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Eines Tages erschien in Koraudi ein prächtig geschmückter Eingeborener. Meterhoch ragte sein reicher Paradiesvogelschmuck über seinem Haupt empor, und vier Schnäbel von Hornraben, das Zeichen, daß er vier Männer erschlagen hatte, prangten über seiner Stirn. Geradezu furchterregend sah der bis an die Zähne bewaffnete Mann aus, als er mich beobachtete. Mit mißtrauisch zusammengekniffenen Augen kam er langsam auf mich zu, eine wahrhaft imponierende Erscheinung. Er streckte den Arm aus und sagte … »How do you do?« Ich glaube kaum, daß ich in diesem Augenblick besonders geistreich ausgesehen habe! Es stellte sich nun heraus, daß dieser wilde Krieger des Urwaldes tatsächlich die englische Sprache beherrschte. Die Geschichte, wie er dazu kam, ist ein Beweis dafür, daß die große Angst der Küstenleute vor den Buschleuten wahrhaftig nicht unberechtigt ist.
Ein Eingeborener vom Stamme der Motu hatte sich etwas zu weit in den Busch gewagt. Mein Freund überfiel ihn und erschlug ihn auf der Stelle. Infolge eines eigenartigen Zufalls aber kam in diesem Augenblick eine englische Militärpatrouille vorüber, die den Mörder gefangennahm und ihn nach Port Moresby brachte. Hier saß er nun fünf Jahre im Gefängnis und hatte reichlich Muße und Gelegenheit, von seinen Mitgefangenen Pidgin-Englisch zu lernen. Nachdem er seine Strafe abgebüßt hatte, kehrte er in sein Heimatdorf zurück. Er hatte sich außerdem noch einen – ich möchte sagen geradezu europäischen Schliff angeeignet, der mir im Verkehr mit ihm sehr zustatten kam.
Anfangs war ich allerdings nicht ohne Mißtrauen ihm gegenüber, vermutete ich doch, daß er infolge seines Erlebnisses Blutrachegefühle gegen die Weißen hegte. Er war übrigens kein Kopfjäger im eigentlichen Sinne des Wortes. Denn diese Papuastämme hier gehen nicht aus religiösen Gründen auf Kopfjagd, um sich den Geist des Getöteten dienstbar zu machen. Sie erschlagen zwar jeden Angehörigen eines fremden Stammes, auch wenn sie sich nicht gerade auf einem Kriegszug befinden. Die Tötung ist aber stets eine Kriegshandlung.
Zu meinem Glück betrachtete mich mein neuer Freund nicht als Feind, und meine Befürchtungen erwiesen sich in der Folge als grundlos. Im Gegenteil, es gelang mir, den Mann als Dolmetsch zu gewinnen, und ihm verdanke ich es, daß ich außer der materiellen auch noch einen guten Teil der geistigen Kultur seines Stammes bearbeiten konnte.
Die Buschleute hier gehören zu den Papua und haben pygmoiden Einschlag. Sie sind klein, hellhäutig und dickbäuchig und ähneln sehr den Bewohnern der Steppen am oberen Purari. Sie besitzen mit diesen gemeinsame Rassen- und Kulturmerkmale. Auch die Kriegsgewohnheiten, die mir Agaga, der ehemalige Sträfling, beschrieb, stimmen mit meinen Erfahrungen am oberen Purari überein. Hier im Osten wird zwar der Speer als Waffe verwendet, doch haben die Eingeborenen den Gebrauch desselben augenscheinlich von den melanesischen Küstenstämmen erlernt. Im Hausbau allerdings unterscheiden sie sich, was der Umstand erklärt, daß die einen in einer Gegend leben, in der sie Überfluß an Baumaterial finden, während es die anderen erst mühsam von weither herbeischleppen müssen.
Anfangs schien mir die Kleidung der Männer verschieden zu sein, doch sah ich später, daß die Unterschiede ihrem Wesen nach unbedeutend waren. So flechten sich zum Beispiel die Eingeborenen am oberen Purari mit Vorliebe lange Strähnen aus Bast in die Haare, diese hier tragen über ihren kurzen, stark gekrausten Haaren eine Haube aus demselben Material, die hinten zu einem Zopf gedreht wird, der nach Art der bekannten chinesischen Haartracht bis über die Schultern herabhängt. Diese Haube wird dick mit einem Gemisch von Holzkohlenstaub und Honig bestrichen. Der durchdringende Duft des Honigs der wilden Bienen gibt den Eingeborenen einen eigenartigen Geruch. Es scheinen sich die Läuse an dem Süßstoff rasch zu überessen, denn die Haube schützt vor Ungeziefer.
Der Totenkult der beiden Stämme hat viele gemeinsame Züge. Die Leichen werden in den Gärten begraben, die Grabhügel durch einen niederen geflochtenen Zaun kenntlich gemacht.
Ich forschte nach, ob auch hier die Witwen die Schädel ihrer verstorbenen Männer mit sich herumtragen; dies ist zwar nicht der Fall, doch verwahren sie die Haare und den Schmuck ihres Gatten in einem Gürtel aus Bast an ihrem Körper. Auch das Haupthaar tragen die Witwen rasiert, und zum Zeichen der Trauer beschmieren sie den Körper mit Ruß oder Lehm.
