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Das Gelächter, das die ganze Gesellschaft beim Unglück des Prinzen erfaßte, erscholl so gewaltig, als hätten sie Lachkraut gegessen, und sicherlich hätten sie die ganze Tonleiter des Lachens vom dreimal gestrichenen F bis zum tiefen C durchlaufen, wenn Cecca nicht ein Zeichen gegeben hätte, daß sie bereit sei, ihre Geschichte loszulassen, und nachdem sie so die Stimme aller andern mit Beschlag belegt, begann sie zu sprechen:
Es gibt ein Wort, das man mit ellenlangen Buchstaben aufschreiben sollte, daß Schweigen nie jemandem geschadet hat, sowie man auch nicht glauben darf, daß schmähsüchtige Menschen, deren Zunge einem andern nie etwas zum Lobe nachsagt, sondern immer nur schneidet, sticht, zwickt und beißt, je gut dabei wegkommen, da man beim Auskehren jedesmal gefunden hat und noch findet, daß, wenn dem wohlwollenden Menschen Liebe und Nutzen zuteil wird, üble Nachrede sich selbst Feindschaft und Schaden zuzieht, und wenn ihr gehört haben werdet, wie dies geschieht, werdet ihr mir gewiß auch vollkommen recht geben.
Es waren einmal zwei Brüder, von denen der eine, namens Cianne, ein behagliches Leben führte wie ein Graf, der andere hingegen, namens Lise, kaum genug hatte, um sein Leben zu fristen. So arm indessen dieser an Vermögen war, eine ebenso niedrige Gesinnung besaß jener, so daß er seinem Bruder auch nicht einen roten Heller hätte zukommen lassen, um ihn vom Hungertode zu erretten, und daher der arme Lise voll Verzweiflung seine Heimat verließ. Er fing also an, in der Welt umherzuziehen, und wanderte so lange, bis er eines Abends nach einem sehr anstrengenden Tagmarsch in ein Wirtshaus kam, in dem er zwölf junge Menschen um ein Feuer sitzend fand. Als diese nun den armen Lise in einem so bemitleidenswerten Zustande sahen, da er teils durch die strenge Jahreszeit, teils wegen der zerlumpten Kleidung vor Kälte ganz erstarrt war, forderten sie ihn auf, neben ihnen am Feuer Platz zu nehmen. Er nahm die Einladung sehr gern an, da sie ihm höchst willkommen war, und fing an, sich zu wärmen, wobei einer der jungen Leute, dessen mürrisches, finsteres Aussehen beinahe Furcht erweckte, ihn fragte: »Was denkst du von diesem Wetter, Landsmann?« – »Was sollte ich denken?« sprach Lise. »Ich denke, alle Monate des Jahres tun ihre Pflicht; wir aber, die wir selbst nicht wissen, was wir wollen, möchten gern dem Himmel Gesetze vorschreiben, und wenn wir nur die Dinge hätten, wie wir sie wünschen, so würden wir nicht sehr genau untersuchen, ob das, was wir uns in den Kopf setzen, auch so gut oder schlecht, nützlich oder schädlich ist; denn im Winter, wenn es regnet, wollen wir die Sonne im Löwen, dagegen im Monat August Wolkenbrüche haben und bedenken nicht, daß, wenn die Sachen so wären, die Jahreszeiten drüber und drunter, die Saaten zugrunde, die Ernten zum Kuckuck gehen, die Leiber der Menschen hinschwinden und Welt und Natur in großen Wirrwarr geraten würden. Wir wollen daher nur immer dem Himmel seinen freien Lauf lassen, da er ja überdies die Bäume dazu geschaffen hat, um durch ihr Holz die Strenge des Winters und durch ihre Laubdächer die Hitze des Sommers zu mildern.« – »Du sprichst wie Salomo«, erwiderte der Jüngling, »du kannst doch aber nicht leugnen, daß der Monat März, indem wir uns jetzt befinden, durch so viel Frost und Regen, Schnee und Hagel, Wind und Wetter, Nebel und Sturm und so viele andere Beschwerlichkeiten uns das Leben arg verbittert.« – »Du sprichst nur von den Übeln dieses armen Monats«, versetzte Lise, »aber nicht von dem Nutzen, den er uns bringt; denn während er den Frühling einleitet, beginnt er das Werden der Dinge, und wenn irgend jemand, ist gerade er die Ursache, daß die Sonne ein besseres Wetter ins Land bringt, indem er sie ins Haus des Widders führt.«
