmaterials sich das Verhältniß noch etwas anders herausstellen könnte., daß die neue Hdschr. eine ältere, theilweise kürzere Fassung der Saga darstellt, welche der Vorlage des Rsth. nahe stand.

   

Da nun der Rsth. an den beiden vergleichbaren Stellen mit zwei ganz verschiedenen Texten wesentliche Berührungen zeigt, sowohl in der knapperen Form der Darstellung als auch in einzelnen Lesarten, bezw. gemeinsamer Erhaltung von Zügen, die in R fehlen; da ferner auch die färöischen Lieder einen in mancher Hinsicht bessern und vollständigern Text der Saga benutzt haben müssen: so scheint es sicher, daß unser Text R keineswegs die älteste, unverfälschte Fassung der Saga ist. Vielmehr erscheint er als eine jüngere Recension, die zu breiterer Darstellung neigte, während dem gegenüber die andern Ueberlieferungen, nämlich Rsth., AM und H Falls die Episode von der beabsichtigten Romfahrt der Ragnarssöhne ( Nth. S. 389 ff) nicht, wie ich annehme (s. unten S. LXVII), auf mündlicher Tradition beruhen sollte, müßte sie auch auf eine ältere, knappere Gestalt der Ragnarssaga zurückgehn., auf eine ältere, knappere und theilweise bessere Fassung Die aber nicht vor unserer Volsunga-Ragnarssaga bestanden haben kann (s. oben S. XLIII†), sondern mit deren ältester Gestalt identisch sein oder auf dieselbe zurückgehn muß. Daß übrigens in irgend welcher Form eine andere Darstellung der Ragnarssaga schon früher bestanden haben könnte, ist nicht absolut unmöglich. (Vgl. unten S. LVII***) G. Storm ( Snorre Sturlassöns Historieskrivning S. 67) hat eine solche als Theil der verlorenen Skjöldungasaga vermuthet. zurückgehn. Daß dies auch gegen die Zuverlässigkeit unserer Ueberlieferung der Volsungasaga in derselben Hdschr. einige Bedenken erwecken muß, ist schon oben S. XXV** angedeutet. Schon Bugge (Einl. zur Edda-Ausgabe, S. XXXV) hat geäußert, es sei »Grund vorhanden zu der Annahme, daß die ursprüngliche Redaktionsform nicht in allen Stücken uns vorliege.«

Besonders deutlich zeigt sich die Verderbniß unserer Ueberlieferung in den Strophen. Bei Vergleichung der sieben auch im Rsth. erhaltenen Strophen (11. 13. 18-22) mit diesem Texte erweist sich nämlich die Ueberlieferung im Rsth. meist als die entschieden bessere (Str. 11, 6. 13, 2 f. 21, 1. 22, 3 f. 7 f.); in einzelnen Fällen (18, 2-4. 19, 6. 21, 8) hat allerdings unser Text ebenso viel oder mehr für sich. Aber auch, wo wir keine andere Ueberlieferung vergleichen können, zeigt die Unmöglichkeit, mit der Ueberlieferung gewisser Verse einen Sinn zu verbinden, die sprachlichen Ungeheuerlichkeiten und Abnormitäten, sowie die metrischen Verstöße (gegen die Regeln der Silbenzählung und des Stabreims) die vielfache Verderbniß unseres Textes.

Alle diese Strophen (mit Ausnahme der drei letzten, mit denen es eine besondere Bewandtniß hat) sind in reimlosem Dróttkvætt verfaßt D. h. sie bestehn aus je acht sechssilbigen, in drei Takte zerfallenden Versen mit regelmäßigem Stabreim. Vgl. auch Gislason, Njála II. 1, S. 17-19., wobei sich allerdings hier und da, jedoch ohne feste Regel, ein Binnenreim, bezw. eine Binnenassonanz eingestellt hat. Diese Form ist die ursprünglichste des Dróttkvsætt und findet sich in sehr alten Skaldenstrophen. Doch darf man daraus nicht auf das Alter unserer Strophen schließen, denn dieselben weisen durch das Versmaß bestätigte Sprachformen auf, welche einer verhältnißmäßig jungen Zeit angehören. Z. B. wird eigi durchweg = »nicht« gebraucht; der Wechsel der Quantität von éa zu ist eingetreten etc. Sodann sind unsere Strophen in Form und Ton völlig gleich denen der Krakumal, jenes Ragnar in den Mund gelegten Liedes, in dem er sterbend seine Thaten besingt. Die neunten und zehnten Verse der Strophen des Liedes sind nämlich unecht. S. G. Storm, Ragn. Lodbr. 119. Dies Lied ist nun aber, wie G. Storm Ebd. S. 116-121. wahrscheinlich macht, sehr jung und wäre nach Storm selbst in seiner ursprünglichsten Gestalt nicht vor der Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden.

Es entsteht nun die Frage: wie verhalten sich die Strophen zur Prosa der Saga? Rühren sie vom Verf. der Saga her, sind sie also gleich alt, d. h. aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrh.'s, also aus der Zeit, da die Heldendichtung im Begriffe war völlig zu verklingen und auch die Skaldendichtung zu Grabe ging? Oder sind sie älter als die Saga und vom Verf. benutzt? Die erstere Alternative ist an sich wenig wahrscheinlich und ließe sich auch wohl geradezu als unmöglich erweisen. Dagegen spricht Vieles für die andere Annahme.

Die Strophen zeigen nämlich zuweilen eine von der Prosa abweichende Auffassung einzelner Sagenzüge, die einer älteren Gestaltung der Sage entspricht. So erscheint in den Strophen Bjorn als Anführer der Brüder Vgl. G. Storm, Ragn. Lodbr. 51 f. 112. 37, 1 (vgl. 339†. 390**), sowie auch Bjorn es ist, der in den Strophen 7. 28. 29 seine und seiner Brüder gemeinsame Thaten rühmt. Auch im Nth. S. 390** erscheint Bjorn als Wortführer und Leiter des Zuges. In der Prosa hingegen ist Ivar zum Anführer und Wortführer der Brüder geworden. Ferner: während S. 248 drei Bedingungen gestellt sind, erwähnt Str. 2, 5-8 nur zweier, und eben diese beiden kennt auch der Ragn. t. allein (s. S. 250*). Mehrfach erwähnen die Strophen Züge, die in der Prosa fehlen und vorher in keiner Weise erwähnt und erläutert sind, z. B. 5, 7 f. (specieller als S. 245**); 6, 5-8 (specieller als S. 256, 4 f.); 7, 4; 21, 6 f. (erst nachträglich erläutert); 37, 5-7. Das Anerbieten der Bruderbuße, worauf Str. 11, 1 f. anspielt, wird allerdings in R auch nicht erwähnt, wohl aber im Rsth. 348, 7 f., wo die Darstellung an dieser Stelle überhaupt vollständiger ist.

