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Mein Wunsch, die Prinzessin auf angenehme Weise zu unterhalten, ist so groß, daß ich die ganze vorige Nacht, in welcher alle übrigen Leute im tiefsten Schlaf begraben lagen, nichts anderes getan habe, als daß ich die alten Kisten und Kasten meines Gehirns durchstöberte, die Schubladen meines Gedächtnisses durchsuchte und unter den Märchen, welche jene gute Seele, die Frau Klara Löchlein, Großmutter meines Oheims (Gott habe sie selig!), zu erzählen pflegte, diejenigen auswählte, die mir am meisten passend zu sein schienen, um euch täglich eine davon aufzutischen; daher ich auch Grund habe, zu hoffen (wenn ich mich nicht etwa ganz und gar im Irrtum befinde), daß sie euch viel Vergnügen machen oder, wenn auch nicht als bewaffnete Scharen, um die Langeweile zu verjagen, so doch wenigstens als Trompeten dienen werden, um meine anderen Genossinnen anzufeuern, damit sie mit größerer Macht, als meine geringen Kräfte es mir gestatten, ins Feld rücken und durch den Überfluß ihres Geistes den Mangel meiner Worte ersetzen.
Es war einmal eine schwangere Frau, namens Pascadozia, welche von einem Fenster aus, das in den Garten einer Hexe ging, ein Beet Petersilie erblickte und ein solches Gelüst nach derselben bekam, daß sie darüber fast in Ohnmacht fiel und, um es zu befriedigen, die Zeit abpaßte, wann die Hexe ausging, während welcher sie sich eine Handvoll abpflückte. Als aber die Hexe nach Hause zurückkehrte und sich eine Suppe kochen wollte, so merkte sie, daß jemand bei der Petersilie gewesen war, und sprach: »Hol' mich der Teufel, wenn ich diesen langfingerigen Schelm nicht kriege und ihn auf seine Kosten lehren will, von seinem Teller zu essen und die Töpfe anderer Leute unangerührt zu lassen.« Indem nun die arme Schwangere zu wiederholten Malen in den Garten hinabstieg, wurde sie eines Morgens von der Hexe ertappt, welche voll von Wut und Galle zu ihr sprach: »Hab' ich dich endlich erwischt, du Diebin, du Spitzbübin? Was für Pacht bezahlst du mir denn für den Garten, daß du mir so ohne weiteres mein Grünzeug wegstiehlst? Meiner Treu', ich werde dich nicht erst nach Rom schicken, damit du dort Buße tun sollst.« Außer sich vor Schrecken fing Pascadozia an, sich zu entschuldigen, indem sie sagte, daß sie weder aus Naschhaftigkeit noch aus Heißhunger sich vom Bösen habe verleiten lassen, diese Unredlichkeit zu begehen, sondern vielmehr, weil sie schwanger wäre, und daß sie fürchte, das Gesicht des Kindes würde ganz mit petersilienähnlichen Malen bedeckt sein, ja, sie müsse ihr vielmehr Dank wissen, daß sie ihr nicht böse Augen angewünscht habe. »Das ist leeres Gewäsch«, erwiderte die Hexe, »mir mußt du damit nicht kommen. Dein Lebenstermin ist abgelaufen, wenn du mir nicht versprichst, mir das Kind zu geben, mag es nun ein Mägdlein oder ein Knäblein sein.« Um aus der Gefahr, in der sie sich befand, zu entkommen, leistete die arme Pascadozia mit der Hand auf dem Herzen den geforderten Eid und wurde hierauf von der Hexe freigelassen. Als aber die Zeit ihrer Entbindung erschien, gebar sie ein so schönes Töchterlein, daß es eine wahre Freude war, und da es auf der Brust ein niedliches Mal hatte, das wie eine Petersilie aussah, so erhielt es den Namen Petrosinella. Diese wuchs nun alle Tage zusehends heran und wurde, sobald sie das siebente Jahr erreichte, in die Schule geschickt; immer aber, wenn sie auf der Straße der Hexe begegnete, sprach diese zu ihr: »Sage zu deiner Mutter, daß sie an das Versprechen denken soll«; und so oft sandte die Hexe Pascadozia diese Hiobspost, daß die arme Frau voll Verzweiflung dieselbe nicht ferner hören wollte und zu ihrem Töchterchen eines Tages sagte: »Wenn du wieder die alte Frau triffst und sie die Erfüllung des verdammten Versprechens fordert, so antworte ihr: ›Nimm dir, was du haben willst.‹« Als daher Petrosinella, die nichts Böses ahnte, wieder einmal der Hexe begegnete und von ihr dieselbe Rede vernahm, so antwortete sie in der Unschuld ihres Herzens, so wie die Mutter ihr gesagt, worauf die Hexe sie bei den Haaren ergriff und in einen Wald schleppte, welchen die Sonnenrosse niemals betraten, um auf den dunkeln Weideplätzen desselben nicht zu erkranken. Dort nun wurde Petrosinella von der Hexe in einen von ihr hervorgezauberten Turm gesperrt, der weder Türen noch Treppen und nur ein Fensterchen hatte, durch welches die Hexe vermittelst der überaus langen Haare Petrosinellas wie ein Matrose auf den Wanten hinauf- und hinabzusteigen pflegte.