Der Jüngling freute sich gar sehr über die Worte Lises, denn er war gerade der Monat März, der mit den anderen elf Brüdern zufällig in jenem Wirtshause eingekehrt war, und um die Freundlichkeit Lises zu belohnen, der selbst einem Monat, der so schlimm ist, daß ihn sogar die Hirten nicht einmal gern erwähnen hören, nichts Böses nachgesagt hatte, gab er ihm ein schönes Kästchen und sprach zu ihm: »Nimm dieses Kästchen und überlege, ob du etwas brauchst; denn wenn du es öffnest, wirst du darin finden, was du wünschest.« Lise dankte dem Jüngling auf das allerherzlichste, und indem er sich des Kästchens als Kopfkissen bediente, legte er sich schlafen. Kaum hatte aber die Sonne mit dem Strahlenpinsel die Schatten der Nacht hell übermalt, so nahm Lise von den jungen Leuten Abschied und begab sich auf den Weg; er war jedoch keine fünfzig Schritte von dem Wirtshause entfernt, als er das Kästchen öffnete und ausrief: »Ach, du lieber Himmel, wenn ich doch jetzt eine mit Fries gefütterte Sänfte mit etwas Feuer darin hätte und so in diesem Schnee behaglich meines Weges ziehen könnte!« Er hatte diese Worte noch nicht beendet, so erschien auch schon eine Sänfte mit Trägern, die ihn sogleich hineinhoben und seiner Weisung gemäß den Weg nach seiner Heimat einschlugen. Als aber die Stunde erschien, wo man die Kinnbacken in Tätigkeit zu setzen pflegt, sprach Lise: »Jetzt möchte ich etwas essen!« Und sogleich erschienen in großer Menge die schönsten Bissen und bereiteten ihm ein solches Bankett, daß zehn Könige dabei hätten schmausen können. Als er dann abends in einem Walde anlangte, der der Sonne, weil sie aus dem pestverdächtigen Osten kam, keine Durchreise gestattete, öffnete er wieder das Kästchen und sprach: »Ich möchte heute die Nacht an diesem schönen Orte zubringen, wo der Fluß zum Grundgesang der frischen Winde mit seinen Steinen den Kontrapunkt macht.« Kaum hatte er das gesagt, so wurde unter einem Zelt von Wachsleinwand ein Himmelbett vom kostbarsten Scharlach aufgeschlagen mit Unterbetten voll feinster Flaumen, einer spanischen Decke und den allerfeinsten Laken, und als er darauf zu essen verlangte, wurde unter einem anderen Zelte ein Kredenztisch wie für einen Prinzen und eine Tafel mit Speisen, deren Geruch sich hundert Meilen weit verbreitete, auf das schnellste hergerichtet. Nachdem er nun auf das herrlichste geschmaust hatte, legte er sich schlafen, und sobald der Hahn, der Spion der Sonne, seinen Herrn benachrichtigte, daß die Schatten der Nacht müde und abgespannt wären und es nun für einen erfahrenen General wieder Zeit sei, dem Feinde in den Rücken zu fallen und ihn niederzumachen, öffnete Lise wieder das Kästchen und sprach: »Jetzt möchte ich schöne Kleider haben, da ich heute mit meinem Bruder zusammentreffe und ihn gern neidisch sehen möchte.« Sogleich erblickte Lise vor sich einen Mantel von schwerstem schwarzem Samt mit einem Vorstoß von rotem Kamelott und einer prächtigen Stickerei auf dem Futter von gelber Wolle, die daher aussah wie ein Blumengefilde. Nachdem sich Lise in den Mantel gehüllt, bestieg er wieder die Sänfte und langte bald danach im Hause seines Bruders an. Als Cianne ihn mit so großer Pracht und solchem Aufwand erscheinen sah, wollte er gern wissen, wie Lise zu all diesen Dingen gekommen sei; worauf dieser ihm erzählte, wie er jene Jünglinge in dem Wirtshause angetroffen und was für ein Geschenk sie ihm gemacht hätten, obwohl er das Gespräch, das er mit ihnen gehabt, für sich behielt. Cianne dauerte nun jeder Augenblick zu lange, bis er sich von seinem Bruder verabschieden konnte, daher er in ihn