Giambattista Basile
Das Pentameron
Giambattista Basile

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6. Der Knoblauchgarten

Der arme Engländer mochte über sein Überströmen nicht so sehr gejammert haben, als die Zuhörer lachten, da sie den ihm von der Maus gespielten Streich vernahmen; und das Gelächter hätte bis zum andern Morgen gedauert, wenn der Prinz nicht dazwischengetreten wäre, damit man auch auf Antonella hören sollte, die mit großer Zungenfertigkeit also zu reden begann:

Der Gehorsam ist eine sichere Ware, die Gewinn ohne Gefahr abwirft, und auch ein Besitztum, das zu jeder Zeit Früchte hervorbringt. Dies wird euch die Tochter eines armen Landmannes beweisen, die dadurch, daß sie sich ihrem Vater gehorsam bezeigte, nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Schwestern den Weg zum Glück eröffnete, indem sie sämtlich reich verheiratet wurden.

Es lebte nämlich einmal in dem Dorfe La Varra ein Bauer, namens Ambrosio, der sieben Töchter und nichts anderes besaß, um sie anständig in der Welt zu erhalten, als einen Knoblauchgarten. Dieser wackere Mann war innig befreundet mit Biasillo Guallecchia, einem in Resina sehr reich begüterten Manne, der Vater von sieben Söhnen war, von denen Narduccio, der Erstgeborene und des Vaters Herzblatt, plötzlich auf einmal krank wurde und auf keine Weise geheilt werden konnte, obwohl der Beutel des Vaters in einem fort offenstand. Als ihn nun Ambrosio eines Tages besuchte, fragte ihn Biasillo, wieviel Kinder er eigentlich hätte, worauf jener, der sich schämte, daß er nur Töchter zu erzeugen vermochte, erwiderte: »Ich habe vier Söhne und drei Mädchen.« – »Wenn das so ist«, versetzte Biasillo, »so schicke mir einen von deinen Söhnen her, damit er meinem Sohne Gesellschaft leiste, du wirst mir dadurch einen sehr großen Gefallen erweisen.« Ambrosio, der sich auf diese Weise selbst gefangen hatte, wußte nicht, was er antworten sollte, sondern nickte nur mit dem Kopf; und nach La Varra zurückgekehrt, geriet er vor Ärger fast außer sich, indem er gar nicht wußte, wie er dem Freunde wieder vor die Augen treten sollte. Endlich jedoch rief er all seine Töchter, von der kleinsten bis zur größten, herbei und fragte sie, welche von ihnen es wohl zufrieden wäre, sich die Haare abschneiden zu lassen, Mannskleider anzuziehen und sich für eine Mannsperson auszugeben, um dem kranken Sohne des Biasillo Gesellschaft zu leisten; worauf die älteste Tochter, namens Annuccia, entgegnete: »Ist mir etwa der Vater gestorben, daß ich mir das Haar abschneiden sollte?« Die zweite Tochter, namens Nora, antwortete: »Noch bin ich nicht verheiratet, und schon willst du mich mit abgeschornen Haaren sehen?« Die dritte, namens Sapatina, versetzte: »Ich habe immer sagen hören, daß Frauenzimmer keine Hosen anziehen sollen.« Die vierte, namens Rosa, erwiderte: »Was Kuckuck noch einmal, komm mir nicht damit, daß ich mir zur Unterhaltung eines Kranken das anschaffen soll, was selbst in keiner Apotheke zu finden ist.« Die fünfte, namens Cianna, sprach: »Sage dem Kranken, daß er abzuführen einnehme und sich zur Ader lasse, denn ich würde auch nicht eins von meinen Haaren für hundert Lebensfäden von Männern hingeben.« Die sechste, namens Lella, sagte: »Als Frauenzimmer bin ich geboren, als Frauenzimmer lebe ich, als Frauenzimmer will ich auch sterben und mag nicht, um mich in einen vorgeblichen Mann zu verwandeln, meinen ehrlichen Namen verlieren.« Das jüngste Nestvögelchen jedoch, namens Belluccia, sah aber, daß der Vater bei jeder einzelnen Antwort seiner Töchter einen Seufzer ausstieß, und antwortete: »Nicht nur wollte ich mich dir zu Liebe in einen Mann, sondern sogar in ein Tier verwandeln und selbst noch Ärgeres erdulden, wenn ich dir damit dienen kann.« – »Segne dich der Himmel«, erwiderte Ambrosio, »denn für das Leben, das ich dir gegeben, gibst du mir ein neues Leben wieder. Darum keine Zeit verloren, sondern frisch ans Werk.