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Am Horizont der Erinnerung wird gleich einem strahlenden Abendrot immer mein Abschied von Japan stehen. Ein milder Wintertag neigte sich seinem Ende zu. Weit hatte das Schiff schon Yokohama, die wühlende internationale Stadt, hinter sich gelassen und schwamm nun draußen auf hoher See, nach Süden strebend, dem Sommergürtel der Erde zugewendet. Da enthüllte sich noch einmal im Abendsonnenglanz, groß, ehrfurchtgebietend, geheimnisvoll und voll Majestät – der Berg. Denn in Japan gibt es wohl viele Berge, aber nur einen Berg, »O yama«, vom Volke angebetet als Sitz der anmutigen Göttin Ko-no-hanna-saku-ja-kime, einer Fee, die dem Blühen des Lenzes vorsteht; von Künstlern tausend- und abertausendfach als nie erschöpftes Motiv verwendet, von Dichtern aller Zeiten besungen; von mehr als 20 000 Pilgern alljährlich bestiegen – mit einem Wort: der heilige Fuji no yama, der 12 365 Fuß aufragt. Seine Höhe kann aber nur im kleinen Lande der kleinen Leute wirken, tiefer prägt sich seine wunderbar reine, harmonische Kegelform ein, die von den Geologen mit der Jugend dieses Vulkans erklärt wird.
»O yama«, der »erhabene Berg«, stieg von gewaltigem Sockel unmittelbar aus dem Meere auf, die Aschenschicht, die ihn umhüllt, glänzte wie Silber und seine spitz zulaufende Pyramide bedeckte eine strahlend weiße Schneekrone, deren Zacken bis in die Mitte des Kolosses hinabliefen. Gleich einem überirdischen Kunstwerk stand der Berg am Horizont, während alles andere Land längst versunken war. Da, wo das Meer und der Fuß des Fuji sich berühren, verschwimmt der Sockel in blauen und grauen Tinten, aber herrlich leuchtet und strahlt seine schneeige Pyramide in der klaren, transparenten Luft; hunderte von Meilen ist er entfernt, aber übergewaltig ragt sein Gipfel in die rötliche Abenddämmerung empor und gießt Andacht und Abschiedswehmut in die Herzen. – –
Die Sonne ist versunken. Graue Schleier geistern durch die Luft und machen sie unsichtig. Der Fuji scheint unmerklich zurückzutreten, wie in eine unsichtbare Wand, und noch ehe das Dunkel fällt, ist sein strahlendes, unvergeßliches Bild verschwunden gleich einer Vision.
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Und während das Dunkel sich verdichtet und die Seele das zurückweichende Inselreich nur noch ahnt, erwacht die Phantasie und schmiegt sich dem Sinnenden gleich einem Wanderstab in die Hand. Noch einmal steige ich empor in die schneebedeckten Berge von Nikko, wandere wieder durch die alten Kaiserburgen von Kioto, lasse mich mit dem Strom der Beter durch das Volksgewühl des großen Asakusa-Tempels treiben, staune die Fabriken in Osaka an – tauche unter in dies merkwürdige Volk, das von einem Wahnsinn des Lernens ergriffen zu sein scheint und uns alles nachahmt, was wir in tausendjähriger Zivilisationsarbeit errungen haben. Seine Verkehrswege, seine Schulen, seine Industriemethoden sind nach europäischem Muster umgemodelt. In Tokio, Osaka, Nagasaki gibt es Großbetriebe der Seiden- und Baumwollspinnerei (über zwei Millionen Spindeln), der Stahlerzeugung, Petroleumgewinnung, der Glasbläserei, der Bierbrauerei, des Schiffbaues. Japanische Dampferlinien durchfurchen alle Meere, und schon sind alle Schiffe bis hinauf zum Kapitän mit Japanern bemannt. Das ganze Land ist erfüllt von der kribbelnden Geschäftigkeit eines Ameisenhaufens, und ist erst die tiefe Wunde, die der Krieg hinterlassen hat, vernarbt, dann wird sich die Welt in bezug auf Japan gewiß noch anderen Problemen gegenübergestellt sehen, als industriellen und handelspolitischen.
