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Wenn ich diesem merkwürdigen Abenteuerbuche ein paar Worte mit auf den Weg geben darf, so hauptsächlich deshalb, weil Hans Zitt einer der ganz wenigen Menschen ist, die es einmal wagten, freiwillig ihr Leben auf die äußerste Probe zu stellen. Er tat das in fremden Ländern ohne die tausendfältigsten Hilfsmittel der Heimat, ohne Kameraden, ja fast ohne Geld.
Er baut sich eines Tages ein Segelboot, ohne die geringsten handwerklichen Kenntnisse zu haben. Einige Zeit vorher hatte ich ihn kennengelernt. Es war im Jahre 1926, ich war bei der »Münchener Zeitung« Schriftleiter der vierten Seite, die Nachrichten und außerordentliche Begebenheiten aus aller Welt brachte. Da trat eines Morgens Hans Zitt bei mir auf: Ein sehr großer junger Mann aus München, mit einem gewaltigen, bärenstarken Händedruck und einer Erzählung in der Linken, die er mir nach besagtem Händedruck zum Abdruck anbot.
Ich überflog die Seiten.
In Albanien war Revolution, er war dort gewesen, hatte sich quer durch das unruhige Land geschlagen und seine Erlebnisse in spannender Weise niedergeschrieben.
Wirklich selbst erlebt? – wollte ich fragen. Aber die Haltung des jungen Riesen gab mir bereits die Antwort, ich sah die tapferen blauen Augen, das widerspenstige helle Haar, und legte die Erzählung zu den angenommenen Beiträgen.
Wir kamen in ein lebhaftes Gespräch. Hans Zitt war schon als Schuljunge beim Freikorps Epp gewesen, hatte beim Freikorps Oberland mitgeholfen und hatte auch die nationale Erhebung 1923 in München aktiv mitgemacht.
Monate vergingen, bis ich ihn wiedersah. Es fiel mir auf, daß ihm das Gehen sichtlich Mühe machte. Im Schweizer Hochgebirge war sein Kamerad in eine Gletscherspalte gestürzt, er hatte ihn geborgen und sich dabei selber schwere Verletzungen an den Füßen geholt. Trotzdem war er nicht im mindesten niedergeschlagen. Im Gegenteil – er erzählte von dem vertrackten Segelboot, an dem er baue, um damit eine Weltreise zu wagen. Ich gab ihm verschiedene Ratschläge, es kamen Wochen für ihn voll trotziger Arbeit und grausamen Rückschlägen; aber eines blauen Tages war das Boot so seetüchtig wie nur möglich, und Hans Zitt fuhr los – in die freie, wilde Welt, nur ein paar Mark in der Tasche, aber ein unbändiger Glaube hatte die Segel gesetzt und ein starker Wille steuerte die verwegene Kiste auf die hohe See hinaus.
Hiervon erzählt das Buch. Es weiß von fremden Erdteilen, es sieht den jungen Wagehals als Hilfsarbeiter, als Ingenieur, als Taucher, als Boxer im Zirkus, einmal sogar als angehenden Direktor. Sonne und Sturm, Salzluft und Geruch harter Menschenwildnis weht aus den Seiten, das Schicksal schließt das ewig junge Bündnis mit dem Mutigen, und nach langer, bunter Irrfahrt kehrt Hans Zitt in die Heimat zurück.
Aus dem Jüngling ist ein Mann geworden Ein anderer, dem dasselbe verhängnisvolle Unglück wie ihm an den Füßen passiert wäre, würde Zeit seines Lebens an zwei Stöcken gehen – er setzt sich zäh darüber hinweg und holt sich spielend das Sportabzeichen der SA., weit vor den anderen Bewerbern – und heute?
Hans Zitt hat den Kopf voll kühner Pläne. Vielleicht werden wir ihn bald als einsamen Wanderer in den Eiswüsten der Polargegenden sehen oder neuerdings in einer Nußschale auf den Ozeanen der südlichen Halbkugel. Er will nicht genießen, sondern das Beispiel kühnen Mutes geben, der die Gefahr sucht, um ihrer Herr zu werden.
Um dieses Beispiels willen sei das Buch empfohlen. Möge es, besonders unter der deutschen Jugend, viele Freunde finden!
München, im August 1937.
