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XXIV. Paulus Taubenstößer grüßt vielmal den Magister Ortuin Gratius.

Jawohl wäre ich ein Lügner, wie Ihr unlängst sagtet; wenn ich Euch immer nur das Versprechen gäbe, Euch schreiben zu wollen, und Euch doch nicht schriebe. Nun will ich beweisen, daß ich Euch Wort halte, denn ein besonnener und aufrichtiger Mann soll nichts versprechen, was er nicht halten will. Es wäre auch ein großer Wankelmut von mir, wenn ich mein Versprechen nicht hielte und Euch hinterginge. Ihr müßt mir gleichfalls schreiben, dann wollen wir eine lebhafte gegenseitige Korrespondenz unterhalten. Und nun sollt Ihr wissen, daß Dr. Reuchliii ein Buch hat drucken lassen, welches den Titel führt »Verteidigung«; er schimpft darin auf eine höchst unanständige Weise und nennt Euch einen Esel. Ich ärgerte mich sehr, als ich dieses Buch las, obgleich ich es nicht ganz gelesen habe, da ich es an die Wand warf, als ich sah, daß er so boshaft gegen die Theologen und Artisten verfährt. Ihr könnet es lesen, wenn Ihr wollt, da ich es beiliegend schicke. Nach meinem Dafürhalten sollte man den Verfasser samt seinem Buche verbrennen, denn es ist im höchsten Grade Ärgernis erregend, daß einer ein solches Buch zusammenschmieren soll. Unlängst war ich auf dem Pferdemarkt und wollte ein Pferd kaufen, auf welchem ich nach Wien zu reiten beabsichtigte; da sah ich jenes Buch feil stehen und dachte bei mir, es sei notwendig, daß Ihr es sehet, um ihm auf seine Verkehrtheit antworten zu können; denn, wenn ich Euch auch noch größere Dienste erweisen könnte, so würde ich es nicht versäumen, da ich Euer ganz ergebenster Diener bin und es gut mit Euch meine. Ich tue Euch auch zu wissen, daß ich immer noch böse Augen habe; es ist jedoch ein Alchymist hier angekommen, der behauptet, er verstehe die Augen wieder gut herzurichten, selbst wenn einer stockblind infolge dieses Leidens geworden wäre. Er besitzt auch sonst noch große Erfahrung, da er Italien und Frankreich, sowie auch viele andere Länder durchreist hat. Und Ihr wißt ja, jeder Alchymist ist Arzt und Salbenkundiger, unser Mann freilich ist durch Verarmung etwas heruntergekommen. Ihr habt auch gefragt, wie es mir sonst gehe? Ich danke Euch für diese Frage. Wisset, daß es mir mit der Gnade Gottes noch gut geht; ich habe diesen Herbst viel Wein gekeltert und eine gute Getreideernte gemacht. Was aber Neuigkeiten betrifft, so wisset, daß unser allerdurchlauchtigster Kaiser und Herr zahlreiche Kriegsvölker in die Lombardei gegen die Venetianer marschieren läßt, um diese für ihren Übermut zu strafen. Ich sah wohl 2ooo mit sechs Bannern; sie hatten zur Hälfte Speere und zur Hälfte Büchsen oder Feuerwaffen, sahen gar fürchterlich aus und trugen Halbstiefel; sie fügten den Bauern und Dorfbewohnern viel Schaden zu. Die Leute sagten, sie wollten gerne, daß alle ihren Tod fänden; ich dagegen, daß sie gesund zurückkehren möchten. Schicket mir mit dem Boten die »Formalitates« und »Distinctiones« von Skotus, wie sie Brenneisen zusammengestellt hat, und auch den »Clypeus« der Thomisten in der Aldinischen Ausgabe, wenn Ihr ihn auffinden könnt. Auch möchte ich gerne die von Euch verfaßte Anleitung zur Versekunst zu sehen bekommen. Kaufet mir auch sämtliche Werke des Boethius, namentlich aber seine »Disciplina scholarium« und die »Consolatio philosophica« mit dem Kommentar des heiligen Doktor. Und hiermit lebet wohl und haltet mich empfohlen. xxx

Aus Augsburg.


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