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XII. Magister Hildebrand Mammaceus entbeut seinen Gruß dem Magister Ortuin.

Freundlichst geliebter Herr Ortuin! Ich kann keinen zierlichen Brief nach den Vorschriften, wie sie in den Briefstellern gegeben sind, schreiben, weil mir das die Zeit nicht erlaubt, sondern ich muß kurz und sogleich offen heraussagen, um was es sich handelt, denn ich habe mit Euch abzuwickeln, der zum verwundern ist. Ihr sollt erfahren, daß hier ein schreckliches Gerücht umgeht und man allgemein sagt, die Sache unserer Magister stehe bei der römischen Kurie schlecht, der Papst wolle nämlich den Ausspruch, der voriges Jahr zu Speier zu Gunsten des Dr. Reuchlin getan worden, bestätigen. Als ich dies hörte, geriet ich so in Schrecken, daß ich kein Wort sprechen konnte, ich war wie stumm und konnte zwei Nächte hindurch nicht schlafen. Reuchlins Freunde sind voll Freude und streuen überall, wo sie gehen, dieses Gerücht aus; ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht einen Brief von einem unserer Magister aus dem Predigerorden gesehen hätte, worin er mit großer Betrübnis jene Neuigkeit schreibt. Auch schreibt er dabei noch, daß der »Augenspiegel« bei der römischen Kurie gedruckt werde, daß die Händler ihn verkaufen und jedermann ihn lesen dürfe. Auch wollte unser Magister Hoogstraten den römischen Hof verlassen und das Gelübde der Armut ablegen, da wollten ihn die Richter nicht ziehen lassen, sondern sagten, er müsse das Ende abwarten, auch könne er das Gelübde der Armut nicht ablegen, weil er mit drei Pferden in die Stadt Rom eingezogen sei, am römischen Hofe Gäste bei Tische gehabt, viel Geld ausgegeben, und an die Kardinäle, Bischöfe und Auditoren des Konsistorii große Geschenke gespendet habe: darum dürfe er das Gelübde der Armut nicht ablegen. O heilige Maria! was wollen wir jetzt tun, wenn die Theologie so verachtet wird, daß ein Jurist mehr gelten soll, als alle Theologen? Ich glaube, der Papst ist kein guter Christ; wäre er ein guter Christ, so wäre es unmöglich, daß er es nicht mit den Theologen hielte. Allein selbst wenn der Papst einen Ausspruch wider die Theologen tut, muß meines Erachtens Berufung an das Konzil geschehen, weil das Konzil über dem Papst ist und im Konzil die Theologen das Uebergewicht über die anderen Fakultäten haben. Dann, hoffe ich, wird der Herr Gnade verleihen und seine Diener, die Theologen, ansehen; und nicht zugeben, daß unser Feind sich freue über uns, und er wird uns die Gnade des heiligen Geistes verleihen, daß wir das Trugwerk jener Ketzer zu überwinden vermögen. Ein gewisser Jurist sagte vor kurzem, es sei prophezeit, daß der Predigerorden untergehen müsse, und daß aus jenem Orden die größten Ärgernisse in den christlichen Glauben kommen, wie man sie früher nie gehört habe; auch sagte er, wo er diese Prophezeihung gelesen habe. Doch, es sei ferne, daß dies wahr sei; denn jener Orden stiftet Nutzen, und wenn jener Orden nicht wäre, so weiß ich nicht, wie es um die Theologie stünde, da die Prediger gründlichere Theologen sind, als die Minoriten oder Augustiner, und auf dem Wege ihres heiligen Lehrers fortwandeln, der doch niemals geirrt hat. Auch hatten dieselben viele Heilige in ihrem Orden und zeigten vielen Mut im Disputieren gegen die Ketzer. Ich wundere mich, daß unser Magister Jakob von Hoogstraten das Gelübde der Armut nicht ablegen kann, da er doch aus einem Bettlerorden ist und diese offenbar arm sind. Fürchtete ich mich nicht vor der Exkommunikation, so wäre ich geneigt zu sagen, der Papst irre in diesem Punkte. Auch glaube ich nicht, daß es wahr ist, daß er so viel Geld ausgegeben und Geschenke gespendet hat, da er ein sehr glaubenseifriger Mann ist; sondern ich glaube, daß jene Juristen und andere dies nur erdichten und Dr. Reuchlin ihnen so zu schmeicheln weiß; denn ich habe auch gehört, daß viele Städte und viele Fürsten und Herren für ihn geschrieben haben. Der Grund hiervon ist, daß sie nicht in der Theologie bewandert sind und das Faktum nicht kennen, sonst würden sie zugeben, daß dieser Ketzer den Teufel habe, weil er wider den Glauben ist, wenn auch die ganze Welt das Gegenteil behauptete. Ihr müßt dieses ohne Verzug unsern Magistern in Köln zur Kenntnis bringen, damit sie wissen, was für einen Entschluß sie zu fassen haben. Schreibet mir auch, was sie zu tun gesonnen sind, und gehabt Euch wohl in Christo!

Gegeben zu Tübingen.


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