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ACHTES KAPITEL.

EIN SOUPER UNTER DREI.

Adolar von Kaltenstein und sein Freund Bulabicki hatten sich bei dem aus so heterogenen Elementen zusammengesetzten Maskenfeste im Volksgarten vortrefflich amusirt. Es ging munter und ungenirt zu, und da man es an anregenden leiblichen Genüssen von keiner Seite fehlen ließ, so ward auch hin und wieder ein Zeichen ungebundener Lustigkeit laut.

Wir müssen es indeß unsern Bekannten nachrühmen, daß sie selbst sich nicht über die Gesetze jeglicher Etikette hinwegsetzten, auch mieden sie instinctmäßig diejenigen Personen, zu denen man sich einer ähnlichen Neigung versehen durfte. Ueberhaupt konnten nur einzelne unter den zahlreichen anwesenden Masken die Freunde fesseln. Adolar fühlte sich vor allem angezogen von einem kleidsamen polnischen Costüm, das seit einiger Zeit an den Schaufenstern aller Bilderhändler aushing. Es war das leibhaftige Abbild der heldenmüthigen Gräfin Plater, die aus dem Gewühl der Masken jedem auffiel. Das Betragen dieser Unbekannten, die ein hinkender Greis begleitete, der ab und an mit zitternder Stimme das ergreifende Lied aus dem Singspiel ›Der alte Feldherr‹ anstimmte, war so leicht, so elegant, daß die Freunde in dieser Maske eine vornehme Dame, vielleicht gar polnischer Abstammung vermutheten, und überhaupt gar eine Art berechneter politischer Demonstration darin witterten. Adolar ließ sich keine Mühe verdrießen, beide Masken zu verfolgen, diese, waren sie ihm entschlüpft, wieder aufzusuchen, und später mit ihnen ein Gespräch anzuknüpfen. Wie geschickt er aber auch seine Fragen stellte, die Pseudogräfin wußte ihm jederzeit ausweichend zu antworten. Auch ihrem greisen, humpelnden Begleiter war nicht beizukommen, und er mußte sich, als spät in der Nacht der Schwarm nach und nach auseinander stob, selbst beglückwünschen, daß er von der Unbekannten wenigstens ein paar Chiffren erhalten hatte, unter denen er sich fragweise noch einmal nach ihr erkundigen durfte.

Fürst Bulabicki, den die Sorgen um sein Vaterland drückten, suchte diese durch lautes Jubeln zu übertäuben. Er redete sich ein, daß er vergnügt und heiter sei, obwohl er sich nur selbst belog. Die feine Gestalt der Heldengräfin erregte zwar auch seine Neugierde, eigentlich fesseln aber konnte sie ihn doch nicht; denn als er einige polnische Worte an die schöne Maske richtete, hörte er aus der Antwort heraus, daß er es mit keiner echten Landsmännin zu thun habe. Er überließ daher dem Freunde die ihm gleichgültig Gewordene und suchte sich auf andere Weise zu zerstreuen.

Adolar leugnete nicht, daß die anmuthige, graziöse Gestalt der Unbekannten ihn lebhaft interessire und daß er wohl zu erfahren wünsche, ob sich hinter dieser Maske eine vielleicht ihm nicht ganz fremde Dame versteckt habe. Diese Vermuthung ward für ihn beinahe zur Gewißheit, als er gewahrte, daß sie ohne langes Sträuben auf seine Wünsche einging. An die Möglichkeit einer Intrigue oder an geheime Absichten dachte er nicht. Für ihn war der Austausch von Chiffren, deren man sich gegenseitig bedienen wollte, um einander nochmals ein verbindliches Wort oder einen beziehungsreichen Gruß zu sagen, nichts mehr als ein beiden unschädlicher Maskenscherz.

Als er spät am andern Morgen des Zusammentreffens mit der Fremden wieder gedachte, glaubte er sogar nicht mehr recht an das Halten der gegebenen Zusage, ja er war selbst zweifelhaft, ob er von der erhaltenen Erlaubniß auch Gebrauch machen solle oder ob ein absichtliches Vergessen in vorliegendem Falle zweckmäßiger sei.

Der verzeihliche Wunsch indeß, eine zufällig gemachte, noch halbverschleierte Bekanntschaft weiter zu spinnen oder die jedem Menschen mehr oder weniger innewohnende Lust, ein Abenteuer zu bestehen ließ Adolar nach zweitägigem Zaudern doch eine Frage in die Zeitung einrücken. Tags darauf schon erfolgte Antwort, und nun entspann sich zwischen den beiden Correspondenten ein kurzes Frage- und Antwortspiel in Chiffren, das schließlich zu freiwilliger Demaskirung des jungen Barons von Kaltenstein führte.

Vor seinem fürstlichen Freunde hatte Adolar die Fortführung der auf dem Maskenfeste angezettelten unschuldigen Intrigue völlig geheim gehalten, ohne sich eigentlich des Grundes bewußt zu werden, der ihn dazu bewog. Jetzt, als sein Brief ausführlich beantwortet ward und sich an diese Antwort sogar eine Einladung knüpfte, die schon ihrer Originalität wegen zur Annahme zwang, kam es ihm vollends nicht in den Sinn, den Freund ins Geheimniß zu ziehen. Er wußte im voraus, daß Bulabicki darauf bestanden haben würde, ihn begleiten zu dürfen, nicht weil er für den Freund fürchtete, sondern um Mitgenosse des Scherzes zu sein, der sich so anmuthig einleitete, und dessen Kosten, wie Adolar sich sogleich gestand, er ganz allein werde zu tragen haben. Aber er hoffte eine interessante Bekanntschaft zu machen, und es hatte einen eigenen Reiz für ihn das Glück dieser Bekanntschaft allein zu genießen. Ward er, was sich auch denken ließ, von einer Uebermüthigen oder Unwürdigen dupirt, so wäre die Gegenwart eines Zeugen sehr fatal gewesen.

Adolar beantwortete den erhaltenen Brief ohne weiteres Bedenken, nahm die Einladung dankbar an und traf sogleich die nöthigen Einleitungen. Von Natur mehr zum Verschwenden als zum Sparen geneigt, bestellte er zwei elegante Zimmer in dem bezeichneten Hotel und beorderte die Herrichtung eines ausgesucht feinen Soupers für nur vier Personen. Aus Vorsicht wollte er sicher gehen. Schließlich gab er dem Inhaber des Hotels die nöthigen Weisungen, damit die unbekannten Fremden, bei denen er zu Gaste geladen war, vor ihm alles bereit fänden und ihn, den später Kommenden auch wirklich als Gast begrüßen könnten.

Mit fieberhafter Spannung erwartete der junge Edelmann die festgesetzte Stunde, welche ihn die geheimnißvolle Maske in ihrer natürlichen Gestalt kennen lehren sollte. Er mußte, als der Wirth ihm entgegenkam, doch fragen, ob sich die Herrschaften auch bereits eingestellt hätten.

»Vor kaum zehn Minuten,« lautete die Antwort.

»Sind es Ihnen bekannte Personen?« forschte der Neugierige weiter.

