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Es mag zu Ende des 8. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung gewesen sein. Das Schwabenland war noch zum größten Teil heidnisch, und selten konnte man ein Kirchlein mit dem Kreuzeszeichen sehen. Da predigten einige Mönche das Evangelium in der Gegend des Teckberges. Sie waren aus dem Frankenlande gekommen; denn die Franken waren Christen geworden und eifrig bestrebt, das Christentum auch bei ihren Nachbarn, ganz besonders bei den heidnischen Alemannen, auszubreiten. Die Alemannen hatten aber kein großes Verlangen nach »der frohen Botschaft«; denn sie mißtrauten den Franken, die immer mächtiger wurden und ihre Herrschaft schon bis zur Murr ausgedehnt hatten. So geschah es denn, daß die Teckleute die Mönche für nichts anderes als für fränkische Spione hielten, die das Land für neue Eroberungszüge auskundschaften sollten. Sie mieden sie deshalb und wollten von ihrer Predigt nichts wissen. Ihr Mißtrauen verwandelte sich jedoch in Haß und Abscheu, als die Mönche es wagten, die Göttin Frena zu schmähen und sie eine Unholdin und teuflische Zauberin zu heißen. Nur der Umstand, daß die Mönche vom Alemannenherzog Rumelius einen Schutz- und Empfehlungsbrief hatten, rettete sie vor Mißhandlung. Denn die Göttin Frena stand bei den Teckleuten in hohem Ansehen und hatte droben auf dem Teckberge ein berühmtes Heiligtum.
Es war das eine kleine Höhle in dem Felsen des Berges. Eine Waldfrau (Drude) diente dort der Göttin als Priesterin, indem sie die Weihegaben in Empfang nahm und im Namen der Göttin weissagte. Denn die Göttin war als die Mutter der Götter aller Dinge wissend und hatte tief drinnen im Berge ihr wunderbares Schloß, zu dem die Höhle den Eingang bildete. Die Leute glaubten auch, daß die Göttin die Quelle der Fruchtbarkeit und des Lebens sei, und freuten sich, wenn sie in den Zwölfnächten nach der Wintersonnenwende auf einem mit Katzen bespannten Wagen die Gegend durchfuhr, um die Felder für das neue Jahr fruchtbar zu machen.
Am meisten ergrimmt über die Mönche war der Fürst des Tecklandes. Die Sitten der Väter waren ihm heilig, und die Götter hielt er um so mehr in Ehren, da er seinen Stammbaum auf sie zurückführte. Als nun trotz alledem sich einige Teckleute zu den Mönchen hielten, den Opferfesten der Gaugenossen fernblieben und das Fleisch der Rosse verschmähten, da hielt es der Fürst an der Zeit, dem Treiben der Mönche ein Ende zu machen. Er verbot ihnen, fernerhin noch zu predigen und den neuen Glauben zu lehren. Aber die Mönche kehrten sich nicht an seine Worte. Sie sagten, ihr heiliges Buch gebiete ihnen, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Auch beriefen sie sich auf den Herzog Rumelius, der selbst ein Christ geworden sei und ihnen die Erlaubnis zu ihrem Tun gegeben habe. Der Teckfürst geriet darob in großen Zorn. Er ließ die Mönche züchtigen und aus dem Lande jagen. Über die den Mönchen angetane Schmach war der Frankenkönig sehr erzürnt. Er schickte Boten zu dem Herzog Rumelius von Alemannien und verlangte, daß er den Frevel bestrafe. Dem Herzog war an der Gunst des mächtigen Frankenkönigs viel gelegen, war er doch, um ihm zu gefallen, ein Christ geworden. Er rüstete ein stattliches Heer und zog herbei, um den Fürsten zu bestrafen, die Mönche wieder einzusetzen und den Teckgau mit Gewalt zum Christentum zu bekehren.
