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79. | |
In diesem Augenblick entführt der Zauberdegen, Der hier kein Leben übrig läßt, Der Nymfe das Gefühl, dem Jüngling das Vermögen. Ein Anblick, Herzen von Asbest, Und nicht Schach-Baham nur, zum Weinen zu bewegen! Der Ritter, von Natur und Ahnungen gepreßt, Mißbilligt bey sich selbst die Härtigkeit der Feen, Und bleibt gedankenvoll bey dieser Gruppe stehen. |
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80. | |
Er setzet sich an ihre Stelle hin: Wie, wenn nun endlich sich Sie, deren Sklav' ich bin, Um die ich schon so lang' im stillen Gram zerfließe, Wie wenn Zenide sich dereinst erweichen ließe; Ihr schmelzend Auge mich nun alles hoffen hieße Was so viel Treu' verdient, und irgend ein Merlin, Wenn ich bereits mich halb vergöttert fühlte, Uns einen Streich wie diesen beiden spielte? |
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81. | |
Indem er sich in diesem Traum verliert, Macht ihn sein Freund den Abendstern bemerken, Der schon zum Sfärentanz die Sterne aufgeführt. Nach allen ritterlichen Werken, Womit er diesen Tag geziert, Ist's, spricht er, Zeit, den Leib durch Pfleg' und Ruh zu stärken. Für Helden eurer Art ist zwar mein Dach zu schlecht, Doch eure Gütigkeit giebt mir zu hoffen Recht. |
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82. | |
Der Ritter, von Zerbins verbindlichem Betragen, Gestalt und Ton gerührt, in dessen sanftem Klang Was sympathetisches ihm in die Seele drang, Bedenkt sich nicht, ihm dankend zuzusagen, Ob seiner Reise Zweck ihn gleich zu eilen zwang. Sie gehen aus dem Schloß; da kommt ein Muschelwagen, Sehr schön geschnitzt, gemahlt, lackiert, vergoldt, Auf leichten Rädern angerollt. |
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83. | |
Den Wagen ziehn zwey schwanenweiße Pferde, Von jener Art, wovon Virgil uns singt, Daß sie auf steilen Höh'n, wenn sich die Welt verjüngt, Von Zefyrs Hauch empfangen werde; So schnell verschlingt ihr Flug die kaum berührte Erde. Ein Sylfenpaar, gelblockig, goldbeschwingt, Schwebt nebenher, der Pferde Flug zu leiten, Und Raspinette trabt mit stolzem Gram zur Seiten. |
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84. | |
Sie sitzen ein, der Wagen fleugt In sanftem Sturm davon; nach wenigen Sekunden Ist Schloß und Wald aus ihrem Blick entschwunden; Schon nahen sie dem See aus dem die Insel steigt, Worin Zerbin vor dem der ihn gezeugt (Dem Feinde seines Glücks) geheimen Schutz gefunden; Der holde Sitz, den, ohne fremde Pracht, Natur und Liebe schon zum Paradiese macht. |
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85. | |
Nichts schöners hat, nach tausendfacher Noth, Erschöpft vom langen Kampf mit nie geprüften Wellen, In deren jeder euch ein neuer Tod bedroht, Standhafter Anson, dir und deinen Schiffsgesellen, Vom Mast herab entdeckt, verschönt vom Morgenroth, Das zaubrische Gemisch von Felsen, Wasserfällen, Leicht schattendem Gebüsch, und Thal und Blumenfeld In Juan Fernandez dargestellt: |
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86. | |
Nichts schöners, machte gleich die lechzende Begierde Nach frischer Luft und lang' entbehrtem Grün, Daß mancher Gegenstand, der sonst kaum rühren würde, Dem freudetrunknen Sinn ganz überirdisch schien; Die Quelle trinkbar Gold, der Auen grüne Zierde Smaragd, der Lüfte Hauch Violen und Schasmin; Däucht den Entzückten gleich, daß Hügel und Gefilde Was glänzenders als Sonnenschein vergülde. |
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87. | |
Ein neuer nachgeahmter Tag War durch der Sylfen Kunst der Insel aufgegangen; Mit Lampen ohne Zahl war jeder Baum behangen, Bey deren buntem Schein, verstärkt vom Widerschlag, Wie ein Elysium den Augen offen lag: Erweckt vom ersten Schlummer sangen Die Vögel überall zum neuen Tag hinauf, Und jede Blume schloß den holden Busen auf. |
