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Der Patrouilleoffizier war ein typischer Vertreter der angelsächsischen Nation. Begeistert, erfüllt von seiner Mission, empfand er für seine Schützlinge, die Eingeborenen, eine tiefe Zuneigung. Solange solche Menschen Kolonialbeamte sind, haben die Eingeborenen nichts zu befürchten!
Wir besprachen unsere Pläne, und es stellte sich heraus, daß auch er das Gebiet im Westen besuchen wollte. Es war unbekanntes Land und noch von keines Menschen Fuß betreten. Wir beschlossen daher, den Marsch gemeinsam anzutreten.
Vier bewaffnete Polizisten sollten uns begleiten, außerdem zwölf Träger und einige »Affen«. So nannten wir die halbwüchsigen Knaben, die aus den umliegenden Dörfern zu uns geschickt worden waren, um von unseren Absichten zu erfahren. Die Knaben machten sich überall nützlich, lernten von den Trägern »Pidgin« und bemühten sich, nachzuahmen, was man ihnen zeigte oder was sie gerade für nachahmungswert hielten. So trugen sie den schönen Namen »Affen« mit einiger Berechtigung.
Im Norden zog sich eine Hügelkette hin, die wir zuerst ersteigen wollten. Dann hatten wir vor, nach der andern Seite ins Tal abzusteigen und in einem großen Bogen längs des Flusses wieder zu unserem Lager zurückzukehren. Die Orientierung war ja in dem offenen Gelände nicht schwer.
Ein hünenhaft gebauter Polizist, der auf den Weg sah, eröffnete unsere Karawane. Dann kamen wir beiden Europäer und dann die Träger, in deren Mitte die »Affen« marschierten. Die Nachhut bildeten die andern drei Polizisten. Es war somit ein »gesicherter Marsch«, wie man es beim Militär nannte.
Wir mußten auf unseren Wanderungen die Pfade der Eingeborenen benutzen, da es viel zuviel Zeit gekostet hätte, Wege durch das verfilzte Steppengras zu bahnen. Diese Eingeborenenpfade aber sind so angelegt, daß sie stets einen freien Ausblick nach allen Seiten gewähren, um so die Gefahr eines Hinterhalts auszuschließen. Das hat oft die weitesten Umwege zur Folge. Außerdem kennt der Eingeborene keine Serpentinen. Ist der Berg noch so hoch, die Lehne noch so steil, der Pfad geht schnurstracks auf das Ziel los. Oft weicht er überhaupt in einem riesigen Bogen einem feindlichen Gebiet aus. So sind diese Eingeborenenwege zwar überaus beschwerlich, doch keineswegs die kürzesten.
Wir kamen an einigen Dörfern vorbei, und das erste, in dem wir uns länger aufhielten, war Sigoyabu. Noch wußten wir nicht, wie uns die Eingeborenen, die niemals einen Weißen gesehen hatten, aufnehmen würden. Doch anstatt irgendeiner feindlichen Handlung streichelten und betasteten sie uns neugierig mit klebrigen Fingern und gaben gurgelnde, fremdartige Laute von sich.
Die Eingeborenen sind Papua, das heißt sie gehören, wie der überragende Teil der Inlandbevölkerung von Neuguinea, der zweitältesten Kulturgruppe der Insel an. Es sind Völker, die schon zu einer Zeit einwanderten, als Neuguinea noch durch eine Landbrücke mit dem asiatischen Festlande verbunden war.
Die Papua kennen keine Meeresschiffahrt, sie sind über Land gewandert und haben in ihrer neuen Heimat die ältesten Kulturträger der Menschheit, die Zwergvölker, unterworfen und sich zum Teil mit ihnen vermischt.
Die Sprachen der zahllosen Papuastämme sind oft grundverschieden voneinander und stellen die Wissenschaft immer wieder vor neue Rätsel. Die Eingeborenen von Sigoyabu sprechen eine wissenschaftlich völlig unbekannte Sprache. Daher war die Verständigung nicht leicht und Mißverständnisse nicht zu vermeiden.