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Aber am liebsten kehrt die Erinnerung zu dem schönen und eigenartigen Volksleben zurück, zu den nationalen Heiligtümern, zu den seltsamen Sitten und Anschauungen unserer Antipoden und zur herrlichen Natur. Freilich empfinden wir die Natur anders als die Japaner, und der beste Beweis hierfür ist vielleicht Nikko, die alte Tempelstadt in der Provinz Shimotsuka am Abhange des vulkanischen Nikkoyan-Gebirges.
»Gebrauche nie den Ausdruck großartig, ehe du Nikko gesehen hast!« sagt ein japanisches Sprichwort. Aber die Umgebung Nikkos ist durchaus nicht in unserem Sinne imposant, sie ist vielmehr lieblich wie eine Schwarzwald-Szenerie. Nachdem der Zug in eine sanfte Bergwelt emporgeklettert ist und seine lebende Fracht von Pilgern in Nikko abgegeben hat, umfängt den Wanderer ein reizendes Gebirgsstädtchen, dessen viertausend Einwohner seit Jahrhunderten gelernt haben, vom Fremdenverkehr zu leben. Die Europäer finden große, moderne Hotels vor. Heilige Haine umgeben die berühmte Tempelstadt, die das Grab des Gründers der Tokugawa-Familie, des Shoguns Jeyasu, umschließt. An all diesen bunten Shinto-Tempelbauten mit ihren phantastischen Schnitzereien, an den eisernen und kupfernen Torii, an den bemalten Pagoden und den Schätzen im Innern der Schreine sieht man die religiöse Kunst Japans in Blüte. Breite Alleen mit unendlichen Reihen von alten, moosbewachsenen Bildsäulen, rotlackierte Brücken, über die nur der Kaiser fahren darf, eine Natur, die den Japanern der Inbegriff des Erhabenen ist, gießen Andacht und Ehrfurcht in die Herzen der Pilger.
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Mehr als nach irgendeinem anderen Orte fliegen die Gedanken indes zurück nach Tokio, wo alles National-Japanische gleichsam konzentriert genossen werden kann. Gibt es in der ganzen Welt, Indien allein ausgeschlossen, ein Gotteshaus mit einem so tausendfachen Volksleben, wie den gigantischen Tempel der Asakusa-Kvannon?! Schon ehe man, nordöstlich vom Ueno-Park, in den Stadtteil gelangt, der den Tempel umgibt, verdichtet sich das Straßenleben, jedes Haus birgt einen offenen Laden mit Backwerk, Spielsachen, Opfergaben, kleinen Gebrauchsgegenständen, Sandalen, Früchten – es ist ein ewiger Markt, der alsbald innerhalb des Tempelbezirks in einen immerwährenden Jahrmarkt übergeht. Ringer und Athleten, Zauberer, Quacksalber, Schausteller von mißgestalteten Tieren, Theater, mechanische Vorführungen, Sänger, Tänzer, Musikanten und was nicht noch alles sonst – buhlen um die Gunst der Menge, die sich strahlenförmig vorwärtsschiebt nach dem Mittelpunkt des großen Parkes, wo der Tempel steht. Er ist offen; eine breite, vielstufige Treppe führt hinauf. Hier haust die beliebte, volkstümliche Gnadengöttin Kvannon, der alle, vom Kind bis zum Greise, vom Kuli bis zum Minister, ihre Reverenz bezeugen, um sich dann in das fröhliche Getümmel des Volkslebens zu mischen.
Wie anders wieder in der Ginza, der Hauptgeschäftsstraße Tokios! Ueberfüllte Straßenbahnen rasseln hin und her, Läden nach europäischem Muster glänzen überall, allerdings kann man stundenweit laufen, ohne einem Europäer zu begegnen, oder in zwanzig Läden eintreten, ohne sich verständigen zu können. Und wieder ein anderes Bild der Millionenstadt im Bezirk der Universität. Man braucht nur den der Medizin gewidmeten Gebäuden sich zu nähern, um jeden Studenten oder Lehrer mit sicherem Erfolg deutsch ansprechen zu können.