Ferner scheinen mehrfach die Strophen der Prosa zu Grunde zu liegen. So scheint die ganze Prosa von Str. 11-14 aus diesen Strophen entnommen und zu ihrer Erläuterung bestimmt zu sein. Anderes ist vom Tode Hvitserk's auf den Eirek's übertragen, s. S. 332*. 2761. Auch die Prosa vor Str. 30. 31 (S. 331, 8 ff.) – namentlich die plötzliche Erwähnung der sonst ganz vergessenen Randalin – macht den Eindruck, als wäre ihr Inhalt aus diesen Strophen entlehnt. Ebenso mag die Prosa zwischen Strophe 8 und 9 aus Str. 9, 5 entnommen sein. Der erste Prosasatz nach Str. 21 ist offenbar zur nachträglichen Erläuterung von 21, 6 bestimmt und aus der Strophe entnommen. Das seltene Wort hlunnrodh »Rollenröthung« S. 273, 3 ( Fas. 260, 2) ist offenbar aus Str. 15, 6 f. ( Fas. 264, 8) entlehnt. Die Verse 27, 1 ff. (= Saxo) sind wörtlich in der Prosa vor Str. 26 (S. 3113) benutzt. Desgleichen ist S. 252 »das Hemd, welches Thora getragen hatte, und welches ganz goldbesäumt war« fast wörtlich Doch steht » silberbesäumt« in der Strophe. aus Str. 4, 1-3 = 5, 1-3 entlehnt.

Endlich hat, wie schon erwähnt, Saxo Der gegen Ende des 12. Jahrh. schrieb. S. 460, 25 ff. offenbar den Versen 27, 1 f. ganz gleichlautende Verse gekannt, G. Storm, Ragn. Lodbr. 96. 120 nimmt an, daß Saxo ein »längeres Gedicht vor sich hatte, welches die meisten von Ragnar's Kämpfen und Siegen aufzählte«. Dies war nach Storm die Umarbeitung eines älteren Gedichtes, welches er für ein dänisches um die Mitte des 12. Jahrh. gedichtetes hält. Gegen letztere beiden Punkte könnte man wohl einige Bedenken hegen. Und mit Str. 26 stimmt Krakumal 28, neben wesentlichen Abweichungen dem Sinne nach, und theilweise auch wörtlich überein; mit Str. 27 ebenso Krakumal 26 dem Sinne nach. Natürlich können hier nicht etwa die Krakumal – die nach Storm das ältere dänische (?) Gedicht, auf welches auch Saxo's Quelle zurückgehn soll, benutzt hätten – in unsern Strophen benutzt sein, weil sonst die Benutzung sich schwerlich grade auf diese zwei Strophen beschränkt haben würde. Vielmehr ist ein engerer Zusammenhang zwischen unseren Strophen und Storm's ältester Ragnars-Dichtung (die dann schwerlich eine speciell-dänische gewesen wäre) zu vermuthen.

   

Es ist ferner wohl zu beachten, daß die Strophen keineswegs gleichmäßig über die ganze Saga vertheilt sind, sondern zusammengehörige Gruppen bilden und zuweilen mit einander in unmittelbarem Zusammenhange stehen. So beschränkt sich eine und zwar die umfänglichste Strophengruppe, nämlich Strophe 11-22, auf das neunte Kapitel. Str. 11-14, die Eirek vor seinem Tode spricht, stehn unter einander in engem Zusammenhange und können, wie oben S. LIII gesagt, einmal ohne die prosaischen Zwischensätze auf einander gefolgt sein. Str. 15-16, die Meldung an Aslaug enthaltend, gehören jedenfalls dazu. Vgl. auch Str. 13 mit S. 280, 17 und dazu oben Z. 8 ff. Die Prosa zwischen Str. 14 und 15 kann sehr wohl zur Verbindung vom Sagaschreiber eingeschoben sein: 279, 4 ff. ergiebt sich aus Str. 17; 279, 7-10 und 12 f. ist formelhaft. Vgl. S. 316, 8-11 etc. Auf Str. 16 muß eine der Str. 13 ähnliche und in der zweiten Hälfte gleiche Strophe gefolgt sein, wie S. 280, 17 f. zeigt, und auch 280, 19-281, 3 scheint auf einer (nicht erhaltenen) Strophe zu beruhen. Daran schließen sich – etwa mit einem kurzen prosaischen Zwischensatz wie im Rsth. 349, 10 ff. – die Strophen 17-22 sehr hübsch an, wie es im Rsth. der Fall ist. Der Zusammenhang ist so viel einfacher und natürlicher als in R, wo Ivar's anfängliche, breit Ivar erzählt im Wesentlichen dasselbe, was schon S. 263 f. (vgl. 260 f.) berichtet ist. Die ganze Aufreizung zur Rache scheint der Ermanrichssage (S. 213 f.) nachgebildet zu sein. (Vgl. oben S. XXX). motivirte Weigerung, von der er nachher doch absieht, eingeschoben ist.

Eine andere Gruppe bilden die Strophen 23-25 nebst 26 und 27, Ragnar's Englandsfahrt und Tod betreffend. Letztere beiden, deren Alter durch Saxo und Krakumal bestätigt wird, gehören natürlich zusammen. Str. 23 und 24, denen man noch ansieht, daß sie vom Sagaschreiber seiner Erzählung nicht recht geschickt eingefügt sind, scheinen eng zusammengehört zu haben, obwohl man das bei der Dunkelheit der Str. 24 nicht mit Sicherheit sagen kann. Zusammen gehören ferner Ragnar's 3 Strophen auf Sigurd Schlangenauge, Str. 8-10, und andrerseits wahrscheinlich die drei Strophen (7. 28. 29), in denen Bjorn seine und seiner Brüder Kriegsthaten preist, und die er nebst andern, verlorenen Strophen bei irgend einer Gelegenheit zusammen gesprochen haben wird. Ferner ist in Str. 32-37 ein zusammenhängendes Wechselgespräch erhalten. Endlich die Strophen 2-5 (und 6) sind Wechselgesprächsstrophen zwischen Ragnar und Aslaug bei ihrer Begegnung (und Vermählung).

