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Auch die Obst-, Beeren- und Gartenbaukultur wird in der Zukunft eine bisher kaum für möglich gehaltene Entwicklung erlangen und ihren Ertrag vervielfältigen. Wie sehr noch bei uns in bezug auf Obstzucht gesündigt wird, obgleich gerade Deutschland für Obst- und speziell für die Apfelzucht ein besonders günstiges Klima besitzt, geht daraus hervor, daß jährlich für mehr als 40 Millionen Mark frisches Obst und für mehr als 20 Millionen gedörrtes Obst eingeführt wird. Ein Blick auf den schlechten Zustand unserer Obstbäume im weitaus größten Teile Deutschlands und selbst in Ländern, die durch ihren Obstbau einen Namen haben, wie Württemberg, läßt dies begreiflich erscheinen. Hier ist ein großes Feld für landwirtschaftlich-gärtnerische Tätigkeit. Ähnlich steht es mit der Beerenkultur, die erst in ihren Anfängen steckt.
Durch Anwendung künstlicher Wärme und Feuchtigkeit in großen, geschützten Hallen wird die Gemüse-, Obst- und Beerenzucht im großen zu jeder Jahreszeit ausführbar. Die Blumenläden unserer Großstädte weisen mitten im strengsten Winter einen Blumenflor auf, der mit jenem, den sie im Sommer besitzen, wetteifert. Einen der großartigsten Fortschritte auf dem Gebiete der künstlichen Obstzucht liefert zum Beispiel der künstliche »Weinberg« des Gartendirektors Haupt in Brieg in Schlesien, der mittlerweile eine große Reihe Nachahmer gefunden hat und Vorgänger in anderen Ländern längst schon besaß, zum Beispiel in England. Die Einrichtung und die Resultate desselben wurden in der »Vossischen Zeitung« vom 27. September 1890 so verlockend geschildert, daß diese Schilderung auszugsweise hier folgen mag. Das Blatt schrieb:
»Auf einer annähernd quadratischen Bodenfläche von 500 Quadratmetern, das heißt ein Fünftel Morgen, ist das Glashaus von 4,5 bis 5 Meter Höhe errichtet, dessen Wände genau nach Norden, Süden, Osten, Westen orientiert sind. In der Richtung von Süden und Norden sind darin zwölf Reihen Doppelspaliere, je 1,8 Meter jedes vom anderen entfernt, aufgestellt, welche zugleich dem flach geneigten Dache als Stütze dienen. In ein Erdbeet von 1,25 Meter Tiefe über einer 25 Zentimeter starken Schüttlage, welche ein Netz von Drainröhren mit Vertikalröhren zur Bodenventilation enthält, ein Beet, dessen sehr schwere Betten durch Zufuhr von Kalk- und Bauschutt, Sand, verrottetem Dünger, Knochenmehl und Kalisalz locker, durchlässig und fruchtbar gemacht sind, pflanzte Herr Haupt an jenen Doppelspalieren dreihundertundsechzig Weinstöcke von solchen Sorten, welche im Rheingau die edelsten Rebensäfte liefern, also: weißen und roten Riesling, Traminer, weißen und blauen Muskateller und Burgunder.
Die Ventilation des Raumes wird außer durch mehrere Öffnungen in den Seitenwänden durch 20 Meter lange große Klappen im Dache bewerkstelligt, welche durch eine eiserne mit Schraubenspindel und Kurbel versehene Hebelvorrichtung geschlossen und geöffnet und in jeder Lage sturmsicher festgestellt werden können. Zur Bewässerung der Stöcke dienen 26 Brausen, die an 1,25 Meter langen, von einer Hochwasserleitung herunterhängenden Gummischläuchen befestigt sind. Doch noch ein anderes, wahrhaft geistreich erfundenes Mittel zur raschen und gründlichen Bewässerung führte Herr Haupt in seiner ›Weinhalle‹ und seinem ›Weinberge‹ ein: den künstlichen Regenerzeuger. In der Höhe unter dem Dache liegen vier lange kupferne Rohrstränge, die in Entfernungen von einem halben Meter fein gelocht sind. Die durch die Öffnungen nach oben austretenden aufsteigenden feinen Wasserstrahlen treffen gegen kleine runde Siebe aus Fenstergaze und werden beim Durchtritt durch dieselben zu feinen Fontainen zerstäubt: ein tüchtiges Durchspritzen mittels der Gummischläuche erfordert immer einige Stunden; aber nur einen Hahn braucht man zu öffnen und im ganzen weiten Hause rieselt ein sanfter, erfrischender Regen aus der Höhe auf Rebstöcke, Erdreich und Granitplattenstege gleichmäßig hernieder. Die ohne jede etwaige künstliche Heizung einzig durch die natürlichen Eigenschaften des Glashauses bewirkte Steigerung der Temperatur läßt sich auf 8 bis 10 Grad Reaumur über die der äußeren Luft bringen. Um die Stöcke vor dem verderblichsten und dem gefährlichsten Gegner, der Reblaus, falls sie sich einmal zeigen sollte, zu schützen, genügt es, die Drainröhren zu schließen und alle Hähne der Wasserleitung zu öffnen. Der dadurch bewirkten Unterwassersetzung der Stöcke widersteht dieser Feind bekanntlich nicht. Gegen Sturm, Kälte, Fröste, überflüssigen Regen schützen den künstlichen Weinberg Glasdach und Wände; gegen etwaigen Hagelschlag seine Drahtgitter über denselben; gegen Dürre und Trockenheit die künstliche Regenvorrichtung. Der Winzer eines solchen ›Weinbergs‹ ist sein eigener Wettermacher und kann der Gefahren aller der unberechenbaren Launen und Tücken der ›gleichgültigen‹ oder grausamen Natur lachen, welche die Frucht aller Mühen und Arbeiten des Weinbauers mit Vernichtung bedrohen.