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Noch geht es nicht südlich, der wärmeren Zone entgegen, sondern zunächst westlich, an die chinesische Küste, wo noch einmal, wie in den japanischen Bergen, der grimme Winter lauert. Wer jemals durch die japanische Inlandsee gefahren ist, mit ihren unzähligen Felseninseln, von denen dunkle Koniferen aufragen, mit ihren tiefen Fjorden, ihren an die Felsen geklebten Städtchen, ihren Tausenden von blitzsauberen Fischerbooten und dem zarten Farbenhauch, der Himmel und Erde verbindet, wird diese eigenartige Szenerie, die sich nirgend wiederholt, als den Inbegriff der Lieblichkeit in der Erinnerung bewahren. Aber endlich schwimmt das Schiff durch die historische, außerordentlich belebte Straße von Shimonoseki, von links grüßt mit ihren Arsenalen und rauchenden Fabriken diese Stadt, von rechts Moji – und das ist das Allerletzte, was von Japan zu sehen ist. Nun nimmt es wirklich den letzten Abschied, das wunderbare Inselreich mit seinen kühnen, gerissenen, intelligenten Männern und seinen herzigen Frauen und Mädchen, das Land des guten Tones und der lächelnden Höflichkeit, wo man sich bis an die Erde verneigt, einander aber nie die Hände reicht, und wo das Küssen die größte Unanständigkeit bedeutet, deren ein gesitteter Mensch sich schuldig machen kann; das Land der Frömmigkeit ohne Religiosität, der Duldsamkeit, der Farbenpracht und der entzückendsten Kleinkunst.
Jetzt ist es wirklich ins Meer zurückgewichen mit all seinen Wundern und Schönheiten und wird zur bunten, phantasievollen Erinnerung. Vorinseln Koreas ziehen vorüber im grauen Meer, aus dem ein immer kühlerer Hauch emporsteigt.
Und eines Tages, als die chinesische Küste dem Weltwanderer aufs neue erschienen ist, enthüllt sich ein ebenso seltsamer wie herzerquickender Anblick. Rote Ziegeldächer über weißschimmernden Häusern tauchen auf, vertraute Erker an schieferbedachten Türmchen, auf den Hügeln Burgen, von denen die schwarz-weiß-rote Flagge weht – eine deutsche Stadt an der chinesischen Küste.
Mit den riesigen Kolonialreichen der Engländer in Asien darf man unser Pachtland Kiautschau auf der Halbinsel Schantung nicht vergleichen – das hieße eine Mücke einem Elefanten gegenüberstellen. Nicht nur die unendlich geringe Ausdehnung, sondern auch die Jugend ist unsrer chinesischen Kolonie gutzuschreiben. Mit diesen beiden Einschränkungen indes dürfen wir wohl einen Vergleich wagen. Ganz auffallend im Gegensatz zu irgendeiner der englischen Kolonien sind die straffe öffentliche Ordnung, die absolute Sauberkeit und architektonische Schönheit, in denen alle unsere jungen Kolonien aufwachsen. Diese Tugenden herrschen nicht nur in den Europäerstädten, sondern auch in den Eingeborenenvierteln, denn der alte deutsche Ordnungssinn läßt, selbst in tropischen Ländern, keinerlei Schlamperei zu.
In Tsingtau ist Winter. Ein eisiger Hauch weht aus der Mongolei herüber und macht die Temperatur auf acht Grad Reaumur unter Null sinken. Die vornehmen Chinesen sind in Pelzmäntel gehüllt, die Kulis vor den Rickschas tragen Pelzmützen. Trotz aller schlitzäugigen und bezopften Menschen ist man hier in Deutschland. Die adretten chinesischen Schutzleute an den Straßenecken, die Kaufleute in den Seidengeschäften, selbst die Kulis – alle sprechen Deutsch. Mit Staunen nimmt das Auge die gewaltigen Hafenanlagen mit ihren praktischen Einrichtungen zum Laden und Löschen der Schiffe wahr, die breit angelegten Straßen mit großen, modernen Häusern, die imposanten Regierungsgebäude, Kirchen und Krankenhäuser. Sehr still freilich ist es in den Straßen, man vermißt den regen Verkehr, wie er in Hongkong und Schanghai herrscht. Wenn man indes erwägt, daß die Kolonie erst fünfzehn Lebensjahre hinter sich hat, muß man doch über die Summe der geleisteten Kulturarbeit staunen. Unter den chinesischen Seezollämtern nimmt Tsingtau schon jetzt die fünfte Stelle ein. Der Dampferverkehr ist in stetem Wachsen begriffen, seit der chinesischen Revolution findet ein reger Zuzug reicher Chinesen in das sichere deutsche Gebiet statt. Der Sommer bringt der Kiautschau-Bucht eine so milde Witterung, daß Tsingtau auch als Bade- und Kurort für Gäste von der ganzen chinesischen Küste aufzublühen beginnt.
