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Die Eifersüchtigen
Menalk: Was auf die Erdrosselung der Desdemona folgt, ist als Konzession an einen Begriff der sittlichen Weltordnung ein überflüssiges Anhängsel.
Melamp: Gewiß, der seiner unsichere Mohr fällt etwas plump herein.
Menalk: Der Mohr ist ein Grobian, der den Vorteil hat, rasen zu können, morden zu können. Das erleichtert.
Melamp: Der primitive Mohr äußert sich eben primitiv.
Menalk: Schon der kluge La Bruyère wollte die Formen der Eifersucht namentlich unterschieden wissen, weil es wesentliche Unterschiede in ihr gebe.
Melamp: Zunächst den Unterschied der männlichen und der weiblichen Eifersucht. Er ist fundamental, glaube ich.
Menalk: Bei der Frau ist sie ein Aufschrei des Fleisches.
Melamp: Diese Eigenliebe des Fleisches besitzt aber auch der Mann.
Menalk: Aber weit häufiger die Frau.
Melamp: Es gibt zu denken, daß die eifersüchtigen Frauen immer auf dem Kopfkissen kapitulieren. Der eifersüchtige Mann tut das nie.
Menalk: Es scheint bei den Frauen zur Liebe zu gehören, den Mann eifersüchtig zu machen, sein Besitzgefühl zu reizen, um es zu spüren, zu erhöhen, was für die Frau ein Gewinn an Lustgefühl ist.
Melamp: In der allgemeinen Anschauung setzt Eifersucht eine große Leidenschaft voraus. Diese falsche Annahme machen sich wohl viele zunutze, um mit Eifersucht eine Leidenschaft vorzutäuschen, die sie gar nicht besitzen.
Menalk: Eine heftige Liebe hat eher die schweigend leidende Delikatesse.
Melamp: So was Ähnliches meint auch La Bruyère.
Menalk: Man müßte feststellen können, woraus sich die Eifersucht konstituiert. Ich glaube, sie entsteht aus dem überscharfen Bild des Betruges, das sich der Eifersüchtige macht, und aus dem Dunkel einer vom Zweifel erfüllten Unsicherheit. Ohne dieses von der Vorstellung bis ins Detail genau herausgearbeitete Bild gerät die Eifersucht nicht in die von ihr verlangte Temperatur, und ohne den gleichzeitigen Zweifel ist sie nur eine leere Wut.
Melamp: Ein höchst paradoxer Zustand.
Menalk: Der Liebende macht alle Paradoxien wirklich.
Melamp: Ich glaube, man kann ihr Abnehmen konstatieren.
Menalk: Der Liebe?
Melamp: Mit der Liebe auch das Abnehmen der Eifersucht. Obgleich viele Männer ungeheure Anstrengungen zur Eifersucht machen.
Menalk: Zuweilen sogar mit Erfolg.
Melamp: Die Sache ist in die unteren Stände gerutscht, wo Vitriol und Revolver Argumente des Gefühles werden. Unsere Welt liest ein bißchen erstaunt davon in den Zeitungen.
Menalk: Und den Othello sieht man sich an wie einen versteinerten Saurier.
Melamp: Die Zeiten der verbotenen Fehltritte sind eben vorbei. Heute verbirgt eine Frau eher ihr Herz und ihre Treue als ihre Laster und Fehltritte.
Menalk: Die Anständigkeit der Frau ist eine konstante Größe. Sie verschwindet nicht, sondern wechselt nur die Stelle.
Melamp: Niemand entzieht sich gern mondänen Verpflichtungen. Die Frau am allerwenigsten.
Menalk: Mir fällt ein, daß die Eifersucht nur eine berühmte Tragödie, aber unzählige Komödien gefunden hat.
Melamp: Es gibt ja auch viel mehr Komödien der Liebe als Tragödien. Der Wahn, der einzige zu sein, liefert weit mehr komische Effekte als tragische.
Menalk: Der einzige zu sein und der erste! Die unschuldigsten Augen – wissen wir, was auf ihrer Tiefe liegt, auf ihrer Untiefe? Alles ist ausgelöscht, sagt die Frau, die geliebt hat und liebt, und sie ist ganz ehrlich, wenn sie das sagt und zu einem andern Mann später wiederholt. Aber löscht irgendwas wirklich aus?
Melamp: Sie sind moros, lieber Menalk. Haben Sie Grund dazu? Sollten Sie eifersüchtig sein?
