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Erster Teil.
Auf den Salomoninseln


Gewöhne deinen Blick an Weiten,
In denen hohe Wolken gleiten
Von West nach Ost, von Nord nach Süd!
Doch schauend ins Gebiet der Sterne
Vergiß nicht über ihrer Ferne
Der Erde, die zu Füßen blüht! …

(A. Wildgans)

Urmutter Schildkröte

Eine mächtige Meeresschildkröte fühlte sich schwanger. Um ihren Kindern ein Heim zu schaffen, baute sie eine kleine Insel im Südosten der Salomonsgruppe, die heute von den Eingeborenen Owa Riki genannt wird. Hier gebar die Schildkröte zwei Kinder, einen Buben und ein Mädchen, und gab ihnen die Namen Woikareniparisu und Kapwaronaru. Die Kinder wuchsen heran, doch sie waren mit ihrer Heimat unzufrieden. »Mutter, bringe uns an einen andern Ort«, sagten sie, »unsere Insel ist zu heiß und zu klein. Es wachsen ja kaum genügend Kokosnüsse, um unsern Hunger zu stillen.« Die Schildkröte antwortete nicht, doch die Kinder sahen, wie sie in ihrem Kanu nach Osten fuhr. Da fragten sie: »Mutter, was machst du denn auf dem offenen Meer?« Wieder hüllte sich die Schildkröte in Schweigen, fuhr aber jeden Tag an eine bestimmte Stelle des Meeres. Jedesmal hatte sie ihr Kanu bis an den Rand mit Kokosnüssen, Bananen, Jam, Taro, Hülsenfrüchten und Nalinüssen gefüllt und versenkte diese köstlichen Dinge wortlos auf dem Meeresgrund.

Eines Tages nahm die Schildkröte ihre beiden Kinder mit und gebot ihnen, aus ihrem mächtigen Panzer Haken zu schneiden. An diesen Haken befestigte sie lange, feste Leinen aus Palmenfasern und ließ ihre Sprößlinge Angeln auswerfen. Alsbald verspürten die Kinder einen heftigen Widerstand und begannen aus Leibeskräften zu ziehen. Doch da gab es einen Ruck, und die leeren Haken erschienen an der Oberfläche. Wiederum warfen sie die Leinen ins Wasser, und diesmal hatten sie Glück – die Haken saßen fest. So sehr sie aber zogen und zerrten, die unsichtbare schwere Beute konnten sie nicht an die Oberfläche bringen. Da kam ihnen die alte Schildkröte zu Hilfe, und mit ihrer ungeheuren Kraft holte sie die Leinen ein, und siehe, auf dem Wasser erschien eine neue Insel, die viel größer und schöner war als die verschmähte Heimat. Die Samen der Bäume, die Palmen und Feldfrüchte hatten auf dem Meeresgrund Wurzeln geschlagen, und so bot sich die Insel grün bewachsen und mit allen Köstlichkeiten bepflanzt den staunenden Kindern dar.

Hier fühlten sich die Schildkrötenkinder endlich wohl, und hier war es, wo das Mädchen Kapwaronaru die ersten Menschen gebar.

Die Insel wurde von den Menschen Owa Raha genannt, und wie sie einst mit ihrer Üppigkeit die Schildkrötenkinder entzückte, so lag sie eines Morgens strahlend grün vor mir, als ich an ihrem Strande landete.

Viele Wochen war ich übers Meer gefahren, bis ich sie endlich im südlichsten Winkel des Salomonarchipels gefunden hatte. Die Schildkröte hatte wahrlich keinen schlechten Fang getan – begeistert ließ ich mich auf Owa Raha nieder und schlug nicht weit vom Meere meine Zelte auf.

Zarte Wipfel der Kokospalmen schwankten im Winde, so weit mein Auge reichte. Friedliche Eingeborenendörfer, in Grün gebettet, lagen, von dichtbewaldeten Hügeln umrahmt, vor mir. Im Sande balgten sich spielende Kinder, und grunzend liefen dunkelhäutige Schweine durch die fröhliche Schar. Aufbrausend zerschlug der Passat die rollenden Wogen an den Riffen, die die Insel wie ein Festungswall umgeben. Durch die Passagen jagten die schnellen Kanus der Eingeborenen hinaus ins offene Meer. Owa Raha – die Südsee unserer Träume – lag vor mir.

Doch da sah ich die angeschwollenen Leiber der Kinder – Malaria! Und abends hörte ich das feine Summen der gefürchteten Moskitos und warf mich ruhelos in meinem Feldbett hin und her. Drückende Feuchtigkeit jagte mir den Schweiß aus allen Poren, das Leintuch klebte mir am Körper, und nach schlaflosen, qualvollen Stunden war die Matratze durchgeschwitzt. Da, ein dumpfes Grollen tief unter mir. Der Boden schwankte – klirrend fiel meine Laterne zu Boden – Erdbeben!

So sind die Salomoninseln! Das war mein Arbeitsgebiet geworden für viele Monate.


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