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Südwärts geht nun die Fahrt, zurück in das Sommerland der Erde. In zwei Monaten habe ich den Winter absolviert, zehn Tage nur dauert mein Frühling, und aufs neue, diesmal für viele Monate, wird mich die Tropenglut eines ewigen Sommers umfangen. Noch einmal taucht das Paris Ostasiens, Schanghai, auf, noch einmal auch Hongkong, wärmer und wärmer werden die Lüfte, schon wenige Tage hinter Hongkong, im Golf von Siam, ist die See wieder tiefblau, die Sonne wieder stark und angriffslustig, und von nun an bis zur fröhlichen Fahrt in die Heimat, weder im glühenden Ceylon, noch im Staube und in der Hitze Indiens, noch auch an der sengend feuchten Küste Ostafrikas wird man Tropenanzug und Sonnenhelm entbehren können.
Drüben, an der Küste und im Innern der Malaien-Halbinsel, die in der Tiefe des Meeres verborgen liegt, spielt sich etwas ab, das erst bei der Landung in Singapore offenbar werden wird: der Uebergang der chinesischen Kulturwelt in die indische. Singapore, die Hauptstadt der englischen Straits Settlements, ist der Platz, wo diese feindlichen Gewalten aufeinanderplatzen und in einem pittoresken, wühlenden Völkergemisch in die Erscheinung treten.
Ehe das Schiff noch im Dock anlegt, umfaßt der Blick bewundernd das bunte Hafenbild – Malaien in buntem Sarang, Inder aller Klassen mit aufgeknotetem Haar und langem Hüfttuch, wie Weiber anzusehen, Chinesen, Japaner und Javaner wimmeln durcheinander. Die Stadt der Europäer gleicht einer europäischen Großstadt; die weite Eingeborenenstadt indes trägt chinesisches Gepräge, was nicht weiter verwunderlich ist, denn vier Fünftel der Bevölkerung von 250 000 Menschen sind Chinesen.
Singapore liegt unter 1° 16" nördlicher Breite, also nur 141 Kilometer vom Aequator entfernt, und gilt als einer der heißesten Plätze der Erde. Doch soll das Klima, abgesehen von seiner ermattenden Wirkung, nicht ungesund sein. Die Sonne brennt auf die Straßen nieder, die zumeist in einem farbigen Schimmer daliegen, denn viele Häuser sind bläulich und rötlich getüncht. Die Vegetation ist üppig; kaum gibt es eine tropische Frucht, die unter diesem Himmelsstrich nicht gedeiht. Von dem regen Leben der Welthandelsstadt merkt man, das Hafenbild abgerechnet, nichts. Alle Arbeit, die von Europäern geleistet wird, spielt sich in den frühen Morgenstunden hinter dicken, schützenden Mauern in windgekühlten Kontoren ab. Die Weißen fahren in Rickschas und Wagen. Gehen ist zu beschwerlich. Begegnen einander zwei Europäer, so machen sie höchstens die Zeigefinger krumm. Das ist der Gruß. Zu einer höheren Kraftleistung langt's nicht.