In den meisten Dörfern war es mir möglich gewesen, Sprachproben aufzunehmen und dabei festzustellen, daß fast jedes Dorf seine eigene Mundart spricht, ja manchmal die Verschiedenheiten so groß sind, daß die Eingeborenen von Wohnsitzen, die nur zwei Tagemärsche voneinander entfernt liegen, sich nicht mehr miteinander verständigen können. Da die Buschleute tatsächlich jeden Fremden umzubringen pflegen, so sind Besuche nicht üblich. Die Folge davon ist, daß sich die Sprache in jedem Dorf seit Jahrhunderten selbständig weiterentwickelt hat. Der völlige Mangel einer Verbindung hat aber noch weitere Folgen gezeitigt. Die Dörfer sind sehr klein – sie bestehen meist nur aus zwei bis sechs Häusern –, und die Burschen haben es schwer, eine nicht blutsverwandte Frau zu finden. Da diese Buschleute im Gegensatz zu den melanesischen Küstenbewohnern vaterrechtlich organisiert sind und keine Klane und Totems kennen, kommt nur allernächste Blutsverwandtschaft als Heiratsverbot in Betracht. Bei Dörfern, die nur aus zwei bis drei Häusern bestehen, wird sogar dieses Verbot wenig beachtet. Unter solchen Umständen waren mir die zahlreichen Degenerationserscheinungen erklärlich, die ich überall antraf. Verkrüppelte, chondostrophische Zwerge sah ich sehr häufig, und dreimal war ich während der kurzen Zeit meines Aufenthalts Zeuge schwerer epileptischer Anfälle.
So bot mir Koraudi, das einsame Buschdorf, Gelegenheit zu manchen interessanten Beobachtungen. Doch der Regen, der eine kurze Zeit ausgesetzt hatte, begann nun wieder in ununterbrochenen Strömen herabzustürzen. Ich mußte daran denken, an die Küste zurückzukehren, wollte ich nicht Gefahr laufen, durch die angeschwollenen Flüsse abgeschnitten zu werden. Mein Freund, der Kopfjäger, machte mich jedoch darauf aufmerksam, daß in allernächster Zeit ein großes Fest stattfinden würde, an dem sich auch Angehörige anderer Dörfer beteiligen sollten. Da dies ein sehr seltenes Ereignis bedeutete, entschloß ich mich, meinen Aufenthalt zu verlängern, obwohl ich bei den schlechten Lichtverhältnissen kaum damit rechnen konnte, meine Beobachtungen auch photographisch festzuhalten und mich eine im Verkehr mit den Eingeborenen erworbene Krätze fürchterlich quälte. Mein Körper brannte wie Feuer, und meine Medikamente ruhten friedlich an der Küste.
So kam denn wirklich der Tag des Festes heran, und zum erstenmal, seitdem ich das Land der Buschleute betreten hatte, war mein Zelt nicht von einem Schwarm von Neugierigen belagert, denn sie waren alle damit beschäftigt, sich zum Fest zu schmücken. Am Vormittag trafen die Gäste aus den Nachbardörfern ein. Mit Kind und Kegel rückten sie an, und die Frauen waren mit Lebensmitteln schwer bepackt. Ihre großen Tragnetze bildeten riesige Ballen, auf denen hoch oben noch Kinder, junge Hunde und Schweine thronten, die man nicht allein zurücklassen wollte. Die Männer trugen Trommeln und Waffen.
Was ich nun an Festschmuck zu sehen bekam, übertraf jede mögliche Vorstellung der Phantasie. Aus Paradiesvogelschwänzen, Hornrabenschädeln und feingeschnittenen Holz- und Muschelplättchen war der breitausladende Kopfputz zusammengestellt, der bis über das Kreuz herabhing. Farbige Opossumfellstreifen schmückten den Körper, und leuchtender Brustschmuck aus seltsamen Früchten vervollständigte das wundervolle Bild.
Die Tänze begannen mit der Nachahmung von Tieren. Sofort erkannte ich an den gespreizten und wiegenden Tanzschritten die Balz der Paradiesvögel. Dort beschlichen Jäger im Takte der Trommeln mit gezücktem Speer eine Jagdbeute. War dieses Tier, das sich aufrichtete – dann in mächtigen Sätzen hinter einem Baum Schutz suchte und »Männchen machte«, nicht ein Känguruh? Nur der lange Schwanz fehlte, in den Bewegungen aber wurde es treffend dargestellt.
Nun folgte ein Kriegstanz. Mit hoch erhobenem Speer umtanzten sich zwei Krieger mit drohenden Gebärden, die von den Tönen der Trommeln wirksam unterstrichen wurden. Und nun kam für mich die höchste Überraschung des Tages. Einen Augenblick lang heiterte sich der Himmel auf, und ich konnte mit meinen lichtstarken Tessaren eine Reihe von prächtigen Aufnahmen machen.
Kaum hatte ich die Filme in den Blechbüchsen verschlossen, als auch schon ein Wolkenbruch einsetzte, der das Fest unterbrach. Die Eingeborenen verschwanden in ihren Häusern, ich entfloh in mein braves Zelt, dessen Wasserdichtigkeit nun auf eine harte Probe gestellt wurde.
Als der Wolkenbruch nach vier Tagen und Nächten noch nicht enden wollte, mußte ich mich entschließen, im strömenden Regen den Rückmarsch anzutreten. Mit Bangen dachte ich an die angeschwollenen Flüsse und gab Befehl, so rasch wie möglich mein Zelt abzubrechen. Bald stand ich marschbereit inmitten einiger Kotbündel, in welche sich meine Traglasten verwandelt hatten.