Giambattista Basile
Das Pentameron
Giambattista Basile

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2. Der Heidelbeerzweig

Mäuschenstill waren alle, solange Zeza erzählte; sobald sie aber zu sprechen aufgehört, entstand ein lautes Geplauder, und das Gerede von den Ausleerungen des Esels und dem bezauberten Prügel wollte gar kein Ende nehmen; und manche von den Gegenwärtigen sagten, daß, wenn es einen Wald von dergleichen Stöcken gäbe, mehr als ein Schelm weniger einfältig und mehr als einer viel pfiffiger sein würde und daß es heutzutage wohl ebensowenig Esel wie jenen als sonst etwas dieser Art gebe. Nachdem man nun aber eine Zeitlang über diesen Gegenstand hin und her gesprochen, befahl der Prinz der Cecca, daß sie in der Erzählung der Märchen fortfahren solle, worauf, sie also begann:

Wenn der Mensch bedächte, wieviel Schaden, Unheil und Verderben durch die verdammten, liederlichen Weibsbilder erfolgt, so würde er die Nähe einer unzüchtigen Frau mehr fliehen als die einer giftigen Schlange und seine Ehre nicht für den Auswurf der Bordelle, sein Leben für ein ganzes Hospital von Krankheiten und sein Hab und Gut für Huren hingeben, die nicht einen Pfifferling wert sind und ihm nichts anderes zu genießen geben als Wermutpillen aus Leid und Ärger, wie ihr hören werdet, daß es einem Prinzen erging, der sich auch an jenes Gezücht gehängt hatte.

Es wohnte einmal in dem Dorfe Miano ein Ehepaar, welches auch nicht die geringste Spur von Kindern hatte und gleichwohl sehnsüchtig wünschte, einen Erben zu besitzen, daher besonders die Frau immer zu sagen pflegte: »Herrgott im Himmel, wenn ich doch nur etwas gebären möchte und wäre es auch nur ein Heidelbeerzweig.« So oft aber wiederholte sie diese Rede und so lange belästigte sie den Himmel mit diesen Worten, daß der Leib ihr endlich schwoll, der Bauch sich rundete und nach neun Monaten statt der Mutter ein Knäbchen oder Mägdlein in den Arm zu legen, aus den elysäischen Gefilden des Leibes einen hübschen Heidelbeerzweig hervorsandte. Diesen nun pflanzte die Bäuerin mit großer Freude in einen mit vielen schönen Zieraten versehenen Blumentopf, stellte ihn ans Fenster und pflegte ihn früh und spät mit mehr Sorgfalt als der Pächter ein Kohlfeld, aus dem er den Pacht des Gartens herauszubringen hofft. Als aber einmal der Sohn des Königs, auf die Jagd gehend, dort vorüberkam, wurde er auf diesen schönen Zweig so ungeheuer versessen, daß er die Bäuerin bitten ließ, sie möchte ihn ihm doch verkaufen, sollte es ihm auch ein Auge kosten. Nach vielfachen abschlägigen Antworten und Weigerungen, von den Versprechungen gereizt, von den Drohungen erschreckt und von den Bitten besiegt, gab sie ihm den Blumentopf, bat ihn jedoch, ihn sorgfältig zu bewahren, da sie denselben mehr liebte, als wäre er ihr eigenes Kind und ebenso große Zuneigung für ihn fühle, als wäre er aus ihrem Mutterleibe entsprossen. Der Prinz ließ mit der größten Freude von der Welt den Blumentopf in sein eigenes Zimmer tragen und auf einen Balkon setzen, woselbst er ihn stets eigenhändig pflegte und begoß. So geschah es nun einmal, daß, als der Prinz eines Abends zu Bett gegangen war und die Lichter ausgelöscht hatte und alle Welt sich schon zur Ruhe begeben und im ersten Schlafe lag, er jemand leise durch das Zimmer schleichen und tappend auf das Bett losgehen hörte und daher dachte, es wäre irgendein Kammerdiener, der ihm die Taschen ausleeren, oder ein Hauskobold, der ihm die Decke vom Leibe ziehen wolle. Als entschlossener Mann jedoch, der auch vor dem schlimmsten Teufel keine Furcht