Uebrig ist dann noch die Einzelstrophe 1 und das Strophenpaar 30-31. Die Strophen finden sich demnach hauptsächlich in 6 Kapiteln gruppenweise beisammen: im Kap. 5 (5 Strr.), Kap. 8 (3 Strr.), Kap. 9 (12 Strr.), Kap. 14 und 15 (5 Strophen) und Kap. 20 (6 Strr.) In den übrigen 14 Kapiteln – von Kap. 21 sehe ich ab – finden sich nur 6 Strophen, von denen wieder drei (7. 28. 29) wahrscheinlich zusammengehören.

Daß übrigens auch sonst dem Texte der Saga theilweise Strophen zu Grunde liegen, ist oben S. LV gelegentlich bemerkt. Es ergiebt sich das aber auch aus den mehrfachen wörtlichen Berührungen mit Saxo Namentlich S. 3171. 3181. 3231 (= Saxo 462, 18 f.: Pferdehaut). 3243-4 (= Saxo 462, 22-24) u. s. w. Vgl. auch zu Kap. 1: Saxo 443 ff., die doch wohl wie die gleichartigen Uebereinstimmungen der Thidrekssaga mit den altdeutschen Heldengedichten S. Germ. 23, 96 ff.; 25, 65 f. so zu erklären sind, daß beide Darstellungen in solchen Fällen dieselben oder ähnliche Lieder benutzten. Es scheint also, als hätten wir in den Strophen der Ragnarssaga Fragmente eines Liedercyklus von Ragnar, den der Verfasser der Saga wohl noch vollständiger Möglicherweise sogar schon niedergeschrieben und mit prosaischen Zwischensätzen, also eine Art ältere Ragnarssaga. Wie dem auch sei, jedenfalls wäre mit einer solchen älteren Ragnarssaga, wenn sie existirte, der knappere, ältere Text unserer Ragnarssaga, auf den Rsth, AM und H weisen (s. oben S. XLIX) nicht zusammenzuwerfen (vgl. S. XLIX**). kannte und benutzte Sein Verfahren wäre also hier analog dem bei der Volsungasaga beobachteten., in derselben alterthümlichen Form des Dróttkvætt, wie sie auch für die Krakumal wohl absichtlich, eben ihres alterthümlichen Charakters wegen, gewählt wurde. Wie wir uns das Verhältniß dieses vermutheten Liedercyklus zu den Krakumal zu denken haben, darüber enthalte ich mich hier des Urtheils und verweise nur auf die oben S. LIV* ausgesprochene Vermuthung.

   

Hinsichtlich des Alters der Volsunga-Ragnarssaga kann ich mich kurz fassen. Wie für das ganze Werk die Benutzung der Thidrekssaga, so ergiebt für den Theil des Werkes, den wir Volsungasaga nennen, die Benutzung der Liedersammlung nach der einen Seite hin einen festen Punkt für die Altersbestimmung. Die Thidrekssaga ist, wie G. Storm Sagnkredsene om Karl den Store og Didrik af Bern (Christiania 1874), S. 93 ff. festgestellt hat und jetzt wohl allgemein angenommen wird, bald nach 1250 verfaßt, die Volsungasaga also etwa um 1260 oder später. Die Liedersammlung, bezw. die derselben einverleibte Sigurdssaga, muß um 1240, genauer zwischen 1230 und 1250 entstanden sein. S. oben S. XIII*. Eine Begrenzung der Abfassungszeit nach der andern Seite hin ergiebt sich daraus, daß die Volsungasaga höchst wahrscheinlich S. Germ. 24, 359 f.; Zschr. f. d. Phil. 12, 106 f. in der Bearbeitung der Snorra Edda, welche in den Handschriften r, W u. a. vorliegt, benutzt ist, die Ragnarssaga aber im tháttr af Ragnars sonum ( Rsth .) und in der Herraudssaga.

Was die Snorra Edda betrifft, so handelt es sich hauptsächlich um die kurze Skizze der Nibelungensage in Skaldskaparmal Ueber dieselbe s. oben S. XVI*., deren größerer zweiter Theil außer der Liedersammlung Und zwar ist zum großen Theil das verlorene Stück derselben benutzt. wahrscheinlich auch die Volsungasaga benutzte. Die in rW vorliegende Bearbeitung der Snorra Edda muß aber spätestens zu Ende des 13. Jahrhunderts verfaßt sein Denn die Hdschr. r gehört dem Anfange des 14. Jahrhunderts an und geht doch selbst erst durch Zwischenglieder auf das Original der Bearbeitung zurück (Beitr. 6, 536 f.) [doch kaum von Olaf Thordsson, † 1259]. Hat also diese Bearbeitung die Volsungasaga benutzt, so muß letztere mindestens um 1290 herum schon existirt haben.

Weniger Anhalt für die Altersbestimmung bietet der zweite Theil unseres Werkes, die Ragnarssaga im engern Sinne. Daß die Herraudssaga sie benutzt hat, hilft uns wenig; ebenso wenig das Citat in der Saga von Halfdan Eysteinsson ( Fas. 3, 521), so wichtig es sonst auch für uns ist (vgl. oben S. XL). Mehr schon die Benutzung im Rsth., der sich ausdrücklich auf eine Ragnarssaga als seine Quelle beruft. Nach der Erwähnung des Drachenkampfs heißt es dort 346, 17 ff.: »und erging es so, wie in der Saga von König Ragnar erzählt ist, daß er darauf Thora Borgarhjort zur Gattin erhielt.« Der Text des Rsth., überliefert in der Hauksbok Zum größten Theil von Hauk Erlendsson († 1334) selbst geschrieben., stammt aus den ersten Decennien des 14. Jahrhunderts und ist jedenfalls vor 1334 geschrieben. Hauk schrieb nämlich den Rsth. selbst, vgl. Thorkelsson, Nokkur blödh úr Hauksbók (Reykjavik 1865), S. XIV, wo S. XV ff. über die Zeit der Niederschrift gehandelt ist. Da nun (vgl. oben S. XLI ff.) dieser Auszug auf die älteste Fassung der (Volsunga-)Ragnarssaga keineswegs unmittelbar, sondern durch Vermittelung von Zwischengliedern zurückgeht, so gewinnen wir wieder das Resultat, daß die Saga gegen 1300 schon existirt haben wird. Die Berufung der Herv. s. (Bugge 292) nuf Ragn. s. Kap. 11 (Eystein herrschte über Schweden, »bis König Ragnar's Söhne ihn fällten, wie in seiner Saga erzählt wird«) stand höchstwahrscheinlich auch schon in der Hauksbok, wo Hauk selbst die Saga schrieb. Ueber das Verhältniß der Nornagestssaga zur Ragnarssaga spreche ich unten S. LXVII.