So geschah es nun einmal, daß, als Petrosinella eines Tages während der Abwesenheit der Hexe den Kopf aus jener Öffnung hinaussteckte und ihre Flechten in der Sonne erglänzen ließ, der Sohn eines Prinzen vorüberkam, welcher beim Anblick dieser zwei goldenen Standarten, welche die Herzen zur Anwerbung unter Amors Fahnen herbeiriefen, und des unter den herrlich schimmernden Wellen hervorschauenden Sirenenangesichts sich in so hohe Schönheit auf das sterblichste verliebte. Nachdem er ihr nun eine Bittschrift von Seufzern zugesandt, wurde von ihr beschlossen, ihn zu Gnaden anzunehmen, und der Handel ging so rasch vonstatten, daß der Prinz freundliches Kopfnicken und Kußhände, verliebte Blicke und Verbeugungen, Danksagungen und Anerbietungen, Hoffnungen und Versprechungen, kosende Worte und Schmeicheleien in großer Menge zugeworfen erhielt. Als sie dies aber so mehrere Tage wiederholt hatten, wurden sie dermaßen miteinander vertraut, daß sie eine nähere Zusammenkunft miteinander verabredeten, und zwar sollte diese des Nachts, wann der Mond mit den Sternen Verstecken spielte, stattfinden, Petrosinella aber der Hexe einen Schlaftrunk eingeben und den Prinzen mit ihren Haaren emporziehen. Sobald dieser Verabredung gemäß die bestimmte Stunde erschienen war und der Prinz sich nach dem Turm begeben hatte, senkten sich auf einen Pfiff von ihm die Flechten herab, welche er rasch mit beiden Händen ergriff und nun rief: »Zieh!« Oben angelangt, kroch er durch das Fensterchen in die Stube, genoß in reichem Maß von jener Petersilienbrühe Amors und stieg, ehe noch der Sonnengott seine Rosse durch den Reifen des Tierkreises springen lehrte, wieder auf der nämlichen Goldleiter hinab, um nach Hause zurückzukehren. Da er nun oftmals diese Besuche wiederholte, so wurde es endlich eine Gevatterin der Hexe gewahr, welche sich um Dinge, die sie nichts angingen, zu bekümmern und ihre Nase in jeden Quark zu stecken pflegte; sie sagte daher zu der Alten, sie solle auf ihrer Hut sein, denn Petrosinella habe mit einem jungen Burschen einen Liebeshandel; sie vermute, die Sache würde dabei nicht stehenbleiben, sie durchschaue alles und wisse, wie es kommen würde; wenn jene sich also nicht vorsehe, möchte wohl Petrosinella, ehe sie es sich dessen versehe, über alle Berge sein. Die Hexe dankte der Gevatterin vielmal für den wohlgemeinten Rat und fügte hinzu, sie wolle schon dafür sorgen, der Petrosinella den Weg zu verlegen, abgesehen davon, daß es ihr ganz unmöglich sein würde, zu entfliehen, weil sie dieselbe dermaßen bezaubert habe, daß, wenn sie nicht die drei Galläpfel, die sich im Loch eines Küchenbalkens befänden, in Händen hätte, alle Bemühungen, sich aus dem Staube zu machen, verloren wären.
