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Nur dann, wenn er das Bild beseelen könnte, Das Werk der Zauberkunst, woran der Sterne Schluß Ihr Schicksal band und seines, dann vergönnte Die Hoffnung ihm der spröden Schönen Kuß, Von der er sich, es aufzusuchen, trennte. Amöne, die dieß Bild im Dom bewachen muß, Läßt sich, da Idris kommt, vom Liebesgott erhaschen, Und will, zu beider Lust, den Ritter überraschen. |
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Aus allem scheint, daß jene Klausel ihr Verborgen war. Doch, dem sey wie ihm wolle, Uneingedenk, daß man vollenden solle Was man begann, sah sie zu spät die Ungebühr Der allzu rasch auf sich genommnen Rolle. Stolz war's, nicht Tugend, was die lockende Begier In diesem Busen übermochte, Der unter Idris Mund von ihren Seufzern pochte. |
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Nun büßt sie ihr Vergehn. Der Ritter, dem die Liebe Zenidens Bild so warm, so glühend, so beseelt, Mit Augen, deren Feu'r dem Sieger kaum verhehlt Daß nur die Scham sein nahes Glück verschiebe, Stets vor die Stirne mahlt, und durch die stärkern Triebe Sein tapfres Herz zu jeder Probe stählt, Der Ritter fühlt nur schwach, was seine Treu', ich wette, Zu einer andern Zeit ganz überwältigt hätte. |
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Amöne sieht, (denn ihr Geschlecht Hat, wie man weiß, für solche Dinge Den sechsten Sinn) sie sieht was ihre Reitze schwächt, (Ihr eignes Werk!) und zürnt mit bestem Recht Auf sich allein; sie liegt allein in ihrer eignen Schlinge. Doch, daß sie nach und nach ihn zum Gehorsam bringe Zu zweifeln, fällt ihr gar nicht ein; Sie kennt das Herz zu gut, so kleines Muths zu seyn. |
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Mit schlauer Kunst verbirgt sie ihm, und allen Die um sie sind, den Zweck ihm zu gefallen: Zwar folget Fest auf Fest; man höret nichts als Scherz, Musik und Tänz' in ihrem Schloß erschallen, Doch ohne daß es schien, man wolle an sein Herz. Den Vorwand gab der Trübsinn und der Schmerz Der auf der Stirn ihm saß, und welchen zu verhehlen, So sehr er sich bemüht, ihm oft die Kräfte fehlen. |
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Die Freundschaft beut ihm alles was sie kann, Um seinen Unmuth zu zerstreuen, Aus ihrem schönen Mund mit so viel Anmuth an, Versichert ihn so oft, es würde sie erfreuen, Wofern das was ihn drückt vielleicht ein kühner Plan Zu Abenteuern ist, ihm ihre Macht zu leihen: Daß Idris sich zuletzt entschließt, Und sein Geheimnis ganz in ihren Schooß ergießt. |
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Unstreitig ist's, daß euch ein schönes Weib Mit ihrem Schooßhund oder Affen Weit lieber reden hört, den schalsten Zeitvertreib, Sogar – euch, pfeifend, selbst im Spiegel anzugaffen, Ja, auf den Sofa hin mit halbem Leib Gelagert, neben ihr zu gähnen und zu schlafen, Viel eher euch verzeiht, als eine Litanie Von dem was euer Herz erfährt und – nicht für sie. |
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Kein schlechters Mittel ist um seinen Hof zu machen, Das ist gewiß! – Erzählt so schön ihr wollt, Ihr macht die Weil' ihr lang, und sprächt ihr lauter Gold; Sie gähnt, wenn ihr mit euern schönen Sachen Das Gegentheil von dem, was ihr beweisen sollt, Ihr noch so stark beweist. Sprecht ihr vom grünen Drachen, Vom goldnen Pferd, vom blauen Vogel vor; Mit fremdem Lobe nur verschont ihr zärtlich Ohr! |
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Herr Idris sündigte sehr wider diese Regel; Allein Amöne macht die Ausnahm' auch von ihr. Aufmerksam sitzt sie da, gerader als ein Kegel, Mit unverwandtem Aug' und lauschender Begier; Und unterlag auch oft die sanfte Langmuth schier, So nagt sie lächelnd sich die rosenfarbnen Nägel, Besieht die Linien in ihrer weißen Hand, Dreht ihren Ring herum, und spielt mit einem Band. |
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Der Ritter spricht ihr von Zeniden Uns seiner Leidenschaft, entzückt wie ein Poet, Und mit sich selbst wie ein Poet zufrieden; Er glaubt, weil ihm dabey die Zeit so schnell vergeht, Die schöne Hörerin so wenig zu ermüden Als sich, und sorget nur, wie schwärmend und gebläht Auch seine Sprache tönt, daß er zu matt erzähle, Daß seinen Farben Kraft, dem Ausdruck Feuer fehle. |
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Die stärkste Schwärmerey erschöpfet sich zuletzt, Und endlich hört auch Idris auf zu sprechen. Amöne, welche sich inzwischen vorgesetzt, So bald er fertig ist, (denn endlich muß es brechen) Für den Roman, womit er sie ergetzt Und abkühlt, vollständig sich zu rächen, Rühmt seine Treu', lobt ihren Gegenstand, Und zeigt, Zenidens Werth sey ihr nicht unbekannt. |
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So sehr sie ihn deßwegen glücklich preiset, So ändert unvermerkt ihr Ton sich in Be moll. Sie sieht, indem sie ihn mit schwacher Hoffnung speiset, Bedenklich aus, sie seufzt, und spricht geheimnißvoll; Kurz so, daß was sie sagt und nicht sagt ihm beweiset Es sey nicht alles wie es soll. Er dringt so stark in sie, sich näher zu erklären, Daß sie genöthigt ist, die Bitte zu gewähren. |