hatte, tat er, als ob er schliefe, und wartete ab, was das Ende sein würde. Da er aber, beim weiteren Herannahen des Geräusches die Hand ausstreckend, einen glatten Gegenstand erfaßte und statt, wie er dachte, die Spitzen eines Stachelschweines zu packen, etwas berührte, das sich zarter und weicher anfühlte als Wolle aus der Berberei, milder und sanfter als der Schwanz eines Murmeltieres, geschmeidiger und elastischer als Stieglitzfedern, sprang er gerade darauf los, faßte, da er es für eine Fee hielt, wie's auch wirklich der Fall war, diese so fest wie ein Polyp, und indem sie beide keinen Laut von sich gaben, fingen sie an, das Liebesspiel zu spielen. Ehe jedoch die Sonne gleich einem Arzt ihre Besuche bei den matten und kranken Blumen abzustatten begann, erhob sich die Fee und verschwand, indem sie den Prinzen ganz berauscht von den gehabten Genüssen, voll von Neugier und außer sich vor Erstaunen zurückließ. Nachdem aber die Sache auf diese Weise sieben Tage lang fortgetrieben worden, so brannte und glühte er vor Verlangen zu wissen, was ihm da für ein Glück so unversehens von den Sternen zugesandt worden und was für ein mit den Freuden der Liebe beladenes Schiff in seiner Lagerstätte eingelaufen wäre. Während daher in einer Nacht das schöne Kind heia heia machte, wand er sich eine ihrer Haarflechten fest um die Hand, damit sie ihm nicht entfliehen könne, rief hierauf einen Kammerdiener, und nachdem die Lichter angezündet worden, erblickte er die Blume der Frauen, das Wunder der Schönheit, den Spiegel und Augapfel der Venus, den reizendsten Zauber Amors, erblickte ein Püppchen, ein liebliches Täubchen, eine Fata Morgana, ein herrliches Gemälde, ein goldenes Geschmeide, erblickte eine Herzensjägerin, ein Falkenauge, einen Vollmond, ein Taubenmäulchen, einen Bissen für einen König, ein wahres Juwel, gewahrte mit einem Wort einen Anblick, um außer sich vor Erstaunen zu geraten. Als er ihn nun eine Zeitlang genossen hatte, rief er aus: »Jetzt lasse dich ja nicht mehr sehen, zyprische Göttin, schlinge dir einen Strick um den Hals, o Helena, kehre heim, Prinzeßchen Tausendschön; ja, gehet nur immer hin, wo Ihr hergekommen seid; denn Eure Schönheit ist nur Schatten im Vergleich zu dieser Schönheit mit zwei Sonnen, zu dieser vollendeten, vollkommenen, gediegenen, handgreiflichen Schönheit, zu diesen holden, lieblichen, anmutigen, wundersamen, außerordentlichen Reizen, in denen man keinen Tadel findet, keinen Makel antrifft. O Schlaf, trauter Schlaf, häufe Mohn auf die Augen dieses köstlichen Edelsteins und verdirb mir nicht die Freude, alles anzuschauen, was ich wünsche, anzuschauen diesen Triumph der Schönheit! Ihr schönen Flechten, die ihr mich gefesselt, ihr schönen Augen, die ihr mich von Liebesfeuer erbrennen machet, ihr schönen Lippen, die ihr mich mit Wonne erfüllet, du schöne Hand, die du mich verwundest, wo, in welcher Wunderwerkstätte der Natur wurde diese lebende Statue geschaffen? Welches Indien gab das Gold her, um diese Haare zu weben? Welches Äthiopien das Elfenbein, um diese Stirn zu bilden? Welcher Schacht die Karfunkel, um diese Augen zu schaffen? Welches Tyrus den Purpur, um dieses Antlitz zu malen? Welcher Orient die Perlen, um diese Zähne zu drechseln? Von welchen Bergen nahm man den Schnee, um ihn auf diese Brust zu streuen? Einen Schnee, welcher wider den Lauf der Natur die Blumen pflegt und die Herzen erwärmt!