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27. | |
Indeß der Knabe nun des kleinen Spielgesellen Sich kindlich freut und alles sonst vergißt, Wird seine Wiederkunft vermißt. Die Mutter sucht ihn selbst, wo nur zu suchen ist, Im Hof, im Blumenhain, in allen Gartenstellen, In Grotten, im Gebüsch, bey allen Quellen, Doch weder Kind noch Sylfe zeigt sich ihr. |
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28. | |
Zuletzt besinnt sie sich, daß man auf einem Nachen Zum Schwanenhaus ihn oft zu führen pflegt. Sie schaut am Wasser hin; da wird sie einen Drachen Jenseits des Sees gewahr, der im weit offnen Rachen Den Liebling ihrer Brust tief ins Gebüsche trägt. Es war ein Blendwerk nur, durch Zauberey erregt, Ein Luftgespenst, das ihre Augen täuschte; Doch Lila hörte nichts als was die Mutter heischte. |
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29. | |
Das Leben, das die starren Glieder Vor Schrecken schon verließ, giebt ihr die Liebe wieder; Sie stürzt sich in die Flut und schwimmt ans andre Bord; Doch, da sie es erreicht, war Kind und Drache fort. Sie rennt auf seiner Spur im Walde auf und nieder, Und denkt vor Angst nicht eher, welchem Ort Sie sich vertraut, bis, vom Gebüsch verstecket, Ein wiehernd Lachen ihr den nahen Feind entdecket. |
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30. | |
Indessen hallt, da Kind und Mutter fehlt, Mein kleines Haus von lauter Jammer wieder. Ich flieh' der Lampe zu; der Geist, der sie beseelt, Erscheint im Donner, und erzählt Mir alles, was geschah, wirft drauf sich vor mir nieder, Und weiht, nach seinem Brauch, sich selbst und seine Brüder Zu meinem Dienst; doch schwört er mir dabey, Daß des Centauren Sitz ihm unzugangbar sey. |
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31. | |
Er spricht: Kein Zauberer, selbst den nicht ausgenommen, Der auf dem Atlas wohnt, vermag ihm beyzukommen; Die ganze Geisterwelt wird nur von ihm verlacht: Ein junger Ritter ist's, dem das Gestirn die Macht Ihn zu vertilgen zugedacht, Und dieser ist zum Glück itzt eben angekommen. Sey guten Muths! dein Sohn ist unversehrt, Und dem Centauren wird bereits die Flucht verwehrt. |
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Mit diesem schlang der Geist den Arm um meine Hüften, Und plötzlich fand ich mich in diesen Park versetzt. Das erste, was darin mein suchend Aug' ergetzt, War Zerbinet, mein Sohn, der unverletzt Auf Asfodilen schlief, die sonst den Schlaf vergiften; Doch Weste wehten ihn mit frischen Balsamdüften Gesunden Schlummer zu: ich hob erfreut ihn auf, Und eures Zweykampfs Lärm beschwingte meinen Lauf. |
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Das andre wißt ihr selbst. Und o! gebenedeiet Sey Stund' und Augenblick, in welchem euer Muth Mein andres Ich aus dieser Noth befreyet! Der Wohlthat Größe gleicht dem Gut Das ihr mir wieder schenkt, und jeder Tropfen Blut, Der diese Adern schwellt, sey euch dafür geweihet! Geliebt zu seyn braucht ihr euch nur zu zeigen; Doch unsre Herzen macht euch Pflicht und Neigung eigen. |
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Soll aber dieses Tags Verdienst vollkommen seyn, So lasset euch die edle Müh nicht dauren, Die Königstöchter zu befreyn, Die noch im Zauberschloß des üppigen Centauren, Als Opfer seiner Lust, um ihre Freyheit trauren: Denn dieses Abenteu'r gehört für euch allein. Herr Ritter, folget mir! Mein Weib besorgt indessen Auf unsre Wiederkunft ein ländlich Abendessen. |
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Der Paladin, den nichts so sehr erhitzt Als schöner Thaten Reitz, läßt sich nicht zweymahl laden. Sie wandern lang' auf ungebahnten Pfaden, Bis ihnen auf der Höh' das Schloß entgegen blitzt, Das seiner Thürme Last auf goldne Pfeiler stützt. Das Feldgeschrey der Satyrn und Mänaden Scheint ihnen schon von fern Bewohner anzukünden, Die ihre Fröhlichkeit an keine Regeln binden. |