»Ich habe nicht die Ehre, weder die junge Dame noch den Herrn, der sie führte, je früher gesehen zu haben.«

»Ist die Dame jung?«

»Jung und schön, Herr Baron.«

Adolar trat vor den Spiegel, um die Kravatte zurecht zu ziehen und mit seinem Taschenkamme ein paar mal durch das volle, sich von selbst lockende Haar zu fahren. Dann warf er einen prüfenden Blick auf seinen übrigen Anzug, knöpfte den einen am Handgelenk aufgesprungenen Handschuh zu, nahm den Claquehut unter den Arm und trat in den kleinen, zum Empfangszimmer eingerichteten Salon.

Im Kamin glühte ein stilles Kohlenfeuer, von der Decke herab hing ein Kronleuchter mit fünf Armen, auf deren jedem eine Lampe, von runder geschliffener Glaskuppel überdeckt, brannte und angenehme Helligkeit in dem höchst comfortablen Raume verbreitete. Ihm entgegen über den weichen Teppich schritt an der Hand Sandomir Geldern’s die mit großer Sorgfalt, aber etwas auffallend gekleidete Zerline. Die Erscheinung dieses jungen Mädchens, das sich ihrer Gaben wie ihrer Reize vollkommen bewußt war und beide zur Erreichung ihres Zweckes zu benutzen verstand, machte einen überraschenden Eindruck auf Adolar.

»Herr Baron von Kaltenstein, wir begrüßen Sie auf das herzlichste,« redete der Glücksritter seinen Neffen mit der Gewandtheit eines geübten Weltmanns an, »und wir schätzen es uns zur Ehre, Sie bei uns zu sehen. Meine Tochter Zerline,« fügte er auf diese deutend, hinzu. »Sie wollen entschuldigen, Herr Baron, wenn Sie das noch sehr junge Kind, das erst vor wenigen Wochen die Pension verließ, noch ein wenig befangen finden. Schriftlich zeigt sie mehr Courage als im mündlichen Verkehr. Aber ich hoffe, wir werden uns bald kennen lernen, und dann wird auch Zerline ihre Befangenheit völlig abzulegen im Stande sein.«

Adolar bemühte sich, in den ab und an scheu zu ihm aufblickenden Augen der Jungfrau zu lesen, deren jetzige Schüchternheit er mit den ausgelassenen Scherzen, die ihr beim Maskenfeste über die Lippen sprudelten, nicht recht in Einklang zu bringen wußte. War dies zurückhaltende Wesen wirkliche Müdigkeit oder künstliche Verstellung? Das sonstige Auftreten Zerline’s verrieth keinen Mangel gesellschaftlicher Tournure, und deren Vater, der heute sein Ordensband im Knopfloche des sauber gebürsteten Fracks trug, benahm sich durchaus wie ein Mann von Welt, der an den Verkehr auch mit den Vornehmsten gewöhnt ist.

»Wenn ich ungemein beglückt bin, dieser Einladung würdig gefunden zu werden,« sagte der Erbe von Kaltenstein, »so werden Sie die Bitte gerechtfertigt finden, die ich nunmehr auszusprechen wage. Ich möchte den Urhebern dieser mir so unschützbaren Ueberraschung danken und deren Namen kennen lernen.«

Dieser Wunsch mochte Zerline spaßhaft vorkommen, denn sie begann leise zu kichern, was Adolar auffiel, da er darin gerade keinen eclatanten Beweis guter Erziehung und gesellschaftlicher Etikette zu erblicken vermochte. Geldern aber erwiderte leichthin und mit bester Laune:

»Sie nennen mich einstweilen Hauptmann, Herr Baron. Damit verstoßen Sie nicht gegen die Wahrheit, denn wenn ich das Kriegshandwerk auch schon seit sehr langer Zeit nicht mehr betreibe, erhielt ich doch gründlichen Unterricht darin. Der lange Friede, dessen die Welt sich erfreut, hat viele Krieger außer Dienst gebracht, und einen solchen, mein werther Herr Baron, sehen Sie vor sich. Hat ein gutes Glas Wein erst unsere Lippen genetzt und unsere Herzen erwärmt, so sollen Sie auch meinen wahren Namen erfahren und ich bin gewiß, Sie werden vor Freude und Glück Luftsprünge machen wie ein Seiltänzer.«

Man war mittlerweile in das Nebenzimmer getreten, wo ein großer runder Tisch bereits mit den Gedecken belegt war. Vor jedem Gedeck standen mehrere Gläser von verschiedener Form und Größe. Um eine große Astrallampe gruppirten sich geschmackvolle Aufsätze, welche Früchte und süße Mandeln enthielten. Dunkler und heller Wein funkelte in geschliffenen Krystallflaschen.

Der angebliche Hauptmann außer Diensten zog die Schelle, worauf sogleich ein Kellner mit der Frage eintrat, ob die Herrschaften wünschten, daß das Souper aufgetragen werde?

»Wir warten mit Verlangen darauf,« erwiderte der Glücksritter, indem er seinen jungen Gast aufforderte, Zerline den Arm zu reichen und sie zur Tafel zu führen. Man nahm Platz, Geldern schenkte griechischen Wein in geschliffene Gläser, stieß mit Adolar an und sagte:

»Auf dauernde Freundschaft!«

Zerline mußte ebenfalls anstoßen und von dem feurigen Weine nippen.

Die Speisen, welche nun nach und nach aufgetragen wurden, machten der Küche des Hotelinhabers Ehre. Es war alles ausgesucht und tadellos zubereitet. Auch erfüllte sich schon nach den ersten Gängen die Voraussetzung des Hauptmannes außer Diensten. Man ward heiter, gesprächig und zu Mittheilungen aufgelegt.

»Apropos, Baron,« sagte Geldern, als der Kellner die erste Flasche Champagner entkorkte, »wer war denn Ihr schauerlicher Gefährte auf dem Maskenfeste? Sein Baschkirencostüm stand ihm verteufelt schlecht. In der Tracht eines Persers würde er sich ungleich besser präsentirt und ohne Zweifel auch Eroberungen gemacht haben.«

Adolar suchte eine directe Antwort dadurch zu umgehen, daß er höflich ausweichend bemerkte, soviel ihm bekannt sei, weile dieser sein Freund incognito hier und habe triftige Gründe, dieses Incognito womöglich vor jedermann aufrecht zu erhalten.

»Dann bescheide ich mich,« versetzte der Glücksritter. »Vor Menschen in Masken muß man ebenso sehr Respect haben, als sich vor ihnen in Acht nehmen. Bisweilen verdecken sie etwas, das uns nicht gefällt, oder stellen etwas vor, was ihnen nicht zukommt. Haben Sie in Ihrem Leben diese Erfahrung noch nicht gemacht?«

»Ich wüßte mich wirklich nicht zu erinnern, Herr Hauptmann.«

»Nun, dann werden Sie früher oder später ein Pröbchen davon zu kosten bekommen. – Köstliches Getränk, ein Glas echter Champagner! Tranken Sie ihn nie da, wo die Sonne die Trauben dazu reifen läßt?«

»Ich war noch niemals außerhalb der deutschen Grenzen,« erwiderte Adolar, mit Zerline, welche Geschmack an dem Schaumweine zu finden schien, anstoßend.