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Wer nach Singapore kommt, besucht auch das nahe Fürstentum Johore mit der gleichnamigen Hauptstadt, in der der Nachkomme der einstigen Beherrscher des ganzen Hinterlandes von Singapore, Seine Hoheit der Sultan von Johore, ein unbeneidenswertes Scheinregiment führt. Der Sultan druckt seine eigenen Marken, die nur im Lande Gültigkeit besitzen, hält eine Musikkapelle, bewohnt ein ziemlich baufälliges Schloß und läßt in seinem Park eine Anzahl Tiger füttern, die aber meistens versetzt oder verkauft sind – damit sind seine Rechte so ziemlich erschöpft. Singapore liegt auf der gleichnamigen Insel, Johore aber auf dem malaiischen Festlande. Auf einem herrlich gehaltenen Automobilwege fährt man durch eine wunderschöne Landschaft bis an die Küste, mit einem kleinen Dampfer in viertelstündiger Fahrt nach dem Festlande und ist nun in Johore. Zu sehen gibts nicht viel, nachdem man mit Rickschas nach der Istana, dem Palast, gefahren ist. Seine Hoheit waren auf Reisen, das Schloß verschlossen. In den schönen Park vertiefte ich mich mit einigen Gefährten ohne weitere Erlaubnis. Schon wieder auf der Landstraße, diesmal zu Fuß, überraschte uns ein blendender tropischer Regenschauer. Kein Laubbaum, kein schützendes Dach in der Nähe. Da versuchte ich mich im dichten Unterholz zur Seite des Weges zu bergen – und hätte dabei fast mein Leben verloren. Plötzlich raschelte es im Dickicht und eine fauchende Kobra, die gefürchtete Brillenschlange, tauchte auf. Glücklicherweise hatte sie gerade ihre Brille abgenommen, um sie zu putzen – deshalb sah sie mich nicht gleich und ich vermochte noch zu entschlüpfen. Uebrigens war es nicht die erste Schlange, die mir im Leben begegnet ist.
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An malaiischen Pfahldörfern vorbei, die mitten im Wasser stehen, schwenkt das Schiff hinaus in die Straße von Malakka. Am nächsten Morgen ziehen wir dicht an der Küste eines Tropenlandes von berauschender Schönheit hin – es ist die Südwestspitze der Insel Sumatra – und abermals umfängt uns die blaue See. Die Tage fließen vorüber wie Träume. Kein Windhauch kräuselt die Wogen, der strahlende Aether steht wie eine blaßblaue Glasglocke über dem Meere.
Als ich eines Abends, unmittelbar nach Sonnenuntergang, auf dem Vorderdeck stand, den Blick nach Westen gewandt, wo in dunkelnder Höhe schon die Venus leuchtete, sah ich lange in einen hellen, scharf abgegrenzten Lichtschein, der aus dem Westen aufgetaucht war und bis zum Zenit emporstrahlte. Der Himmel war dunkelblau und wolkenfrei, das Meer schon fast schwarz, und darüber stand ganz deutlich das breite Lichtband, ein gelb-rötlicher, intensiver Lichtbogen. Endlich drang die Erscheinung mir ins tiefere Bewußtsein, ich sah mich um und bemerkte nun auch im Osten einen schwachen Gegenschein – da durchfuhr es mich wie ein Schlag: das Zodiakallicht! Doch mit der Erkenntnis war auch die Beobachtung schon abgeschnitten, denn rasch verflüchtigte sich die Erscheinung im heraufziehenden Dunkel der Nacht.
Die letzte Station auf der ostasiatischen Küstenfahrt nach Ceylon ist die Insel Penang – »Pulu Pinang«, die Insel der Betelpalme, die schon seit über einem Jahrhundert im Besitze der Engländer ist. Hinter einem Palmenstrande erheben sich malerische Bergketten, im Vordergrunde liegt die Hauptstadt Georgetown mit 150 000 Einwohnern, zumeist Chinesen und Vorderindiern. Eine Abendfahrt durch die Stadt mit ihren offenen Häusern und ihrem bunten Eingeborenenleben ist wie ein Märchenbild aus Tausendundeiner Nacht. Die Luft duftet von tropischen Blumen und Früchten. Dunkel steht gegen den Mondhimmel die fächerförmige Silhouette des merkwürdigen Baumes der Reisenden (Rawenala), dessen Urheimat Madagaskar ist.
Der große chinesische Bergtempel Ayer Itani, wohin man mit einer elektrischen Bahn gelangt, machte auf mich den Eindruck eines Handelshauses. Nach Besichtigung aller Sehenswürdigkeiten, der heiligen Fische und Schildkröten, der alten Bauten und Bilder, naht der Oberbonze, führt den Gast in sein Privatgemach, bewirtet ihn mit Kaffee, Kuchen und Zigarren, schenkt ihm seine Photographie und Visitenkarte und verlangt schließlich eine klingende Erwiderung der Gastfreundschaft – und nicht zu knapp!