Giambattista Basile
Das Pentameron
Giambattista Basile

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10. Zum guten Schluß

Alle hörten mit gespitzten Ohren dem Märchen Ciommettellas zu und lobten zum Teil die Geschicklichkeit, mit der sie es erzählt hatte, zum Teil aber murrten sie über ihre Unklugheit, daß sie in Gegenwart einer Mohrin die Missetaten einer anderen Mohrin dem Tadel preisgegeben, und sagten, daß Ciommettella den allgemeinen Frohsinn gestört und sich in große Gefahr gebracht habe. Lucia aber war während der ganzen Erzählung sehr übel zumute gewesen, sie war immer hin und her gerückt, so daß man an der Unruhe ihres Körpers deutlich den Sturm ihrer Seele wahrnahm, da sie in den Schandtaten einer anderen Sklavin ein leibhaftes Abbild ihrer eigenen erkannte. Gern hätte sie die ganze Gesellschaft entlassen, teils aber, weil sie durch die von der Puppe entflammte Lust Märchen ebensowenig missen konnte wie ein von der Tarantel Gestochener die Musik, teils um dem Prinzen keinen Anlaß zum Verdacht zu geben, biß sie in den sauren Apfel, wobei sie sich jedoch vornahm, bei günstiger Gelegenheit gehörige Rache zu nehmen. Thaddäus aber, der immer größeren Gefallen an diesem Zeitvertreib fand, winkte nun der Zoza, daß sie beginnen solle, worauf diese erst einen schönen Knicks machte und dann also anfing: »Die Wahrheit, gnädiger Prinz, ist immer die Mutter des Hasses gewesen, und daher möchte ich nicht irgend jemand von den Anwesenden beleidigen, indem ich Eurem Befehl Folge leiste; denn da ich nicht geschickt genug bin, Geschichten zu ersinnen und Märchen zu erdichten, sehe ich mich teils durch Zufall, teils durch meine Gewohnheit dazu gezwungen, die Wahrheit zu erzählen. Wenngleich uns aber auch das Sprichwort sagt: ›Mit der Wahrheit kommt man stets am besten durch‹, befürchte ich dennoch, daß das, was ich sagen werde, vielleicht Euren Zorn wecke.« – »Sag, was du willst«, versetzte Thaddäus, »denn aus einem so schönen Munde, wie dem deinen, kann nur Zucker und Honig kommen.« Diese Worte waren Dolchstiche für die Mohrin, und die Gesellschaft hätte dies auch wahrgenommen, wenn die schwarzen Gesichter ebenso wie die weißen ein Buch der Seele wären. Gern hätte sie einen Finger ihrer Hand drum gegeben, die ganzen Geschichten los zu sein, da ihr so schwarz vor den Augen wurde, wie die Farbe ihres Gesichtes war, und sie befürchtete, daß die vorhergehende Erzählung nur der Blitz, auf den der Donnerschlag, nur der schlimme Morgen, auf den der noch schlimmere Tag folgen sollte, gewesen sei. Zoza aber fing inzwischen an, die ganze Gesellschaft durch die Anmut ihrer Worte zu bezaubern, indem sie alle ihre leiden von Anfang bis zu Ende schilderte und bei ihrer angeborenen Traurigkeit begann, dem unglücklichen Vorzeichen dessen, was sie späterhin erdulden sollte, da sie schon von der Wiege an die bittere Wurzel all ihrer Drangsal in sich trug, die wegen eines unwillkürlichen Lachens sie so viele Tränen zu vergießen gezwungen; hierauf erwähnte sie die Verwünschung der alten Frau, ihr mühseliges Umherwandern, ihre Ankunft bei dem Brunnen, ihr bitterliches Weinen, endlich den verräterischen Schlaf, der die Ursache ihres ganzen Unglücks war.

Als nun die Mohrin diese umständliche Erzählung vernommen und merkte, wie schlimm es mit ihr stand, rief sie aus: »Stille, Mund halten, sonst mir in den Leib schlagen und kleinen Georg durchprügeln.« Dem Prinzen, dem es wie Schuppen von den Augen fiel, riß hier die Geduld, er warf die Maske ab und sprach von der Leber weg, indem er sagte: »Laß sie ganz auserzählen, und komm mir nicht wieder mit dem kleinen oder großen Georg; denn ich habe mich lange genug dadurch an der Nase herumführen lassen, und wenn mir der Senf in die Nase fährt, so wäre es für dich besser, du wärest nie geboren.« Hierauf gebot er Zoza, daß sie seiner Frau zum Trotz fortfahren solle, und diese, die. nur einen Wink dazu erwartete, erzählte weiter von der Auffindung des Kruges und dem Betrug der Mohrin, durch den diese sie ihres Glückes beraubt hatte. Indem sie so sprach, fing sie an, so heftig zu weinen, daß keiner der Anwesenden sich tiefster Rührung erwehren konnte. Thaddäus, der aus den Tränen Zozas und aus dem Stillschweigen der Mohrin, die verstummt dasaß, die Wahrheit dessen, was jene gesagt, ersah und deutlich erkannte, überschüttete Lucia mit einem solchen Strom von Schmähungen, wie man sie keinem Esel sagt, und nachdem er sie dazu gebracht, mit eigenem Munde ihre hinterlistige Schandtat zu gestehen, befahl er, sie lebendig bis an den Hals in Sie Erde zu vergraben, damit sie so eines qualvollen Todes sterbe; Zoza aber umarmte er herzlich und erwies ihr als seiner fürstlichen Gemahlin jede erdenkliche Ehre. Hierauf ließ er den König von Buschtal von dem Vorgefallenen unterrichten und ihn zu dem neuen Hochzeitsfest einladen, mit dem die hohe Würde der Sklavin wie das Erzählen der Märchen ihr Ende fanden, und ich wünsche nur, daß euch diese wohl bekommen mögen; denn was mich betrifft, so verlasse ich sie nur ungern, da sie mir gar zu gut geschmeckt haben.


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