»Danken Sie dafür Gott und Ihrem Glücksstern,« fuhr Geldern fort. »Die Champagne ist trotz ihrer vortrefflichen Reben kein glücklicher Boden. Mich zum Beispiel hat sie ins Unglück gestürzt.«

»Wie das?« fragte Adolar. »Geriethen Sie daselbst vielleicht in Gefangenschaft?«

»Getroffen, auf Taille!« rief der Hauptmann lachend. »Ich gerieth dort zu verschiedenen malen in Gefangenschaft, und zwar waren es immer schöne Damen, die mich in Bande schlugen, und nachdem ich mich ritterlich ihrem Dienste gewidmet hatte, mich schließlich arm und hülflos wieder in die Welt hinausstießen.«

»Die Damen, mit denen Sie so Uebles nachsagen, würden sich wahrscheinlich sehr beleidigt fühlen, hörten sie eine so harte Anklage, die sie der Herzlosigkeit zeiht,« bemerkte Adolar.

»Nicht doch, Baron,« erwiderte der Glücksritter, »nachträglichen Charakters waren meine schönen Siegerinnen niemals, wohl aber häufig gar zu anhänglich. Namentlich viel zu schaffen machte mir und meiner Schwester die Coeur-Dame.«

Diese letzte Bemerkung entlockte dem bereits vom Genusse des Weines aufgeregter gewordenen Adolar ein Lächeln.

»Ah, nun verstehe ich erst, Herr Hauptmann!« versetzte er, sich selbst das Glas von neuem füllend. »Sie verbanden sich der Dame Fortuna, und diese launenvolle Schöne zog es vor, das Costüm öfters zu wechseln und Sie durch ihr interessantes Maskenspiel in einen versteckten Hinterhalt zu locken.«

»Sollten Ihnen Proben dieser Verlockung, die in der Regel mit zeitweiser Gefangennehmung endigen, nicht auch schon wenigstens zu Gesicht gekommen sein?« fragte Geldern weiter.

Adolar verneinte bestimmt.

»Spiel hat für mich keinen Reiz,« fügte er hinzu.

»Keinen Reiz!« rief Geldern. »Und Sie wollen ein Cavalier sein? Das ist völlig unmöglich! Ein Edelmann, der für diese noble Passion keinen Sinn hat, ist nur ein halber Edelmann!«

Adolar erröthete, denn er mußte seiner bürgerlichen Abstammung gedenken.«

»Mich dünkt, Herr Hauptmann,« erwiderte er in etwas gemessenem Tone, welcher durchblicken ließ, daß er die eben vernommene Meinungsäußerung nicht theile, »nicht die sogenannten nobeln Passionen machen das Wesen des echten Edelmanns aus, sondern die Art und Weise, wie er sich denselben hingibt. Mein Vater wenigstens hat mich immer gewarnt, kein Knecht dieser Passionen zu werden.«

»Ihr Vater!« sagte Geldern zerstreut. »Das kann ich denken. Wahrscheinlich hat er mit mir gleiche Erfahrungen gemacht, und was man gründlich kennt, darüber läßt sich am besten sprechen. Auf das Wohl Ihres Herrn Vaters!«

Adolar that gern Bescheid, aber er lächelte, als er den duftenden Wein behaglich ausschlürfte.

»Hab’ ich vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen?« fügte der Glücksritter, das Lächeln seines Neffen bemerkend, hinzu.

»Ich mußte nochmals an Ihren vorigen Ausspruch denken,« versetzte Adolar, »und finde, daß Sie vollkommen recht haben, das Incognito ein gefährliches Maskenspiel zu nennen. Indem ich auf das Wohl meines Vaters mit Ihnen anstieß, habe ich einen Todten leben lassen.«

»Einen Todten?« rief Zerline erschrocken aus.

»Baron von Kaltenstein ist gestorben?« fiel der Hauptmann ein.

»Der Baron lebt, aber mein Vater ruht längst im Grabe,« fuhr Adolar, wieder ernster werdend, fort. »Der Baron von Kaltenstein ist nur mein Adoptivvater.«

»Und wie hieß Ihr leiblicher Vater?«

»Geldern, wie meine Adoptivmutter,« versetzte Adolar. »Er war der Cousin dieser meiner zweiten Mutter. Ein Sturm auf dem Genfersee, den sie in leichtem Nachen befuhren, raubte meinen Aeltern das Leben.«

Der Glücksritter strich sich mit der Hand über die Stirn und schien aus den Perlen des Weines im wieder gefüllten Glase weissagen zu wollen.

»Haben Sie Beweise für diese Behauptung?« fragte er nach kurzem Sinnen. »Kannten Sie Vater und Mutter vor der von Ihnen erwähnten Katastrophe?«

»Ich war ein Kind von kaum einem Jahre, als jenes unglückliche Ereigniß sich zutrug.«

Zerline legte jetzt ihren schönen weißen Arm über die Lehne des Stuhls, begann, einen ihrer Füße gegen den Tisch stemmend, sich im Stuhle leicht zu schaukeln und summte dazu die Melodie eines bekannten Liedes, indem sie schelmisch den ausdrucksvollen Kopf wie verneinend hin- und herbewegte.

»Sie scheinen Zweifel in die Wahrheit meiner Worte zu setzen, mein Fräulein,« sagte Adolar, der sich noch mehr von dieser Bewegung Zerline’s als von dem sarkastischen Lächeln des Hauptmanns verletzt fühlte. »Glauben Sie vielleicht, ich habe die Absicht, Sie durch Märchenerzählungen unterhalten zu wollen?«

»Lassen Sie uns jetzt auf Ihr Wohl und auf das aller Redlichen anstoßen, versetzte Zerline’s Vater, eine ernste Miene annehmend, »und nun, junger Freund, beantworten Sie mir einige wenige Fragen. Denn mir scheint, es sei jetzt die Zeit gekommen, wo ich aus meinem Incognito hervortreten kann. Lebt ein Onkel, ein Bruder Ihres – Ihres Adoptivvaters?«

»Der Baron von Kaltenstein, dessen rechtmäßiger Erbe ich bin, ist ein einziger Sohn,« erwiderte Adolar.

»Ich kannte einen Baron dieses Namens und habe ziemlich lange mit ihm gelebt, in der Champagne, am Rhein, in der Schweiz. In Genf namentlich waren wir recht vergnügt zusammen und machten auch gute Geschäfte.«

Adolar warf die Lippe auf, indem er hochmüthig erwiderte: »Der Baron von Kaltenstein lebte stets als unabhängiger Edelmann und hat sich nie herabgelassen, irgendein Geschäft zu betreiben.«

»Ich habe mich eines nicht ganz richtigen Ausdrucks bedient,« sagte der Hauptmann. »Das, was wir, der Baron und ich, damals Geschäfte nannten, waren eigentlich Studien, sich in der Ausübung aller nobeln Passionen zu vervollkommnen. Wir galten für excellente Reiter, die Jäger sahen es nicht gern, wenn wir uns oft bei Jagden betheiligten, denn unsere Kugeln und Rehposten verfehlten selten ihr Ziel, und in der nobelsten aller Passionen, die noch dazu die älteste unter ehrlichen Abkommen der alten Germanen ist, im Spiel suchten wir unsersgleichen. Baron von Kaltenstein hat im Hazardspiel große Summen erworben, aber freilich, er brauchte auch viel, und bei ihm traf das Sprichwort nicht ein, daß, wer Glück im Spiel habe, desselben in der Liebe entbehre. Dem Baron hingen die Weiber an, als wüchsen ihm auf allen Fingerspitzen Kletten.«

Zerline, welche inzwischen ein Glas Champagner langsam ausgeschlürft hatte, begann in kindlicher Heiterkeit zu lachen, und ihr Vater, von dem amusanten Gegenstande, der ihn an glücklichere Zeiten erinnerte, fortgerissen, schien ebenfalls immer fröhlicher gestimmt zu werden. Nur Adolar blickte, obwohl die gerötheten Wangen eine immer mehr sich steigernde Aufregung verriethen, ernster bald den Hauptmann, bald dessen lustige Tochter an. Es ward ihm schwül im Zimmer und Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn.