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Wie ungern, fängt sie an, entschließt die Freundschaft sich Den süßen Irrthum dir auf ewig zu benehmen! Die Hoffnung, die du nährst, dein Schicksal zu bezähmen, Die Ungewißheit selbst war noch ein Gut für dich. Doch, Idris ist ein Held – und sich zu Tode grämen, Was auch die Ursach' sey, ist niemahls ritterlich! Ich rede denn, und zwar erfordert dein Verlangen Vom Ey die Sache anzugangen. |
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Der weise Astramond, der auf des Atlas Höh' Ein Zauberschloß bewohnt, war, eh' des Alters Schnee Auf seiner Scheitel lag, einst jung, wie zu erachten, Und ließ um seine Gunst kein hübsches Mädchen schmachten. Nur Eine, und zum Unglück eine Fee, Sah man umsonst nach seinem Beyfall trachten. Schön war sie nicht, noch jung, doch jugendlich genug, Daß sie an Stirn und Brust die hellsten Farben trug. |
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Allein, so rosenfarb die gute Frau sich kleid'te, So dick sie sich mit Schminke überzog, So künstlich ihr Gesicht bey Licht und in die Weite Sich dreyßig Jahre jünger log, So oft und ernstlich sie den Angriff auch erneute, So wenig half es ihr! – Natürlich überwog Der ewig frische Reitz der lieblichsten Sylfide, Und diese wurde bald zur Mutter von Zenide. |
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Die Alte wüthet wie ein Drache, Kratzt sich die Schminke ab, und rauft ihr dünnes Haar; Allein was bleibt bey so bewandter Sache, (Da jene nun geliebt und im Besitze war) Ihr übrig, als die Lust, die eitle Lust der Rache? Sie schwor so schrecklich, daß sogar Die Furien vor Angst in ihre Ketten bissen, Er soll den Frevel ihr erschrecklich büßen müssen! |
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Der Alten Macht war groß, doch größer nicht Als Astramonds, der ihrer Wuth nur lachte: Sie überlegte dieß bey kühlem Blut, und dachte, Der Zorn sey lächerlich, der mit dem Winde ficht. Die Schlaue zeigte nun ein ruhiger Gesicht, Und that so viel, bis sie ihn sicher machte. Man glaubte, daß die Zeit ihr Blut besänftigt hätte; Und die Sylfide kam nunmehr ins Wochenbette. |
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Nichts schöners als das Kind von welchem sie genas Ward, seit es Mütter giebt, geboren. Der Weise, der sich selbst vor Freude kaum besaß, Stellt seiner Tochter gleich das Horoskop, und las Sie sey zur Königin im Feenland erkohren. Der Trude, welche ihr den Untergang geschworen, War nicht im Horoskop gedacht; Allein sie blieb nicht aus, und gab auf alles Acht. |
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Als Astramond Zeniden zu begaben Nun fertig war, brach sie mit Wuth hervor und schrie: Ja, ja, dieß alles soll sie haben, Und mehr noch, wenn du willst: doch, lieben soll sie nie! Schön sey sie, lauter Reitz, reich an Minervens Gaben, Und wer sie anschaut, liebe sie, Und wer sie anschaut, soll mit Seufzern sie betäuben, Und sie allein soll unempfindlich bleiben! |
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Ein jeder sehne sich nach dem fatalen Glück Zu ihren Füßen sich zum Schatten abzugrämen; Ihr Anblick soll, gefährlich wie der Blick Des Basilisk, den Witz des klügsten lähmen, Dem die Vernunft, und dem das Leben nehmen! Und immer bleib' ihr Herz hart wie ein Felsenstück; Und der, den sie allein von andern unterscheidet, Sey, der am heftigsten durch ihren Kaltsinn leidet! |
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So sprach sie, sprang auf ihren Drachenwagen, Und fuhr im Blitz davon, nach böser Feen Art. Nun, Idris, kannst du selbst am allerbesten sagen, Ob an Zeniden sich der Alten Fluch erwahrt. Du liebest sie, und hast vermuthlich nichts gespart Der Treue Sold bey ihr davon zu tragen. Die Freundschaft schmeichelt nicht – allein, Wenn Du sie nicht gerührt, so muß sie fühllos seyn. |
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Ein stiller Seufzer hob, indem ihr dieß entfiel, Das Luftgeweb, der Liebesgötter Spiel, Das ihren schönen Busen küßte. Ein Itifall, und wer zu leben wüßte, Bedächte sich nicht lang' was er erwiedern müßte: Doch Idris merkte nichts. Von seiner Wünsche Ziel Dem er sich kaum so nah gesehen, So weit entfernt als je, verwünscht' er alle Feen. |
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Indessen wird durch das, was ihm Amön' erzählt, Doch sein Orakel nicht vernichtet. Mir scheint (erwiedert er) Amöne nicht berichtet, (Sonst hätte sie es mir vermuthlich nicht verhehlt) Daß ein Orakel mich zu Hoffnungen verpflichtet. Wofern mein Kuß das Marmorbild beseelt Das sich im Dom des Labyrinths befindet, So bricht die Zauberey, die jetzt Zeniden bindet. |
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Und diese Statue, das Ende meiner Pein, Und meiner Reisen Ziel, sie hab' ich nicht allein Nach langem Suchen ausgefunden; Sie wurde – Nein! es kann nicht Blendwerk seyn, Was ich gesehen und empfunden: Warm wurde sie von diesem Arm umwunden! Ich sah Gefühl in ihren Augen glühn, Und Amors Farbe hoch auf ihren Wangen blühn. |