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II.

Das Weinsberger Faß.

Wie andere schwäbische Städte, so war auch Weinsberg einmal eine Reichsstadt. Es verlor aber schon früh wieder seine Freiheit und das auf eine höchst merkwürdige Weise. In einer dunkeln Nacht des Jahres 1440 geschah es nämlich, daß ein mit Pferden bespannter Wagen vor das Stadttor zu Weinsberg kam. Da das Tor schon geschlossen war, so rief der Fuhrmann den Torwart an, man möchte ihm doch öffnen; er sei von der Nacht übereilt worden, könne deshalb Heilbronn nicht mehr erreichen und müsse wohl oder übel in Weinsberg über Nacht bleiben. Da es draußen stürmte und regnete und die Zeiten sehr unsicher waren, so öffnete man ihm gutmütig das Tor, und der Mann fuhr mit seinem Wagen herein. Auf diesem war ein Faß geladen, so groß, wie man es in Weinsberg noch nie gesehen hatte. Vor dem nächstgelegenen Wirtshause spannte der Fuhrmann seine Pferde aus, trank in der Gaststube noch einen Schoppen Wein und begab sich dann zu Bette: »denn,« sagte er, »ich bin müde und muß morgen mit dem frühesten weiterfahren, damit ich das Versäumte wieder hereinbringe.«

Nach Mitternacht aber, als die ganze Stadt im Schlafe lag, wurde es in dem Fasse lebendig. Der Faßboden tat sich auf und heraus stiegen ganz sachte und leis mehrere Gewappnete. Auch der Fuhrmann kam herbeigeschlichen, und nun ging's dem Torhäuslein zu, wo die Nacht über drei Bürger die Wache hielten. Diese versahen sich nichts Böses, lagen auf der Bank und plauderten miteinander. Da ging die Türe auf, herein stürzten die Gewappneten vom großen Faß, und ehe die Wächter vor Schrecken einen Laut von sich geben konnten, waren sie von den Eindringlingen schon niedergemacht. Nun wurde das Tor weit geöffnet und ein großer Schwarm von Rittern und Knechten, der vor der Stadt im Hinterhalt gelegen war, drang herein, besetzte Tore und Türme und schlug jeden Widerstand mit eiserner Faust nieder. Die erschrockenen Bürger konnten nichts anderes tun, als sich eben in ihr Schicksal ergeben, denn der Feinde waren es zu viele.

Kunz von Bebenburg, die Edeln von Urbach und andere Adelige hatten sich mitten im Frieden diesen kecken Streich geleistet. Todfeinde der Städte und vertrauend auf die Machtlosigkeit und Gleichgültigkeit des Kaisers, hofften sie bei diesem Anschlag ein gutes Geschäftchen zu machen. Es gelang ihnen dies auch über Erwarten: denn der Kurfürst von der Pfalz, der schon lange ein Auge auf Weinsberg hatte, kaufte ihnen die eroberte Stadt um 300 Gulden ab, die aber die Weinsberger selber bezahlen mußten.

Wohl forderte der Kaiser die Stadt wieder zurück. Da er aber seinen Worten keinen Nachdruck verleihen konnte, so scherte sich der Kurfürst wenig um diesen Befehl. Auch der schwäbische Städtebund, dessen Mitglied Weinsberg gewesen war, mochte und konnte gegen den mächtigen und gewalttätigen Kurfürsten nichts ausrichten. So wurde Weinsberg eine pfälzische Stadt und blieb dies auch bis zum Jahr 1504, wo es von Herzog Ulrich erobert und mit dem Württemberger Lande für immer vereinigt wurde.

(Nach Dillenius u. Kerner von K. Rommel-R.)


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