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Kaum stieß ans erste Thor, das ihm entgegen stand, Des Ritters Wunderschwert, so war es aufgeschlossen. Sie gehn hinein; da kommen zwey Molossen,Große Schafhunde, von dem Distrikt Molossus in Epirus, wo ihre Rasse einheimisch war, so genannt. Aus Silbererz durch Zauberkunst gegossen, In voller Wuth laut bellend angerannt: Der Löwen Grimm, die durch den glüh'nden Sand Numidiens mit dürrem Rachen streichen, Und Plutons Hofhund selbst muß diesen Hunden weichen. |
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Doch Idris zückte nur den Degen gegen sie, So blieben sie erstarrt und unbeweglich stehen; Nichts wehrt ihm nun durch Hof und Gallerie Ins innre Schloß hinein zu gehen. Was zügellose Fantasie, Was Zauberey vermag, war hier vereint zu sehen: Ein jeder Gegenstand, ein jeder Winkel beut Versuchungen zu schnöder Üppigkeit. |
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Dem Gott des Weins, und dem, auf dessen Pfahl Einst üblich war die Bräute Roms zu wiegen, Wird hier ein großes Bacchanal Gefei'rt: man singt, und jauchzt, und stampft den Marmorsahl; Es rauschen Bäche Weins aus umgestürzten Krügen Den Überwundnen zu, die schon zu Boden liegen; Selbst Freunden, welche sonst verschämt in Grotten fliehn, Bekümmert man sich nicht den Augen zu entziehn. |
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Die Sitten dieser wilden Herde Erhebt bey vielen noch die zwittrische Figur; Den Menschen gleichen sie bis an den Gürtel nur, Die andre Hälfte stampft mit hartem Huf die Erde: Man zeigt die freche Stirn und üppige Geberde Mehr von der wiehernden als menschlichen Natur. Ihr Frauenvolk sogar, erhitzt von Tanz und Wein, Scheint stolz auf seine Schmach, anstatt beschämt zu seyn. |
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Die Schönste dieser Mitteldinge Von Menschen und von Vieh wirft auf den Paladin Mit offnen Armen sich wie eine Trunkne hin; Doch weder ihres Haars gelockte schwarze Ringe, Noch die gewölbte Brust erschüttert seinen Sinn. Kaum zieht er sich bestürzt aus dieser Schlinge, Als eine andre schon, gefühlt bevor erblickt, Ihn brünstiglich an ihren Busen drückt. |
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Er ringet noch mit ihr, da schon ein neuer Schwarm Bezechter Nebenbuhlerinnen Ihn um und um bestürmt. Die Menge macht ihm warm Und wärmer noch ihr üppiges Beginnen. Er sucht umsonst die Thüre zu gewinnen, Ihm bleibt zum Schirm allein sein Degen und sein Arm. Gezwungen zieht er itzt das Flammenschwert der Feen: Sie sehen's, wollen fliehn, und bleiben plötzlich stehen. |
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Sie bleiben stehn, und keines rührt sich mehr Als sich ein Todter rührt; sie scheinen nur zu leben; Von Athem ist die Brust, von Gluth das Auge leer, Und in den Stellungen, worin sie ungefähr Der Zauber überfiel, muß jedes ewig schweben. Der Sieger kann sich nun, wohin er will, erheben; Das ganze Schloß gleicht einer Todtengruft, Und nur der Wiederhall antwortet, wenn er ruft. |
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Itzt führet ihn Zerbin durch viele offne Zimmer, Von denen eines stets an Aufputz, Pracht und Schimmer Das andre überstrahlt, durch manchen Säulengang, Und manchen Sahl, so hoch und lang Und reich an goldnem Glanz, als immer Augusta'sDer große Sahl auf dem Rathhause zu Augsburg. Fürstensahl. Bald wird dem Ritter bang, Aus dieses Labyrinths Dädalischen Gewinden Zuletzt den Ausgang nicht zu finden. |
