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Der Letzte von Hohenstein.

Die Burg Hohenstein, im untern Bühlertal gelegen, war im 14. und 15. Jahrhundert ein Raubschloß, vor dessen Bewohnern kein Wanderer, selbst Vieh und Frucht auf dem Felde nicht sicher waren. Vom Letzten dieser Raubritter erzählt der haller Chronist Widmann folgende Geschichte: Eine Frau aus Bayern hatte einen einzigen Sohn. Der war Weinfuhrmann und erwarb mit dieser Beschäftigung den Lebensunterhalt für sich und seine Mutter. Vom untern Neckartal ins Bayerland führte ihn der Weg an der Burg Hohenstein vorüber. Zweimal wurde er vom Hohensteiner gefangen genommen; aber beidemale befreite ihn seine Mutter durch ein Lösegeld. Als er nun zum drittenmale gefangen genommen wurde, konnte die Mutter kein Lösegeld mehr aufbringen. Sie trat daher vor den Hohensteiner und suchte ihn durch flehentliches Bitten zu erweichen. Dieser jedoch, ein hartherziger Mensch, rief aus: »Dein Sohn muß faulen im finstern Turm, wenn du ihn nicht durch Geld befreiest, und nun scher dich, du Hex!« Da wandte sich die Frau zum Gehen. Unterm Burgtor aber wandte sie sich um, und mit der Stimme einer Prophetin rief sie dem Hohensteiner zu: »Wohlan, du willst meinen Sohn faulen lassen. Doch ich werde dir einen Atzmann (eine zehrende Seuche) schicken, daß du noch eher draufgehen mußt, als mein Sohn im Turme fault.« Da lachte der Ritter des zornmütigen Weibes und schalt sie eine alte Heddel. Doch merkwürdig! Die Worte der Frau wollten ihm nimmer aus dem Sinn, und als er sich des folgenden Tags mit andern Edelleuten auf der Burgbrücke unterhielt, hub er ganz plötzlich an zu schreien: »O, ich armer Mann! Die elende Hex will mich verbrennen!« Hierauf brachte man ihn zu den geistlichen Herren auf die Komburg. Die sollten seine irre Seele trösten, aber kein Zuspruch wollte verfangen. Der Ritter starb am andern Tag, und mit ihm erlosch das Geschlecht derer von Hohenstein.

(C. Sch.)


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