Was Herr Haupt erwartet hatte, traf vollkommen ein. Die Weinstöcke gediehen in dem gleichmäßigen warmen Klima vortrefflich. Die Trauben reiften bis zur vollen Edelreife aus und ergaben schon im Herbst 1885 einen Most, der an reichlichem Zucker- und geringem Säuregehalt den im Rheingau allgemein erzielten Mosten nicht nachstand. Ebenso gediehen die Trauben im nächsten Jahre und in dem ungünstigen Jahre 1887 vortrefflich. In diesem Raume lassen sich, wenn die Stöcke ihre volle Höhe von 5 Meter erreicht haben und bis zur Spitze Trauben in strotzender Fülle tragen, jährlich etwa 20 Hektoliter Wein erzeugen und die Selbstkosten einer Flasche edeln Weines werden nicht mehr als 40 Pfennig betragen.
Kein Umstand ist abzusehen, welcher den vollständig fabrikmäßigen Betrieb dieses neuen, die höchsten und gleichmäßigsten Erträge verheißenden Weinbaues im großen verhindern könnte. Glashäuser von solcher Art wie hier über einer Bodenfläche von 1/5 Morgen lassen sich mit gleichen Ventilations- und Bewässerungs-, Drainage- und Regeneinrichtungen zweifellos auch über morgengroßen Grundstücken errichten. Auch in ihnen wird die Vegetation schon einige Wochen früher beginnen als im Freien, werden die Reben gegen Maifröste, Regen, Kälte während der Blüte, gegen Dürre während des Wachstums der Beeren, gegen naschende Vögel und Traubendiebe, gegen Nässe während des Reifens, gegen die Reblaus während des ganzen Jahres geschützt sein und bis November, Dezember am Stocke hängen. In seinem 1888 dem ihn besuchenden Verein zur Beförderung des Gartenbaus gehaltenen Vortrag, dem ich in dieser Schilderung des Hauptschen ›Weinbergs‹ manches Technische entnommen habe, eröffnete der Erfinder und Begründer desselben zum Schluß noch diese lockende Perspektive in die Zukunft: Da nun dieser Weinbau in ganz Deutschland, namentlich aber auch auf sonst unfruchtbarem, sandigem und steinigem Boden (wie zum Beispiel dem schlechtesten märkischen), der urbar gemacht und bewässert werden kann, möglich ist, so erhellt daraus das große Landeskulturinteresse, welches der ›Weinbau unter Glas‹ bietet. Ich möchte diese Kultur als ›Weinbau der Zukunft‹ bezeichnen.«
Der Verfasser schildert dann, wie auch der aus den Trauben gewonnene Wein das höchste Lob der Sachkenner gefunden habe, und fügt hinzu: »daß der Weinberg auch noch genügenden Raum zum gleichzeitigen Betriebe anderer lohnender Neben- oder Zwischenkulturen gewähre. So ziehe Herr Haupt zwischen je zwei Rebstöcken noch immer einen Rosenstock, der im April und Mai die reichste Blütenfülle biete, und an den Ost- und Westwänden Pfirsische an Spalieren, deren Blütenpracht im April dem Innern dieses gläsernen Weinpalastes ein Aussehen von märchenhaftem Reiz verleihen muß«. Neuerdings ist es insbesondere Belgien, das dieser Art Obstzucht große Aufmerksamkeit schenkt. Aber auch in Deutschland ist diese Kulturmethode in größerem Umfang vorhanden, zum Beispiel für die Zucht von Ananas.
Nichts hindert, daß ähnliche Anlagen noch in viel großartigerem Maßstabe für die verschiedensten Kulturen eingerichtet werden, so daß wir uns für viele Bodenprodukte den Luxus einer doppelten und dreifachen Ernte verschaffen können. Heute sind diese Unternehmungen in erster Linie eine Frage der Rentabilität, und ihre Produkte sind nur den Privilegierten der Gesellschaft zugängig, die sie bezahlen können. Eine sozialistische Gesellschaft kennt keine andere Frage als die nach genügenden Arbeitskräften, und sind diese vorhanden, so wird das Werk zum Vorteil aller vollbracht.