«, und indem er dieses ausrief, umschlang er sie wie eine Rebe, um sein Verlangen zu stillen. Während er sie nun so in seinen Armen hielt, erwachte sie aus dem Schlaf und antwortete mit einem holdseligen Gähnen auf die Seufzer des verliebten Prinzen, welcher, sie wach sehend, sie also anredete: »O du meine einzige Seligkeit, wenn ich vor Staunen außer mir war, als ich diesen Tempel der Liebe erblickte, da er, noch nicht von Kerzen erhellt, glänzte, wie wird es mir jetzt ergehen, wo du zwei Leuchten angezündet hast? O ihr schönen Augen, die ihr mit einem kleinen Trumpf des Lichts die Bank der Sterne sprenget, ihr, ihr allein habet mir mein Herz verwundet, und ihr allein könnet wie frische Eier ein Eiweißpflaster darauf legen! Und du, meine schöne Ärztin, hab Mitleid, ja, hab Mitleid mit einem Liebeskranken, welchen das Fieber gepackt hat, weil er aus der Finsternis der Nacht an das Licht dieser Schönheit getreten ist; lege mir die Hand auf die Brust, fühle mir den Puls, verschreibe mir ein Rezept! – Aber wozu verlange ich Rezepte, o du mein teuerstes Gut? Setze mir mit deinem schönen Mund fünf Schröpfköpfe auf meine Lippen; ich verlange keine ändere Einreibung als ein Streicheln dieses Händchens; denn ich weiß gewiß, daß ich durch die Herztropfen deiner Anmut und durch die Heilkräuter deiner Zunge meine Gesundheit und mein Leben wiedererlange!« Bei diesen Worten rötete sich das schöne Angesicht der Fee wie Feuersglut, worauf sie also sprach: »Nicht soviel Lobeserhebungen, mein Prinz, ich bin nur deine Magd, und um vor deinem Angesicht zu dienen, würde ich alles tun und halte es für ein großes Glück, daß dieses in einen Topf aus Ton gepflanzte Heidelbeerreis ein Lorbeerzweig geworden sei, als Wahrzeichen aufgesteckt an der Herberge eines Herzens von Fleisch, eines Herzens, in welchem soviel Größe und Tugend wohnt.« Der Prinz, welcher bei diesen Worten wie ein Talglicht schmolz, umarmte sie von neuem, besiegelte den Brief mit einem Kusse und sprach, indem er ihr die Hand gab: »Hier hast du mein Wort darauf, du sollst meine Gemahlin, die Gebieterin meines Zepters sein und die Schlüssel meines Herzens besitzen, wie du auch das Steuerruder meines Lebens regierst!« Nach diesen und vielen hundert andern Artigkeiten und Gesprächen erhoben sie sich vom Lager und versuchten, ob ihr Magen etwas vertragen könnte, so wie sie denn auch diese Zusammenkünfte noch eine Zeitlang fortsetzten.

Da aber das Schicksal gern dem Menschen das Spiel verdirbt, Ehen trennt, immer die Genüsse Amors hindert und stets den Freudenstörer der Liebenden macht, so geschah es, daß der Prinz zur Jagd auf einen mächtigen Eber, welcher in jener Gegend große Verheerungen anrichtete, eingeladen wurde und sich daher genötigt sah, seine Gemahlin oder, um richtiger zu sagen, zwei Dritteile seines Herzens zurückzulassen. Da er sie aber mehr liebte als sein Leben und sie schöner sah als alle Schönheit der Liebesgöttin und aus dieser Schönheit für ihn das bittere Unkraut der Eifersucht emporwuchs, welches ein Sturm in dem Meer der Liebeswonne ist, ein Platzregen auf die Wäsche der Liebesseligkeiten, ein Stück Ruß, welches in das fette Gericht der Liebesfreuden fällt, jenes Unkraut, sage ich, welches eine stechende Schlange, ein nagender Wurm, eine giftige Galle, ein starr machender Frost ist, das Unkraut, meine ich, durch welches das Leben immer in Ungewißheit schwebt, der Geist voll Unruhe, das Herz voll Angst ist, so rief er die Fee und sprach zu ihr: »Ich sehe mich gezwungen, Trauteste, zwei oder drei Nächte abwesend zu sein; Gott weiß, mit welchem Schmerz ich von dir, die du meine Seele bist, mich trenne, und der Himmel weiß auch, ob nicht, bevor ich von dir reise, auch der Faden meines Lebens reißt; da ich nun aber einmal nicht umhinkann, meinem Vater zu willfahren, so muß ich dich schon verlassen und bitte dich daher bei aller Liebe, die du für mich hegst, daß du dich in den Blumentopf begebest und ihn nicht eher verlassest, als bis ich wiederkehre, welches so bald als möglich geschehen wird.