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Augustinus Nifo, Hausphilosoph des päpstlichen Stuhles, Liebling Leos X. und Schützling Bembos, schrieb in seinem Buche De Pulchro et Amore 1531 den ersten ästhetischen Traktat der neueren Philosophie. Er führte aus, daß das Schöne nirgend sonst existiere als in der Natur, und daß der menschliche Körper, vornehmlich der weibliche, für sich allein die Bedingungen der Schönheit vereinigen könne und somit schlechthin das Schöne sei. Als einen in seinen Augen unwiderleglichen Beweis seiner These beschreibt Nifo im fünften Kapitel des ersten Buches bis ins Detail die Schönheit der Johanna von Aragonien. Man kennt das Porträt im Louvre, das Raffael von Johanna gemalt hat, und es sagt natürlich dieses Bildnis mehr von der Schönheit der Johanna als des Nifo indiskrete Beschreibung oder die Anthologie in Vers und Prosa, die Geronimo Ruscelli 1555 zum Preise der Giovanna herausgegeben hat. Was Nifo theoretisch sagte, das bildete in der gleichen Zeit Michel-Angelo, der wie Cellini den menschlichen Körper den wahrhaften Gegenstand der Kunst nannte. Nifos Porträt gibt den idealen Typus der Frauenschönheit auf der Höhe der Renaissance. Der Text lautet:
Die glänzende Giovanna ist nur die Probe darauf, daß das wahrhaft Schöne nur in der Natur vorhanden, denn diese Fürstin vereinigt in sich die vollendete Schönheit des Leibes und der Seele. Sie besitzt in der Tat, was die Qualitäten des Geistes betrifft, die Harmonie und Süßigkeit, diese Schönheit der Seele, welche die Attribute heroischer Naturen sind, und besitzt sie in solchem Maße, daß sie eher von den Göttern als von den Menschen abzustammen scheint.
Was ihren Körper anbetrifft, so ist die Schönheit ihrer Formen so vollendet, daß Zeuxis, um seine Helena zu bilden, die Reize sich bei vielen schönen Mädchen von Cortona zusammensuchen mußte, sich hätte damit begnügen können, Giovanna zum Modell zu nehmen, wenn es ihm gegeben gewesen wäre, sie zu sehen und ihren Vorzug vor allen zu erkennen. Ihre Gestalt von mittlerer Größe ist aufrecht und hat jene Grazie, die nur die Vereinigung vollkommener einzelner Teile zu geben vermag. Sie ist nicht fett und nicht mager, sondern voll Saft – succelenta –, ihr Teint ist nicht blaß, sondern weiß ins Rosenfarbene; ihr langes Haar hat goldene Reflexe; ihre Ohren sind klein und stehen zum Munde im Verhältnis. (Nach dem Schönheitsbegriff der Zeit müssen die beiden Ohrläppchen zusammen der Größe des geöffneten Mundes gleich sein. So Agrippa, de occulta philosophia: Semicirculi auricularum aequant os apertum.) Ihre braunen Augenbrauen, kurzhaarig, seidig, nicht zu dicht, bilden einen vollendeten Bogen; ihre blauen Augen glänzen als Sterne aus braunen Wimpern. Zwischen den Brauen steigt perpendikulär eine symmetrische Nase von mittlerer Größe herab; das kleine Tal zwischen Nase und Oberlippe hat einen göttlichen Schwung; der eher etwas kleine Mund öffnet durch ein süßes Lächeln ein etwas volles Lippenpaar, das nach Küssen ruft und den Geliebten nicht losläßt. Die kleinen glatten Zähne wie Elfenbein sind regelmäßig geordnet; ihr Atem hat den Duft des wohlriechendsten Parfüms.
Ihre Stimme hat nicht den Klang einer Sterblichen, sondern einer Göttin. Ihr Kinn hat ein Grübchen, Rosen und Schnee färben ihre Wangen, und ihr Gesicht ist ein Oval nahe dem Rund. Der Hals ist aufrecht, lang, weiß und voll und steht graziös zwischen den Schultern; auf ihrem breiten Oberleib, der keine Knochen sichtbar werden läßt, ruhen sich zwei gleichgroße Brüste von gefälliger Größe, die den Duft des persischen Pfirsichs ausströmen, denen sie ähneln. (Mamillae odore persicis pomis persimiles redolent. Eine Pfirsichgattung heißt heute noch in Frankreich téton de Venus, Venusbrüstchen.) Die weichzarte (crassiuscula) Hand ist an der Außenseite schneeweiß, an der Innenseite elfenbeinfarben; sie hat für die richtige Größe die Höhe des Gesichtes, die Finger sind voll und rund und länglich und enden mit einem feinen zartgefärbten konvexen Nagel. Das Ganze der Brust hat die Gestalt einer umgekehrten Birne, die etwas zusammengedrückt und deren Spitze gerade und rund nach unten ist und deren Basis sich in entzückenden Proportionen an den Hals schließt. (Das etwas preziöse Bild ist nicht gut übersetzbar: thorace pyri eversi forman subdeunte sed pressa, cuius videlicet conus and sectum transversum parvus atque sphericus, basis ad colli radicem longitudine ac planitie excellenti proportione formatis collocantur.) Der Bauch, die Hüften und die geheimen Reize sind der Brust würdig; die Schenkel, die Waden und die Arme sind, was die Dicke betrifft, im rechten sexquialteren Verhältnis (d.h. der Schenkel ist eineinhalbmal dicker als die Wade, die Wade eineinhalbmal dicker als der Unterarm). Die Schulterbreite ist ebenfalls in vollendeter Proportion zum übrigen Körper, die Füße von mittlerer Größe enden in wundervoll gegliederte Zehen; die Schönheit und die Harmonie ihres Körpers sind mit einem Wort solche, daß man Giovanna zum Rang der Unsterblichen erheben kann, ohne diese zu beleidigen. Wenn also ihre Art, ihre Grazie, wenn ihre Schönheit so groß ist, so muß man daraus schließen, nicht nur, daß das absolute Schöne in der Natur ist (in rerum natura simpliciter pulchrum), sondern vielmehr, daß nichts schöner ist als der menschliche Körper.
Die Schönheit wird, wie Nifo weiter ausführt, nur durch die Sinne wahrgenommen, und unsinnliche Dinge wie Gott oder die Engel schön zu nennen, ist nur eine Metapher. Und alle Sinne sind an der Perzeption der Schönheit beteiligt, nicht nur Gesicht und Gehör, sondern auch Gefühl, Geruch und Geschmack. Damit ist ihm – in Anlehnung an die Doktrin der Peripatetiker – der Zusammenhang der Schönheit mit der Liebe gegeben: der animus, der durch die sinnlichen Eindrücke der Schönheit erregt ist, will es haben, ut in eo pulchro atque exeo pulchrum generemus ad nostri perpetuam conservationem. Das Verlangen, die Schönheit zu brauchen, Fruendi pulchri, kann ohne verliebten Appetit, sine appetitu veneris, nicht existieren: hic enim ordo in amoribus semper fuit. Auch die Frage beschäftigt Nifo wiederholt, ob die schöne Frau von Natur keuscher sei als die häßliche, und er bejaht sie und meint, wenn Körperschönheit und Keuschheit selten beisammen in einem Weibe und schöne Frauen oft schamlos sind, so sei dessen Schuld: schlechte Erziehung, Armut und Liebhaber. Rara est concordia formae atque pudicitia, sagte Juvenal.