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88. | |
Der Paladin, wiewohl das Herrlichste auf Erden Zu hören und zu sehn von Kindheit an gewöhnt, Scheint doch entzückt hiervon zu werden, Weil die Erinnerung der zauberischen Gärten, Wo seine Augen oft Zenidens Brust bethränt, Ihn unvermerkt beschleicht, und was er sieht verschönt: Er glaubt halb träumend sich dahin versetzt zu sehen, Und überläßt sich ganz den täuschenden Ideen. |
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89. | |
Ihn däucht, die Göttin sitz' an einer Myrtenwand Von Rosen überwölbt, und er zu ihren Füßen. Er zittert fast, des Anblicks zu genießen Der ihn zur Qual entzückt; wie scharf, wie unverwandt Sucht er in ihrem Blick der Gegenliebe Brand! Umsonst! Ihr Lächeln kann die Marter nicht versüßen Sich ungeliebt zu sehn; sie liebt ihn nur aus Pflicht, Und ihr gelaßnes Herz theilt sein Entzücken nicht. |
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90. | |
Kann nichts, (so ruft er aus, und hat vor Schmerz vergessen, Daß ihn ein fremder Zeuge hört) Kann all mein Leiden denn nur Mitleid dir erpressen, Und ist der Liebe Glück auf ewig mir verwehrt? Hier bricht er ab – läßt gleich sein Freund ihn ungestört In seinen Traum versenkt. Der Wagen hält indessen Am Ufer, wird ein goldner Kahn, Und jedes Pferd ein lang gehalster Schwan. |
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91. | |
Das Abenteuerlichste was Arioste dichten Ließ alles, was bisher dem Ritter widerfuhr, So weit zurück als jenes die Natur; Drum weckt ihn auch aus seinen Traumgesichten Dieß neue Wunder nicht. Die schöne Lila nur Hat Reitz genug den Zauber zu vernichten, Der seine Sinne schwächt: bey aller seiner Treu' Gestand sein Herz sich doch wie liebenswerth sie sey. |
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92. | |
Sie war, um ihren Gast und Retter zu empfangen, Vor einer Stunde schon ans Ufer ausgegangen. Der Nachen, der ihn führt, erreichte nun den Strand. Sie beut ihm anmuthsvoll die Hand, Da er ans Ufer steigt, und ohne Widerstand Bewilligt sie den Kuß, der ihre Wangen Vertraut doch ehrerbietig grüßt, Indeß Zerbin sie beid' in seine Arme schließt. |
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93. | |
Das Liebesbündniß schöner Seelen Knüpft oft der erste Augenblick: Wenn andre, eh' sie Freunde wählen, Was sich dabey gewinnt erst emsig überzählen, Vermählet jene schon ein Wort, ein stiller Blick; Gleich Spiegeln strahlet eins des andern Bild zurück; Sie wählen nicht, sie fühlen sich getrieben, Und lieben ihren Freund wie sie sich selber lieben. |
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94. | |
So war die schöne Sympathie Die diese drey verband. Sechs Stunden machten sie, Sie, die sich nie gekannt, zu Bruder und zu Schwester. Es schien, daß die Natur sie selbst zusammen zieh', Und jeder Anblick zog die sanfte Kette fester. Sie gingen Hand in Hand. Ein himmlisches Orkester (Dem ein geheimer Wink hierzu Befehle gab) Schallt aus der goldnen Luft, indem sie gehn, herab. |
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95. | |
Zehn tausend engelgleiche Kehlen Wetteifern einzeln und im Kor Mit Stimmen, deren Klang Neapels Filomelen Zu Raben macht, dem überraschten Ohr Von der, die Idris liebt, die Wunder zu erzählen. Der Ritter stutzt, bleibt stehen, schaut empor, Sieht seine Freunde an, und sieht, noch mehr betroffen, Auch ihren Augenstern so weit als seinen offen. |
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96. | |