Es war an einem Frühlingsabend. Die Sonne war eben am westlichen Horizonte hinabgesunken, und die Schatten der Nacht legten sich dichter und dichter über das Tal der Lauter, das den hochragenden Teckberg von den benachbarten Bergen scheidet. Da jagte ein Reiter in sausendem Galopp dem Gehöfte zu, in dem der Fürst des Teckgaues seinen Wohnsitz hatte. Auf einer kleinen Anhöhe am Fuße des Teckberges lag der Edelhof. Seine mit Stroh gedeckten Holzhäuser bildeten einen Ring und wurden umschlossen von einem dichten Hag aus Pfählen und Dorngesträuch. Der Torwart mußte den Ankömmling erwartet haben; denn das Tor des Hofes stand offen, so daß der Reiter seinen Weg ungehindert fortsetzen konnte bis zum Herrenhause, das am entgegengesetzten Ende der Siedelung lag. Hier sprang er vom Pferd und stieg die Stufen empor, die zur Wohnung des Fürsten führten. Es war eine geräumige Halle, in die er eintrat. Kräftige Eichenpfosten trugen das Dach, dessen Sparren und Strohgedeck sichtbar waren. An den Wänden hingen mancherlei Waffen, Trinkgefäße aus den mächtigen Hörnern des Ur verfertigt, Geweihe vom Elch und Hirsch. In der Mitte des Saales stand auf dem gestampften Lehmboden eine lange Reihe von Tischen, umstellt von einfachen Bänken aus Holz. Mägde waren beschäftigt, das Abendessen aufzutragen: denn der Fürst pflegte nach altem Brauche gemeinsam mit seinem Gesinde zu speisen. Auf einem erhöhten Sitz am oberen Ende der Tafel saß er, ein schon ziemlich bejahrter Mann mit langem weißen Bart und Haar, kraftvollen Zügen und flammenden Augen. Als der Reitersmann eintrat, hob er rasch den Blick, und ohne auf einen Gruß oder eine Anrede zu warten, rief er: »Was bringst du uns für Kunde, Hatto?« »Ach,« erwiderte dieser, indem er sich verneigte, »ich wollte, sie wäre besser, als ich sie Euch bringen kann. Rumelius will von einem Vergleiche nichts wissen. Schon in den nächsten Tagen gedenkt er die Donau zu überschreiten, und ehe noch der Mond sich füllt, wird er im Gau einbrechen.« »Gut,« versetzte der Fürst, »so bleibt uns nichts anderes übrig, als für die Götter zu kämpfen oder mit ihnen unterzugehen. Sorge dafür, daß noch heute Nacht die Lärmfeuer angezündet und der Heerbann auf morgen früh zusammengeboten wird!«
Nicht lange stand es an, so flammte auf der Teck ein Feuer auf. Bald erwachten auch auf den andern Bergen des Gaus die roten Flammen, weithin kündend, daß das Land in Gefahr sei. In dem Dunkel der Nacht schritten aber die Fronboten des Fürsten von Hütte zu Hütte, von Hof zu Hof. Mit ihren Stäben schlugen sie an Türen und Tore, so daß die Inwohner erschreckt aus dem Schlafe auffuhren. »Was gibt's?« fragten sie. »Feinde im Land!« erwiderten die Boten. »Auf zum Heerbann in der Morgenfrühe! Sammlung im Frenahain an der Lindach!«
Kaum graute der Morgen, so sah man von allen Seiten her bewaffnete Männer auf den Frenahain zuschreiten, der an der Einmündung der Lindach in die Lauter lag. Er bestand zum größten Teil aus Lindenbäumen; denn die Linde war der heilige Baum der Göttin Frena, die in anderen Gauen auch Herta, Frick oder Freia genannt wurde. Geheimnisvolles Dunkel empfing die Eintretenden, denn die dichtbelaubten Wipfel ließen kaum einen Lichtstrahl hindurchdringen. Nach kurzer Wanderung lichtete sich das Waldesdunkel und eine kleine Wiese wurde sichtbar, rings von Wald umschlossen und mit einem Holzzaun eingefriedigt. Auf dieser Wiese wurden die Gerichte und Volksversammlungen des Gaues abgehalten, die mit einem Opfer begonnen und mit einem Trinkgelage beschlossen wurden. Ein großer Teil des Heerbanns war schon auf der Wiese versammelt und noch immer kamen neue Scharen an. Man fragte, man erzählte. Alles war in Aufregung und Spannung. Jetzt kam der Fürst angesprengt, hoch zu Roß, begleitet von einem zahlreichen Gefolge. Er stieg ab und schritt zur Mitte der Wiese, wo unter einem uralten