« Und nachdem er ihr die Haare, die den Häschern Amors als vergoldete Schlingen dienten, abgeschnitten und ihr einen zerrissenen Männeranzug ausgeflickt hatte, brachte er sie nach Resina, wo sie von Biasillo und seinem kranken Sohne, der zu Bette lag, mit den größten Freundschaftsbezeigungen der Welt empfangen wurden. Ambrosio kehrte hierauf nach Hause und ließ Belluccia zurück, damit sie den kranken Narduccio bedienen sollte. Als dieser nun die ungewöhnliche Schönheit Belluccias unter jenen Lumpen hervorleuchten sah, sprach er bei sich selbst, indem er sie immer wieder von neuem anschaute und mit den Augen fast verschlang: »Wenn ich nicht ganz blind bin, so ist das ein Frauenzimmer; die Zartheit ihres Angesichts zeigt es, ihre Sprache bestätigt es, ihr Gang bekräftigt es, mein Herz sagt es, und Amor verrät es, es ist ohne Zweifel ein Frauenzimmer und wird wohl hierhergekommen sein, um in ihrer Männertracht meinem Herzen durch diese List einen Hinterhalt zu legen.« Da er sich nun ganz diesem Gedanken ergab, versank er in solche Traurigkeit, daß das Fieber noch viel mehr zunahm und die Ärzte ihn in einem sehr gefährlichen Zustande fanden, so daß die Mutter, die ihn von ganzer Seele liebte, zu ihm sprach: »Lieber Sohn, Licht meiner Augen, Stab und Krücke meines Alters, was soll das bedeuten, daß du, statt an Kraft zuzunehmen, an Gesundheit abnimmst und, statt vorwärtszukommen, immer rückwärts gehst? Ist es möglich, daß du deine Mutter so betrüben willst, ihr nicht die Ursache deiner Krankheit zu sagen, damit sie sie beseitigen könne? Sprich doch, mein Juwel, verheimliche mir nichts, öffne mir dein Herz, wirf deine Bürde ab und sage mir frei heraus, was du willst und wünschest; für das übrige laß mich sorgen; denn ich werde alles tun, was du verlangst.« Durch diese Worte ermutigt, fing Narduccio an, ihr seine Leidenschaft zu entdecken und ihr zu sagen, wie er sich davon überzeugt hielte, daß der Sohn Ambrosios ein Mädchen sei und daß, wenn er sie nicht zur Frau bekäme, er beschlossen hätte, dem Lauf seines Lebens ein Ende zu machen. »Nur sachte«, erwiderte die Mutter, »um deinem Wunsche willfahren zu können, wollen wir erst untersuchen, ob sie ein Frauenzimmer oder eine Mannsperson, ob das Feld flach oder hügelig ist. Ich will mit ihr in den Stall gehen und sie eins der wildesten Pferde von denen, die wir haben, besteigen lassen; denn wenn sie ein Frauenzimmer ist, so fehlt ihr, wie allen Frauen, der Mut, und sie wird nicht daran wollen, so daß wir dann gleich wissen, woran wir sind.« Dieser Einfall gefiel dem Sohne, die Mutter stieg mit Belluccia in den Stall hinunter und ließ ihr ein unbändiges junges Roß geben, das Belluccia jedoch sogleich sattelte, mit einem wahren Löwenmut bestieg und anfing, einen Pas zu reiten zum Verwundern, einen Galopp zum Erstaunen, Volten zu machen zum Entzücken, Pirouetten, um außer sich zu geraten, Kurbetten, um Maul und Ohren aufzusperren, und Kapriolen, die mehr jener als dieser Welt angehörten; weswegen die Mutter zu Narduccio sagte: »Laß deine närrische Grille fahren, mein Sohn, denn du siehst, daß dieser Bursche sattelfester ist als der älteste Kavallerist der Welt.« Trotzdem beharrte Narduccio bei seinem Sinn und sagte aufs neue, daß es durchaus ein Frauenzimmer wäre und selbst alle Heiligen ihm diesen Glauben nicht benehmen würden. Um ihm nun diesen Wahn zu benehmen, begann die Mutter wieder: »Nur nicht so hitzig, mein Sohn, wir wollen noch eine Probe machen und sehen, woran wir sind.« Darauf ließ sie eine Muskete holen, hieß Belluccia herbeirufen und sagte zu ihr, sie solle sie laden und abfeuern. Diese ergriff sogleich das Gewehr, schüttete Schießpulver in den Lauf und damit Liebespulver dem Narduccio in den Leib, legte die Lunte an das Schloß und Feuer an das Herz des Kranken, und indem jene sich entlud, beschwerte sich das Herz des Ärmsten mit Liebessehnsucht. Als die Mutter die Fertigkeit, Gewandtheit und Geschicklichkeit sah, mit der der Bursche die Muskete abfeuerte, sprach sie zu Narduccio: »Was du denkst, ist eitel Torheit; denn ein Frauenzimmer kann das nicht alles tun, was der tut.« Narduccio aber beruhigte sich nicht dabei, sondern stritt immerfort und würde sein Leben gewettet haben, daß diese schöne Rose keinen Stachel hatte; daher er wiederum zur Mutter sprach: »Glaub mir nur, liebe Mutter, wenn dieser schöne Baum der Liebesanmut mir Kranken nur eine einzige Feige geben wollte, so würde ich Kranker dem Arzte die Feige weisen; darum müssen wir in jedem Fall suchen, Gewißheit zu erlangen, wenn nicht, so ist es mit mir vorbei; denn ich ruhe entweder in ihrem Schoß oder in dem der Erde.