»Es lebe das Glück, es lebe die Liebe!« rief der Glücksritter, eine neue Flasche entkorkend und in sprudelndem Bogen den schäumenden Wein in die Gläser gießend. »Seien Sie kein Duckmäuser, Baron! Genießen Sie den Augenblick und kümmern Sie sich nicht um das Vergangene! Was thut es Ihnen, wie Ihre wirkliche Mutter hieß, und ob Ihr wahrer Vater Sie aus Familienrücksichten einige Jahre verleugnete? Das ist Hunderten vor Ihnen passirt, und gerade in der vornehmen Welt könnte man derartige Quidproquos heimlich gepflegte noble Passion nennen.«

Adolar ergriff hastig das volle Glas und leerte es auf einen Zug. Die Blicke des Vaters und der Tochter begegneten sich.

»Kennen Sie meine Mutter, Herr – Herr Hauptmann?« fragte er ungestüm.

»Geldern ist mein Name,« fiel dieser lächelnd ein, »Sandomir Geldern, und da ich vor etwa vier Monaten meine einzige Schwester auf Schloß Kaltenstein noch in Person gesehen und gesprochen habe, so muß ich Ihre Mutter doch wohl kennen.«

»Cousin, umarme deine Cousine!« rief jetzt aufspringend Zerline. »Ich liebe dich, wie es nahen Verwandten zukommt, und Liebe nur war es, die mich veranlaßte, dich so anmuthig eine Woche lang zu täuschen!«

Adolar hatte seinen Sitz ebenfalls verlassen, er sah aber nicht fröhlich aus wie die glückliche Zerline, die mit ausgebreiteten Armen auf den Zehen gegen ihn herantänzelte. Sein Gesicht war bleich, fast aschfarben geworden, er streckte seine Hand gegen die zarte Gestalt aus, die sich ihm zuerst in der Maske der Gräfin Plater genähert hatte, und als sie ihn jetzt wirklich umfangen wollte, wich er zurück und hob mit funkelnden Blicken drohend das leere Glas gegen sie auf.

»Hinweg!« rief er mit bebender Stimme, »Hinweg, oder ich könnte mich vergessen!«

»Fahre beileibe nicht aus der Haut, guter Junge!« sprach Geldern vertraulich, indem er sich das leere Glas von neuem vollgoß. »Ich will es zwar gern glauben, daß dir einige der vortrefflichen Eigenschaften, durch welche deine Mutter sich von jeher auszeichnete, im Blute stecken, obwohl du gleich nach deiner obscur erfolgten Geburt die Milch einer derben drallen Sennerin getrunken hast, von der ich behaupten kann, daß sie mir eine Zeit lang recht gewogen war; deinem Onkel gegenüber aber mußt du dich durchaus geziemender Selbstbeherrschung befleißigen. Nimm also Vernunft an, Adolar, umarme deine Cousine, und wenn du sie mehr als einmal recht zärtlich küssen willst, gebe ich dir mein Wort als vernünftiger Vater, du sollst deshalb von mir keine Vorwürfe hören! Nur Ruhe bitte ich mir aus, sonst könnte dies fröhliche Erkennungsmahl unangenehme Folgen für dich haben! ... Da! Trink aus, damit die natürliche Farbe der Jugend wieder auf deine Wangen zurückkehrt! Es leben die Ueberraschungen!«

Sandomir Geldern erhob sich, um Adolar Wein einzuschenken, dieser aber schleuderte das Glas auf den Boden, daß es in hundert Stücke zersprang. Die braunen lockigen Haare hingen gefeuchtet um das bleiche Gesicht des Erschrockenen, vor dessen Füßen die Erde sich zu öffnen schien, um ein wirres Gewühl gespenstischer Schatten gegen ihn zu entsenden.

»Es ist Lüge, schändliche Lüge, und mit Ihrem Leben sollen Sie dafür büßen!« rief er mit verhaltenem Grimme aus.

»Lieber Neffe,« sagte Geldern gelassen, nach einer Feige langend und diese mit Appetit verspeisend, »bilde dir nicht ein, daß du klüger seist als deine schlaue Mutter und dein vom Leben geprüfter Onkel. Ich habe mehr Prüfungen überstanden, als ich Jahre zähle, und bin stets mit den allerbesten Zeugnissen aus denselben entlassen worden. Hast du Lust, einen Gang mit mir zu wagen, gut, hier sind die Waffen, auf die ich mich in dieser Angelegenheit schlage. Wir theilen ehrlich Sonne und Wind, setzen uns gegenüber, zechen und tauschen unsere Ansichten aus, und deine Cousine soll die Erlaubniß haben, dir als Secundant beizustehen, während ich meine Klinge auf eigene Faust schlagen will ... Halt, Neffe, nicht von der Stelle! ... Hier wird Ordre parirt, denn du bist mein Gast!«

Geldern ergriff Adolar’s Arm und zog ihn zurück zum Tische, wo er ihn kräftig auf den Stuhl niederdrückte. Dann verschloß er die Nebenthür und steckte den Schlüssel zu sich.

»Ich trage mich nicht mit halsbrecherischen Gedanken, lieber Junge,« fuhr er fort, »nur unnöthige Zeugen und überflüssige Horcher will ich fern halten. Wir sind unter uns und genügen uns vollkommen. Damit dir aber bei meinen fernern Unterhaltungen die Zeit nicht lang wird, mag Zerline dir etwas vortanzen. Sie stammt nicht umsonst aus polnischem Blute und ist eine Meisterin im Mazurek. Geschwind, kleine Hexe, zeige deine Künste! Soll dein Vetter weniger achtungsvoll behandelt werden, als anderes junges Volk, das doch nur seinen Spaß bei deinen graziösen Schwenkungen hatte?«

Adolar war wie berauscht. Ihm klopften die Schläfe, sein Herz zitterte, die Hand krampfte sich zusammen, und doch besaß er nicht den Muth, mit Gewalt sich den Schlingen zu entreißen, mit denen dieser fürchterliche Mensch, der sein rechtmäßiger Onkel zu sein vorgab, ihn umgürtete. Auch vermochte er der lieblich lächelnden Zerline, die schon ihre Zaubertänze begann, nicht zu zürnen. So lehnte er denn, halb niedergehalten von den Eindrücken der vernommenen Mittheilungen, halb wie von schweren Träumen befangen, in seinem Sessel und starrte den immer lächelnden Hauptmann offenen Auges in die weingerötheten Züge.

