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XXII. Gerhard Schirrugel an Magister Ortuin Gratius.

Vielmal seid mir gegrüßt in Christi Namen, des Herrn, Der, erstanden vom Tod, ewig im Himmel nun thront.

Verehrungswürdiger Mann, ich tue Euch kund und zu wissen, daß ich nicht gern hier bin, und da es mich reut, nicht bei Euch in Köln geblieben zu sein, wo ich bessere Fortschritte hätte machen können. Auch sind in Köln die Leute fromm und besuchen gerne die Kirchen und gehen Sonntags in die Predigt. Es herrscht kein so großer Stolz, wie hier. Die Akademiker erweisen den Magistern keine Ehrerbietung, und die Magister geben auf die Akademiker nicht acht, sondern lassen sie gehen, wohin sie wollen; auch tragen sie keine Gugelhüte. Und wann sie in den Zechstuben beim Weine sitzen, schwören sie zu Gott und stoßen Lästerreden aus, und erregen viel Ärgernis. So sagte unlängst einer, er glaubte nicht, daß der heilige Rock zu Trier der Rock des Herrn, sondern ein altes altes Gewandstück voll Ungeziefer sei; auch glaube er nicht, daß sich noch Haar von der allerseligsten Jungfrau irgendwo in der Welt befinde. Und ein anderer sagte, es sei möglich, daß die drei Könige zu Köln drei Bauern aus Westphalen seien, und das Schwert und der Schild des heiligen Michael den heiligen Michael gar nichts angehe. Auch hätte er Lust, auf die Ablässe der Brüder Prediger zu scheißen, weil sie Hanswurste seien und Weiber und Bauern betrügen. Hierauf erwiderte ich: »Ins Feuer, ins Feuer mit solchem Ketzer!« Da lachte er mich aus; ich aber sagte: »Du Lotterbube, solch Reden solltest Du führen, daß unser Magister Hoogstraten in Köln sie hörte, der Inquisitor über die ketzerische Verkehrtheit ist.« Hierauf entgegnete er: »Hoogstarten ist eine ist eine verabscheuungswürdige und verfluchte Bestie«, lästerte über ihn und sagte: »Johannes Reuchlin ist ein rechtschaffener Mann, die Theologen aber sind Teufel und haben ein ungerechtes Urteil gefällt, als sie sein Buch, genannt ‹Augenspiegel›, zum Feuer verdammten.« Da erwiderte ich: »Sprich doch nicht so, denn es steht geschrieben bei Sirach Kap. 8: Rechte nicht mit den Richtern, denn er spricht das Urteil, wie es recht ist. Du siehst, daß die Pariser Universität, wo die gründlichst gelehrten und glaubenseifrigsten Theologen sind, die nicht irren können, auch so geurteilt hat, wie die Kölner: warum willst du dich also der ganzen Kirche widersetzen?« Auf dieses sagte er, die Pariser seien die ungerechtesten Richter und hätten Geld von den Brüdern aus dem Predigerorden bekommen, daß ihnen wie doch der nichtsnutzige Bursche lügt! – ein glaubenseifriger und hochgelahrter Mann, Herr Theoderich von Ganda, Legat der Universität Köln, gebracht habe. Auch sagte er noch, daß sei nicht die Kirche Gottes, sondern die, von welcher der Psalmist sagte: »Ich hasse die Versammlung der Boshaften und will nicht bei den Gottlosen sitzen«, und tadelte unsere Magister zu Paris über alle ihre Handlungen. Die Pariser Universität, sagte er, sei die Mutter aller Torheiten, die dort ihren Ursprung haben und nach Deutschland und Italien gekommen seien; jene Schule habe überall Aberglauben und Lügenwerk aussgesäet und häufig hätten alle, welche zu Paris studiert, verschrobene Köpfe und wären gewissermaßen Narren. Auch sagte er, der Talmud sei nicht von der Kirche verdammt. Damals saß daselbst unser Magister Petrus Meyer, Leutpriester zu Frankfurt, der sagte: »Hier will ich zeigen, daß dieser Geselle kein guter Christ und mit der Kirche nicht konform ist. Heilige Maria! ihr Gesellen wollt viel von Theologie reden, und versteht doch nichts. Auch Reuchlin weiß nicht, wo es geschrieben steht, daß der Talmud verboten ist.« Da fragte jener Geselle: »Wo steht es geschrieben?« Nun sagte unser Magister Petrus, im »Fortalitium fidei« sei es zu lesen. Worauf jener Windbeutel entgegnete: »Das Fortalitium fidei ist ein Scheißbuch, und gilt nichts, und nur ein dummer Kerl oder Narr führt ein solches Buch an.« Da ward ich ganz erschrocken, weil unser Magister Petrus in solch heftigen Zorn geraten war, daß ihm die Hände zitterten; ich fürchtete, es möchte ihm Schaden bringen und sagte: »Vortrefflichster Herr, seid doch geduldig,denn wer geduldig ist, wird hoher Weisheit geleitet (Sprüche Salomo. 14,29).

Lasset ihn gehen, denn er wird zerstieben, wie Staub vor dem Winde. Er redet viel und weiß doch nichts, wie auch bei Sirach beschrieben steht: »Ein Narr macht viele Worte; so macht auch er es.« Da begann der Geselle – o Schmerz! – viel von dem Predigerorden zu sprechen, wie diese frommen Brüder eine Schandtat in Bern verübt hätten – was ich aber, so wahr ich lebe, nicht glaube –, wie sie verbrannt worden wären; daß sie einmal in das Sakrament der Eucharistie Gift hineingetan und damit einen Kaiser getötet hätten. Dann sagte er, man müsse sotanen Orden vertilgen, sonst würden noch viele Ärgernisse im Glauben vorkommen, weil alle Bosheit in dem Orden stecke – und noch viel anderes sagte er. Ihr sollt daher ohne alle Umschweife wissen, daß ich gerne wieder nach Köln zurück möchte, denn was soll ich bei solchen vermaledeiten Leuten tun? »Der Tod komme über sie und sie müssen lebendig zur Hölle fahren«, wie der Psalmist sagt, denn sie sind Kinder des Teufels. Wenn Ihr es für angemessen haltet, so will ich zuvor einen Grad erwerben; wo nicht, so will ich auf der Stelle abreisen. Ihr müßt mir daher ungesäumt Eure Ansicht schreiben: nach dieser will ich mich richten, und hiermit befehle ich Euch Gott dem Herrn. Lebet wohl!

Aus Mainz.


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