Wir begannen das Dorf näher zu untersuchen; der Patrouilleoffizier schlüpfte in eine der Hütten, und ich zog vorerst meinen Photoapparat heraus. Während ich schüchtern einige Bilder machte, faßten mich die Eingeborenen scharf ins Auge, doch schien sie meine Tätigkeit eher zu belustigen. Als sie plötzlich ihr Spiegelbild auf der Linse bemerkten, lachten sie so herzlich, daß ich, sehr erleichtert, meine Kamera nun nach Herzenslust arbeiten ließ. Nach jeder Aufnahme riß ich das Papier heraus, das die einzelnen Filme trennt, und warf es achtlos beiseite. Doch die Eingeborenen stürzten darauf los und steckten es als Schmuck in ihre Haare. Dies gefiel mir nicht; hätten doch auf diese Weise meine Aufnahmen nicht mehr als ethnographische Belege, sondern bestenfalls als Reklamebilder für Agfa verwendet werden können. So steckte ich die Papiere in Zukunft in meine Taschen.
Ich photographierte viel, meine Taschen schwollen an. Als ich an einem Feuer vorbeikam, warf ich den überflüssigen Ballast hinein. Im gleichen Augenblick ertönte ein gellender Warnungsschrei, Frauen und Mädchen, die mich in Massen umstanden hatten, liefen davon, ein Eingeborener sprang blitzschnell zum Feuer und riß die Papiere heraus. Die Männer hatten ihre Waffen ergriffen und beobachteten mich mit finsteren Gesichtern. Meine Lage war nicht erfreulich. Was hatte ich mir zuschulden kommen lassen, und wie konnte ich das drohende Unheil ohne jede Verständigungsmöglichkeit abwenden? Da entsann ich mich, daß viele Melanesier- und Papuastämme an einen Feuerzauber glauben. Will man den Tod eines Menschen verursachen, so muß man einen Gegenstand, der dem Betreffenden gehört, unter Einhaltung gewisser Zeremonien verbrennen.
Hatten die Eingeborenen vielleicht geglaubt, daß ich ihr Bild auf die schwarzen Papiere gezaubert hätte und sie nun durch Feuerzauber verderben wolle? Blitzschnell ging es mir durch den Kopf: du mußt den Männern etwas von dir als Gegenzauber anbieten, damit sie glauben, Gewalt über dich gewonnen zu haben. Kurz entschlossen riß ich mir von meinen nackten Knien ein Haarbüschel aus und hielt es einem Eingeborenen hin. Einen Augenblick lang starrte mich der Krieger fassungslos an, doch plötzlich verzogen sich seine wulstigen Lippen zu einem breiten Grinsen. Er trat auf mich zu, ergriff meine ausgestreckte Hand, die meine Gegengabe hielt, und rief seinen Gefährten einige Worte in seiner gutturalen Sprache zu. Kaum hatten die anderen das mit angesehen, als sie sich wie Habichte auf mich stürzten und jeder mir kurzerhand ein Büschel Haare auszureißen trachtete. Ich konnte mich ihrer erst erwehren, als ich auf das gründlichste gerupft worden war. Es war ein Glück, daß ich den Kopf rasiert hatte, denn bei dieser Gelegenheit hätte ich sonst meine letzten Haare lassen müssen.
Meine bereitwillige Duldung jedoch besiegelte unsere Freundschaft, und ich konnte nun bei meinen wissenschaftlichen Erhebungen auf jedes Entgegenkommen von seiten der Eingeborenen rechnen.
Die Tatsache, daß uns die Eingeborenen unausgesetzt beobachteten, bedeutete für meinen Begleiter, den Engländer, eine arge Nervenbeanspruchung. Er war außer sich darüber, daß uns die Eingeborenen keinen Augenblick lang allein ließen. Was wir auch immer taten, stets waren wir von Dutzenden von Menschen umgeben. Keinesfalls aber durfte man die Neugierigen wegjagen, denn da den Eingeborenen das Verständnis für die Einsamkeitsgelüste der Europäer völlig abgeht, wäre das nur als Akt der Feindseligkeit betrachtet worden. Man stelle sich aber vor: ein gut erzogener Engländer aus vornehmer Familie, der bei gewissen notwendigen Handlungen beobachtet wird … das läßt sich bestenfalls mit Shocking bezeichnen.
Peinlich war auch die Art der Begrüßung. Die Eingeborenen reichten uns nicht etwa die Hände, sondern drückten uns an sich und streichelten und betätschelten uns von Kopf bis zu den Füßen, wobei sie immer trachteten, die unbedeckten Stellen unseres Körpers zu erreichen. – Da es nun aber Hunderte von Eingeborenen waren, die uns tagein, tagaus in dieser Weise begrüßten, und sich die Eingeborenen dick mit Öl und Ruß einzuschmieren pflegen, so sahen wir bereits nach kurzer Zeit wie zwei der ihrigen aus.