»Wir müssen einen Pact zusammen schließen, Adolar,« hob Geldern aufs neue an, während Zerline bald einige graziöse Pas ausführte, bald ein Lied summte, und von Zeit zu Zeit auch dem erheiternden Weine zusprach. »Deine Aeltern, das heißt der Baron von Kaltenstein und meine leibliche Schwester Clotilde, haben sich verabredet, mich, ihren einzigen Verwandten, ebenso schlecht zu behandeln wie dich, als du noch Kind warst, und von allem, was mit dir vorging, nichts wußtest. Von jeher war ich dein Freund, dein liebevoll um dich besorgter Onkel, der dir die Stange hielt und für dich und dein Recht sein eigenes Glück in die Schanze schlug. Ohne mich, wer weiß in welchem Waisenhause, in welcher sogenannten Erziehungsanstalt unehelicher, zur Unzeit auf die Welt gekommene Sprößlinge du zum Cretin verkrüppelt sein würdest!«

Bei diesen Worten sprang Adolar auf und faßte krampfhaft die Hand Geldern’s.

»Sie häufen Schmähung auf Schmähung, Entehrung auf Entehrung, Herr Hauptmann!« sprach er, seiner selbst kaum mächtig. »Nicht genug, daß Sie mich den Sohn einer Frau nennen, die mir nie Liebe einflößte, der ich aber Achtung zu zollen jederzeit bereit war, machen Sie mich jetzt auch noch zum Bastard! Gegen solche Verleumdungen habe ich augenblicklich keine Waffe, aber bei meinem Ehrenwort, Sie sollen der verdienten Züchtigung nicht entgehen, wenn es mich auch Verwandte, Vermögen, ja, wenn es mich das Leben kosten sollte!«

»Du verkennst ganz und gar meine Absicht, lieber Neffe, und plusterst da Zeug heraus, das weder Sinn noch Verstand hat,« entgegnete Geldern, der sich von der Heftigkeit Adolar’s nicht eine Secunde lang aus seiner Ruhe bringen ließ. »Danken wirst du mir, nicht mich zur Rechenschaft ziehen, mein Junge; willst du aber schlechterdings an irgendjemand Rache nehmen, so magst du dir für dies Geschäft eine andere Persönlichkeit als mich aussuchen, die ich dir indeß nicht näher bezeichnen will. Ehe man urtheilt, muß man etwas wissen. Das ist ein Satz, den jeder begreift, der seine fünf Sinne beisammen hat. Ich will dich wissend machen, darum spreche ich ohne Umschweife. Aber zu Herzen laß ich mir die Worte nicht gehen. Folge du meinem Beispiele, und du wirst dich vortrefflich dabei stehen. Und nun höre weiter!«

Adolar leerte ein Glas, das Zerline ihm credenzte. Dann kreuzte er die Arme über der Brust und sah den Mann, der sich seinen Oheim nannte, mit glühenden Augen an. Sandomir Geldern fuhr fort:

»Meine Schwester Clotilde liebte mich früher und wir konnten für ein musterhaftes Geschwisterpaar gelten. Bald aber traten Umstände ein, die es nöthig machten, gegenseitig unsern Vortheil im Auge zu behalten. Diese Umstände kann ich indeß mit Stillschweigen übergehen, da sie für dich gar kein Interesse haben. Es war dies vor der Bekanntschaft Clotildens mit dem Baron von Kaltenstein. Diese Bekanntschaft hab’ ich verschuldet, und das ist wohl auch der Grund, weshalb es mir jetzt so selten nach Wunsch geht. Kaltenstein war damals ein junger, wilder Lebemann, der nichts lieber ausübte als tolle Streiche. Er hatte sich mit seinem Vater überworfen, war auf gut Glück in die Welt gegangen und hielt sich nun an gescheidte Leute, von denen er etwas Rechtes profitiren konnte. Nach Rang und Abstammung fragte er nicht. So lernte ich den Baron, der Baron mich kennen, und ich half ihm durch kluge, heimische Anweisungen aus drückender Verlegenheit. Weißt du, lieber Neffe, wie einem zweibeinigen, nach dem Ebenbilde Gottes gerathenen Geschöpfe zu Muthe ist, wenn es kein Geld, wohl aber einen sehr guten Appetit und für alles Geschmackvolle, Schöne, Unterhaltende Sinn und Verstand hat?«

»War der Baron von Kaltenstein etwa jemals ein Bettler oder mußte er von anderer Wohlthaten sein Leben fristen?« warf Adolar in etwas wegwerfendem Tone ein.

»Weder das eine noch das andere, lieber Neffe,« antwortete Geldern, »aber er fand es nicht unehrenhaft, von Gewitzigtern Rath anzunehmen. Gewitzigter als der Baron war ich damals und deshalb machte ich ihn bekannt mit einer Gesellschaft, die ihm sehr wohl behagte, weil das Dichten und Trachten aller, die sich ihr anschlossen, oder die in ihrer Mitte Aufnahme fanden, die Verehrung, Anbetung und Fortbildung des Glückes war. Wir nannten uns selbst die Ritter vom Glück und wir legten uns aus freiem Entschlusse sehr strenge Gelübde aus, die wir alle zu erfüllen uns angelegen sein ließen. Weil wir aber nebenbei auch dem Cultus der Schönheit huldigten, durften ausgezeichnete Damen unserm Bunde nicht fehlen. Eine dieser hervorragendsten Damen war meine Schwester Clotilde, über deren Liebenswürdigkeit es nur eine Stimme gab. Baron von Kaltenstein ward aus Neigung ihr Ritter, aber Clotilde spielte die Spröde und beide spannen keine Seide miteinander. Es sind mir in meinem vielbewegten Leben keine andern zwei Menschen vorgekommen, die sich einander so ungenirt ihre Fehler vorgerechnet und ihre Tugenden angepriesen hätten. Baron von Kaltenstein fand trotzdem, Clotilde sei ein begehrenswerthes Mädchen, und gerade weil meine Schwester eigensinnig eine gleiche Ansicht von dem Baron nicht hegte, verabredete er mit mir einen Plan, dem ich seiner Originalität wegen meine Zustimmung ertheilte. Alles Originale, mußt du wissen, hat mich von jeher förmlich bezaubert. Ich fiel ihm gleichsam als Sklave anheim, wenn ich mich auch manchmal lange dagegen sträubte. Gegen den Plan des Barons habe ich mich aber nicht gesträubt, denn ich fand ihn nicht blos höchst originell, sondern auch für mich und Clotilde äußerst gewinnbringend. Besitzest du Scharfsinn genug, um das Weitere zu errathen? Ich spreche nämlich von dem, was nun folgt, nicht gern, weil es mir statt Vortheil nur Nachtheil, wenigstens bis auf diese Stunde gebracht hat.«

»Ich habe keine Lust, meinen Witz anzustrengen, um der Entdecker wahrscheinlich einer Schlechtigkeit zu werden,« sagte Adolar, der bei dem gelassenen, meistentheils lächelnd gehaltenen Vortrage Geldern’s äußerlich mehr und mehr ruhig geworden war.