« – »Dies will ich sehr gern tun«, erwiderte die Fee; »denn ich mag, will und kann dem nicht widersprechen, was du von mir verlangst. Gehe daher im Geleite jeglichen Glückes von hinnen; denn ich bleibe immer die deine. Erweise mir jedoch den Gefallen, daß du an der Spitze des Heidelbeerzweigs ein Glöckchen mit einer seidenen Schnur befestigt zurücklassest, und wenn du wiederkehrst, so ziehe die Schnur; denn ich werde dann sogleich heraustreten und sagen: ›Hier bin ich.‹« Dies tat denn auch der Prinz, rief außerdem noch den Kammerdiener herbei und sprach zu ihm: »Komm her, Bursche, komm her, sag' ich, tu die Ohren auf und gib wohl acht; jeden Abend mache mir mein Bett, als wenn ich selbst darin schlafen wollte; begieße jeden Morgen diesen Blumentopf und sei ja vorsichtig; denn ich habe die Blätter gezählt, und wenn bei meiner Rückkehr auch nur eins fehlt, so bringe ich dich auf den Weg alles Fleisches!« Nachdem er dies gesagt, stieg er zu Pferde und begab sich wie ein Hammel, der zur Schlachtbank geführt wird, auf den Weg, um einem wilden Schweine nachzujagen. Inzwischen geschah es, daß sieben liederliche Weibsbilder, welche der Prinz sich hielt und die da wahrgenommen, daß er in der Liebe zu ihnen lau, ja kalt geworden war und aufgehört hatte, ihr Saatfeld zu bestellen, den Verdacht faßten, daß er wohl durch irgendeinen andern Liebeshandel die alte Freundschaft vergessen haben müßte. Um daher der Sache auf die Spur zu kommen, ließen sie einen Arbeiter holen, welcher ihnen für ein gutes Stück Geld einen unterirdischen Gang von ihrem Hause bis in das Zimmer des Prinzen grub. Durch diesen Gang nun machten sich diese wandelnden Spitäler rasch auf den Weg, um nachzusehen, ob irgendeine neue Liebschaft, irgendeine andere Schürze ihnen die Ernte geraubt und ihren Kunden bezaubert hätte, fanden indes niemand; sie öffneten hierauf das Fenster, und indem sie den so schönen Heidelbeerzweig erblickten, pflückten sie jede ein Blatt davon, die Jüngste aber brach die ganze Spitze ab, an der das Glöckchen hing. Kaum jedoch war dies berührt, so fing es an zu klingeln; daher die Fee, welche glaubte, daß es der Prinz wäre, ohne Verzug heraustrat. Sobald die abscheulichen Vetteln diese bezaubernde Gestalt erblickten, fielen sie über sie her, indem sie ausriefen: »Du also leitest auf deine Mühle das Wasser unserer Hoffnungen? Du also hast uns den hübschen Rest der Zuneigung des Prinzen durch allerlei Künste weggezaubert? Du also bist das saubere Mensch, die uns unsern Braten weggeschnappt? Ei tausendmal willkommen; du kommst uns wie gerufen! Es wäre dir wohl besser gewesen, deine Mutter hätte dich nimmer in die Welt gesetzt! Potz Wetter, bist du auch fix und hast du dich immer schnell aus dem Staube gemacht, aber heute bist du doch einmal auf den Sand geraten! Traun, du warst länger als neun Monate Hänschen im Keller, wenn du uns diesmal entwischest.« Dies sagend, gaben sie ihr mit einem Knüppel einen tödlichen Schlag auf den Kopf, und indem sie hierauf den Leichnam in fünf Teile teilten, nahm jede einen davon für sich. Nur die Jüngste wollte an dieser Grausamkeit nicht teilnehmen, vielmehr von den Mitschwestern aufgefordert, ebenso zu tun wie sie, verlangte sie nichts als eine Locke des Goldhaares; worauf sie alle Hals über Kopf davoneilten.