Menalk: Was für eine Frage! Nina gibt mir nicht den geringsten Anlaß dazu. Warum sollte sie mir auch untreu sein?
Melamp: Ich kann Ihnen, soweit es meine Lisa betrifft, die Frage nur zurückgeben. Aber wir wollen es uns nicht verhehlen: wir sind Ausnahmefälle.
Menalk: Wie Nina.
Melamp: Wie Lisa.
Das Verbrechen aus Liebe
Menalk: Glauben Sie diese Behauptung, daß denen das Herz austrockne, die sich nur der groben Sinnenlust hingeben?
Melamp: Ich halte das für eine falsche Prognose der Moralisten.
Menalk: Aber historische Beispiele ...
Melamp: Alle Historie trügt und wird durch die Verbrechen aus Liebe widerlegt, deren Heldinnen Frauen sind, die nur eine ganze kurz dauernde Treue kennen.
Menalk: Was weder hindert, daß solche Frauen lieben, noch daß sie geliebt werden.
Melamp: Und wie oft mit einer Eifersucht, die bis zum Morde führt!
Menalk: Ja, es kann über solche Frauen plötzlich die Liebe kommen ...
Melamp: Wie über das junge Mädchen, das sich sieben Jahre lang prostituierte. Plötzlich stürzt sie in eine Liebe, die nichts als stärkstes Gefühl ist.
Menalk: Und ein anderes junges Mädchen, sieben Jahre lang auf nichts als Gefühl von Eltern, Lehrern, Lektüre erzogen, bewahrt und gehütet vor jedem Risiko der Sinne, kommt an den Mann, glaubt zu lieben, heiratet, bekommt Kinder, und bei all dem sind weder die Sinne noch das Gefühl engagiert ...
Melamp: Weil weder von dem einen noch von dem andern Merkbares da ist. Die geschlechtliche Freiheit müßte die erste, weil wichtigste Forderung der Frau sein. Diese Freiheit bedeutete ja nicht Zügellosigkeit.
Menalk: Für die Liebe haben Sie mit Ihrer geforderten Freiheit gewiß recht.
Melamp: Wenn die Liebe eine ständige Wahl ist, dann verlangt sie eine ständige Freiheit, denn ohne sie gibt's keine Wahl. Das heutige Mädchen weiß das.
Menalk: Heiraten sich heute zwei wirklich aus Liebe, so wird das von der Welt wie eine ganz ungewöhnliche Überraschung notiert.
Melamp: Die Ehe ist keine überraschende Institution, Gefühle können ihr nicht gut tun.
Menalk: Die Welt prophezeit ja auch den Liebesheiraten alles Unglück, und meist prophezeit sie ganz richtig.
Melamp: Der Ehebruch tritt alsbald als der korrigierende Faktor auf.
Menalk: Aber der Ehebrecher ist entweder selbst verheiratet oder wird einmal heiraten. Natürlich nicht die Frau, die er ehebrecherisch liebt, sondern eine andere.
Melamp: Danach wären also der Ehebruch, der Betrug und die Lüge notwendige Bestandteile der modernen Liebe.
Menalk: Sie sind notwendig für das Irreguläre, welches die gefühlsmäßige Liebe charakterisiert.
Melamp: Sie gebrauchen da die Bezeichnung das Irreguläre der Liebe ...
Menalk: Mangels eines bessern Wortes, lieber Melamp. Diese Liebe ist immer ein Element sozialer Auflösung gewesen und geblieben, denn ihre Tendenz ist die Zerstörung der normalen natürlichen physiologischen Vereinigung. Ich meine das natürliche Paarungsgesetz, ohne den tragischen Zusatz der Passion. Erst das Passionato der Renaissance brachte die Ehre als (Mit)-Gift in die Ehe und damit den tragischen Ehebruch. Besonders die französische Romantik steigerte das verletzte Ehrgefühl bis zu dem Metzgerruf: Töte sie!, um sich an der Moral einen Rausch anzutrinken. Der Selbstmörder aus dem Affekt der Liebe ist im intellektuellen Sinn ein Feigling.
Melamp: Vielleicht auch im erotischen Sinn.
Menalk: Auch da. Er entzieht sich einer Situation, die lösbar ist, durch die Flucht in den Tod.
Melamp: Es wäre also zu formulieren, daß gerade die Liebe als ein Zustand höchster Unklugheit größte Klugheit der in diesem Zustand sich befindlichen Individuen verlangt.