drang, er solle nur zu Bett gehen, da er von der Reise müde sein müßte; er nahm hierauf alsbald Extrapost, langte gleichfalls in jenem Wirtshause an, und dieselben jungen Leute antreffend, fing er an, mit ihnen zu plaudern. Als aber der nämliche Jüngling auch ihn fragte, was er vom Monat März hielte, so tat er ein gewaltiges Maul auf und rief aus: »Hol' der Teufel diesen verwünschten Monat, den Feind der Syphilitiker, den Ärger der Hirten, der den Geist verdrießlich und den Körper krank macht; ein Monat, der Anlaß dazu gegeben, daß, wenn man jemand etwas Böses wünschen will, man zu ihm sagt: ›Hol dich der März!‹ Ein Monat, von dessen verderblichem Treiben das Sprichwort zeugt: ›Märzenschnee tut den Saaten weh!‹ Mit einem Wort, er ist ein Monat, daß es ein Glück für die Welt, ein Segen für die Erde und ein Heil für die Menschen wäre, wenn ihm sein Platz in der Liste der zwölf Brüder gestrichen würde.« Der März, der sich von Cianne dergestalt den Kopf waschen sah, verbarg seinen Groll, in der Absicht, ihm seine schöne Rede bestens zu vergelten, und als Cianne am nächsten Morgen abreisen wollte, schenkte er ihm einen tüchtigen Dreschflegel, indem er zu ihm sagte: »Jedesmal, wenn du etwas wünschest, sprich: ›Dreschflegel, gib mir hundert!‹, und du wirst Dinge sehen – Herz, was verlangst du noch mehr.« Cianne dankte dem Jüngling, eilte in voller Hast davon und wollte den Dreschflegel nicht eher versuchen, als bis er nach Hause gekommen wäre. Kaum aber hatte er seinen Fuß über die Schwelle gesetzt, so trat er in ein abgelegenes Gemach, wo er das Geld, das er von dem Dreschflegel erwartete, aufzuheben gedachte, und sprach zu ihm: »Dreschflegel, gib mir hundert!« Dieser aber gab ihm mehr, als er wünschte, und spielte ihm wie ein geschickter Musikus dergestalt auf Gesicht und Beinen auf, daß Lise beim Geschrei seines Bruders herbeieilte. Als er sah, daß der Dreschflegel unaufhaltsam wie ein wildes Pferd immer darauf losschlug, öffnete er endlich das Kästchen und brachte ihn so zum Stillstand. Als nun Cianne, von seinem Bruder befragt, erzählte, wie es ihm ergangen war, erwiderte jener, er könne sich über niemand beklagen als über sich selbst, da er allein sich durch seine Gimpelei diese Züchtigung zugezogen und gehandelt hätte wie jenes Kamel, das Hörner zu haben wünschte und statt dessen auch noch die Ohren verlor, daß er sich aber in Zukunft gewöhnen solle, seine Zunge im Zaum zu halten, da sie eben der Schlüssel gewesen, der ihm das Magazin des Unglücks eröffnet habe; denn hätte er von jenen Jünglingen Gutes geredet, so wäre ihm vielleicht dasselbe Glück zuteil geworden; Gutes von den Leuten zu reden, sei eine Ware, die nichts koste, aber unerwarteten Gewinn abzuwerfen pflege. Schließlich tröstete er ihn aber und bat ihn, nicht mehr Reichtum zu suchen, als der Himmel ihnen schon verliehen; denn sein Kästchen reiche hin, die Häuser von dreißig Geizhälsen bis an den Rand zu füllen, und Cianne dürfe frei über seine Güter verfügen, da der Himmel Säckelwart der Freigebigen wäre; ein anderer Bruder freilich würde ihm wegen der Härte, mit der er ihn in seiner Not behandelt, Haß nachgetragen haben, er aber bedachte, daß der Geiz seines Bruders der günstige Wind gewesen, der ihn in diesen Hafen getrieben; daher wolle er sich erkenntlich erweisen und sei gesonnen, ihm seinen Dank für das erworbene Glück zu bezeigen. Als Cianne diese Worte vernahm, bat er seinen Bruder für seine frühere Lieblosigkeit um Verzeihung, und indem sie diese Gütergemeinschaft eingingen, erfreuten sie sich fortan eines glücklichen Lebens; Cianne aber rühmte von Stund an jeder Sache nur Gutes nach, mochte sie auch noch so schlecht sein, denn:
Der Gebrannte fürchtet das Feuer.