Die gleiche Frage schwebt auf jedem Mund, indem Der Paladin auch seinen Nahmen höret. »Zenide? – Idris? – Wie? von wem, Von welchem Helden sieht sich unser Haus beehret? Nie überraschte uns das Glück so angenehm! So hat die Hoffnung denn, die wir so lang' genähret, Uns nicht getäuscht, und ist die Stunde nah, Die unsre Kleinmuth noch in trüber Ferne sah?« |
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97. | |
Man kennet mich, (so ruft der Held dazwischen) Man kennt Zeniden hier? Erklärt mir, Herr Zerbin, Wie dieses möglich ist? – Erlauchter Paladin, Versetzt sein Wirth, so gern ich auch gehorsam bin, So nöthig ist's uns erst ein wenig zu erfrischen: Die Tafel ladet uns in jenen Rosenbüschen Zu einem leichten Gastmahl ein, Und was ihr wissen wollt soll unser Nachtisch seyn. |
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98. | |
In einem kleinen Wald von Pomeranzenbäumen Erhob sich ein Gezelt von duftendem Schasmin, Mit Rosen untermischt, in denen Gold, Rubin Und unbefleckter Schnee zu keimen Und aus smaragdnem Laub beynah zu brennen schien; Ein Ort zu Amors Spiel und zu vergnügten Träumen; Mit hundertfachem Licht erhellt Ein Leuchter von Krystall dieß liebliche Gezelt. |
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99. | |
Den sanften Boden deckt, gestickt mit Perlenkränzen, Ein reicher Stoff, ringsum belegt Mit Polstern von Damast; ein goldner Amor trägt Den aufgesetzten Tisch, und Nektarflaschen glänzen Aus kühlem Eis, das hier im Reich des Lenzen Des Winters Bild, allein zur Lust, erregt: Auch siehet man, den Dienst bey Tische zu versehen, Drey rosenwangige Sylfiden seitwärts stehen. |
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100. | |
Der Ritter tritt, an Lila's Hand, In diesen schönen Ort. Doch alle Niedlichkeiten, Womit im Überfluß der Tisch beladen stand, Der Wirth und sein Gemahl, die in die Wette streiten Auch über ihren Gast die Freude auszubreiten, Wofür ihr zärtlich Herz sich ihm verbunden fand, Kein Wein, kein Scherz, kein Saitenspiel vermochte Die Neugier aufzuziehn, die ihm im Busen pochte. |
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101. | |
Welch ein geheimes Band verflicht Das Schicksal dieses Paars mit meinen Abenteuern? So, scheint es, frage stets sein staunendes Gesicht; Bis, seiner Ungeduld zu steuern, Zerbin den Becher füllt, und spricht: Heil dieser Tag, – ihn soll mein Enkel feiern! – Der uns den Helden finden ließ, Den das Orakel uns so bald nicht hoffen hieß! |
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102. | |
Von Schmerzen, die vielleicht unheilbar sind, zerrissen, (Versetzt der Paladin) was könnte mir die Pein, Wozu die Sterne mich verdammen, sonst versüßen, Als meiner Freunde Glück beförderlich zu seyn? Mein fühlend Herz mach ihr Vergnügen mein. Allein, was kann Zerbin in Lila's Armen missen? Er, der geliebt sich sieht, und was er liebt genießt? Was können Götter selbst für den der glücklich ist? |
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Dem Glücke, das ihm lacht, den Unbestand verwehren, Erwiedert ihm Zerbin. Doch, wenn es euch gefällt, Die seltnen Wunder anzuhören Die unser Lebenslauf enthält, So wird euch mein Bericht die Sorge kennen lehren, Die meine Ruhe, selbst in Lila's Arm, vergällt. Vielleicht daß wir dadurch ergründen, Was wir noch räthselhaft in unserm Schicksal finden. |
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104. | |
Ihr kommt, versetzt der Held, dem leisen Wunsch zuvor Der lange schon auf meinen Lippen schwebet: Vertraut euch ohne Scheu der Freundschaft sicherm Ohr, Und glaubt gewiß, daß Idris nicht mehr lebet, Wenn niemand ist der sich zu eurem Dienst bestrebet. Itzt schweigt die Symfonie; ein flatternd Sylfenkor Setzt goldne Körbchen auf voll auserlesner Früchte; Und nun beginnt Zerbin die folgende Geschichte. |