»Dann freilich zwingst du mich, dir den Witz, den Baron von Kaltenstein machte, noch mitzutheilen,« sagte Sandomir Geldern. »Wie du jetzt bereits errathen haben wirst, lebten wir ein recht angenehmes Leben, weil wir als echte Gentlemen und galantuomini die Zeit spielend verbrachten. Der Baron hatte meistentheils Glück und die Trennung von den schönen Fluren seiner Heimat und den zornigen Blicken seines etwas rüden Vaters fiel ihm durchaus nicht schwer. Er hatte sich ein ganz artiges Vermögen erspielt und machte als Cavalier ein Haus. Ich leistete ihm oft Gesellschaft, Clotilde aber weigerte sich stets, mich zu begleiten. Es verdroß dieser Eigensinn mich nicht weniger als den Baron, und auf diesen Verdruß baute letzterer seinen Plan. Der Geliebte meiner damals sehr schönen Schwester, übrigens ein ganz artiger Mann von feinen Manieren und ebenfalls adelichen Stamms, war von mir systematisch gerupft worden und steckte bis über die Ohren in Schulden. Clotilde, an ein verschwenderisches Leben gewöhnt, litt darunter, und – merke dir das für die Zukunft, lieber Neffe – wenn die Börse leer wird, beginnt in der Regel Amor zu frieren! Meine Schwester ward also gegen Nicanor im Winkel – so nannte sich dieser Ritter vom Glück – anfangs kühl, zuletzt kalt. Da erhielt er von dem Baron eine Einladung zum Spiel; mir und meiner schönen Schwester ward eine gleiche zu Theil. Wir alle nahmen die Einladung an, fanden im glänzend eingerichteten Hause des Barons – unsere Residenz hatten wir damals gerade in Genf aufgeschlagen der vielen reichen Fremden wegen, die sich daselbst aufhielten – eine noch glänzendere Tafel und die beste Gesellschaft, und nachdem die Geister den entsprechenden Grad von kecker Lebenswärme aus Speise und Trank eingeathmet hatten, reichten wir uns, den selbst gegebenen Gesetzen uns fügend, die Hände, um der Erfüllung unserer Gelübde uns zu unterziehen. Wir spielten, spielten hoch und mit Leidenschaft, Nicanor hatte Glück, er gewann schnell und bedeutend. Bald aber schlug das Glück durch die talentvolle Gewandtheit des Barons von Kaltenstein um, der Gewinn des Geliebten meiner Schwester kehrte zu dem Bankhalter zurück und Nicanor stand auf dem Punkte, wo ein Mann von Ehre entweder aufhört zu leben, oder zu einer außergewöhnlichen, genialen Handlung sich befähigt fühlt.

»›Wollen Sie weiter spielen, Herr im Winkel?‹ fragte Baron von Kaltenstein den völlig Geplünderten mit eisiger Kälte.

»›Ich bin ein Bettler – der See wird mein Grab werden,‹ lallte der Entsetzte.

»›Das Glück kann sich ja wenden, wenn Sie nur Muth haben,‹ lautete des Barons Antwort.

»›Ein Bettler hat keinen Muth!‹

»›Sie sind aber kein Bettler!‹

»Nicanor im Winkel stieß einen schreiartigen Ton aus.

»›Sie besitzen einen Schatz, um den Könige Sie beneiden,‹ fuhr der Baron fort. Die Bank gegen diesen Schatz! Es sind hunderttausend Franken, die ein Augenblick des Glücks Ihnen zuwerfen kann. Wollen Sie?‹

»›Topp!‹ rief Nicanor, vom Dämon des Spiels erfaßt. ›Topp! Nennen Sie den Schatz, den Sie meinen!‹

»›Ihre Dame,‹ sagte der Baron von Kaltenstein lächelnd, indem er sich verbindlichst gegen meine Schwester verbeugte. Ich sah, wie Clotilde erblaßte – Nicanor aber ergriff die Karten und mischte sie mit fliegender Hast. – Einige der Anwesenden wollten es nicht zugeben

– sie widersetzten sich – sie nannten den Einsatz ein Verbrechen ... Der Baron aber und Nicanor hörten nicht. Während ich die Eifernden zu beschäftigen, das Ganze als einen bloßen Scherz darzustellen suchte, folgte Clotilde marmorbleich dem Fall der Karten ... neuf et quatre ... cinq et dix, valet et dame! ... Nicanor hatte verloren ... Meine Schwester war durch das Glück des Spiels in den Besitz des Barons von Kaltenstein übergegangen!«

»Aber das ist ja satanisch!« rief Adolar aus. »Die Gesetze aller civilisirten Staaten verbieten eine solche Frivolität, die mit dem Heiligsten Scherz treibt, und das höchste Gut gebildeter Menschen, die persönliche Freiheit dem Zufall anvertraut!«

»Mein lieber Junge,« versetzte Geldern, »in der großen und vornehmen Welt, wie in jener Gesellschaft, die ein doppeltes Gesicht hat, von dem eins dem Antlitz der Vornehmheit wie aus den Augen geschnitten ähnlich sieht, das andere sein Ebenbild in Zuchthäusern und auf Galeren wiederfindet, geschehen viele Dinge, die auch von den weisesten Gesetzgebern nicht vorgesehen wurden. Uebrigens pflegt sich das Gesetz nicht in Privatangelegenheiten zu mischen. Der Baron machte Gebrauch von seinem durch Spiel erworbenen Recht. Im Tumult der Widersprechenden wußte er die besinnungslose Clotilde zu entfernen. Sie war verschwunden, als Nicanor aus seiner dem Wahnsinn nahen Betäubung wieder zu vollem Bewußtsein erwachte. Da ich fürchten mußte, sein Zorn werde sich jetzt gegen mich wenden, machte ich mich ganz im stillen aus dem Staube. Dasselbe hatte schon früher der Baron mit seiner Dame gethan. Man spürte ihnen vergeblich nach, ich aber fand sie nach einiger Zeit wieder, und da Clotilde inzwischen doch zu der Einsicht gekommen war, es lasse sich das Leben mit einem begüterten Baron ungleich heiterer an als mit einem Ritter vom Glück ohne jeglichen Besitz, so fand ich sie in ihr originelles Schicksal still ergeben. Der Baron von Kaltenstein aber theilte mir triumphirend mit, daß ihm von jetzt an Clotilde kein Mensch mehr entreißen könne. Er sagte die Wahrheit, denn zehn Monate später ward ihm in einer Hütte des Schwarzwaldes ein Sohn geboren. Am Tage, als wenige Wochen später die Hand meiner noch schöner, nur auch etwas stiller gewordenen Schwester der Priester in die des Barons legte, wurde der Sprößling dieser originellen Liebe in derselben Kirche Adolar getauft, und ich war, neben einem Köhler und dessen Frau, der dritte gesetzliche Taufzeuge. Um mir einen Beweis zu sichern, der nöthigenfalls vor Gericht beigebracht werden und das Gesagte als wahr bestätigen könnte, habe ich Trau- und Taufschrift in duplo ausfertigen lassen. Ich besaß damals leidlich viel Geld, und für Geld kann man den Teufel tanzen, warum nicht einen armen Pfaffen doppelte Zeugnisse ausstellen lassen. Hast du Lust, diese Documente einzusehen, in denen du den Ursprung deines eigenen Lebens entdecken wirst, so bin ich gern erbötig, dir dieselben als liebender, stets auf dein Wohl bedachter Oheim zu produciren.«

Je länger Sandomir Geldern in seiner nachlässig frivolen Weise sprach, die er stets zur Schau trug und die ihm durch ein langes abenteuerliches Leben zur andern Natur geworden war, desto mehr steigerte sich die Aufmerksamkeit des jungen Kaltenstein. Adolar war weder schlecht von Herzen noch von Charakter. Ihm hafteten nur die Fehler einer vernachlässigten Erziehung an, und wenn er arrogant, ja selbst brutal auftrat, so waren ihm diese Untugenden vom Vater angeflogen, der nach Uebernahme seiner Güter sich im Besitz bedeutenden Grundeigenthums befand und als alter Landedelmann sich über die meisten Menschen hoch erhaben dünkte.