Josef Magnus Wehner.
Im Ägäischen Meer liegt die Insel Nikaria. Ein ewig sturmumtostes Eiland, von dem einst Ikarus mit seinen selbstgebauten Flügeln sich in den Himmel schwingen wollte, von der Sonne aber ins Meer zurückgeworfen wurde.
An einem Herbstabend landete ich dort. Es war ein drohender, wildempörter Abend, an dem sich meine Nußschale durch stäubende, brüllende und jagende Wasserberge der Küste zu raufte. Die halbe Bevölkerung der Stadt Agya Kyrikos hatte sich am Kai versammelt. Als ich endlich den Fuß auf festen Boden setzte, löste sich ein Mann von den vielen wartenden Menschen und kam auf mich zu.
»Ich bin Chrisostomos Manoliadis«, sagte er; »ich bin Professor der französischen Sprache am hiesigen Gymnasium. Im Namen der Stadt heiße ich Sie willkommen als unseren Gast.« –
Anderntags stand ein langer Artikel in der im Städtchen erscheinenden Zeitung, den der begeisterte Professor verfaßt hatte. »Ein deutscher Ikarus«, war er überschrieben.
Ehe ich weitersegelte, übergab mir der Professor einen Brief mit der Bitte, ihn einmal in Deutschland zu veröffentlichen. Ich wüßte nicht, wo dies wohl besser am Platze wäre als hier am Beginn meines Buches. Es ist viel Sinn in den Gedanken dieses griechischen Lehrers, der abseits der Welt auf einer verlorenen Klippe lebt und wirkt. Der Brief ist französisch geschrieben und lautet, aus seiner bunten, orientalischen Ausdrucksweise ins Deutsche übersetzt, folgendermaßen:
»Es grüßen die deutsche Jugend der Professor Chrisostomos Manoliadis, die Schüler seines Gymnasiums, die Jugend Griechenlands!
Wir leben auf einer Insel im Meer. Die Wasser brechen sich an ihren steilen Klippen, und die Stürme brausen um die Gipfel ihrer hohen Berge. Adler und Falken hausen in deren Schrunden, und wo es die Natur gewährt, sät der nimmermüde Mensch braune Erde in die Ritzen und Spalten der Felsen, damit er dort Reben und Olivenbäume ziehen kann.
Die Insel ist unser Reich. Von ihren Höhen blicken wir über das Meer und sehen noch einige andere Insel daraus ragen. Sie bedeuten uns die Welt, um sie wittert schon das Geheimnis der Ferne.
Deine Welt ist größer, deutsche Jugend. Dein Blick schweift weiter. Der Flug deiner Gedanken ist kühner. Mit Bewunderung schauen wir auf das deutsche Volk und seine heroischen Leistungen auf allen Gebieten. Ich spreche darüber oft zu meinen Schülern.
Und nun verschlug der Sturm einen aus Deinen Reihen auf unsere Insel. Es war ihm zu eng geworden daheim. Er bestieg sein Kajak und zog in die Ferne. Er wählte sich eine schwierige und gefährliche Art zu reisen. Als er zu uns kam, pflegten wir ihn und haben ihn geehrt, denn die Ehrung ist der schönste Zoll, den man einem Tapferen gewähren kann. Keiner auf unserer Insel würde die Energie aufbringen, in seinem Kajak nach Deutschland zu segeln!
Seine Anwesenheit war für uns ein Gruß aus Deutschland, das wir so lieben. Er wird wieder weiterziehen und einmal zurückkehren in seine Heimat. Bei der Unzahl seiner Erlebnisse wird er vielleicht vergessen auf uns. Wir aber werden den Deutschen nicht vergessen. Er und sein Wagnis bleiben in unserer Erinnerung ein großes Erleben.
Chrisostomos Manoliadis.
Und so habe ich nun mein Versprechen gehalten, mein lieber Professor Manoliadis. Ihre Worte wurden zu einem schönen Vorspruch für die Schilderung meiner großen Reise. Ich möchte das letzte Wort nicht geschrieben haben, ohne Ihnen dafür zu danken. Wenn uns auch viele tausend Meilen trennen, im Geiste reiche ich Ihnen doch die Hand und grüße Sie wie auch alle jene, die mir irgendwie und irgendwo halfen, mein Ziel zu erreichen.