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18. April
Wir sind jetzt Dichter gewohnt, denen die Sprache durchgeht; ja dieses Durchgehen gerade scheint uns jetzt recht eigentlich der Reiz von Gedichten. Wohin, fragt längst niemand mehr: der Dichter ist schon froh, nur überhaupt irgendwo anzukommen, und noch oben, wenn nicht zu sitzen, so doch halbwegs zu hängen, keineswegs reitend, immerhin aber mitgeschleift. Ja wir erschrecken jetzt fast, wenn einer erscheint, dem noch das Wort pariert. Hier ist ein solcher Kunstreiter, und noch dazu, welches Wunder! noch dazu voller Natur: Hans von Hammerstein heißt er (»Zwischen Traum und Tagen« und »Das Tagebuch der Natur«; Verlag Parcus, München). Spengler hat einmal gesagt: »Jedes antike Gedicht ist sprachlich eine Statue, jedes abendländische eine Sonate.« Nun, dann hätten wir an Hammerstein den wunderbaren Fall eines ganz antiken Abendländers: nichts seltsamer als die geheimnisvolle Kraft, mit der er seine Sonaten zu Statuen bändigt. Er ist einer der »Musik hat in sich selbst«, und von der großen, aus Urgeheimnissen tönenden Art, aber sie dann durchaus plastisch gebraucht. Sinnlich hingegeben nach außen und doch selber wohlverwahrt im Innern: ganz Aug und Ohr, weltempfangend, aber dann sogleich immer auch antwortender Mund, weltgestaltend, kein Echo bloß; ein Impressionist, ja, doch ein herrischer, der nicht bloß nimmt, sondern selber ebenso viel gibt, ein meisterlicher, ein baumeisterlicher; endlich einer, der die sonst jetzt getrennten Elemente, die doch zusammen erst den Dichter ergeben, wieder einmal fester Hand gebunden hält: kein Aktäon, von den eigenen Hunden zerrissen, sondern endlich wieder ein Arion, seinen Delphinen gebietend, welch ein Glücksfall!
»Umblühter Hof im Muldengrund. Auf Matten
Schlagen taufrisch des Waldes Morgenschatten,
Das Murmelbächlein dampft in jungen Erlen.
Die Sonne rückt. Die Wiese blitzt von Perlen.
Vom Strohdach raucht es blau den Wipfeln zu.
Ein Sensendengeln schallt. Dumpf röhrt die Kuh.
Knecht, Roß und Wagen rüsten auf das Feld.
Der Hahn kräht Friede, Friede in die Welt.«
Oberösterreich, mein Land, in acht Zeilen! Oder dieses Waldmädchen:
»An einer Hütte vorüber
kam ich auf stillem Gang.
Ein Mädchen lehnte am Zaune
blaß und blumenschlank.
Das vergess' ich nimmer,
wie sie aufblickte und sann:
Es war als säh' auf einmal
der ganze Wald mich an.«
Oder ein Abendlied:
Unendlich öder Regenhimmel reißt
hart überm Rand der Runde. Vor dem Spalt
aus dem ein gelbes Abendgluten gleißt,
mit schwarzem Zackensaum ein Fichtenwald.
Und Felsengipfel plötzlich feuergrell
in Schwefellicht und scharfem Schattenschlag
starren ins finstre Wolkentreiben. Schnell
verfliegt der Schein. Im Grau ertrinkt ein Tag.
Oder zugleich Tierstück und Menschenbild:
Nun wölbt, bemoostem Felsgestürz entrungen
und düstert astverwirrt der hohe Wald.
Aus Knorrenwucht und braunen Dämmerungen
löst sich gespenstisch eine Machtgestalt:
der Hirsch. Er senkt die schweren Zwölferkronen
und schreitet lautlos unterm Laubgebreit.
Im grünen Abgrund seiner Blicke wohnen
des Edlen hohe Ruh und Traurigkeit.