Hatten die wegwerfenden Bemerkungen des angeblichen Hauptmanns außer Diensten Adolar anfänglich verletzt und seinen Stolz beleidigt, so erfüllten ihn alle weitern Mittheilungen desselben später mit Ingrimm gegen diejenigen, die er bisher für seine Wohlthäter aus reinster Uneigennützigkeit und Menschenliebe gehalten hatte. Dieser fremde Mann, der sein Oheim zu sein vorgab, machte ihm Eröffnungen, die ihn zwangen, vor seinen eigenen Aeltern zu erröthen. Sprach Geldern die Wahrheit, so hatte er das vollkommenste Recht, als Ankläger gegen den eigenen Vater aufzutreten und diesen zur Rechenschaft zu ziehen. Man hatte ihm vorgelogen, er sei die mittellose Waise früh verstorbener Aeltern, was ihm als natürliches Recht zukam, mußte er devot dankend für ein Geschenk der Großmuth halten. Die Aeltern schämten sich seiner, darum gaben sie ihn für das Kind Fremder aus und übertrugen auf ihn die Rechte eines wirklichen Sohnes erst durch eine bürgerliche Rechtsformel.

Da Geldern mit großer Genugthuung bemerkte, daß sein Neffe in tiefes Nachdenken versank, glaubte er zu noch weitern Auslassungen befugt zu sein. Er nöthigte Adolar abermals ein volles Glas auf und stieß mit ihm an.

»Diesen sprudelnden Wein wollen wir zusammen genießen auf dein Wohl und dein zukünftiges Glück, mein Junge!« sprach er. »Ich habe mich schon lange gesehnt, dir so recht vertraulich ins Auge schauen zu können. Du blickst ganz so wie deine selige Großmutter, und auch das Haar hast du von ihr geerbt. Wie oft spielte ich als Knabe mit ihren langen duftigen Locken, wenn sie mich unter Thränen auf ihren Knien wiegte. Sie war auch nicht glücklich, die arme, im Leben ruhelos herumgehetzte Mutter, und manchmal glaube ich wirklich, das Unglück, das mir so brüderlich treu zur Seite bleibt, hat sich von ihr auf mich vererbt.«

Geldern nahm während dieser Worte die Miene eines Mannes an, der in Rückerinnerungen sich versenkend, weichmüthig gestimmt wird. Diese veranlaßte Zerline, sich dem Vater zu nähern und ihm zu schmeicheln, was sie mit bestechender Liebenswürdigkeit that. Adolar vermochte sein Auge von der geschmeidigen, in ihrem kokett geschmackvollen Anzuge ungewöhnlich anmuthigen Gestalt nicht wieder abzuwenden, und er fand, daß sie wirklich mehr als hübsch sei. Das Wohlgefallen Adolar’s an seiner Tochter entging dem scharfen Blicke Geldern’s nicht und er beschloß sogleich, auch diesen günstigen Moment nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen.

»Deine Aeltern haben dich und mich beleidigt, lieber Neffe,« fuhr er fort, »und deshalb sind wir beide natürliche Bundesgenossen, die sich zu einigem, gemeinsamem Handeln die Hände reichen müssen, nicht um sie zu vernichten, sondern um sie zu zwingen Gerechtigkeit zu üben. Komm, mein Junge, und laß dir erzählen, wie abscheulich man deinem Oheim mitgespielt hat! Vorher aber noch einen Schluck duftenden Weins, damit uns die gute Laune nicht abhanden kommt.«

Adolar widersprach nicht. Die Geister des Weins, die bereits von ihm Besitz genommen hatten, begannen mit den Dämonen zu liebäugeln, welche Zorn und Ingrimm in ihm wach riefen. In seinen finstern Blicken lag die stumme Aufforderung an Geldern, er solle in seinen Mittheilungen fortfahren.

»Clotilde, deine Mutter, ist durch meine Mitwirkung, wie du jetzt weißt, aus einer schönen fahrenden Dame eine vornehme Baronin geworden,« sagte Sandomir. »Sie übte sich auf die neue Rolle ein mit dem ihr eigenen Talent, und ich muß bekennen, sie hat mir und sich selbst in dieser Beziehung keine Schande gemacht. Nur ward sie leider, als ihr Glück und ihre Stellung gesichert war, recht hochmüthig. Am wenigsten mochte sie leiden, daß man sie an ihre Vergangenheit erinnerte. Deshalb lag sie dem Baron so lange an, bis dieser unter dem Vorgehen, den Hausfrieden aufrecht zu erhalten, mir einen schön gepackten Reisekoffer übersandte, mich seiner Ansicht nach reichlich mit Geld ausrüstete und mir durch seinen damaligen Kammerdiener glückliche Reise auf Nimmerwiedersehen wünschen ließ. Meine Frau Schwester würdigte mich keines Blickes. Ich mußte gehen, ohne ihr Adieu sagen zu können!

»Dies ungeschwisterlich lieblose Verfahren betrübte mich tief. Ich hatte die Schwester erhöht, wenn auch wider ihren Willen, und zum Dank dafür verstieß sie mich, überließ sie mich einer unsichern Zukunft, einem sehr, sehr schwierigen Lebenswandel. Geld freilich besaß ich, aber der Lockvogel, der mir Gimpel heranpfeifen sollte, damit sie das Vorhandene vermehren hülfen, war mir in Clotilde entflohen! So kam alles wie ich von Anfang an vermuthete. Das Glück überschlug sich vor meinen Füßen und warf mir immer nur den Staub, den es bei diesen drolligen Experimenten aufregte, in die Augen. Von seinen reellen Gaben bekam ich wenig zu sehen und zu fühlen.

»Was ließ sich nun unter so bewandten Umständen thun? Der Himmel beschenkte mich mit diesem inzwischen zum Engel meines Lebens herangewachsenen Töchterchen. Flügel hatte des Kindchen leider nicht, aber es brauchte Kleider und zeigte alsbald trefflichen Appetit. Ueberhaupt entwickelte Zerline schon frühzeitig eine Menge seltener Talente, die das Fortkommen in der Welt sehr befördern helfen. Die Tante hatte ihr dies Angebinde wider Wissen und Willen in die Wiege gelegt, und diese Entdeckung veranlaßte mich, sie und den Herrn Baron von dem frohen Evenement zu benachrichtigen, womit ich die Anfrage nach Geld verband. Letztere mußte meinerseits dreimal wiederholt werden, ehe die harthörigen Leute auf Schloß Kaltenstein mich verstanden. Die endlich erfolgende Antwort enthielt allerhand widerwärtige Allotria, von denen mir das allerwiderwärtigste die kategorische Forderung des Barons war, meinen Namen abzulegen, nie wieder etwas von mir hören zu lassen, am wenigsten aber es jemals zu unternehmen, in Kaltenstein einen Besuch machen zu wollen!