Aus allem Angeführten ergiebt sich, daß die Volsunga-Ragnarssaga in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wahrscheinlich zwischen 1255 und 1290 verfaßt ist. Nach der Tendenz der Saga ist es wahrscheinlich, daß sie am Norwegischen Königshofe Dafür, daß der Verfasser in Norwegen schrieb, spricht auch (wie schon Sijmons bemerkte), daß es von Heimi heißt, er sei mit Aslaug » hierher in die Nordlande« ( hingat á Nordhrlönd), d. h. nach Norwegen gekommen; ferner die Erwägung, daß die Thidrekssaga wenig abgeschrieben wurde und außer den Hofkreisen wohl selbst in Norwegen wenig bekannt und populär war, am wenigsten aber auf Island (Germ. 23, 84); vgl. auch unten S. LXII*., vielleicht auf königliche Anregung hin verfaßt ist, vermuthlich von einem Isländer. S. Sijmons a. a. O. 214. Daß unsere Handschrift isländische Sprachformen zeigt, kann nicht dagegen geltend gemacht werden. Man ist versucht hinsichtlich solcher Anregung zunächst an König Hakon Hakonsson zu denken, »dessen literarische Neigungen auch sonst bekannt sind« (Sijmons a. a. O. 214) Außer den dort angeführten Stellen vgl. auch G. Storm, Sagnkredsene etc. S. 98; Sars, Udsigt over den norske Historie 2, 339., der aber schon 1263 starb. Ist die Vermuthung zutreffend, so müßte die Saga also in den letzten Lebensjahren dieses Königs, um 1260 etwa, verfaßt sein. Da der Verfasser die Thidrekssaga offenbar sehr genau gekannt hat, indem er nicht nur geringfügige Züge derselben entlehnt hat, sondern auch in seinem Stil merkwürdig mit dem der Volsunga-Ragnarssaga übereinstimmt, so haben wir die Verfasser nach Raum Vgl. oben S. LXI*. und Zeit Eine so genaue Aneignung des Inhalts und des Stils der Thidrekssaga erklärt sich wohl nur bei der Annahme, daß unser Verfasser jene Saga gleich nach deren Abfassung ihrer Neuheit wegen mit so großem Interesse las. Jedenfalls muß er die Handschrift selbst vor sich gehabt haben, vermuthlich den Originaltext (s. Germ. 25, 261***; aber auch Klockhoff, Studier öfver Thidreks saga af Bern, Upsala 1880, S. 17 f.). schwerlich weit von einander entfernt zu denken. Man könnte sich sogar zu der Vermuthung versucht fühlen, daß der Verfasser der Thidrekssaga selbst später die Volsunga-Ragnarssaga verfaßt hätte, obgleich ich das keineswegs behaupten will.

   

