August Bebel
Die Frau und der Sozialismus
August Bebel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

In der gesamten Montanindustrie war in den Jahren

  Zahl der
Hauptbetriebe
Mittlere
Belegschaft
Menge
1.000 Tonnen
1871–75 3.034 277.878 51.056,0
1887 2.146 337.634 88.873,0
1889 1.962 368.896 99.414,0
1905 1.862 661.310 205.592,6
1906 1.862 688.853 229.146,1
1907 1.958 734.903 242.615,2

Hier hatte sich also die Zahl der Betriebe um 35,5 Prozent vermindert, dagegen war die Zahl der beschäftigten Arbeiter um 164,4 Prozent und die Produktion um 374,5 Prozent gewachsen.

Einer kleineren, aber viel reicher gewordenen Zahl von Unternehmern stand eine bedeutend gewachsene Zahl von Proletariern gegenüber. 1871 bis 1875 kamen auf jeden Betrieb durchschnittlich 92, 1887 160, und 1907 waren es 307, trotz der Vermehrung der Betriebe von 1.862 im Jahre 1906 auf 1.958 im Jahre 1907!

»Im rheinisch-westfälischen Industriegebiet gab es 1907 zwar noch 156 Werke, aber davon verfügten 34 (21,8 Prozent) allein über mehr als 50 Prozent der Förderung. Obschon die Betriebsstatistik noch 156 Ruhrzechen aufführt, hatte das Kohlensyndikat, dem mit geringen Ausnahmen alle Werke angeschlossen sind, nur 76 Mitglieder; so weit ist die Werkskonzentration schon gediehen. Nach der Feststellung vom Februar 1908 betrug die Beteiligungsziffer im Kohlensyndikat 77,9 Millionen Tonnen Kohlen« Otto Hué, Entwicklungsgeschichtliches über die Montanindustrie. »Neue Zeit«, 27. Jahrgang. 1. Band, S. 665. .

Im Jahre 1871 waren im Betrieb 306 Hochöfen mit 23.191 Arbeitern, die 1.563.682 Tonnen Roheisen produzierten, und im Jahre 1907 erzeugten schon 303 Hochöfen mit 45.201 Arbeitern 12.875.200 Tonnen, auf jeden Hochofen im Jahre 1871 5.110 Tonnen, im Jahre 1907 42.491 Tonnen! »Nach einer in ›Stahl und Eisen‹, März 1896, veröffentlichten Liste konnte derzeitig nur ein deutsches Hüttenwerk, die Gutehoffnungshütte Oberhausen, eine Roheisenproduktion bis zu 820 Tonnen innerhalb 24 Stunden liefern. Aber schon 1907 gab es 12 Werke, die innerhalb 24 Stunden 1.000 und mehr Tonnen erzeugen konnten« Otto Hué, a.a.O., S. 666. .

Im Jahre 1871/72 verarbeiteten 311 Fabriken in der Rübenzuckerindustrie 2.250.918 Tonnen Rüben, im Jahre 1907/08 dagegen 365 Fabriken 13.482.750 Tonnen. Die durchschnittliche Rübenverarbeitung pro Fabrik betrug 1871/72 7.237 und 1907/08 36.939 Tonnen! Es wurden gewonnen 1871/72 186.441 Tonnen = 8,28 Prozent der verarbeiteten Rüben, und 1907/08 2.017.071 Tonnen = 14,96 Prozent.

Und diese technische Revolution vollzieht sich nicht nur in der Industrie, sondern auch in den bestehenden Verkehrsgewerben. Der deutsche Handel auf See zählte:

Im Jahre Segelschiffe Ladefähigkeit
in Registertonnen
Besatzung
nach Köpfen
1871 4.372 900.361 34.739
1901 2.270 525.140 12.922
1905 2.294 493.644 12.914
1908 2.345 433.749 12.800
1909 2.361 416.514 12.844
weniger als 1871 2.011 weniger 483.847 weniger 21.895

Die Segelschiffahrt geht also erheblich zurück, aber soweit sie noch besteht, nimmt die Ladefähigkeit der Schiffe und die Zahl der Besatzungsmannschaft ab. 1871 kamen auf ein Segelschiff 205,9 Registertonnen Ladefähigkeit und 7,9 Köpfe Besatzung, 1909 hatte das Segelschiff durchschnittlich 176,4 Registertonnen Ladefähigkeit und nur 5,4 Köpfe Besatzung. Ein anderes Bild zeigt die deutsche Dampfschiffahrt zur See. Deutschland besaß:

Im Jahre Seedampfer Ladefähigkeit in
Registertonnen
Besatzung
nach Köpfen
1871 147 81.994 4.736
1901 1.390 1.347.875 36.801
1905 1.657 1.774.072 46.747
1908 1.922 2.256.783 57.995
1909 1.953 2.302.910 58.451
mehr als 1871 1.806 2.221.006 53.715

Die Zahl der Dampfer war also nicht nur erheblich gestiegen, ihre Ladefähigkeit stieg noch mehr, dagegen war im Verhältnis die Kopfzahl der Bemannung gesunken. 1871 hatte ein Dampfer durchschnittlich 558 Registertonnen Ladefähigkeit und 32,1 Köpfe Besatzung, 1909 aber hatte ein solcher 1.230 Registertonnen Ladefähigkeit und nur 29 Köpfe Besatzung.

Für die kapitalistische Entwicklung unserer Wirtschaftsordnung spricht auch die rasche Zunahme der motorischen Kräfte. Nach Viebahn waren 1861 in der Industrie des Zollvereinsgebiets verwendet 99.761 Pferdekräfte A. Hesse, Gewerbestatistik. S. 168, Jena 1909. . 1875 waren in Deutschland in Betrieben, in denen mehr als 5 Personen beschäftigt wurden, 1.055.750 Pferdekräfte in Anwendung, und zwar in 25.152 Fällen, im Jahre 1895 waren es 2.938.526 Pferdekräfte, nahezu dreimal so viel, in 60.176 Fällen. Die Eisenbahn- (und Straßenbahn-)betriebe und die Dampfschiffahrt sind in dieser Aufstellung nicht enthalten.

In Preußen wurden gezählt Pferdekräfte:

Im Jahre Feststehender
Dampfmaschinen
Beweglicher Dampfkessel
und Lokomotiven
1879 888.000 47.000
1896 2.534.900 159.400
1900 3.461.700 229.600
1905 4.684.900 315.200
1906 4.995.700 334.400
1907 5.190.400 363.200

Es hat sich also in Preußen im Zeitraum von 1879 bis 1907 die Zahl der verwendeten Pferdekräfte beinahe versechsfacht! Wie gewaltige Fortschritte die Entwicklung der Industrie nach der Zählung von 1895 gemacht hatte, ist daraus ersichtlich, daß in Preußen die Zahl der feststehenden Dampfmaschinen von 1896 bis 1907 um 35 Prozent gestiegen ist, die gesamte Leistungsfähigkeit der Maschinen hat in dieser Zeit sogar um 105 Prozent zugenommen. Während im Jahre 1898 im ganzen 3.305 Dampfmaschinen mit 258.726 Pferdekräften zum Antrieb von Dynamos dienten, sind es im Jahre 1907 6.191 mit 954.945 Pferdekräften, das ist eine Steigerung um 87 bzw. 269 Prozent A. Hesse, a.a.O., S. 163 bis 164. .

Die folgenden Zahlen zeigen die Zunahme der Dampfkraft in den wichtigsten Industrien in Pferdekräften:

Industrie 1879 1897 1907
Berg und Hütten 516.000 1.430.000 2.284.000
Steine und Ziegel 29.000 132.000 255.000
Metallverarbeitung 23.000 57.000 113.000
Maschinen 22.000 61.000 329.000
Textil 88.000 243.000 323.000 Professor Dr. S. Reyer, Kraft. Ökonomische, technische und kulturgeschichtliche Studien über die Machtentfaltung der Staaten. S. 348, Leipzig 1908.

Und angesichts dieser fabelhaften Entwicklung der Produktivkräfte und gewaltigen Kapitalskonzentration will man noch versuchen, diese Tatsache wegzuinterpretieren. Einen solchen Versuch machte auf der elften Tagung des Internationalen statistischen Instituts in Kopenhagen (August 1907) der französische Ökonomist Ives Guyot. Auf Grund einer leichtfertigen Statistik machte er den Vorschlag, das Wort »Konzentration« aus der Statistik wegzuschaffen. Ihm antwortete unter anderen Karl Bücher: »Eine absolute Vermehrung der Zahl der Betriebe könne sehr wohl mit starker Konzentration derselben zugleich vorkommen. Nun aber seien überall, wo die Erhebung nach Betrieben (établissements) vorgenommen werde, zahlreiche Doppelzählungen unvermeidlich; eine Bank mit 100 Depositenkassen werde gleich 101 gezählt, eine Bierbrauerei mit 50 von ihr mit Lokal und Inventar versehenen Bierwirten ergäbe 51 Betriebe. Die Ergebnisse einer solchen Statistik könnten für das gesuchte Phänomen gar nichts beweisen.