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Doch geht er fort, bis ihm ein Thurm von schwarzem Stein Den Weg versperrt. Hier muß, spricht sein Begleiter, Dem Ansehn nach, ein Kerker seyn; Der Tag ist hier verbannt, kaum macht der todte Schein Von einer Lampe noch den finstern Zugang heiter; Auch seh' ich keine Thür. Doch, hier ist eine Leiter! Wir wollen – Nein, spricht Idris, laß sie stehn, Erspare dir die Müh, ich kann durch Mauern gehn. |
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Er sagte nicht zu viel: so bald der Zauberdegen Den Thurm berührt, so gähnt der Stein und springt. Beym schwachen Schein, der in die Öffnung dringt, Däucht sie als sähen sie im Dunkeln was sich regen. Sie nähern sich, bis sie erkennen mögen, Es sey ein Frauenbild, das seine Hände ringt. Erschrocken fährt sie auf, indem die schwarzen Mauren Sich öffnen, denn sie meint sie sehe den Centauren. |
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Sie fällt, ganz außer sich, auf ihre Knie und faltet Die Hände auf die Brust; ihr banges Auge rollt, Und ungeflochten fliegt der langen Haare Gold Um Stirn und Nacken her. – Ist deine Wuth erkaltet, Ruft sie mit einem Ton, der fast die Felsen spaltet, So sey nur dieses Mahl dem Flehn der Unschuld hold; Gieb mir den Tod, Tyrann! Du kannst mir sonst nichts geben Das mir erträglich ist; ich will nicht länger leben. |
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Sey ruhig, schönes Kind, antwortet ihr der Held, Dein Leiden ist vorbey und dein Tyrann gefällt; Dieß Schwert, das nur den Bösen schrecklich blitzet, Hat Unschuld stets gerächt und Schönheit oft geschützet. Er spricht's, indeß sein Arm sie freundlich unterstützet. Die Schöne, die beynah für einen Gott ihn hält, Beginnet nun sich allgemach zu fassen, Und wagt's, auf sein Gesicht, sich ihm zu überlassen. |
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Sie folgt, doch wankend noch, dem Ritter in den Sahl, Wo, wie er es verließ, das ganze Bacchanal Gleich Bildern schwebt, die Püget oder Nahl Aus Stein zum Daseyn aufgewecket, Und sie, bis ihre Hand der Augen Wahn entdecket, Mit nachgeahmtem Leben schrecket. Nun schaut sie dreister auf; doch gleiten ihre Augen Sogleich von Gruppen ab, die nicht für Mädchen taugen. |
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Allein wie stutzet Idris nicht, Da sie auf der Centauren einen Mit offnen Armen eilt, und einem Angesicht, Worin ein Freudenstrahl mit Thränenwolken ficht! Wie sie ans Herz ihn drückt! Ihr solltet wirklich meinen, Sie werde sich mit ihm versteinen. So find' ich, ruft sie aus, so find' ich, noch zuletzt Dich, ohne den ich mir zu sterben vorgesetzt! |
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Doch, Götter! ach, wie findet Dejanire Den Liebling ihrer Brust? – Verwandelt und erstarrt? Wie? kalt in meinem Arm? entseelt? – und ich verliere Das Leben nicht, das mir zur Qual erhalten ward? Unsel'ger Prinz von Kaschemire! O warum wurd' ich nicht im Meeresgrund verscharrt! O warum raubtet ihr mit grausamem Erbarmen, Verhaßte Sterne, mir den Tod in seinen Armen! |
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So ruft sie kläglich aus, indem ein Thränenguß Sein starres Auge wäscht und seine Marmorwangen. Umsonst! Er fühlet nicht den liebevollen Kuß, Erwiedert nicht ihr brünstiges Umfangen! Den Ritter schmerzt so sehr was sie erdulden muß, Daß große Tropfen ihm an beiden Backen hangen; Jedoch Zerbin haucht ihnen Hoffnung ein: Das Übel, spricht er, kann vielleicht noch heilbar seyn. |
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Der Prinz von Kaschemir', wie ihn Madame nennet, Ward, wie es scheint, von ihr durch einen Sturm getrennet? So ist es! schluchzt die Frau: ihm hatte mich zur Braut Der Sultan von Katay, mein Vater, angetraut. Zu unsrer Reise ward das schönste Schiff gebaut; Der Abschied war betrübt, doch, wie ihr denken könnet, Verkehrte noch vor Untergang der Sonne Die Aussicht unsers Glücks die Traurigkeit in Wonne. |