« Da die arme Mutter sah, daß er hartnäckiger war als je, durchaus auf seinem Sinn beharrte und immer wieder auf den besagten Hammel zurückkam, sprach sie zu ihm: »Um dir noch genauere Überzeugung zu verschaffen, so gehe mit ihm baden, und dann wirst du sehen, ob Berg oder Tal, freier Platz oder Sackgasse, Circus Maximus oder Trajanssäule vorhanden ist.« – »Richtig«, rief Narduccio aus, »das ist das Rechte, und jetzt hast du den Nagel auf den Kopf getroffen, heut muß es sich endlich zeigen, ob es Bratspieß oder Pfanne, Wirkholz oder Sieb, Spritze oder Trichter ist.« Belluccia aber, die den Anschlag witterte, ließ rasch einen Knecht ihres Vaters zu sich kommen, der gar schlau und pfiffig war, und wies ihn an, daß, wenn er sie am Meeresufer im Begriff sehe, sich auszukleiden, er ihr die Nachricht bringen solle, daß ihr Vater nahe daran wäre, in den Himmel zu fahren, und sie noch einmal sehen wolle, ehe der Kreisel des Lebens Stillstand mache. Als dieser nun, genau aufpassend, wahrnahm, daß Narduccio und Belluccia sich bereits am Meere befanden und schon anfingen, sich auszukleiden, tat er, wie ihm geheißen war, und führte seinen Auftrag aufs beste aus, so daß Belluccia nach Anhörung der ihr gebrachten Nachricht sich bei Narduccio beurlaubte und den Weg nach Resina einschlug. Narduccio aber kehrte mit gesenktem Kopf, verdrehten Augen, erblaßtem Angesicht und bleichen Lippen zur Mutter zurück und erzählte ihr, wie schief die Sache gegangen wäre und daß er wegen des Querstrichs, der ihm gemacht wurde, nicht hätte den letzten Versuch machen können. »Nur nicht verzweifelt«, versetzte die Mutter. »Geduld überwindet alles. Drum geh also ohne weiteres in das Haus Ambrosios und rufe seinen Sohn, und an dem schnellen oder langsamen Herunterkommen wirst du dann sehen können, woran du bist und ob man dir eine Nase drehen will oder nicht.« Bei diesen Worten färbten sich die erbleichten Backen Narduccios wieder, und als am folgenden Morgen die Sonne ihre Strahlen ergriff und die Sterne verjagte, begab er sich geradewegs nach dem Hause Ambrosios, ließ diesen herausrufen und ersuchte ihn, ihm doch seinen Sohn herunterzuschicken, da dieser ihm unter den Händen entwischt sei, er aber gleichwohl etwas Wichtiges mit ihm zu sprechen habe. Ambrosio nun bat ihn, ein wenig zu warten, er würde ihm bald seinen Sohn senden, worauf Belluccia, um nicht in flagranti ertappt zu werden, sich schnell Rock und Mieder aus- und die Hosen anzog; indem sie dann aber über Hals und Kopf hinuntereilte, vergaß sie, daß sie noch die Ohrringe in den Ohren hatte, so daß Narduccio, wie man an den Ohren des Esels das schlechte Wetter erkennt, an denen Belluccias ein Zeichen desjenigen heitern Wetters erkannte, wonach er sich so sehr sehnte, und sie packend wie ein Bullenbeißer, zu ihr sprach: »Du sollst mein Weib sein, zum Trotz des Neides, zum Tort des Schicksals und sogar zum Hohn des Todes.« Als Ambrosio die redlichen Absichten Narduccios sah, sagte er zu ihm: »Wenn nur dein Vater zufrieden damit ist und mit einer Hand zufaßt, so greife ich mit hundert zu.« Worauf alle miteinander sich nach dem Hause Biasillos begaben, der ebenso wie seine Frau voll Freude darüber, ihren Sohn frisch und gesund wiederzusehen, die Schwiegertochter mit unsäglicher Herzlichkeit empfing, und da sie nun von Ambrosio wissen wollten, wie er denn auf den Einfall gekommen wäre, seine Tochter in Mannskleider zu stecken, und hörten, er hätte es getan, um nicht zu entdecken, daß er so ein Pinsel gewesen wäre, sieben Mädchen zu zeugen, sprach Biasillo: »Da der Himmel mir so viel Söhne und dir so viel Töchter geschenkt hat, so wollen wir auch sieben Fliegen mit einem Schlag totmachen, drum bringe sie nur sämtlich her zu mir, ich will sie alle meinen Söhnen zu Weibern geben; denn ich habe, Gott sei Dank, so viel Gräten, als diese Fische brauchen.« Kaum hatte Ambrosio diese Rede vernommen, so holte er wie im Fluge all seine anderen Töchter herbei, worauf in dem Hause Biasillos die siebenfache Hochzeit mit großen Festlichkeiten gefeiert wurde, so daß die Musik und das Jauchzen bis zum siebenten Himmel emporscholl, und indem sie nun alle auf diese Weise froh und fröhlich waren, sah man ganz deutlich die Wahrheit des Sprichwortes:

Gottes Treu ist alle Tage neu.


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