Inzwischen kam der Kammerdiener, um, wie sein Gebieter ihm befohlen, das Bett zu machen und den Blumentopf zu begießen, und als er diese Bescherung erblickte, wäre er fast gestorben vor Schreck. Er biß sich daher wie wahnsinnig in die Hände, klaubte alsdann die Überbleibsel des Fleisches und der Knochen auf, und nachdem er das Blut von der. Erde zusammengekratzt, häufte er alles in den Blumentopf aufeinander. Hierauf begoß er diesen, machte das Bett, verschloß die Tür, legte den Schlüssel unter die Schwelle und nahm alsdann, so schnell er konnte, Reißaus.

Sobald aber der Prinz von der Jagd zurückgekehrt war, zog er die seidene Schnur und klingelte; aber klingle du nur immer bis in alle Ewigkeit, alles umsonst! Er hätte mit Glocken läuten können, die Fee war und blieb taub. Er ging daher geradewegs nach seinem Zimmer, und da er nicht in der Laune war, seinen Kammerdiener zu rufen und sich den Schlüssel geben zu lassen, so stieß er mit den Füßen an die Tür, zerschmetterte sie in tausend Stücke, ging hinein, öffnete das Fenster, und indem er den Blumentopf seiner Zierde beraubt sah, fing er an, sich die Haare zu zerzausen, laut zu schreien und zu weinen und auszurufen: »Wehe mir Armem, mir Unglücklichem, mir Jammervollem; wer hat mir diesen bösen Streich gespielt? Wer hat mich so abgetrumpft? O ruinierter, verbannter, zunichte gemachter Prinz, o du mein entlaubter Heidelbeerzweig, o meine verlorene Fee, o mein unheilvolles Leben, o ihr in Rauch aufgegangenen Freuden, o ihr zu Wasser gewordenen Seligkeiten! Was wirst du nun anfangen, du trübseliger Hans Pechvogel? Was wirst du anfangen, Unglückskind? Springe doch über den Graben! Mache dich aus dieser Tinte! Du hast jedes Gut verloren und schneidest dir den Hals nicht ab? Du bist jedes Schatzes beraubt und machst dir den Garaus nicht? Du bist um dein Leben betrogen und willst nicht weghimmeln? Wo bist du, ach, wo bist du, mein geliebter Heidelbeerzweig? Welches Herz, härter als Kieselstein, hat mir diesen schönen Blumentopf vernichtet? O verwünschte Jagd, wie hast du mich aus jeder Freude verjagt! Ach, ich bin verloren, ich bin ein Kind des Todes, mit mir ist es vorbei, meine Tage sind gezählt; durch nichts kann ich mir das Leben retten, da mein Leben mir geraubt ist; ich muß nun schon alle viere von mir strecken; denn ohne mein einziges Gut wird mir der Schlaf zur Qual, die Speise zu Gift, das Vergnügen zu Wermut und das Leben zu Bitternis werden.« Diese und noch viele andere Worte, welche die Steine hätten erweichen können, rief der Prinz aus, und nach langem Jammern und bitteren Klagen, voll von Schmerzen, mit betrübtem Herzen, und indem er nie ein Auge zum Schlafen zutun noch je den Mund zum Essen auftun konnte, gab er sich so sehr dem Kummer hin, daß sein Angesicht, welches früher die orientalische Mennige glich, jetzt wie Ocker aussah und der Schinken der Lippen sich in verdorbenen Speck verwandelte. Als nun aber die Fee, welche aus den in den Blumentopf gelegten Überbleibsel von neuem emporgewachsen war, das Wehklagen und Haarausraufen ihres armen Geliebten wahrnahm und wie er in einem Handumdrehen die Farbe eines kranken Spaniers, einer giftigen Eidechse, des Saftes von Weißkraut, eines Gelbsüchtigen, einer Zitronenbirne, des Steißes einer Feigenschnepfe und eines Herbstlaubes angenommen hatte, so empfand sie tiefes Mitleid mit ihm, und indem sie plötzlich aus dem Blumentopf hervorkam, wie der Schimmer eines Lichtes aus einer Diebslaterne, trat sie vor Hans Pechvogel, schloß ihn fest in ihre Arme und sagte zu ihm: »Genug, genug, mein Prinz, höre auf, laß ab von diesen Klagen, trockne deine Tränen, beschwichtige deinen Kummer, glätte deinen Mund, hier bin ich, munter und gesund, trotz jenen Vetteln, die mir den Kopf zerspalten haben und mit meinem Fleisch ebenso verfahren sind wie Medea mit dem ihres armen Bruders.