Lindenbaum ein Altar stand, kunstlos aus rohen Felsblöcken zusammengefügt. Die Mannen drängten hinzu, und das Opfer begann. Aus zwei Hölzern wurde von der Priesterin, die im Lindenhain ihre Wohnung hatte, das heilige Feuer gerieben. Bald flammte es auf. Der Fürst brachte die Gaben dar, und Tausende von Händen erhoben sich gen Himmel, Sieg erflehend von den Göttern. Nun schnitt die Drude mit dem geweihten Messer aus Stein Zweige von der heiligen Linde. Ein weißes Tuch wurde ausgebreitet, und der Fürst warf die Zweige hinein. Totenstille herrschte ringsum; denn jetzt sollte kund werden, was die Götter über den Ausgang des Krieges beschlossen hatten. Die Drude las die Zweige zusammen und gab nach ihrer Lage die Deutung, die der Fürst mit lauter Stimme wiederholte. »Sieg! Sieg!« jauchzte die Menge. Die Schwerter und Schilde wurden zusammengeschlagen, und der alte Schlachtgesang erbrauste. Dann traten die Mannen an das Wasser der Quelle, das unter den Wurzeln der heiligen Linde hervorsprudelte und dann in raschem Laufe durch die Wiese eilte. Sie tauchten die Waffen in das Wasser, um sie zauberkräftig und siegreich zu machen. Auch ließen sie sich von der Waldfrau zum bevorstehenden Kampfe weihen. Mit einem Büschel Zweige, vom heiligen Baum geschnitten und in die heilige Quelle getaucht, besprengte sie die Männer, indem sie Zaubersprüche murmelte und allerlei Zeichen über sie machte. Endlich lagerte sich alles ins Gras der Wiese. Kessel mit Bier wurden herbeigeschleppt, und ein fröhliches Trinkgelage begann. Spottlieder auf die Franken, auf Rumelius und den Christengott erschallten. Das Wohl der hilfreichen Götter aber wurde unzähligemale getrunken.
Wenige Tage, nachdem der Heerbann des Teckgaus ausgezogen war, kam es zwischen den beiden Heeren zur Schlacht. Sie soll unweit der Teck bei dem Orte Hausen stattgefunden haben. Mit wildem Grimm wurde gefochten; mehr als 13000 Erschlagene sollen das Schlachtfeld bedeckt haben. Im Gewühl des Kampfes wurde der Teckfürst von einem Pfeilschuß getroffen. Sterbend sank er vom Pferde. Über ihn weg tobte das Getümmel der Schlacht. Aber des Führers beraubt, konnten die Teckleute bald an keinen Widerstand mehr denken. Sie warfen die Waffen weg und flohen in wilder Flucht den Bergen zu. Viele wurden erschlagen, noch mehr aber gefangen genommen. Sie mußten den Göttern entsagen und das Christentum annehmen. Die Heiligtümer auf dem Teckberg wurden zerbrochen, die Drude wurde erwürgt und die Göttin selbst in eine christliche Heilige umgewandelt. S. die Sage von der Sibylle auf dem Teckberge. Auch den Lindenhain an der Lindach traf die Wut der Sieger. Er wurde verwüstet und der heilige Lindenbaum gefällt. Aus seinem Holz ließ Rumelius eine christliche Kapelle zimmern. An ihre Stelle kam später eine Kirche aus Stein. Von ihr erhielt die Ansiedelung, die sich mit der Zeit um die Kirche her erhob, den Namen Kirchheim. Doch sollen über der Lindach drüben die Bewohner noch längere Zeit heimlich Heiden gewesen sein, weshalb ein Kirchheimer Stadtteil jetzt noch den Namen »die Heidenschaft« trägt.
Unter den in der Schlacht Gefangenen befanden sich auch 4 Brüder aus edlem Geschlechte. Sie trugen als Abzeichen auf ihrem Schilde einen roten Löwen. Rumelius hatte großes Wohlgefallen an den tapferen Jünglingen, und da sie auf sein Zureden hin zum christlichen Glauben übertraten, schenkte er ihnen das Land zwischen Fils und Rems und gab ihnen die nötigen Leute zur Ansiedelung. Auf dem schöngeformten Berge, der den Namen Rechberg (Rehberg) trägt, erbauten sich die Brüder eine Burg und wurden so die Stammväter des jetzt noch blühenden Rechberger Grafenhauses, dessen Wappen noch immer der rote Löwe ist. Das kleine Tal aber, in welchem sich die ihnen beigegebenen Leute niederließen, trägt noch heute den Namen »Christental«.
(Nach verschiedenen Quellen von K. Rommel-R)