Das Verhältniß der Geschichte von Nornagest ( Nth.) zur Lieder-Edda ist insofern das gleiche wie bei der Volsungasaga, als auch der Nth. die Liedersammlung benutzt hat. Wilken hat dies (S. XC ff.) durchaus mit Unrecht leugnen wollen, s. Germ. 24, 361 f.; Zschr. f. d. Phil. 12, 108 ff. Doch folgt er der Prosa meist noch wörtlicher als die Volsungasaga, und andrerseits hat er nur einen Theil der Sammlung, die eigentliche Sigurdssaga S. Germ. 24, 362 f.; Zschr. f. d. Phil. 12, 109 f., und von dieser auch nicht Alles benutzt. Dieser Theil der Sammlung muß gemeint sein, wenn der Nth. S. 372† sich auf die saga Sigurdhar beruft. So auch Bugge, Einl. zur Edda-Ausgabe XLIII. Die Berufung auf die saga Sigurdhar, in der, wie es heißt, Sigurd's und Brynhild's Schicksale genauer geschildert werden, hat man auf die Volsungasaga gedeutet, so neuerdings Wilken und Müllenhof (H. Zschr. 23,113). Müllenhof's Ansicht, »daß der Nornengast nur eine Nachlese zu der älteren Saga [der Volsungasaga] giebt, indem er, was diese von der Prosa und den Liedern der Sämundar Edda aus der Sigurdssage überging, zusammenfaßt, ihre besondere Meinung von der Heimath Sigurd's nach der herrschenden Ansicht berichtigt und außer einigen eignen Erfindungen, Mißverständnissen und Ausführungen noch ein sonst unbekanntes Stück aus der Volkssage hinzuthut, so daß Kap. 6 seine Verweisung auf die saga Sigurdhar Fafnisbana sich unzweifelhaft auf Vols. s. Kap. 20 bezieht«, kann ich trotz der absprechenden Sicherheit, mit der sie ausgesprochen wird, nicht für zutreffend erachten. Daß die Volsungasaga nicht benutzt ist, auch mit der »Sigurdssaga« nicht gemeint sein kann, habe ich in der Germ. 24, 361 f. und Sijmons in der Zschr. f. d. Phil. 12, 110 f. gezeigt. Die Berufung auf die Saga von Sigurd, in der das kurz angedeutete genauer erzählt werde, gleicht übrigens ganz genau der Berufung des Rsth. auf die ausführlichere Erzählung der Ragnarssaga. Wie dort die bis dahin und nachher wieder wörtlich benutzte Ragnarssaga gemeint ist, so auch hier der vorher und nachher wörtlich ausgeschriebene Theil der Liedersammlung, welchen ich – eben nach diesem Citat – als die Sigurdssaga bezeichne. Im Uebrigen ist es nicht richtig, daß der Nth. einen Nachtrag zur Volsungasaga liefere, denn einerseits ist ein großer Theil der Reginsmal, die Nth. vollständig wiedergiebt, auch in der Volsungasaga benutzt Nämlich S. 65, 1-5; 75, 7-76, 3; 77, 7-79, 10; 81, 12-15., und hat ferner Nth. 369, 6-371, 1 neben der Schilderung vom Kampfe Sigurd's gegen die Hundingssöhne (S. 79, 10-81, 12) eine ganz Abgesehen von ein Paar formelhaften Wendungen, die z. Th. aus Regm. 26, 5 f. und der vorhergehnden Prosa entnommen sind. abweichende Schlachtschilderung bei derselben Gelegenheit. Andererseits »faßt« Nth. keineswegs »Alles zusammen, was die Volsungasaga von der Prosa und den Liedern der Sämundar Edda aus der Sigurdssage überging.« Vielmehr ist es klar, daß der Grund zur Auswahl einzelner Stücke anderswo lag, darin nämlich, daß Gest natürlich nur das ausführlich erzählen kann, was er selbst mit erlebt haben konnte. Deshalb mußte die »Vorgeschichte des Hortes« ausfallen, weil Nornagest sie nicht mit erlebt haben konnte, und die Geschichte als Erzählung Regin's wieder von Nornagest erzählen zu lassen, doch zu abgeschmackt gewesen wäre. Deshalb ward die Tödtung Fafni's und Regin's, die Erweckung Sigrdrifa's natürlich nur kurz angedeutet, mit Hinweis auf die ausführlichere Schilderung in der hier wie auch sonst benutzten Sigurdssaga. Deshalb mußte die Erwerbung Brynhild's durch Sigurd-Gunnar übergangen werden sowie auch der Zank der Königinnen, die Gespräche an Brynhild's Bette, die Mordpläne Gunnar's etc. Auch von Sigurd's Ermordung Ueber diese konnte Nornagest die verschiedenen in der Sammlung zusammengestellten Versionen ebenfalls nebeneinander berichten; der Verfasser der Volsungasaga mußte für seine zusammenhängende Darstellung sich an Eine halten. im Schlafgemach konnte Nornagest natürlich nur von Hörensagen wissen etc. Mit Brynhild's Tode bricht seine Darstellung ab, wie auch die saga Sigurdhar damit geschlossen haben wird. Die Erwähnung des Todes der Gjukunge (S. 379) kann sich auf den kurzen Schlußsatz oder Nachtrag zur Sigurdssaga beziehn, der als Dráp Niflunga in der Sammlung bezeichnet ist.

Die Sigurdssaga wird früher für sich bestanden haben und vom Sammler als Ganzes seiner Liedersammlung einverleibt sein. Dieser von mir zuerst aufgestellten Ansicht hat sich neuerdings auch Sijmons (Zschr. f. d. Phil. 12, 111 f.) angeschlossen. Ob der Verfasser der Geschichte von Nornagest sie etwa noch als besondere Saga – was keineswegs undenkbar wäre Da der Sammler die von ihm benutzte Handschrift der Sigurdssaga doch schwerlich vernichtet haben wird, so konnte diese selbst oder eine spätere Abschrift von ihr dem Verfasser des Nth. immerhin vorliegen (vgl. jedoch Sijmons' Bedenken a. a. O. 112). – oder als Abschnitt der Sammlung mit besonderer Ueberschrift kannte, ist schwer zu entscheiden. In letzterem Falle hat er jedenfalls nicht mehr als die Sigurdssaga zum Gegenstande der Erzählungen Nornagest's machen wollen, da er nur diese ausführlich und in wörtlichem Anschluß an die Sammlung S. Germ. 24, 362 f.; Zschr. f. d. Phil. 12, 109 ff., vom Untergange der Gjukunge Abgesehen von der Anspielung S. 379, über die oben Z. 1 ff. zu vergleichen ist. und der Ermanrichssage aber nicht das Geringste wiedergiebt, die Helgesage hingegen nur ganz flüchtig berührt.

Unter diesen Umständen ist es sehr auffallend, daß am Ende des achten Kapitels noch die beabsichtigte Romfahrt der Ragnarssöhne ziemlich ausführlich und mit wörtlichen Anklängen (S. 3904. 390, 10 f.) an die Ragnarssaga sich anschließt. Hätte der Verf. wirklich die Volsunga-Ragnarssaga gekannt, so wäre es doch höchst seltsam, daß er nächst Sigurd's Geschichte grade nur diesen verfehlten Zug und nichts von den siegreichen Kämpfen der Ragnarssöhne und namentlich Ragnar's selbst angeführt hätte. Auch ist die Erzählung neben begreiflichen Uebereinstimmungen in wesentlichen Zügen doch im Einzelnen so abweichend, daß sie höchstens auf eine ältere, abweichende Fassung der Saga zurückgehn könnte. Wahrscheinlicher aber ist mir, daß die Episode aus mündlicher Tradition in den Nth. aufgenommen ist (vgl. auch Sijmons, Zschr. f. d. Phil. 12, 112). Da diese kleine Episode übrigens der Anlage des Ganzen Es war offenbar ursprünglich nur auf Züge der Sigurdssage abgesehen. wenig entspricht, so bin ich geneigt, sie für eine spätere Interpolation eines Abschreibers zu halten, der allenfalls eine ältere Gestalt der Ragnarssaga gekannt haben könnte.

