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XLVII. Wendelin Tuchscherer, Bakkalaureus und Kantor zu Straßburg, grüßt vielmals den Magister Ortuin Gratius.

Ihr beschuldigt mich in einem früheren Briefe, meine Tinte müsse Balsam, mein Federkiel aus Bussus und mein Papier von Gold sein, daß ich Euch so selten schreibe. Ich will Euch jetzt immer in regelmäßiger Folge schreiben und hauptsächlich deshalb, weil Ihr mein Lehrer zu Deventer in der fünften Klasse gewesen und auch mein Pate seid, daher ich gehalten bin, Euch zu schreiben. Weil ich aber dermalen keine Neuigkeiten habe, will ich Euch von anderen Dingen schreiben: allein ich weiß, daß sie Euch kein Vergnügen machen werden, weil Ihr gut auf Seiten der Prediger seid. Unlängst saßen wir einmal bei einem Mahle; da saß auch einer dabei, der so wunderlich lateinisch sprach, daß ich nicht alle Worte verstand, sondern nur einiges richtig, und der unter anderem sagte, er wolle einen Traktat verfassen, der bis zur nächsten Frankfurter Messe ausgegeben werden müsse und den Titel führen solle: »Katalog der Prävarikatoren« d. h. Prediger (Prädikatoren), worin er alle von ihnen begangene Schlechtigkeiten verzeichnen wolle, da sie schon die schlechtesten unter allen Orden wären. Vor allem, wie es in Bonn vorgekommen wäre, daß der Prior und die Oberen Huren ins Kloster gebracht, wie sie einen neuen heiligen Franziskus gemacht hätten und wie die allerseligste Jungfrau und andere Heilige jenem Nollharden erschienen wären, und auch, wie die Mönche nachher dem Nollharden Gift im Leibe Christi hätten geben wollen, und daß das lauter Schurkereien und Kopflosigkeiten wären, welche die Mönche begangen hätten, und wie sie dann wären verbrannt worden. Sodann wollte er erzählen, wie einmal ein Prediger zu Mainz in der Kirche vor dem Altare eine Hure hergenommen habe, und hierauf andere Huren unwillig darüber geworden, die dieselbe eine Mönchshure, Kirchenhure, Altarhure geheißen hätten. Und das haben andere Leute gehört, und kennen noch jetzt jene Hure. Auch will er erzählen, wie ein Prediger zu Mainz einmal im Gasthause zur Krone eine Magd spicken wollte, als die Prediger aus Augsburg daselbst ihren Indulgenzenhandel trieben. Sie wohnten nämlich in jenem Gasthause und die Magd wollte das Bett machen; da sah sie ein Mönch, lief ihr nach, warf sie zu Boden und wollte an sie; da schrie die Magd, und es kamen Leute zu ihrer Hilfe herbei, sonst hätte die Magd eins aushalten müssen. Ferner wollte er erzählen, wie hier zu Straßburg im Predigerkloster Mönche gewesen wären, welche Weibspersonen durch den an ihrem Kloster vorbeifließenden Fluß in ihre Zellen geführt, und ihnen die Haare abgeschnitten hätten. Lange passierten jene Weibspersonen für Mönche, gingen auf den Markt und kauften Fische von ihren Männern, welche Fischer waren, nachher aber wurden sie verraten; und eine gleiche Liederlichkeit begingen die Prediger einmal bei fahrenden Schülern. Und als einmal ein Mönch mit einer Mönchin spazieren ging, kamen sie zu den Schulen; die Schüler zogen jene zwei Mönche in die Schule hinein und prügelten sie weidlich durch. Während sie nun die Mönchin prügelten, sahen sie deren weibliches Glied; da lachten alle und ließen sie im Frieden weiter ziehen, die ganze Stadt aber wurde voll von diesem Ereignis. Bei diesen seinen Worten geriet ich, bei Gott, in heftigen Zorn und sagte zu ihm: »Ihr solltet nicht also reden; gesetzt den Fall, es wäre wahr, so solltet ihr es dennoch nicht sagen, denn es könnte sich ereignen, daß alle in einer Stunde den Tod erleiden müßten, wie die Tempelherren, wenn die Leute alle jene Schlechtigkeiten wüßten.« Hierauf erwiderte er: »Ich weiß noch so viel, daß ich es nicht auf zwanzig Bogen Papier schreiben könnte.« Worauf ich: »Warum wollt Ihr von allen Predigern schreiben? es haben es ja nicht alle so gemacht; wenn die in Mainz, in Augsburg und in Straßburg schlecht sind, dann sind die anderen vielleicht rechtschaffen.« Nun sagte er: »Wie wagst Du es, mir zu widersprechen? ich glaube, daß Du der Sohn eines Predigers bist, oder selbst ein Prediger warst; nenne mir ein einziges Kloster, worin es rechtschaffene Prediger gibt.« Auf dies entgegnete ich: »Was haben die in Frankfurt getan?« Er: »Weißt Du das nicht, die haben den Haupträdelsführer bei sich, namens Wiegand; er ist das Haupt aller Schlechtigkeiten und hat die Ketzerei in Bern angefangen, auch eine Schrift über den von Wesel verfaßt und sie nachher in Heidelberg widerrufen, kassiert, vertilgt und für null und nichtig erklärt; nachher hat er auch eine andere Schrift verfaßt, welche den Titel führt »die Sturmglock«, hatte aber nicht so viel Mut, seinen Namen dazu zu geben, sondern hat Johann Pfefferkorns Namen schreiben lassen: der sollte ihm den halben Gewinn geben, dann wolle er zufrieden sein, weil er wohl wußte, daß Johann Pfefferkorn der Mann wäre, der sich um nie manden kümmere, selbst um seinen Ruf nicht, wenn er nur Profit machen könne, wie das alle Juden tun.« Wie ich nun sah, daß der Ihrigen mehr waren, als der Meinigen, da entfernte ich mich, war aber sehr aufgebracht, daß er nicht allein war; wären wir, ich und er, allein gewesen, ich wollt' ihm den Teufel angetan haben. Lebet wohl!

Gegeben zu Straßburg am vierten Werktag nach dem Fest des heiligen Bernhard, im Jahre 1516.


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