« Als der Prinz diese Erscheinung so ganz unerwartet vor sich hintreten sah, da erwachte er wieder vom Tode zum Leben, die Farbe kehrte ihm in die Backen, die Wärme in das Blut und der Atem in die Brust zurück und nach immer erneutem Herzen und Liebkosen und Schmeicheln und Streicheln, womit er die Fee empfing, wollte er alles, was vorgefallen, von Anfang bis zu Ende wissen. Nachdem er nun erfahren hatte, daß der Kammerdiener unschuldig war, ließ er ihn zurückkommen und veranstaltete hierauf mit Bewilligung des Vaters ein großes Fest, bei dem er sich mit der Fee vermählte. Alle Prinzen des Königreiches wurden dazu von ihm eingeladen, besonders aber wollte er, daß die sieben Hexen, welche jenes Milchlämmchen abgeschlachtet hatten, sich dabei gegenwärtig befänden, und nachdem das Schmausen ein Ende genommen, fragte er alle Gäste der Reihe nach, was wohl derjenige verdiente, welcher diesem schönen Kinde etwas zuleide täte, und wies dabei auf die Fee, welche so reizend aussah, daß sie die Herzen durchbohrte wie ein Tausendsassa, die Seelen an sich zog wie eine Winde und sich Liebe erzwang wie mit Gewalt. Nun aber geschah es, daß alle die, welche bei Tische saßen, und der König zuerst, sagten, und zwar der eine, daß einem solchen der Galgen zukomme, ein anderer, daß er das Rad, ein anderer, daß er glühende Zangen, ein anderer, daß er einen Sturz vom Felsen, wieder ein anderer; daß er diese und noch ein anderer, daß er jene Strafe verdiene. Als nun die Reihe zu sprechen zuletzt an die sieben sauberen Hechte kam, die freilich an diesem Gespräch keinen sehr großen Gefallen fanden und eine schlimme Nacht voraussahen, antworteten sie dennoch, weil da, wo der Wein perlt, auch die Wahrheit zu weilen pflegt, daß, wer es über das Herz brächte, diese Quintessenz der Liebesfreuden auch nur anzurühren, in einer Kloake lebendig begraben zu werden verdiente. Nachdem sie mit ihrem eigenen Munde diesen Ausspruch getan, rief der Prinz aus: »Ihr selbst habt über euch den Stab gebrochen, ihr selbst habt euch das Urteil gefällt, mir liegt es nun nur noch ob, daß ich eure Entscheidung ausführen lasse, denn ihr seid es, die mit dem Herzen eines Mohren, mit der Grausamkeit einer Medea aus diesem schönen Kopfe einen Pfannkuchen gemacht und diese schönen Glieder wie Wurstfleisch zerhackt haben. Darum hurtig, hurtig, keine Zeit verloren, werfet sie jetzt gleich, wie sie es gesagt, in eine Kloake, damit sie dort ihr Leben elendiglich beschließen.« Nachdem dieser Befehl rasch war befolgt worden, verheiratete der Prinz die jüngste dieser Weibsbilder mit dem Kammerdiener, indem er sie mit einer reichen Mitgift beschenkte; den Eltern des Heidelbeerzweiges aber gewährte er ein sorgenfreies Auskommen, worauf er mit der Fee ein frohes und fröhliches Leben führte. So endeten diese Teufelskinder auf qualvolle Weise ihr Leben und bewährten aufs neue das Sprichwort unserer weisen Vorfahren:

Wie man's treibt, so geht's


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