Der eigentliche Inhalt, Nornagest's Sagenerzählungen, umfaßt nur die Kapitel 3-8, Kap. 9 ist ein Uebergangskapitel, das Uebrige entfällt aus die Einkleidung, die der großen Saga von Olaf Tryggvason angehört. Die wesentlichen Züge dieser Einkleidung – ein langlebiger Recke kommt an den norwegischen Königshof und erzählt seine Erlebnisse im Heldenzeitalter – finden sich auch in zwei verwandten Geschichten wieder, die sich an die Person Olaf's des Heiligen knüpfen. Sagabibliothek 2, 116 ff. = Lange S. 82 ff. Auffallend ähnlich ist das Auftreten Toke's bei Olaf II (dem Heiligen) Flat. 2, 135 ff., ähnlich auch das Erscheinen eines Fremden, der sich ebenfalls Gest nennt, bei demselben Könige Flat. 2, 134 f. In diesem Gest erkennt der König Odin und wirft mit dem Gebetbuch nach ihm; Gest aber verschwindet. Letztere Züge stimmen wieder zu dem Erscheinen Odin's unter dem Namen Gest bei König Heidrek in der Hervararsaga (Bugge S. 234-264 = Getspeki Heidhreks). Auch hier wird Odin zuletzt erkannt und der König schlägt mit seinem Schwerte nach ihm; Odin aber entfliegt als Falke. Aus diesen verschiedenen Fassungen desselben Stoffes ergiebt sich, wie schon P. E. Müller Sagabibliothek 2, 119 = Lange S. 86. mit Recht schloß, daß der Grundstoff älter ist; ferner, daß der bei einem christlichen Könige erscheinende langlebige Heidenrecke ursprünglich Odin selbst war. Die Sage knüpfte sich an die beiden Olafe, wahrscheinlich zunächst an den ersten Olaf (Tryggvason), der zuerst mit der Einführung des Christenthums energisch durchdrang. Dies ist auch P. E. Müller's Meinung. Mit diesem Stoffe scheint sich ein anderer älterer Sagenstoff verbunden zu haben, die Sage von dem Lebenslicht Dies ist die Ansicht Wilken's (S. XCIX), der ich zustimme., für deren hohes Alter die Uebereinstimmung mit der Meleagersage zeugt (s. S. 395. Da nun schon in der Heimskringla (Olaf's Saga Tryggvason's, Kap. 71) Odin ebenfalls ohne Namen, einfach als »der Gast« ( gestr) bezeichnet, bei Olaf Tryggvason erscheint und diesem zu seiner Freude Geschichten aus dem Heldenzeitalter erzählt; da andererseits der Mann mit dem Lebenslicht sich Nornen- Gest nennt: so scheint die Verbindung der beiden Stoffe sich in einer Zeit vollzogen zu haben, als die Geschichte vom Erscheinen eines alten Heidenrecken (ursprünglich Odin's) bei einem christlichen Könige sich schon an die Person des ersten Olaf geknüpft hatte. Die älteste Fassung des Stoffes in dieser Gestalt liegt in der Heimskringla (s. oben) vor. Da der Gast in unserer Fassung getauft werden soll, kann er natürlich nicht als Odin, der als böser Geist aufgefaßt wurde, eingeführt werden. Schon Wilken S. C hat richtig bemerkt, daß diese Seite im Wesen des seltsamen Fremdlings sich in der Erscheinung des Alfen S. 345 ff. abgezweigt hat.

Mag nun die Geschichte von Nornagest als vormals selbständige Geschichte von Olaf seiner Saga einverleibt oder erst mit dieser Saga entstanden sein; mag sie in ursprünglicher Gestalt oder schon bearbeitet und interpolirt vorliegen: schwerlich wird bei der Altersfrage die vorliegende Gestalt des tháttr von der großen Olafssaga getrennt werden können. Diese ist aber nach K. Maurer Ueber die Ausdrücke: altnordische etc. Sprache, S. 192. etwa um 1300, etwas früher oder etwas später verfaßt. In dieser Zeit hätten wir also auch die Geschichte von Nornagest, wie sie uns vorliegt, entstanden zu denken, wenn nicht erst eine spätere Bearbeitung der Saga die Episode einschob. Sie ist nämlich außer in der interpolirten Flateyjarbók nur in S erhalten.

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Einige ganz allgemein gehaltene Bemerkungen über die nordische Gestalt der Nibelungensage, ihre Geschichte und ihr Verhältniß zu den deutschen Sagenfassungen mögen diese Einleitung schließen.

Die Nibelungensage liegt uns in drei Hauptgestaltungen vor:

1) der nordischen, mit der wir es hier zu thun haben;

2) der niederdeutschen, hauptsächlich in der altnordischen Thidrekssaga Hier doch vielfach mit oberdeutscher Sage untermischt. erhalten, welche bald nach 1250 in Norwegen nach niederdeutschen (genauer niedersächsischen) Sagen und Liedern niedergeschrieben ist (übersetzt in Bd. 1 und 2 dieser »Heldensagen«);

3) der oberdeutschen, hauptsächlich repräsentirt durch das Nibelungenlied und die verwandten mittelhochdeutschen Heldengedichte. Eine besondere Stellung nimmt das Sigfridslied ein und der sog. »Anhang zum Heldenbuch«. (Nach Müllenhof, H. Zschr. 23, 155 vertreten sie die spätere rheinfränkische Ueberlieferung.) Besonders alte Züge des Mythos haben die Märchen erhalten etc.

Die niederdeutsche und oberdeutsche Sagenfassung lassen sich der nordischen gegenüber als die deutsche Sagengestalt zusammenfassen, insofern nämlich unter Anderm namentlich eine wesentliche Umgestaltung der Sage S. unten S. LXXIX f. beiden gemeinsam ist.

Diesen Vorbemerkungen folge ein in großen Zügen entworfener Abriß der Geschichte der Nibelungensage bis zu der Gestaltung, welche sie in den ältesten nordischen Quellen zeigt. Diese Darstellung beruht auf jahrelanger, eingehnder Beschäftigung mit der Sage. Die Motivirung einzelner Punkte muß ich mir aber für eine andere Gelegenheit vorbehalten.