Nach den seitherigen Untersuchungen scheine nur die Landwirtschaft dem Prozeß der Konzentration nicht zu unterliegen; auf den Gebieten des Bergbaus, des Handels, des Transport-, Versicherungs- und Bauwesens sei sie evident; auf dem Gebiet der Industrie sei sie deshalb schwerer zu erkennen, weil jedes sich kräftig entwickelnde Kulturvolk eine Erweiterung der industriellen Produktion aufweisen müsse, und zwar aus vier Gründen: 1. Wegen der Übernahme früher hauswirtschaftlicher Funktionen durch die Industrie: 2. wegen der Ersetzung von Naturprodukten in der Konsumtion durch Industrieprodukte (Holz durch Eisen, Waid, Krapp und Indigo durch Teerfarben usw.); 3. wegen neuer Erfindungen (Automobil); 4. wegen der Möglichkeit des Exports. Es finde deshalb gerade hier eine Konzentration in größtem Umfang statt, ohne daß sich die Zahl der Unternehmungen vermindere, ja selbst bei Vermehrung derselben. Überall, wo die Industrie gebrauchsfertige Ware von typischem Charakter erzeuge, sei die Vernichtung der selbständigen Kleinbetriebe unvermeidlich. Die kapitalistischen Produktionsformen seien somit auf den wichtigsten Wirtschaftsgebieten in raschem Fortschritt begriffen. Es sei nicht weise, die Sozialisten in dem zu bekämpfen, worin sie recht haben, und in der Behauptung einer zunehmenden Konzentration seien sie zweifellos im Rechte« Bulletin de l'institut international de Statistique. 17. Band, S. 183 bis 184. Kopenhaben 1908. .

Dasselbe Bild, das die ökonomische Entwicklung Deutschlands bietet, zeigen alle Industriestaaten der Welt. Alle Kulturstaaten bemühen sich, mehr und mehr Industriestaaten zu werden; sie wollen nicht nur ihren eigenen Bedarf an Industrieartikeln erzeugen, sondern solche auch ausführen. Deshalb spricht man nicht bloß von einer Nationalwirtschaft, sondern auch von einer Weltwirtschaft. Der Weltmarkt reguliert die Preise einer Unzahl von Industrie- und Agrarprodukten und beherrscht die soziale Stellung der Völker. Dasjenige Produktionsgebiet, das für die Weltmarktbeziehungen von ausschlaggebender Bedeutung geworden ist, ist die nordamerikanische Union, von welcher von jetzt ab der Hauptanstoß zur Revolutionierung der Weltmarktverhältnisse und der bürgerlichen Gesellschaft ausgeht. Der Zensus der letzten drei Jahrzehnte ergab folgendes Resultat.

Es betrug das in der Industrie angelegte Kapital

1880 2.790 Millionen Dollar
1890 6.525 Millionen Dollar
1900 9.813 Millionen Dollar

Der Wert der Industrie betrug:

1880 5.369 Millionen Dollar
1890 9.372 Millionen Dollar
1900 13.000 Millionen Dollar

Die Vereinigten Staaten stehen also heute als Industriestaat an der Spitze der Welt, ihr Export an Industrie- wie Agrarerzeugnissen steigt von Jahr zu Jahr und die riesigen Kapitalansammlungen, die diese Entwicklung zur Folge hat, suchen über die Grenzen des Landes hinaus Verwendung und beeinflussen in hohem Grade auch Industrie und Verkehr in Europa. Und es ist nicht mehr der einzelne Kapitalist, der als der Treibende hinter dieser Entwicklung steht, es sind die Kapitalisten- und Unternehmerkonsortien, die Kapitalistenkoalitionen, die, wo sie ihre Tätigkeit hinlenken, die stärksten Privatunternehmer erdrücken. Was will gegenüber einer solchen Entwicklung der mittlere und kleine Unternehmer beginnen, wenn selbst der große die Segel streichen muß?


 << zurück weiter >>