»Unterhandlungen, welche ich nunmehr anknüpfte und die sich jahrelang fortzogen, brachten mir von Zeit zu Zeit ein Geschenk ein, wie man es lästig werdenden Bettlern brummend hinwirft, nur um sie sich von der Thür zu halten. Ich hatte jedoch übermenschliche Geduld und hoffte von Jahr zu Jahr auf eine Sinnesänderung. Endlich erkundigte ich mich nach dir, meinem Pathen, und begehrte dich zu sehen, damit du doch endlich deinen Onkel und deine so niedlich aufgeblühte Cousine kennen lerntest. Damit hatte ich aber dem Fasse den Boden ausgeschlagen. Ich erhielt einen förmlichen Ausweisungs- oder Verbannungsbefehl mit der beigefügten Drohung, daß mir die unangenehmsten Dinge bevorständen, falls ich auf meinem Entschlusse beharren sollte!

»Mit Drohungen, lieber Neffe, hat man bei mir nie etwas ausgerichtet. Anstatt also grob zu werden, wozu ich vollkommen berechtigt gewesen wäre, schrieb ich in höflichen Wendungen zurück und meldete einfach den Tag meiner Ankunft. An Pünktlichkeit gewöhnt, säumte ich keinen Augenblick. Ich reiste in Begleitung dieses lieblichen, stets heiter gestimmten Schutzengels vom Oberrhein Tag und Nacht, und wäre genau am 2. November vor Sonnenaufgang in Schloß Kaltenstein eingezogen, hätte nicht ein seltsames Abenteuer uns unterwegs etwas aufgehalten und später sehr schlechtes Wetter unser Fortkommen abermals verzögert. So geriethen wir in dichte Waldung unter zankendes Gesindel. Ich vermuthe, daß Wilderer mit Jägern in Streit gerathen waren und daß zuletzt der eine oder der andere sich durch das Abfeuern seiner Büchse aus der ihm drohenden Gefahr zu befreien suchte. Tags darauf sprach ich deinen Herrn Vater und deine Frau Mutter, und beide haben mich und Zerline recht artig behandelt, bis ich die alten Geschichten aufs Tapet brachte.«

»Sie haben den Baron und die Frau Baronin von Kaltenstein wirklich gesprochen?« unterbrach den Erzählenden jetzt Adolar.

»Sogar mit ihnen zu speisen ward uns vergönnt,« erwiderte Geldern. »Nach Tische jedoch traten wieder Mishelligkeiten zwischen uns ein, und ohne den lieblich lächelnden Schelm hier, der deinem Vater gar nicht übel gefiel, was er freilich nicht merken lassen durfte, hätte mir die erbitterte Schwester wohl in sehr unsanfter Weise die Thür zeigen lassen. Ich erhielt ein kleines Reisegeld, das ich dazu anwendete, die Lücken in unserer Garderobe auszufüllen, Göttin Fortuna einigemal bescheiden die Aufwartung zu machen und den Spuren meines lieben Neffen nachzugehen. Du hast mich verteufelt viel Geld gekostet, Herzensjunge, denn wenn ich dich erwischt zu haben glaubte, warst du schon wieder verschwunden, bis uns denn die verwandtschaftliche Neigung nach geselligen, recht ungenirten Vergnügungen auf dem Maskenfeste im Volksgarten endlich glücklich zusammenführte.«

Adolar schien mit einem Entschlusse zu kämpfen. Er war aufgeregt, und gab sich doch ersichtlich Mühe, ruhig zu erscheinen. Geldern konnte ungeachtet seiner scharfen Beobachtungsgabe nicht ermitteln, ob der junge Akademiker seinen Worten Glauben schenke.

»Sie erwähnten eines Vorfalls im Walde, der mit einem Schusse endigte,« sagte er, als Geldern eine Pause machte. »Haben Sie nie erfahren, ob jener Schuß einen Menschen verletzte?«

Der Onkel warf dem Neffen einen sehr schlauen Blick zu.

»Ich verweilte nur einen halben Tag auf Schloß Kaltenstein,« versetzte er lächelnd, »und da ich andere wichtige Dinge mit deinem Vater zu verhandeln hatte, ist zwischen uns von meinem erlebten Abenteuer gar nicht die Rede gewesen.«

Adolar schwieg. Eine Flut von Gedanken wogte in seiner Seele; er wußte nicht, sollte er dem angeblichen Oheim die Hand reichen oder ihm gleich den Besitzern von Kaltenstein, deren Namen er trug, den Rücken kehren. Da gedachte er des Makels, der auf seiner Geburt haften sollte, und aufs neue warf der Zorn des beleidigten Ehrgefühls sprudelnde Blasen in ihm auf.

»Sie sprachen von Rache,« sagte er, »wir wäre es, Herr Hauptmann, wenn Sie das Racheamt mir übertrügen?«

»Dir?« versetzte Geldern gedehnt. »Man rächt sich schlecht, wenn man den Eingebungen erregter Augenblicke folgt. Zu wirksamer Rache sind Ruhe, Ueberlegung, Kälte erforderlich.«

»Sind Sie im Besitz der Papiere, von denen Sie sprachen?« forschte Adolar weiter.

»Wenn du dich nicht schämst, unser bescheidenes Logis in der Vorstadt aufzusuchen, kannst du sie morgen in aller Ruhe einsehen.«

»Ich werde nicht auf mich warten lassen,« fiel Adolar rasch ein und reichte dem Oheim die Hand. »Finde ich dann, daß Sie recht haben, daß Sie es redlich mit mir meinen, so bin ich Ihr Bundesgenosse, und bei meiner gekränkten Ehre, Sie sollen sich einen zuverlässigern nicht wünschen!«

»Der ganze Vater, wenn der Edelmuth ihn berauscht,« sagte Geldern mit zufriedenem Lächeln. »Also auf morgen, lieber Neffe! Den Schelm da, dem bei unserm Geplauder die Zeit lang geworden ist, und der von den Geistern des Champagners in süße Träume gelullt wird, triffst du hoffentlich in bester Laune bei mir. An Beweisen, die dich in Harnisch bringen, soll es nicht fehlen! – Doch sprich – wie steht es hier? Das Souper war vorzüglich, der Wein superb! Die Geschichte, fürchte ich, kommt etwas höher zu stehen, als es mir lieb ist, borgen aber – du weißt ...«

»Ohne Zweifel, Herr Hauptmann, es wäre nicht anständig, wenn wir einen so höchst prosaischen Zettel, den man Rechnung nennt, nicht zu voll bezahlen wollten. Erlauben Sie, daß ich diese Kleinigkeit berichtige. Es ist eine Abschlagszahlung, die Ihnen gutgeschrieben wird, sobald wir einig geworden sind.«

»Prächtiger Junge, auf Taille!« rief Geldern. »Komm, gib mir einen Schmatz! Daran allein schon erkenne ich, daß du mein Neffe bist! Mein längst begrabener Vater bezahlte die unerschwingbarsten Summen, sobald er sie wirklich schuldig war, und hätte er sie einem andern mit Gefahr seines Lebens stehlen sollen!«

Adolar ließ sich die Umarmung des so unerwartet gefundenen Oheims gefallen, warf noch einen Blick auf seine schöne, im Schlafe schelmisch lächelnde Cousine und verabschiedete sich von Geldern mit den scharf betonten Worten:

»Auf morgen!«


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