   

Uralt ist die eigentliche Sigfridssage. Sie beruht auf einem Naturmythos. Weder Baldr noch Frey, mit deren nordischen Mythen die Sigfridssage auffallende Uebereinstimmung zeigt Namentlich mit dem Freymythos in den Skirnismál., ist in Sigfrid vermenschlicht, sondern der Mythos reicht in eine Zeit zurück, da Wodan als Himmels- und Sonnengott noch alle die Mythen auf sich vereinigte, welche später durch Spaltung z. Th. auf Baldr und Frey übertragen wurden: Sigfrid ist eine Hypostase Wodan's, d. h. durch Abzweigung einer Seite vom Wesen des Gottes wie so viele andere Götter- und Heldengestalten entstanden. Am meisten entspricht der Sigfridssage der Mythos in dem eddischen Liede Fjölsvinnsmál, der keinen bestimmten Gott nennt, aber den Skirnismál nahe steht. Diesem Mythos entsprechen unsere deutschen Märchen, die wir »Sigfridsmärchen« nennen Namentlich bei Grimm no 50. 60. 90. 91. 92. 93. 111, vgl. Raßmann, Heldensage 1, 360 ff., in vielen Zügen noch auffallend. Diesen Punkt denke ich bald einmal eingehnder zu behandeln und verweise vorläufig auf Chevalier, Das eddische Lied Fiölsvinnsmal (Mies 1874), S. 6. 15 ff. Aus ihnen in Verbindung mit den anderen Quellen ergiebt sich folgende Grundform der mythischen Sigfridssage: Sigfrid wächst im Walde auf, tödtet den Drachen mit einem besondern Schwerte, gewinnt den Hort und erlöst die Jungfrau. Dann geräth er in die Gewalt dämonischer Wesen Vermenschlicht erscheinen diese in den Märchen als seine falschen Brüder, in der nordischen Sage als seine Blutsbrüder., der Nibelunge, die ihn mit Zauber (durch einen Liebestrunk) in ihr Netz locken, die erlöste Jungfrau für sich erwerben und den Hort durch Sigfrid's Ermordung wieder an sich bringen. Diese Dämonen (Alben) sind nämlich im letzten Grunde dieselben Nibelungen wie die, aus deren Gewalt Sigfrid die Jungfrau befreit und denen er den Hort abgewinnt.

So die Grundform der mythischen Sage, die sich immer menschlicher, immer mehr zur reinen Heldensage gestaltet. Die Nibelunge werden zu rheinischen Königen, doch an Hagen haftet noch das dämonische Wesen. Er ist daher nur ein Halbbruder Im Waltharius wird Hagen von König Gibich statt seines eigenen Sohnes vergeiselt. Gunther's. Seine albische Abstammung wird in der Thidrekssaga Kap. 169 (II, S. 1 f.) erzählt und blickt dort auch sonst noch deutlich genug durch. Auch Grimhild-Gudrun muß ursprünglich ein dämonisches Wesen, eine Albin oder Fee, gewesen sein, die Sigfrid mit Zauber an sich fesselte. Hier berührt sich die Tannhäusersage mit unserm Mythos. Der Vergessenheitstrank, der ursprünglich gewiß ein Liebestrank war, ist ein Rest davon. Mit der Zeit ward aus der Albin eine schöne Königstochter, und das dämonische Wesen ging ganz auf die Mutter über. So kommt es, daß in der deutschen Sage die Tochter, in der nordischen aber die Mutter Grimhild heißt. Diese reicht den Vergessenheitstrank. Daß aber ursprünglich ein Liebestrank gemeint war, zeigt S. 125, 15 f. verglichen mit dem färöischen Brynhildliede 116. 137 ff.

So ungefähr mochte in ihrer rheinfränkischen Heimath die Sage sich ausgebildet haben, als aus dem burgondischen Nachbarreiche Die Burgonden saßen damals um Worms, welche Sitze später die Franken einnahmen. im Jahre 437 die Kunde kam, daß die Burgonden unter König Gundicarius (= Gunther) von den Hunnen gänzlich geschlagen worden und ihre Königsfamilie beinahe völlig vernichtet. Vgl. Herm. Fischer, Die Forschungen über das Nibelungenlied etc., S. 96 f. Dieses Ereignisses bemächtigte sich die Sage. In der Sage war es natürlich Attila selbst, der das Königshaus der Burgonden vernichtet hatte. Und wieder nach etlichen Jahren (453) drang eine gewaltige Kunde durch die deutschen Lande: Attila war in der Hochzeitsnacht neben seiner jungen Gemahlin Ildico (d. i. Hildiko, Deminutiv zu Hilde) in seinem Blute schwimmend todt gefunden worden: trunken wie er war, war er an einem Blutstrom, der ihm häufig aus der Nase drang, erstickt. Bald aber hieß es sehr erklärlicher Weise, Attila sei trunken von seiner Gattin ermordet worden, natürlich aus Rache. Aber was hatte sie zu rächen? Diese Frage beantwortete die Sage verschieden. Eine Ueberlieferung lautete, sie habe ihren Vater gerächt, dem sie entführt sei. W. Grimm, HS. S. 9. In der Heimath unserer Sage aber dachte man an den ungerochenen Untergang der burgondischen Könige durch Attila. Hier traf Attila eine Rache ohne Motiv. Was Wunder, daß man beides verband: Hildiko (Hilde) hatte die Burgondenkönige, ihre Brüder, an Attila gerächt.

Nun bestanden zwei Sagenkreise nebeneinander: der von den nibelungischen Rheinkönigen mit einer Schwester (Grim-) Hilde Der zweite und Haupt-Theil des Namens kann statt des ganzen Namens stehn, wie Bera statt Kostbera; auch Hild (Hilde) für Brynhild kommt vor., und der von den burgondischen Rheinkönigen, unter denen Gibich, Gunther, Giselher historisch sind, ebenfalls mit einer Schwester Hilde. Beide Sagenkreise wurden nun mit einander verschmolzen, wozu wahrscheinlich die Gleichheit des Namens Gibich Gibich ist ein mythischer Name, vgl. die Gibichensteine; ein Zwergkönig im Harz heißt so (Germ. 3, 171) etc. Lachmann vermuthete auch einen mythischen Gunther. in beiden Sagenkreisen beitrug. So verwuchs die historische Burgondensage mit der mythischen Sigfridssage oder Nibelungensage. Das Bindeglied zwischen beiden freilich nur lose verbundenen Theilen bildete der unheilvolle Hort, der wie Sigfrid so auch seine Schwäger ins Verderben zog, indem Attila ihnen um des Hortes willen nachstellte.

Der zweite Theil der Sage, die ursprüngliche Burgondensage, glich der alten Sage von Sigmund, Siggeir und Signy in wesentlichen Punkten. So kam es, daß bei der weiteren Ausbildung im Einzelnen der Stoff jener Sage nachgebildet ward (s. S. 13***). Doch kann daneben auch rückwirkender Einfluß der Nibelungensage auf jene hier und da stattgefunden haben (vgl. z. B. S. 34*).

