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XLVI. Johannes Wagner von Ambach grüßt vielmal den Ortuin Gratius von Deventer.

Sintemalen Ihr mir unlängst geschrieben habt, wie es mir in Heidelberg gehe, und daß ich Euch auch wieder schreiben solle, wie mir hier die Doktoren und Magister gefallen, so wisset denn vor allem, daß ich sogleich nach meiner Ankunft in Heidelberg Koch in der Burs wurde, wo ich freien Tisch und auch noch einiges bare Geld als Lohn habe, auch weiter kommen und es bis zum Grade eines Magisters bringen kann. So machte es auch der arme Heinrich, der weder Bücher, noch Papier hatte, sondern alles auf seinen Pelz schrieb. So ernährte sich auch Plautus, der Säcke in die Mühle trug, wie ein Esel, und doch nachher zum gelehrtesten Schriftsteller wurde, indem er nachher Verse und Prosa schrieb. Damit Ihr übrigens wisset, was es hier für gelehrte Männer gibt, so will ich Euch zuerst über die Würdigeren Bericht erstatten, sodann Schritt für Schritt über die anderen, »weil man« – wie der Philosoph Physica I sagt – »vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreiten muß.« Auch Porphyrius stieg vom Allgemeinen zum Besondersten herab, wo Plato still zu stehen befiehlt. Und vom Würdigern muß die Benennung geschehen, wie der heidnische Meister – den neuen den Saturnus zu und erklärte dies so: »Der Saturnus ist ein kalter Planet und schickt sich gut für die Neuen, weil sie nicht an den heiligen Thomas und die Copulata und Reparationes nach den Statuten der Burs unter XVI Häusern in Köln halten.« Den Thomisten aber wünschte er zum neuen Jahre einen Knaben, welcher bei Jupiter schlief und Ganymedes heißt. Dieser paßt für die Realisten, weil Ganymedes dein Jupiter Wein und Bier und den süßen Trank von Lakritzensaft kredenzt, welche Geschichte Torrentius im ersten Buch der Aeneis so schön erklärt hat. So gießen ihnen auch die Realisten Künste und Wissenschaften ein, und noch vieles, andere Ergötzliche wird vorgebracht, so daß sich einer wundern könnte. Ich glaube, daß er viele Nächte schlaflos dagelegen ist, wann er diese Dinge so scharfsinnig und gar schön ausdachte. Allein viele nennen auch das, was er predigt, Possen und ihn selbst einen »Gackeler« und den »Johann mit dem verschrobenen Kopf« und einen »Gansekopf«, aus dem Grunde, weil er einmal in einer Disputation schlecht bestanden ist; damals haben sie ihn schmählicher, als irgend einen in hundert Jahren, durchfallen lassen. Und einer wartete auf ihn vor dem Katheder und zog sein Barett vor ihm ab, – aber nicht aus Respekt, sondern wie es die Juden gemacht haben, als sie Christo die Krone aufsetzten und die Kniee vor ihm beugten – und sagte: »Herr Doktor, mit Verlaub, Gott segne Euch das Bad;« worauf er antwortete: »Gott danke es Euch, Herr Bakkalaureus«, und entfernte sich, ohne ein Wort weiter zu sagen. Einer erzählte mir, die Augen seien ihm voll Wasser gestanden und er habe geglaubt, daß er nachher geweint habe. Und als ich diese Quälereien vernommen hatte, da befiel mich Bauchweh und wenn ich gewußt hätte, wer jener Lecker gewesen wäre, so hätte ich mich mit ihm geschlagen und sollten sie mir auch den Kopf mit einer Diele abgestoßen haben. Aber er hat noch einen Schüler, der ist mir ein gelehrter Mann, und vielleicht mehr als gelehrt, und auch vielleicht gelehrter, als sein Lehrer, obgleich er nur ein Bakkalaureus in der Bibel ist; er hat bereits in kurzer, ja ganz kürzester Vergangenheit wohl zwanzig Fragen und Sophismen öffentlich angeschlagen und immer gegen die Neuen, nämlich: »Utrum Deus sit in praedicamento,« »Utrum essentia ei existentia sint distinctae«, »Utrum rollationes a suo fundamento sint distinctae«, und »Utrum decem praedicamento sint realiter distincta.« Ha! wie viele Respondenten ! Ich habe in meinem Leben noch nicht mehr Respondenten in einem Lehrsaale gesehen. Auch hat er seine Behauptungen verteidigt und Ehre damit eingelegt, da ja schon ein bloßer Magister genug mit ihm zu tun gehabt. Ich muß mich nur wundern, wie der Dekan es zugelassen hat; ich glaube, er war während der Hundstage nicht bei Sinnen, da es wider die Statuten ist. Ich habe während der Disputation damals zu seinem Lobe folgendes Gedicht zusammengemacht, da ich ja teilweise auch Humanist bin:

Das ist ein hochgelehrter Meister, welcher schon
Zwei-, dreimal mit der Frag' hervorgetreten ist:
Ob zwischen »esse essentiae« ein Unterschied
Besteh', und zwischen »esse existentiae«;
Sodann vom Unterschied der Corollarien
Und Prädikamente, und hinwiederum: ob Gott
Im Firmament in einem Prädikamente sei.
Und alles dies hat noch nie ein Sterblicher
Vor ihm getan von Ewigkeit in Ewigkeit.

Doch hiervon genug. jetzt will ich von den Poeten etwas sagen, oder schreiben, und zwar so: Es ist hier einer, der über den Valerius Maximus liest, aber er gefällt mir nicht halb so gut, als Ihr mir gefallen habt, als Ihr in Köln den Valerius Maximus vortruget, weil er hier bloß kursorisch verfährt, Ihr aber, wenn Ihr dort an die Hintansetzung der Religion, die Träume, die Auspizien gekommen seid, habt da die heilige Schrift angeführt, nämlich die »Catena au rea«, welche »Continuum« des seligen Thomas heißt, den Durandus und andere erhabene Geister in der Theologie, und habt uns befohlen, jene Punkte aus dem heiligen Blatte wohl zu notieren, eine Hand hinzumalen und sie auswendig zu lernen. Wisset auch, daß hier nicht so viele zum Studium eintreten, wie in Köln; denn zu Köln können die Studenten es so machen, wie hier die »Schützen«: dort schießen manche Studenten auch »Parteken«, was man hier nicht gestatten will, denn hier müssen alle den Tisch in der Burs haben und in die Universitätsmatrikel eingetragen sein. Allein, obgleich hier nur wenige sind, so sind sie doch keck, und wohl so keck, als die vielen in Köln, denn sie haben ganz kürzlich erst einen Vorsteher in der Burs, der vor der Stube stand und hörte, daß sie drinnen spielten, die Stiege hinabgeworfen. Einer nämlich wollte hinausgehen, traf ihn daselbst und warf ihn die Treppe hinab. Zudem sind sie auch so keck, daß sie sich hier mit den Reitern schlagen, wie es die in Köln mit den Faßschiebern machen, und nach Reiterart mit gezogenem Degen, Schnüren und Säbeln dahergehen, woran sich an einer Saite befestigte Bleikugeln befinden, die sie von sich werfen und wieder an sich ziehen können. Unlängst haben die Reiter einmal einen Bursianer über den Grind gehauen, daß er zu Boden fiel; er stand aber plötzlich wieder auf, verteidigte sich nachdrücklich und hieb sie alle so, daß sie den heiligen Valentin bekamen und allzumal davonflohen. Noch eines, was Ihr wissen müßt: Ihr sollt den Doktor Arnold von Tongern, der keiner von den unbedeutendsten in der Theologie ist, fragen, ob es auch eine Sünde sei, um die Indulgenzen Würfel zu spielen. Ich weiß, daß einige Gesellen, wahre Lotterbuben, alle Indulgenzen, die ihnen von Jakob van Hoogstraten gegeben worden waren, als er die Sache Reuchlins in Mainz zu Ende geführt hatte, verspielt haben; denn es waren drei daselbst, und die haben auch gesagt, jene Indulgenzen hälfen den Leuten nichts. Wenn es eine Sünde ist, wie ich glaube, – und es ist nicht möglich, daß es keine Sünde ist – dann kenne ich sie wohl, dann will ich es den Predigern anzeigen, die mit ihnen recht schmählich dafür umgehn werden, und will es ihnen auch selbst in eigener Person so machen: ich bin wohl so keck, ihnen etwas aufs Brot zu legen. Nun gibt es nichts weiter zu schreiben, als: grüßet mir Quendels Magd, welche dermalen im Kindbett liegt, und lebet wohl, pankratisch, athletisch, pugilisch, schön und herrlich, wie Erasmus in den Sprichwörtern sagt.

Gegeben zu Heidelberg.


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