Während aber die beiden alten Hexen sich auf diese Weise besprachen, belauschte Petrosinella, welche stets die Ohren spitzte und gegen die Gevatterin Verdacht hegte, ihre ganze Unterredung. Sie ließ daher, sobald die Nacht ihre schwarzen Kleider ausschüttete, um sie vor den Motten zu bewahren, und der Prinz sich wie gewöhnlich eingestellt hatte, ihn auf die Balken in der Küche steigen und die Galläpfel suchen, die ihr, wie sie wußte, wegen des ihr von der Hexe angehängten Zaubers unerläßlich notwendig waren. Nachdem sie sie gefunden und sich eine Strickleiter gemacht hatten, stiegen sie beide den Turm hinunter und fingen an, auf dem Wege, der nach der Stadt führte, zu fliehen. Da sie jedoch hierbei von der Gevatterin gesehen wurden, fing diese an, dermaßen zu schreien und die Hexe zu rufen, daß letztere erwachte, hierauf, sobald sie vernahm, daß Petrosinella entflohen wäre, auf derselben Strickleiter, die noch an das Fensterchen gebunden war, hinunterstieg und anfing, den Liebenden nachzueilen. Als diese nun die Hexe schneller als ein freigelassenes Roß hinter sich her laufen sahen, so hielten sie sich anfangs für verloren; endlich jedoch erinnerte sich Petrosinella der Galläpfel und warf rasch einen auf die Erde, so daß plötzlich ein entsetzlicher korsischer Bullenbeißer erschien, der mit weitgeöffnetem Maul und furchtbar bellend der Hexe entgegenrannte, um sie wie einen einzigen Bissen zu verschlingen. Diese aber, welche mehr List und Kniffe im Kopfe hatte als der leibhafte Teufel, steckte die Hand in die Tasche und zog daraus ein Brötchen hervor, das sie kaum dem Hunde dargereicht hatte, als er den Schwanz sinken und seine ganze Wut fahrenließ, worauf sie von neuem den Fliehenden nachzusetzen begann. Sobald Petrosinella sie wieder nahe herankommen sah, warf sie den zweiten Gallapfel zur Erde, und plötzlich erschien ein furchtbarer Löwe, der mit dem Schweif die Erde peitschte, die Mähne schüttelte und mit ellenweit aufgesperrtem Rachen sich bereit machte, die Hexe zu zermalmen; daher diese sogleich zurückkehrte, einem Esel, der auf einer Wiese weidete, die Haut abzog und, sich diese umhängend, dem Löwen nochmals entgegenging, welcher in der Meinung, es wäre ein wirklicher Langohr, so große Furcht bekam, daß er sogleich ausriß. Nachdem nun die Hexe solchermaßen diesen zweiten Graben übersprungen hatte, begann sie wiederum die armen Flüchtlinge zu verfolgen, welche an den Fußtritten und der Staubwolke, die sich bis zum Himmel erhob, merkten, daß die Hexe von neuem hinter ihnen her wäre; diese aber hatte aus Furcht, der Löwe könne sie verfolgen, sich die Eselshaut noch nicht abgenommen, so daß, da Petrosinella inzwischen den dritten Gallapfel zur Erde geworfen und auf diese Weise einen Wolf hervorgezaubert hatte, dieser, ohne der Hexe Zeit zu einem neuen Ausweg zu lassen, sie wie einen Esel verschlang. Hierauf legten die Liebenden, von jeder Gefahr befreit, ganz langsam und gemächlich ihren Weg nach dem Reiche des Prinzen zurück, woselbst dieser mit Bewilligung seines Vaters Petrosinella heiratete und beide nach so vielen Leidensstürmen empfanden, daß:
Nur eine Stund' im Port, frei von Gefahr,
lässt bald vergessen manches Sturmesjahr.