Bald nach der Verbindung mit der Burgondensage S. Germ. 23, 86 ff. muß die Nibelungensage aus ihrer rheinfränkischen Heimath nach dem Norden gekommen sein, wahrscheinlich vor dem Ende des 6. Jahrhunderts. Die Geschichte der burgondischen Königstochter Chrodehild (s. Fischer, Forschungen üb. d. Nib.-Lied etc. S. 100 f.) steht schwerlich außer Beziehung zu der speciell-deutschen Umgestaltung der Sage, welche die Burgondenkönige durch die Rache ihrer Schwester fallen läßt; mag nun die Sagenbildung durch die Geschichte oder umgekehrt die Darstellung Gregor's von Tours [der im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts schrieb] von der schon umgestalteten Sage beeinflußt sein (vgl. Rieger, Germania 3, 198). Daß die betreffende Umgestaltung in der Sage selbst begründet war, s. unten S. LXXIX. Dort hat sie dann manche eigenartige Weiterbildungen erfahren.

Zunächst ward sie mit der Sage von Helge dem Hundingstödter, der auch Sigmund's Sohn ward, verbunden. Vgl. Sijmons, Zur Helgisage (Beitr. 4, 166 ff.). Dadurch kam Sigurd's Vaterrache, welche der Helge's nachgebildet ist, in die Sage; vielleicht auch der Stiefvater Alf sowie Hjalprek Der Name Hjalprek (Chilperich) ist allerdings fränkisch, und mag Hjalprek früher in der Sage eine andere Verwendung gefunden haben.], die nur die Vaterrache ermöglichen, nachher aber völlig verschwinden. Die ältere Fassung der Sage, der zu Folge Sigurd ohne seine Eltern zu kennen im Walde bei Regin aufwächst (wie im deutschen Sigfridsliede) bricht noch zuweilen durch; s. S. 65*. 84***. 359**.

Sodann hat sich die Gestalt Brynhild's in eine Sigrdrifa und eine Brynhild gespalten (s. S. 413a) von denen Sigrdrifa die von Odin in Schlaf versenkte Walkyrje blieb, Brynhild aber zur menschlichen Königstochter ward. Daß diese Scheidung nicht überall consequent durchgeführt werden konnte, ist begreiflich.

Hogne (Hagen) ist zum rechten Bruder Gunnar's (Gunther's) geworden. Die heldenhafte Seite seines Wesens ist hier besonders betont, er ist durchaus edel aufgefaßt Aehnlich übrigens auch in der Thidrekssaga. und zum bessern Bruder geworden, so daß beide vielfach geradezu die Rollen getauscht haben. Die finstere Seite seines Wesens hat sich in Gutthorm abgezweigt, der, wie Hagen ursprünglich Stiefbruder (s. S. 155*), an dessen Stelle den Meuchelmord ausführt.

Weiteres Auf die Entstehung des doppelten Flammenrittes (der nicht echt sein kann), und was damit zusammenhängt, kann ich hier natürlich nicht eingehn. anzuführen unterlasse ich, weil es hier zu weit führen würde. Doch sei noch hervorgehoben, daß die Verbindung mit der (wahrscheinlich erst im 9. Jahrh. nach dem Norden gekommenen) Ermanrichssage – übrigens eine späte und lose Verbindung – ausschließlich nordisch ist. Ursprünglich fand natürlich Gudrun den nach Atle's Ermordung gesuchten Tod, wie ja auch Signy.

Inzwischen hatte in Deutschland sich eine wesentliche Umgestaltung der Sage vollzogen. Sehr nahe lag es, daß Sigfrid's ungerochener Tod von Etzel (Atle) als Vorwand zum Tode der Brüder benutzt werden konnte, obwohl Habgier sein eigentliches Motiv war. Eine interessante Spur dieser Auffassung habe ich Vols. S. 1904 nachgewiesen. Davon kam man leicht zu der andern Auffassung, daß Grimhild (Gudrun) für den Tod Sigfrid's an ihren Brüdern Rache nahm, indem sie Etzel in seiner Habgier als Werkzeug benutzte. Spuren dieser Auffassung finden sich in der Thidrekssaga (s. Germ. 23, 93). Diese Umgestaltung ward durch das Verblassen der Walkyrjengestalt Brynhild's in der deutschen Sage erleichtert, insofern statt der Verletzung ihres schicksalbestimmenden Eides durch Sigurd's Betrug einfach Eifersucht und verletzter Stolz als Brynhild's Motiv erschienen, und somit Sigfrid unschuldig fiel, wodurch die Rache nahegelegt ward. – Natürlich mußte, sobald Grimhild (Chrimhild) mitschuldig war, ein anderer Rächer eintreten: der nachgeborne Sohn Hogne's. Als sie aber allein schuldig war, mußte die Rache sie selbst treffen: diese fiel dem, inzwischen an Etzel's Hof versetzten Dietrich von Bern zu.

Die so veränderte Sage muß dann etwa im 9. Jahrh. nochmals nach dem Norden gekommen sein Vgl. Germ. 23, 86 ff.; Zschr. f. d. Phil. 12, 96 f. und bestand dort neben der älteren Schicht der Sage. Dieser jüngeren Schicht gehört unter Anderm Folgendes an: Sigurd wird im Freien ermordet, wahrscheinlich von Gunnar und Hogne; Hogne selbst meldet Gudrun die That; das Anzünden der Halle und Anderes in Akv.; das Auftreten Thjodrek's (Dietrich's), der seine Mannen bei dem Kampfe verloren hat, und der Herkja (Helche), sowie noch manches Andere, namentlich auch wo die Volsungasaga verlorenen Liedern entspricht. Einzelne der erhaltenen (und wahrscheinlich auch der verlorenen) Lieder folgen ihr. Im dritten Gudrunlied liegt eine seltsame Vermischung beider vor (s. Germ. 23, 340 f.).

Beide Schichten der nordischen Sagenüberlieferung stammen also aus Deutschland und stellen beide ältere Stufen der Sagenentwickelung dar als die in Deutschland selbst erhaltenen. Doch hat sich namentlich die ältere Schicht im Norden eigenartig weiter entwickelt, bietet also die deutsche Sage nicht in reiner Gestalt.


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